Library Buildings in a Changing Environment.
Proceedings of the Eleventh Seminar of the
IFLA Section on Library Buildings and Equipment.


Shanghai, China, 14. bis 18. August 1999. Ed. by Marie-Francoise Bisbrouck.
- München: Saur 2001. (IFLA publications; 94). 230 S.
ISBN 3-598-21819-2. Euro 54,00

Vom 14 .bis 18.August 1999 veranstaltete die IFLA-Sektion für Bibliotheksgebäude und deren technische Ausstattung in Shanghai, VR China, ein internationales Seminar über Bibliotheksgebäude in einer sich verändernden Umwelt. Ein Berichtsband mit den Texten der Beiträge der 15 Referenten liegt nun vor.

Das Seminar fand in der Shanghai Public Library statt; an den beiden letzten Tagen hatten die etwa 90 Teilnehmer aus 26 Ländern Gelegenheit, außer der Shanghai Public Library auch die Bibliothek der Jiaotong Universität in Shanghai und während einer Exkursion nach Hangzhou die Zhejiang-Bibliothek zu besichtigen.

Nach einer Einführung der Sekretärin der IFLA-Sektion für Bau und Einrichtung Marie-Francoise Bisbrouck in die Organisation und die Arbeitsweise der IFLA sowie das Arbeitsprogramm der Sektion, hielt Brian Lang von der British Library in London das Einführungsreferat zum Seminar, in dem er vor allem auf die Erfahrungen mit dem 1998 eröffneten Neubau der British Library einging. Er wies auf die vielfältigen Beziehungen zwischen dem Bibliotheksgebäude und den Lesern, den Lesern und den Beständen, den Lesern und den Bibliothekaren, den Bibliothekaren und den Beständen sowie den Beständen und dem Gebäude hin. Brian Lang trat auch der gelegentlich zu hörenden Meinung entgegen, dass man in absehbarer Zeit wegen der zunehmenden Möglichkeiten, Texte gegenüber gedruckten Büchern weitaus platzsparender und überdies ortsunabhängig speichern zu können, keine Bibliotheksgebäude mehr benötige. Dies lasse völlig außer acht, dass Bibliotheksgebäude eben auch soziale Orte der Kommunikation zwischen Benutzern, Büchern und Bibliothekaren sind.

ZHOU Xiaopu vom Kulturministerium der VR China gab einen Überblick über die Entwicklung des Bibliotheksbaues in seinem Land. Seit dem Ende der 70er Jahre habe es viele Neubauten und eine erhebliche Zunahme sowohl der durchschnittlichen Nutzflächen im Einzelfall als auch der Flächen insgesamt gegeben. Auch sei der Einsatz von elektronischer Datenverarbeitung im Bereich des Bibliothekswesens wesentlich erweitert worden. In den 80er Jahren wurden auch Standards für den Bibliotheksbau entwickelt. Der Beitrag von MA Yuanliang, Direktor der Shanghai Public Library, befasste sich zunächst mit der Entwicklung der Bibliotheksgebäude in Shanghai in den letzten zwanzig Jahren, wobei er sowohl die Neu- und Umbauten der zahlreichen Gebäude der Öffentlichen Bibliotheken der 12 Millionen Einwohner zählenden Stadt als auch die in den drei großen Universitäten errichteten Bauten ausführlich beschrieb. Es schlossen sich einige Betrachtungen über Grundsätze bei der Planung und dem Bau der Bibliotheksgebäude an; insbesondere betonte der Vortragende die Offenheit, die Multifunktionalität und die Flexibilität der Bauten. In einem weiteren Beitrag des Gastlandes wurde von CHENG Xiaolan der Neubau der Zhejiang Bibliothek in Hangzhou vorgestellt. Die Vortragende beschrieb die sehr sorgfältig vorbereitete und durchgeführte Planung des Bibliotheksgebäudes sowie eine gute Kooperation zwischen Bibliothekaren und Architekten, wobei sie betonte, wie wichtig sich die jederzeit aufmerksame und kritische Begleitung von Planung und Ausführung erwiesen habe. Die drei Beiträge zeigen, wie stark die Bemühungen in China sind, das Bibliothekswesen und damit auch den Bibliotheksbau internationalen Standards anzunähern.

Han Kun SONG stellte den 1988 eröffneten Neubau der koreanischen Parlamentsbibliothek vor. Die Bestände umfassen etwa anderthalb Millionen Bände, dazu etwa 5.000 laufende Zeitschriften sowie andere Materialien; das Gebäude, einschließlich eines unterirdischen Tunnels, hat eine Fläche von etwa 28.000 m². Der Zugang zu der Parlamentsbibliothek ist öffentlich. Im Vordergrund der Darstellung stand die Digitalisierung der Dienstleistungen der Bibliothek.

Professor Shinji Tomie von der Universität Tsukuba, Japan, führte in seinem Referat durch die Entwicklung des öffentlichen Bibliothekswesens seit den Nachkriegsjahren bis heute und zeigte, dass die Bibliotheken sich in dieser Zeit von geschlossenen Thekenbibliotheken ohne Ausleihe zu modernen öffentlichen Einrichtungen entwickelt haben. Nichtsdestoweniger blieb dieses Referat etwas allgemein.

Die Gruppe der Referate über die Entwicklung des Bibliothekswesens in Südostasien beschloss der Beitrag von Ms.NGIAN Lek Choh vom Nationalen Bibliotheksdienst (National Library Board, NLB) in Singapur. Das Hauptgewicht der Arbeit dieser Organisation liegt auf der Entwicklung und Einführung von Standards für die Einrichtung und Ausstattung von öffentlichen Bibliotheken. Der beabsichtigten Rationalisierung bei der Beschaffung könnte dabei möglicherweise eine zu starke Vereinheitlichung gegenüberstehen.

Marie-Francoise Bisbrouck vom französischen Erziehungsministerium gab einen Überblick über die Entwicklung des französischen Universitätswesens in den letzten Jahrzehnten. Veranlasst durch die Tatsache, dass seit Mitte der 70er Jahre keine neuen Gebäude für wissenschaftliche Bibliotheken mehr errichtet worden waren und zugleich aber gegen Ende der 80er Jahre durch stark gestiegene Studentenzahlen ein erheblicher Bedarf entstanden war, wurde ein Programm zum Bau einer ganzen Reihe von Hochschulbibliotheken aufgestellt. Zu diesem Zweck wurden Überlegungen unter anderem zur Rolle der Bibliotheken im Rahmen der Universitäten angestellt. Für die Aufstellung der Programme wurden detaillierte qualitative und quantitative Standards entwickelt.

Planung und Bau der Bibliothèque Nationale in Paris war Gegenstand des Berichtes von Jean-Luc Bichet. Die von dem Referenten beschriebenen Vorteile des Standortes, nämlich Nähe zum Stadtzentrum, städtische Infrastruktur und Nähe zum Fluss, werden inzwischen auch von dem Architekten Dominique Perrault relativiert; der erwähnte Nachteil, dass wegen der Lage der Bibliothek ein Teil der Räume unterirdisch angelegt werden musste, dürfte sich zumindest in Bezug auf den Magazinbereich wegen der klimatisch besser regulierbaren Aufbewahrungsbedingungen für die Bestände eher als vorteilhaft erweisen. Der Hinweis darauf, dass die 80 m hohen Türme einen städtebaulichen Akzent darstellen, kann wohl auch mit der Funktion des Gebäudes als Nationalbibliothek kaum in Verbindung gebracht werden.

Ein trotz allem zur Schau getragenen Optimismus eher utopisches Projekt dürfte der von Hannelore Jouly, zur Zeit des IFLA-Seminars Leiterin der Stuttgarter Stadtbibliothek, vorgestellte Wettbewerbsentwurf des in Köln ansässigen koreanischen Architekten Eun Young Yi für einen Neubau für die Bibliothek im Bereich des im Zusammenhang mit dem geplanten Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs beabsichtigten Planungsgebiets „Stuttgart 21“ darstellen. Der Entwurf ist sicherlich städtebaulich nicht uninteressant, jedoch irritiert, dass die öffentlichen Bibliotheksfunktionen erst im 5. Oberrgeschoss beginnen.

Henryk Hollender, der Direktor der Warschauer Universitätsbibliothek, konnte schließlich seinen Neubau vorstellen, der als Resultat vorzüglicher Planung und zugleich einmaliger Initiativen zur Finanzierung dasteht. Die Universitätsbibliothek wurde 1817 mit der Bibliothek des Warschauer Gymnasiums, der Bibliothek des obersten Gerichtshofes und denen einiger Klosterbibliotheken gegründet. Die Warschauer Universität - und damit auch die Bibliothek - wurde 1869-1914 zur russischen Universität und 1915 als polnische Universität neu gegründet. Während der deutschen Besatzung blieb sie geschlossen und wurde schließlich 1945 als Universität Warschau wiederum neu gegründet. Die Bibliothek erlitt durch Kriege, die Polnische Teilung und den Zweiten Weltkrieg große Verluste, verfügt aber heute wieder über etwa 2.500.000 Bände aller Wissensgebiete. Für den Neubau wurde 1993 ein Architektenwettbewerb durchgeführt, als dessen Resultat der Entwurf der Architekten Marek Budzinski und Zbigniew Badowski den ersten Preis erhielt. Die Bibliothek verfügt heute über 41.500 m² Nutzfläche.

Die Beiträge zum Seminar befassten sich, wie Andrew McDonald von der University of Sunderland (GB) zusammenfasste, nicht zuletzt mit der zunehmenden sozialen Bedeutung der Bibliotheken, das heißt als Orte der persönlichen Kommunikation. Dies ist natürlich auch in Bezug auf die Bibliotheken in der Volksrepublik China bemerkenswert. Immer wieder wurde auf die Notwendigkeit einer vermehrt benutzerorientierten Planung hingewiesen, was bedeutet, dass den Benutzern der Zugang und damit die schnelle und unmittelbare Benutzung der Bestände zunehmend erleichtert werden sollte. Dazu gehört natürlich auch die weitere Verbesserung der Nutzung von Informationstechnologie und anderer Dienstleistungen. In den Vordergrund des Interesses der Benutzer rückt - neben dem unmittelbar ausbildungsgebundenen Lernen - immer mehr die berufliche Fort- und Weiterbildung.

Zu baulichen Aspekten merkte Andrew McDonald an, dass der in der modernen Architektur zu beobachtende Einsatz von großflächigen Verglasungen der Außenwände große Probleme in Hinsicht auf einen hohen finanziellen Aufwand für Technik und Unterhaltung zur Begrenzung der Sonneneinstrahlung und Blendung mit sich bringt. Die ebenfalls heute in „Mode“ gekommene mehrgeschossige Öffnung der Benutzungsbereiche zu großen Eingangshallen hin zieht akustische - und lüftungstechnische - Unzuträglichkeiten nach sich. Mehr Beachtung finden in letzter Zeit international Maßnahmen zur Erleichterung von Zugang und Benutzung von Bibliotheksgebäuden für Behinderte. Auch Sicherheitsfragen wie Brandschutz und Diebstahlschutz werden zunehmend berücksichtigt.

Die elektronische Datenverarbeitung hat weitgehend in die Bibliotheken Eingang gefunden. Indessen: Entgegen Voraussagen aus den 70er und 80er Jahren haben die elektronischen Medien - außer in Teilbereichen, dort, wo es sinnvoll ist - die Bücher in keiner Weise verdrängen können. Ihre Einführung im Bereich der Bibliotheken hat allerdings einen höheren Flächenbedarf und erweiterte Öffnungszeiten - und damit höhere Kosten - nach sich gezogen.

Die Architekten haben die genannten Entwicklungen meist noch nicht wahrgenommen, weil die Planungsaufgabe Bibliothek für den einzelnen Architekten selten vorkommt. Allgemein schimpfen die Architekten üblicherweise auf zu viele Vorschriften und Normen, die die Planung einengen und behindern, und die in der Tat auch oft der Entwicklung mehr oder weniger hinterher hinken, andererseits aber gerade bei der Bibliotheks(bau)planung recht hilfreich sein können. Andrew McDonald beanstandet, dass es keine Aus- und Weiter-bildungsmöglichkeiten für Bibliothekare zur Schaffung von Sachverstand für die Planung von Bibliotheksgebäuden gebe. Diese Aussage kann nach Meinung des Rezensenten zumindest für Deutschland nicht bestätigt werden, da hier Bibliotheksbau und -planung zu den Lehrplänen aller bibliothekarischen Ausbildungsstätten gehört; anmerken ließe sich allenfalls, dass dabei der Umgang mit bestehenden Gebäuden gelegentlich vernachlässigt wird.

Es ist von großem Interesse, über die Größe und den Charakter von Bibliotheksgebäuden für das neue Zeitalter des Lernens nachzudenken. Der Leitspruch für die Bibliothek von Shanghai lautet: Wissen ist Macht. Aber Wissen und Information müssen auch soziale Gerechtigkeit und Integration einbeziehen. Hier hat sich eine wichtige Aufgabe für die Bibliothekare entwickelt: sie müssen neben der fachlichen auch über soziale Kompetenz verfügen.


Anschrift des Rezensenten:
Robert Klaus Jopp
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