Editorial

eBooks im Sommerloch?

Dieser Titel mag - ohne Verb - die Tür zu Spekulationen öffnen, ob nun eBooks in dem Sommerloch versunken sind, in dem sich zu dieser Zeit eigentlich mehr die (Zeitungs-)Enten tummeln, oder ob eBooks das einzig Erwähnenswerte in diesem Sommer(loch) sind?

Denn ein solches Loch tritt alljährlich in Erscheinung, wenn Parlamente, Schulen, auch Hochschulen, sowie Wirtschaft und Handel in die Ferien gehen und Entscheidungsträger sich deshalb ebenfalls im Urlaub befinden und somit keine Pressebeiträge liefern können.

Nun, die elektronischen Bücher sind weder versunken noch machen sie Furore - es ist vielmehr stiller um sie geworden. Nach den ersten Auftritten und Einführungen in den USA kam auch bei uns eine gewisse Erwartung auf, und es fehlte auch nicht an Einführungsbestrebungen, über die in dieser Zeitschrift regelmäßig unter einer eigenen Überschrift "Neues über eBooks" berichtet wurde, um sie auch in der Bibliothekswelt zu propagieren. Leider waren darauf die Reaktionen nicht sehr heftig, besonders nicht im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken.

Das lag sicher zum großen Teil an dem noch geringen Angebot an interessanten elektronisch lesbaren Büchern und ihrem Preis in gleicher Höhe wie die Druckausgaben, andererseits auch an dem hohen Preis der elektronischen Speicher- und Lesegeräte, mit denen man elektronische Texte (bis über 18 000 Seiten) über das Internet laden und dann lesen kann.

Aber inzwischen hat sich das etwas geändert und Bibliotheken versuchen langsam, sich an diesem neuen Medium zu versuchen. So hat bereits im vorigen Jahr die Stadtbücherei Biberach an der Riss damit begonnen, Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln und solche Geräte zu verleihen und diese ersten Erfahrungen in BuB gerade veröffentlicht. Ein größeres Projekt hat Anfang diesen Jahres die Stadtbibliothek Duisburg gestartet und ca. 30 eBook-Geräte zur Ausleihe zur Verfügung gestellt. Unter der Vielzahl elektronischer Fach- und Sachbücher aus den Bereichen Wirtschaft, Psychologie, Geografie oder Gesundheit befinden sich auch namhafte Autoren wie Peter Scholl-Latour, Richard von Weizsäcker, Gerd Ruge und nicht zuletzt Martin Walser mit seinem jüngsten umstrittenen Buch.

Es tut sich also langsam etwas auf dem Gebiet der eBooks in unseren Bibliotheken. Wir werden in Kürze ausführlicher darüber berichten.

Wesentlich anders stellt sich die Lage auf dem Gebiet der eJournals dar. Sie gibt es ja schon seit den 80er Jahren, zuerst sogar als Neugründungen, dann aber mehr als Parallel-Ausgaben zum Druckmedium. Erst zögerlich angenommen, wie erste Statistiken auswiesen, dann aber seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr wegzudenken und heute allgemein akzeptiert, ja unabdingbar gefordert, deren Zugang meist durch Bibliotheken zur Verfügung gestellt wird. Das geschieht mit steigendem Kostenaufwand, der trotz Lizenz- und Konsortialverträgen immer weniger geleistet werden kann, weil inzwischen eine Preisexplosion seitens vor allem der Großverlage besonders im STM-Bereich eingetreten ist. Deshalb mussten sich die Bibliotheken Konsequenzen überlegen und nach Alternativen suchen, so mit SPARC in den USA und in Deutschland jetzt oder besser in Zukunft mit GAP, den German Academic Publishers zur Veröffentlichung wissenschaftlicher Beiträge im (eigenen) Netz ohne die preistreibenden Großverlage, um so eine Konkurrenz zu diesen aufzubauen. Diese Probleme werden auch von Dr. Irmgard Lankenau in ihrem Bericht über die IATUL-Konferenz in den USA angesprochen und von Dr. Rafael Ball in seinem Wertschöpfungsbeitrag in diesem Heft, nachdem im letzten November im Forschungszentrum Jülich in einer Konferenz über die "Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens" heftig diskutiert wurde. Der gerade dazu erschienene Tagungsband wird in der Rubrik Rezensionen besprochen.

Wichtig aber ist auch zu wissen, welche eJournals überhaupt gebraucht und gelesen werden. Denn ein Mensch kann unmöglich alles, nicht einmal alles Relevante, lesen, denn seine Aufnahmefähigkeit ist ebenso begrenzt wie seine Leistungsfähigkeit zu schreiben und zu publizieren. Daher wird man nicht alles zur Verfügung stellen müssen und auch nicht können. Man wird auswählen müssen vor allem durch Qualitätskontrolle schon vor dem Publizieren und nachher durch Nutzungsuntersuchungen. Mit der Problematik solcher Nutzungsstatistiken von elektronischen Zeitschriften setzt sich in diesem Heft Dr. Alice Keller auseinander. Das alles wird aber nichts daran ändern, dass wissenschaftliches Publizieren und digitale Medien in Zukunft noch viel mehr miteinander verquickt sein und damit zu völlig anderen Strukturen führen werden als man sich das heute vorzustellen vermag. Mit dem Umgang dieser neuen Situation und dem Management digitaler Information beschäftigt sich der Fachbeitrag von Prof. Dr. Albert Raffelt und Dr. Sühl-Strohmenger über "Neue Informationsstruktur an Universitäten".

Während sich eBooks noch in der Warteschleife befinden, wie wir gesehen haben und wie Clemens Deider es in seinem Bericht über die CeBIT im letzten Heft ausdrückte, so stehen bei den eJournals bereits schwerwiegende Probleme an, die zu den grundsätzlichen Fragen des wissenschaftlichen und elektronischen Publizierens führen und ebenso die Fragen aufwerfen, wie und vor allem ob Bibliotheken in diesen Zukunftsprozess eingeschaltet werden oder ihn gar mitgestalten können. Alles Fragen also, die in einem "Sommerloch" nicht gelöst werden können, die aber in Zukunft weiter in dieser Zeitschrift diskutiert werden sollen. In diesem Sinne, so hoffen wir, können Sie als Leserin oder Leser auf eine interessante Lektüre gespannt sein.

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur