Bericht über die comInfo 2002 in Frankfurt am Main

von Annette Leßmöllmann

Neue Herausforderungen für Bibliotheken und Verlage, elegante Cross-Suchmöglichkeiten für Datenbanken und Internet: Auf der comInfo 2002 in Frankfurt am Main konnten viele Blicke in die Zukunft geworfen werden.

Es war zuweilen eine schweißtreibende Angelegenheit im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens: 55 Aussteller, hauptsächlich deutsche Firmen, nutzten die comInfo 2002 vom 3. bis 5. Juni 2002, um neue Technologien rund um die Suche und Aufbereitung von Informationen vorzustellen. Bei hochsommerlichen Temperaturen kurz unter der 30 Grad Grenze strömten die Besucher zahlreich und schoben sich durch die schmalen Gassen zwischen den Ständen und auf der Galerie. Ein erfreulicher Andrang, der aber auch die Temperatur in dem hübschen Gebäude aus dem 19. Jahrhundert fühlbar ansteigen ließ.

Zielgruppe der comInfo 2002, die sich als neue "Leitmesse der Informationswirtschaft positioniert", sind die Information Professionals, also alle Fachleute, die mit technologischen Mitteln Informationen und gegebenenfalls daraus gewonnenes Wissen bereitstellen. So unterschiedlich wie deren Berufsbilder sind, waren auch die Aussteller auf der Messe: Zum einen Contentanbieter, beispielsweise von Marktdaten. Unternehmens- und wissenschaftlich-technischen Informationen, zum anderen intelligente Recherchetools, etwa zum Auffinden und Weiterverarbeiten von Gesetzestexten und wissenschaftlichen Artikeln, bis hin zur "Content Syndication", also dem Vertrieb gleicher Inhalte über verschiedene Anbieter.

Qualität statt Quantität

Die Deutsche Gesellschaft für Informationswirtschaft und Informationspraxis (DGI), Veranstalter der neuen Messe, wertete den Andrang als positives Zeichen und freute sich darüber: "Die Branche signalisiert uns, dass sie die Messe braucht", sagte Christine Fisch, Leiterin der DGI Geschäftsstelle in Frankfurt. Klein aber fein, das war die Devise und so konzentrierte sich die Messe vor allem auf Anbieter, die ihren Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten. "Einzelnutzer ebenso wie Firmen wünschen personalisierte Information", sagte Fisch: Informationen sollen nicht mehr nur nach dem Zufallsprinzip oder gar gesteuerter Suchmaschinen-Prioritätsliste abrufbar sein. Vielmehr verlangen die Nutzer neuer Suchmedien, dass sie bei der Recherche auch nur das bekommen, was sie wirklich benötigen, und dass die Ergebnisse beispielsweise mit einem auf sie zugeschnittenen Ranking erscheinen.

Parallel zur Messe fand die 24. Online-Konferenz "Content in Context” statt. Die regelmäßige Frühjahrs-Fachtagung der DGI lud "Information Professionals" ein, zu zwölf Schwerpunktthemen Stellung zu nehmen. Diese reichten von der Benutzerführung in Suchmedien über die technische Bewältigung großer Datenmengen bis hin zu neuen Konzepten, wie Informationen verbreitet werden (können).

In den Vorträgen, aber auch auf der Messe wurde deutlich, wie sehr die Informationswelt im Wandel ist. Und dies betrifft ganz besonders die althergebrachten Institutionen, die sich der Wissensverbreitung widmen: Die wissenschaftlichen Verlage und die Bibliotheken sehen sich vielen Herausforderungen gegenüber. Finanzmittelknappheit in den Universitätsbibliotheken bewirkt, dass manche Zeitschriften nicht mehr abonniert und teure Monographien nicht mehr gekauft werden können. Ein Trend geht nun dahin, dass die Bibliotheken selbst als wissenschaftliche Verleger auftreten, wie dies ja beispielsweise über die Möglichkeit, Dissertationen online auf dem Bibliotheksserver zu veröffentlichen, an vielen Universitäten heute schon geschieht. Ein weiterer Trend geht zu universitätseigenen Verlagen, was sich in dem Projekt "German Academic Publishers" zeigt: "GAP" ist eine Initiative der Universitäten Hamburg, Karlsruhe und Oldenburg, die sich an anglo-amerikanischen Vorbildern (z.B. Oxford University Press) orientiert.

Bibliothekare werden zu Lehrern und Trainern

"Die Aufgabe der Bibliothekarinnen und Bibliothekare wird nicht mehr das Erwerben, Katalogisieren und Verteilen von Büchern und Zeitschriften sein", sagte Dr. Karl Südekum, Leiter der Universitätsbibliothek Würzburg und früherer Vizepräsident der DGI. "Sie werden statt dessen viel mehr darüber zu informieren haben, wo die Bücher und Zeitschriften zu finden sind", wobei der Suchraum sich auch weit jenseits des Bibliotheksbestandes bewegt – zum Beispiel in externe Datenbanken und im World Wide Web. Laut Südekum werden Bibliothekare also bald als Lehrer oder Trainer für Informationssuchende tätig sein, indem sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beispielsweise darin einweisen, sich in verschiedenen Datenbanken zurechtzufinden. Diese neuen Aufgaben im Bibliothekswesen schlagen sich laut Südekum bereits deutlich im Ausbildungswesen nieder. Sie sind aber auch ein Reflex auf den Druck, der durch die Forschung selbst ausgeübt wird: Immer mehr Wissenschaftler beginnen damit, ihre Beiträge auf institutseigenen Servern zu publizieren – ganz ohne Verlag, aber auch ganz ohne Bibliothek. So stellte ein Physiker der Universität Oldenburg auf der Tagung das Projekt SINN vor, eine Suchmaschine, die sich auf die Datenbanken von Instituten konzentriert. Angesichts der Zeitschriftenkrise ein nachvollziehbarer Versuch, nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Suche nach wissenschaftlicher Information internetgerecht der Initiative der einzelnen Nutzer zu überlassen. Doch wie auf diese Weise Qualitätssicherung für die Veröffentlichung von Forschungsarbeiten betrieben oder die langfristige Archivierung und Zugangssicherung gewährleistet werden sollen: Diese Fragen konnten nicht beantwortet werden.

Wissenschaftsverlage kümmern sich um die Suche im Netz

Auch wissenschaftliche Verlage antworten auf den Druck, der aus der Wissenschaft kommt und versuchen, sich die Suche im Netz nicht aus der Hand nehmen zu lassen. So hat Elsevier eine eigene Suchmaschine entwickelt, die kostenlose Angebote im Web, aber auch kostenpflichtige Quellen und Universitäts-Homepages durchsucht: SCIRUS (www.scirus.com) soll sich ganz auf wissenschaftliche Inhalte konzentrieren. Anders als die Suchmaschine Google wird SCIRUS auf das Suchwort "Dolly" hin nur Links zu Seiten über das geklonte Schaf ausgeben, nicht aber zu Seiten über Schauspielerinnen mit diesem Vornamen. SCIRUS lebt davon, dass Informationsanbieter ihre Webadresse in die Suchmaschine eintragen, so dass deren Reichweite ständig wächst. Kostenfrei sind bei SCIRUS allerdings nur die ersten fünf Treffer.

Auch der Springer-Verlag in Heidelberg begeht mit seinem über zwölf Jahre aufgebauten LINK-Service in der sogenannten Link-Initiative neue Wege. Auf www.link.springer.de können Benutzer jetzt nicht mehr nur die Bestände des Springer-Verlages und seiner Töchter durchforsten, sondern auch inhaltlich verwandte Internetseiten finden, beispielsweise von wissenschaftlichen Gesellschaften mit ihren eigenen Datenbeständen. Außerdem verlinkt LINK auf andere Datenbanken wie z.B. ChemPort oder SciFinder. Laut Gertraut Griepke, Direktorin von Springer Journals/LINK, "müssen die wissenschaftlichen Verlage die Suchmaschinen bedienen, um die Qualität zu steigern". Auch hier wird die Suchhilfe für Benutzer also groß geschrieben, sicherlich auch mit dem Ziel der Kundenbindung.

Ein Portal zur simultanen Suche in verschiedenen Katalogen

Je mehr Information in der Welt, desto mehr Datenbanken und Wissensbasen gilt es bei einer Suche zu durchforsten – Informationsvermittler können ein Lied davon singen. Jede Datenbank hat ihre eigenen Zugangsmodalitäten, ihre eigene Sprache und Kodierung, und das macht die Suche oft langwierig und damit kostenträchtig. Deswegen hat die fränkische infopeople AG (www.infopeople.de) ein System entwickelt, das bei einer Rechercheanfrage gleichzeitig verschiedene Datenbanken durchsucht. Der Benutzer arbeitet komfortabel mit einer einzigen Oberfläche, und das System durchsucht nicht nur das WWW, sondern je nach Einstellung auch lokale Wissensquellen wie z.B. das Intranet. Eine ähnliche Idee – ein Zugang, aber viele Quellen – hat die LIB-IT GmbH aus Pleidelsheim (www.libit.de) extra für das Bibliothekswesen entwickelt. Mit Libero OpenSearch bietet die Firma ein Portal an, mit dessen Hilfe simultan in verschiedenen Katalogen gesucht werden kann. Das Programm basiert auf der Lösung MUSE, dem Multi-user Universal Searching Environment der Firma MuseGlobal Inc. (www.museglobal.com) aus New Mexico, USA: einem der wenigen internationalen Aussteller auf der comInfo 2002.

STN SAT löst das "Appropriate Copy Problem"

Eine der wichtigsten Plattformen für die Suche nach naturwissenschaftlichen und technischen Fachpublikationen sowie Patenten ist das Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe (www.fiz-karlsruhe.de). Als deutscher Partner von STN International (The Scientific and Technical Information Network) bietet FIZ Karlsruhe Zugang zu über 210 Datenbanken und rund 350 Millionen strukturierten Dokumenten, über die sich interessierte Messebesucher auf der comInfo informieren konnten. Mit "STN Easy for Intranets" bietet das Servicezentrum für die Informationsversorgung der Forschung in Wissenschaft und Wirtschaft neu die Integration dieser browser-gestützte, intuitiv zu bedienende Recherche-Oberfläche zur Integration in den firmeneigenen Workflow an. Die Recherche selbst sowie die Zugriffsverwaltung und -kontrolle laufen auf den Servern von STN International ab. Verbindet man STN Easy for Intranets noch mit der Volltextkomponente des neuen Profi-Werkzeuges "STN Site Administration Tool" (STN SAT), lässt sich damit auch das sogenannte "Appropriate Copy Problem" lösen; das Problem des Bezugs des Volltextes vom richtigen Lieferanten. STN SAT integriert die Volltextbeschaffung (zu Datenbank- oder anderen Literaturreferenzen) aus verschiedenen Quellen, zum Beispiel aus den teilautomatischen Volltext-Lieferdiensten ChemPort oder FIZ AutoDoc sowie aus Bibliotheken, von Verlagen und aus internen Quellen im Intranet. Das professionelle Administrationswerkzeug ermöglicht die individuelle Zugriffssteuerung anhand von ISSN-Listen, die in das System eingebracht werden und mit deren Hilfe der Informationsmanager zum Beispiel definieren kann, für welche Fachzeitschriften die Bibliothek Abonnements zur elektronischen Nutzung hat, welche Literatur im eigenen Bestand verfügbar ist und welche externen Quellen genutzt werden können.

Auch diese Administrationswerkzeuge bestärken einen Trend, der auf der comInfo 2002 zu erkennen war: Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowie Wissensmanager in Firmen und selbst Wissenschaftler an Universitäten (zumeist aus naturwissenschaftlichen Disziplinen), arbeiten heftig am Aufbau von instituts- oder firmeneigenen Informationsnetzen sowie eigenen Wissensressourcen. Und die Informationswirtschaft versucht, sich dort durch Content, intelligente Werkzeuge und Softwareangebote einzubringen und den Informationsfluss von Anfang bis Ende zu gestalten.