Les bibliothèques universitaires. Évaluation des nouveaux bâtiments (1992-2000)

Hrsg. Marie-Françoise Bisbrouck; Ministère de l’Éducation nationale, Direction de l’Enseignement supérieur, Sous-direction des Bibliothèques et de la Documentation


- Paris: La Documentation Française 2000. 152 Seiten. (frz.)
ISBN: 2-11-004575-2; Euro 38,-

Fast zwanzig Jahre lang, vom Beginn der siebziger bis zum Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, wurde trotz in erheblichem Maße zunehmender Studentenzahlen für die Hochschulen und Universitäten in Frankreich kein einziges Bibliotheksgebäude errichtet. Dies führte dazu, dass vom Jahre 1991 an Bauprogramme im Umfang von 350.000 m² für Bibliotheksbauten im Hochschulbereich begonnen wurden. In diesem Rahmen wurden 110 Bibliotheksgebäude neu errichtet, erweitert oder umgebaut.

Die vorliegende Veröffentlichung stellt das Ergebnis einer Umfrage bei einer Anzahl von Bibliotheken zur Bewertung der zwischen 1992 und 2000 durchgeführten Bauvorhaben dar. Angesprochen waren die für die Planung und den Bau Verantwortlichen der einzelnen Bibliotheken. Die Auswertung der Umfrage führte nun zwar auch zu ausführlichen statistischen Vergleichen, aber darüber hinaus zu einer Art Handbuch der Bibliotheksbauplanung, in dem neben den organisatorischen, baulichen und technischen Fragen insbesondere auf die Probleme bei der Zusammenarbeit zwischen BibliothekarInnen, den zuständigen Behörden und den Architekten eingegangen wird.

Zur Methodik: Die Unterabteilung für Bibliothekswesen und Dokumentation im französischen Erziehungsministerium hatte 1998 eine Arbeitsgruppe von 15 Vertretern der Hochschul-bibliotheken beauftragt, eine Auswertung der Bibliotheksbauvorhaben seit dem Beginn der 90er Jahre zu erarbeiten. Die Miglieder der Arbeitsgruppe wurden nach vier Kriterien ausgesucht: Sie sollten

1. das Programm für die jeweilige Baumaßnahme erarbeitet haben,

2. in allen Phasen der Planung beteiligt gewesen sein,

3. die Bauarbeiten von Anfang bis Ende begleitet und schließlich

4. das fertige Gebäude mindestens seit sechs Monaten betrieben haben.

Es sollte mit Hilfe eines Fragebogens unter anderem ermittelt werden, wieweit das fertiggestellte Gebäude den im Programm beschriebenen Anforderungen genügt, wie die Benutzer und die Mitarbeiter den Bau annehmen, wieweit sich seit Beginn der Planung Nutzungsanforderungen verändert haben, darüberhinaus auch, wieweit zum Beispiel die gewählten Materialien, Belichtung und Beleuchtung sowie die Einrichtung sich in der Benutzung bewähren.

Die Bewertung der untersuchten Gebäude gliedert sich in mehrere Abschnitte:

1. Allgemeine Anmerkungen

Hier werden unter anderem sowohl die zu geringen Abmessungen der Arbeitstische, als auch die zu knappe Bemessung von Flächen angesichts von erforderlichen Funktionsänderungen und technischen Entwicklungen sowie von zu erwartenden Bestandszunahmen kritisiert. Beanstandet wird auch die Tendenz, Bibliotheksgebäude in mehreren Bauabschnitten zu errichten, was immer Betriebsstörungen und -unterbrechungen durch erforderliche Reorganisation und Bauarbeiten zur Folge hat. Recht scharfe Kritik wird geübt in Bezug auf die Tendenz in der modernen Architektur zu großflächig verglasten Fassaden, die für Bibliotheken zu vielerlei Problemen im Inneren führen.

2. Grundsätze und Empfehlungen

In diesem Teil der Auswertung wird unter anderem beanstandet, dass an vielen Standorten eine spätere Erweiterung des Bibliotheksgebäudes schwierig oder gar unmöglich sei; auch wird empfohlen, eine Bibliothek baulich möglichst nicht mit einer anderen Einrichtung zu verbinden.

Der Standort sollte auch so gewählt werden, dass die Bibliothek in der städtebaulichen Umgebung eine herausgehobene architektonische Rolle spielen kann und eine gute Zugänglichkeit von den umgebenden Universitätseinrichtungen her gegeben ist. Im Inneren sollten die verschiedenen Funktionsbereiche für die Benutzer durch Beschriftungen und Farbleitsysteme deutlich erkennbar gemacht werden. Auch die raumakustische Behandlung der verschiedenen Bereiche erfordert erhebliche Sorgfalt, um Störungen in den Lese- und Arbeitszonen so weit wie möglich zu vermeiden. Die wichtigsten Funktionen des Benutzungsbereiches sollten auf der Eingangsebene untergebracht sein, und die Höhenentwicklung des Gebäudes sollte sich auf möglichst wenige Geschosse beschränken, da dies Organisation und Betriebsabläufe der Bibliothek vereinfacht und auch die häufig erforderliche Reorganisation der Benutzungsbereiche begünstigt.

Im weiteren Text dieses Kapitels wird auf eine ganze Reihe von Detailproblemen wie unter anderen die Schiefwinkligkeit von Arbeitsräumen, Sonnenschutz oder die funktionell mangelhafte Gestaltung von Auskunfts- und Leihtheken eingegangen, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Auch das Verhältnis der Verkehrsflächen zu den Nutzflächen wird eingehend analysiert.

3. Architektur und technische Ausstattung der Bibliotheksgebäude

In diesem Kapitel wird zunächst hervorgehoben, dass orthogonalen Grundrissen der Vorzug gegeben werden sollte, weil schiefwinklige oder runde Grundrissformen die Nutzbarkeit der Flächen in gelegentlich erheblichem Maße vermindern und damit die Flexibilität beeinträchtigen; auch sollten schmale und überlange Grundrissformen vermieden werden, weil dies den Anteil an erforderlichen Verkehrsflächen unnötig erhöht. Es wird auch auf die großen Nachteile von Halbgeschossen oder Zwischenebenen hingewiesen. Bei beabsichtigten Umnutzungen bestehender Gebäude sollte zuallererst die Tragfähigkeit der Decken überprüft werden. Hier wird eine Mindesttragfähigkeit von 6,0 kN/m² für die allgemeinen Nutzungsbereiche und 12,0 bis 15,0 kN/m² für Bereiche, in denen der Einsatz von Kompaktregalanlagen vorgesehen ist, gefordert.

An dieser Stelle wird nochmals auf die Probleme beim Einsatz von großen verglasten Fassadenflächen und die Notwendigkeit, an den von Sonneneinstrahlung betroffenen Gebäudeseiten besondere - oft teure und technisch empfindliche - Sonnenschutzeinrichtungen vorzusehen. Es wird weiter ausführlich auf die technischen Fragen bei der Raumakustik, bei der künstlichen Beleuchtung, der Raumlufttechnik, der Verkabelung und schließlich auch der unterschiedlichen Fragen der Sicherheit für Personen, Bau, Einrichtung und Bestände eingegangen.

4. Einrichtung

Hier wird vor allem die Ausführung von Regalen für die verschiedenen Einsatzbereiche erörtert, aber auch die zweckmäßige und ergonomisch sinnvolle Gestaltung von Auskunfts- und Leihtheken behandelt. Auf die Notwendigkeit von funktionellen, das heißt nicht nur ästhetisch befriedigenden, sondern vor allem gut lesbaren Beschriftungen - ein leidiges Thema in vielen Bibliotheken! - wird ausdrücklich hingewiesen.

5. Der Dialog zwischen den Partnern bei der Planung eines Projektes

Besondere Aufmerksamkeit der Analyse gilt der Zusammenarbeit zwischen den Bibliothekaren und den Partnern bei der Planung; genannt werden die Vertreter der jeweiligen Universität und des Erziehungsministeriums, der Bauherrenschaft, die Planer, die Bauaufsichtsbehörden, die ausführenden Bauunternehmen sowie die Lieferanten für Regale, Mobiliar und technische Einrichtungen. Hier wird kritisch angemerkt, dass die bibliothekarische Seite meist nicht ausreichend in den Planungsprozess eingebunden wird; dies beginnt bereits bei der fast immer nicht ausreichenden Beteiligung der Bibliothekare an den Entscheidungen über die Ergebnisse der Architektenwettbewerbe - ein Lied, das auch hierzulande immer wieder gesungen werden muss! Die Benutzer werden fast nie in den Planungsprozess eingebunden.

6. Bau- und Einrichtungskosten

Zum Thema Baukonstruktion hat die Arbeitsgruppe eine ganze Reihe von kritischen Anmerkungen gemacht. Oft seien die Deckentragfähigkeiten zu gering, der Sonnenschutz sei unzureichend, die Verkabelung für den Einsatz von Datenübertragungstechnik sei unzulänglich, die Schallisolierung sei unbefriedigend und schließlich seien oft auch Materialien von zu geringer Qualität eingesetzt worden.

Bei der Einrichtung sollte bedacht werden, dass zur Funktionalität auch die ästhetische Qualität, aber natürlich ebenso die Solidität der Regale und des übrigen Mobiliars gehört.

Der Band - wegen der besseren Darstellung einer Anzahl von Plänen und Fotos im Format A 4 - enthält als Anhang Tabellen mit Kenndaten von etwa 20 neuen Hochschulbibliotheken in Frankreich, gegliedert u.a. nach Flächen und Zeitabläufen, sowie eine ausführliche Bibliographie.

Die Arbeit ist sehr lesenswert und enthält eine Fülle von Anregungen für die Planung von neuen Bibliotheksbauten. Der Rezensent würde es begrüßen, wenn in Deutschland - oder vielleicht auch im europäischen Rahmen? - eine ähnliche Auswertung von Bauten für wissenschaftliche Bibliotheken erarbeitet werden könnte. Dies könnte eine lohnende Aufgabe für das nun gerettete Bibliotheksbauarchiv des ehemaligen DBI sein.


Anschrift des Rezensenten:
Robert Klaus Jopp
Ostendorfstraße 50
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