Ceynowa, Klaus; Coners, André:
Balanced Scorecard für Wissenschaftliche Bibliotheken


- Frankfurt am Main: Klostermann, 2002. - X, 152 S.: graph. Darst. + CD-ROM
(Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie: Sonderhefte; 82)
ISBN 3-465-03207-1. Euro 59,00

Im gewohnt schlichten Kleid der Sonderbände der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie (ZfBB) werden die Ergebnisse eines DFG-Projekts zum "Kostenmanagement für Hochschulbibliotheken" präsentiert, welche nicht nur für die Leitungsebene von Universitätsbibliotheken Pflichtlektüre sein sollte. Auch Spezialbibliotheken könnten von den Ergebnissen profitieren, steht doch im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken der Übergang vom Kameralismus zur Kosten- und Leistungsrechnung noch bevor, welcher bei den öffentlichen Bibliotheken mit dem BIX1 bereits begonnen hat. Die Legitimation bisher linear als fixer Anteil zugewiesenen Etats für zentrale Einrichtungen von Hochschulen wird in den Streichrunden der nahen Zukunft zweifelsohne durch andere Einheiten, welche bereits unter massiven Kürzungen leiden, vehement in Frage gestellt werden. Wer lediglich ein paar statistische Zahlen und den Hinweis auf die Wichtigkeit der Literaturversorgung zu bieten hat, wird einen schweren Stand haben!

Im Kontext wachsender Autonomie im Bereich der Hochschulfinanzierung ("Globalhaushalt") werden – so führen die auf dem Gebiet der Kostenrechnung wissenschaftlicher Bibliotheken bereits bekannten Autoren aus2 – Kennzahlensysteme wichtig, die nicht nur einen erreichten Zustand dokumentieren, sondern Planungserfüllung, Erfolgskontrolle und das Aufzeigen von Wirkungszusammenhängen ermöglichen. Zudem erscheint die Vergleichbarkeit der Kennzahlen mit anderen Bibliotheken gleichen Typs und ähnlicher Aufgabenstellung eine wünschenswerte Option, um dem Kostenträger zu signalisieren, dass es sich beim Leistungsnachweis nicht um Marketingsprüche handelt.

Die Autoren schlagen als Konzept für ein solches Kennzahlensystem die "Balanced Scorecard" vor, welches ein Steuerungsmodell bezeichnet, "das die grundlegenden Erfolgsbedingungen einer Organisation in ein kohärentes und sich wechselseitig erläuterndes System von Leistungskennzahlen übersetzt." (S. 17f.) Dies ist ein zur Zeit in der Betriebswirtschaftslehre favorisiertes Planungskonzept, welches hiermit auf den Bereich der Bibliotheksverwaltung übertragen wird. Im Rahmen des Projektes nahmen die ULB Münster, die SuUB Bremen und die BSB München teil, um das Modell auszuprobieren. Ihre Zahlen und Erfahrungen sind mit in die Formulierung des Kennzahlensystems eingeflossen.

Das im Projekt erarbeitete Modell geht von vier "Perspektiven" aus (S. 32f.):

Jeder dieser Perspektiven sind nun strategische Zielsetzungen und Kennzahlen zugeordnet, beispielsweise bei den Benutzern (S. 34f.)

Man sieht, dass der Zielformulierung und -erreichung hier ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Die hier exemplarisch für eine Perspektive angeführten Stichworte werden im Text eingehend hinsichtlich Definition, Zielsetzung und Erhebungsmethode dargestellt, zudem werden die Kennzahlen der beteiligten Bibliotheken aufgeführt und kommentiert.

Die Daten können nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten ausgewertet und miteinander in Beziehung gesetzt werden, je nachdem, ob man die Ergebniswerte für einen Jahresbericht, für Verhandlungen mit dem Kostenträger oder für die eigene strategische Planung benötigt. Der Clou des Buches besteht darin, dass die Hilfestellung für diese Auswertung als Software "Library Audit" auf CD-ROM bereits beiliegt3 und ohne große Probleme installiert werden kann. Dieses Programm ist für die Datenerhebung und -analyse auch für kleinere Bibliotheken geeignet. Es ist netzwerkfähig, daher können mehrere an der Erstellung der Daten mitarbeiten, es ist im- und exportfähig nach MS Excel, so dass man auch die Zahlen in einer vertrauten Umgebung tabellarisch erfassen oder verarbeiten kann, ohne deshalb auf die Funktionalität der Auswertungen von "Library Audit" (u.a. auch Darstellung in Diagrammen) verzichten zu müssen. Die Software wird im Buch in einem eigenen Teil eingehend beschrieben.

Wie ist die "Balanced Scorecard" als Steuerungsinstrument einzuschätzen? Die Autoren bezeichnen ihn in der Schlussbetrachtung (S. 136) als "ersten, tentativen Ansatz". Nun, das ist mit Sicherheit zu niedrig gehängt, denn immerhin gibt es bereits eine Reihe von (ISO-)Normen und Projekten, welche sich mit dem Thema von Kennzahlen beschäftigen. Was an diesem Ansatz gefällt, ist die strategische Orientierung, die Einbeziehung von innerer (Betrieb) und äußerer (Benutzer) Perspektive, die integrierte Form der Auswertung und die getestete praktische Anwendbarkeit. Hervorzuheben ist auch die Möglichkeit, die Scorecard nach den eigenen Bedingungen und Bedürfnissen zu gestalten: Die Software enthält zwar ein Beispiel, man baut sich aber ein eigenes Kennzahlensystem mit eigenen Hierarchieebenen auf. So hätten auch Spezialbibliotheken die Möglichkeit, dieses Modell einzusetzen und anzupassen. Vom Bibliotheksmanagement her gesehen hat man dann zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Neben der Strategieentwicklung hat man zugleich für die Legitimation nach oben/nach außen vorgesorgt! Beides werden wir in naher Zukunft bitter nötig haben.


Anmerkungen

1. Informationen zum BIX und der Index selbst sind zugänglich unter http://www.bix-bibliotheksindex.de

2. neben verschiedenen Artikeln in Fachzeitschriften ist vor allem auf folgende Veröffentlichung hinzuweisen: Ceynowa, Klaus ; Coners, André: Kostenmanagement für Hochschulbibliotheken. – Frankfurt am Main : Klostermann, 1999. (Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie : Sonderheft ; 76)

3. Systemvoraussetzungen: Win 95, 98, 2000, NT 4.0 oder höher; Pentium mit mindestens 90 Mhz Taktfrequenz, mindestens 32 MB RAM, mindestens 30 MB freier Platz auf der Festplatte, 15" Monitor (empfohlen 17") mit mindestens 800 x 600 Auflösung (empfohlen: 1024 X 768) und Farbenanzahl von 256 (empfohlen: High Color, 16 Bit).


Anschrift des Rezensenten:
Dr. Jürgen Plieninger
Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft
Universität Tübingen
juergen.plieninger@uni-tuebingen.de