eBooks und Bibliotheken - eine Partnerschaft mit Zukunft!

Ein Bericht von der Frankfurter Buchmesse

Seit einigen Jahren wird in der Buchbranche kein Thema heißer diskutiert als das der elektronischen Bücher (eBooks). Die Meinungen sind gespalten: die einen verteufeln das eBook als den Untergang des Gutenberg-Universums, die anderen sind begeistert von der Möglichkeit, große Textmengen von Büchern und Zeitschriften in einem Lesegerät speichern zu können, als zeitgemäßen Ausdruck der technischen Innovationen des 21. Jahrhunderts.

Ähnlich polarisiert ist die Stimmung in der deutschen Bibliothekenlandschaft. Dort stellt sich die Frage, ob Bibliotheken jetzt in den Markt der eBooks investieren oder weitere Entwicklungen abwarten sollten. Sind eBooks für Bibliotheken ein lohnender Zukunftsmarkt? Welche Erwartungen und Anforderungen stellen Leser, Verlage und Vertrieb an diesen Markt? Und welche für alle Beteiligten gewinnbringenden Geschäftsmodelle gibt es? Mit diesen Fragen beschäftigten sich kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse die Teilnehmer der Podiumsdiskussion "Zukunftsmodelle rund ums eBook - Das eBook im Spannungsfeld zwischen Lesern, Verlegern und Vertrieb am Beispiel von Bibliotheken": Nikolaus K. Gelpke, Gründer und Geschäftsführer der mare-Gruppe als Vertreter der Verlage, Dr. Jan-Pieter Barbian, Direktor der Stadtbibliothek Duisburg, die seit Anfang 2002 fast 30 eBooks im Ausleihbestand hat (siehe untenstehenden Bericht), und Hermann Salmen, Geschäftsführer der Gemstar eBook GmbH, Hersteller der beiden eBook-Modelle Rocket eBook und eBook GEB 2200.

Content ist alles!

Der mare-Buchverlag ist der erste Verlag, dessen Startprogramm und alle zukünftigen Programme vollständig auf dem eBook erscheinen. Als Verleger und Inhaltepartner hat Nikolaus Gelpke einen ganz pragmatischen Zugang zum eBook. Das eBook ist für ihn ein weiterer Vertriebsweg, den er uneingeschränkt nutzen wird, solange ein ausreichender Kopierschutz wie bei den Gemstar eBooks gewährleistet ist. Dieser zusätzliche Verwertungskanal bietet durch fallende Fixkosten im Vergleich zum Buch - keine Druck- und Lagerkosten - ein hohes Wertschöpfungspotenzial, von dem sowohl er als Verleger, aber auch seine Autoren profitieren. Jetzt schon nach Wirtschaftlichkeit zu fragen sieht er als verfrüht an, die zukünftige Entwicklung ist für ihn ebenso wenig kalkulierbar wie sein Projekt Mare, mit dem er vor sechs Jahren ohne jede Marktforschung startete - und heute überaus erfolgreich ist.

Wenn alle Buchverlage ihre Inhalte so konsequent wie mare für das eBook zur Verfügung stellen würden, dann wäre eine der Forderungen von Dr. Barbian bereits erfüllt: möglichst viele aktuelle Titel für möglichst viele Leser bereitstellen zu können. Abgesehen von der noch eingeschränkten Titelauswahl, die die Nutzer der Stadtbibliothek Duisburg bemängelt haben, waren die Erfahrungen der Stadtbibliothek mit der Ausleihe und Nutzung von eBooks ausgesprochen positiv. In der Anfangsphase des eBook-Projekts waren alle 28 Geräte über mehrere Monate hinweg ausgeliehen. Inzwischen ist der Neuigkeitseffekt aufgebraucht, dennoch erreicht der Umsatz pro Gerät durchschnittlich 80 Prozent - ein Traumergebnis, das ansonsten nur noch von CDs und DVDs erreicht wird. Wie Gelpke sieht auch Barbian optimistisch in die Zukunft: für Bibliotheken, die durch die Einführung von eBooks in der Medienausleihe unter Beweis stellen, dass sie innovativen Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen sind; für Jugendliche, die mit dem eBook wieder Lust auf Lesen bekommen; für eBooks, die es Bibliotheken ermöglichen, digitale Texte unterschiedlichen Inhalts flexibel und relativ ortsunabhängig bereitzustellen.

Hermann Salmen vertritt als Geschäftsführer von Gemstar eBook in Deutschland das marktführende Unternehmen im Bereich der elektronischen Bücher. Gemstar stellt sowohl die nötige Technologie - durch die Entwicklung und Verbreitung der Geräte - als auch die dazugehörige Service-Infrastruktur - durch Kooperationen mit Verlagen und Vertriebspartnern - zur Verfügung. Dadurch ist das Unternehmen maßgeblicher Motor der eBook-Entwicklung. Wie schnell aus Zukunftsvisionen Realität wird, bestimmen allerdings aus Salmens Sicht alle Beteiligten: die Verlage, die Inhalte fürs eBook zur Verfügung stellen; die Leser und wie schnell diese die Vorteile des eBooks schätzen lernen; Bibliotheken, die ihre gesellschaftliche Funktion in der Medienerziehung wahrnehmen.

Im Anschluss an die Podiumsdiskussion haben wir Herrn Salmen zu einigen seiner Thesen rund um das eBook noch etwas tiefergehend befragt.

B.I.T.online: Herr Salmen, in der Diskussion war häufig die Rede von "partnerschaftlichen Geschäftsmodellen". Was verstehen Sie darunter und warum sind Sie für die Zukunft des eBook-Marktes so wichtig?

Salmen: Partnerschaftliche Geschäftsmodelle spielen in der Firmenpolitik von Gemstar auch in anderen Produktbereichen eine wichtige Rolle. Nehmen wir z.B. ein bereits erfolgreich am Markt platziertes Lizenzprodukt von Gemstar, das Videoprogrammiersystem ShowView. Sie geben den in ihrer Fernsehzeitschrift neben dem Film abgedruckten Zahlencode in ihren Videorecorder ein und nehmen ganz einfach und zuverlässig die gewünschte Sendung auf. Doch nicht nur der Kunde profitiert davon, auch der Hersteller der Videorecorder, der damit sein Produkt mit einem echten Zusatznutzen vermarkten kann. Ähnlich verhält es sich auch im eBook-Markt: Leser brauchen ein einfach und schnell zugängliches Angebot an Titeln in einer Umgebung, die für den Verleger sicher betrieben werden kann. Je mehr Inhalte für das eBook zur Verfügung stehen, desto interessanter wird das Lesegerät für den Vielleser. Und je mehr Geräte verkauft werden, desto mehr Titel werden als eBook-Editionen gelesen und desto höhere Erträge sind für den Verleger zu erzielen. Partnerschaftlich heißt: Wir bieten allen Beteiligten ein Geschäftsmodell, aus dem sie mit zunehmendem Engagement auch immer mehr profitieren. Beide Produkte - ShowView und das eBook - sind noch nicht ganz vergleichbar: Fernsehen als Massenmarkt ist schon ein höchst einträgliches Geschäft, eBook noch nicht, aber es gibt viele Analogien, die Anlass zur Hoffnung geben.

B.I.T.online: Die USA sind uns in vielen Entwicklungen ein oder zwei Jahre voraus, auch im eBook-Markt? Ist auch hier ein Trend zu erkennen, der Anlass zur Hoffnung gibt?

Salmen: Ja, es gibt Erhebungen zum Marktverhalten in den USA, die jeden Verleger aufhorchen lassen müssten. Die neutrale "Open eBook Foundation" hat eine Untersuchung durchgeführt und folgendes festgestellt: Im letzten Jahr wurden 0,5 Mio. Editionen verkauft, dieses Jahr werden es doppelt so viele sein. Aus 1 Mio. bezahlter Downloads fällt die Hälfte auf dedizierte Lesegeräte wie unsere eBooks, die andere auf Software. D.h. wenige Geräte produzieren eine Menge Downloads. Die Bindung an das Medium eBook ist viel intensiver und die Bereitschaft, mit einem eBook zu lesen viel höher als auf einem Computer oder Handheld zu lesen. Viele Verlage, die sich für die Nutzung des Mediums entschlossen haben, wie Random House in den USA, veröffentlichen ihre Titel zeitgleich oder sogar schon vor der Buchversion als eBook-Edition. Ich sehe da eine Analogie zum Hörbuchmarkt, wo sich der Markt auch erst entwickelt hat, als die Hörbücher zeitgleich mit dem Buch herausgegeben wurden. Die USA sind uns in vielem voraus: Simon & Schuster hat über 800 eBook-Titel, 300 Bibliotheken verleihen dort bereits eBook-Lesegeräte, und auch Gemstar eBook geht neue Wege, die zur Marktentwicklung beitragen. Seit einigen Wochen bieten wir ein Abo-Modell an: Der Kunde bezahlt nur noch 99 $ für das taschenbuchgroße (sw)-Gerät, wenn er sich für einen monatlichen Inhaltekauf für zwei Jahre von 19,99 $ entschließt. So bezahlt der Kunde letztendlich über den Erwerb der Inhalte auch das Lesegerät, die Schwelle für den Erwerb der Geräte sinkt deutlich. Das wird aus unserer Sicht die Nutzungsart der Zukunft sein.

B.I.T.online: Das sind beeindruckende Zahlen aus den USA. In Deutschland zeigen nicht alle Buchverlage wie mare-Buchverlag so viel Bereitschaft, ihren gesamten Inhalt für die eBook-Plattform zur Verfügung zu stellen. Woran liegt's?

Salmen: Außer mare-Buchverlag gibt es auch hier noch andere Verlage, die, wenn auch nicht das Gesamtprogramm, so doch eine Auswahl der Buch-Titel anbieten. Random House Deutschland beispielsweise könnte fast jeden ihrer Titel von heute auf morgen als eBook-Edition anbieten - die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür sind geklärt. Das ist längst nicht bei allen Verlagen so. Viele haben es versäumt, die elektronischen Rechte für ihre Titel einzuholen, Nachverhandlungen mit den Autoren gestalten sich oft als zu aufwendig. Auch hinsichtlich der Aufbereitung der Daten in entsprechenden Content-Managementsystemen muss in vielen Verlagen noch einiges getan werden.

B.I.T.online: Die Marktdurchdringung mit den Gemstar Lesegeräten in Deutschland ist noch verschwindend gering im Verhältnis zu anderen Geräten, wie PDAs, die über Reader Software verfügen. Kann sich der Verleger mit so wenig potentiellen Käufern begnügen?

Salmen: Für uns entscheidend ist letztlich der Markt der Downloads, der sich, wie die Zahlen aus den USA belegen, hälftig zwischen hardware- und softwarebasierten Lesesystemen entwickelt. Und den Verleger interessieren nicht wirklich die verkauften Geräte, sondern die verkauften Downloads. Jetzt geht es natürlich darum, dass unsere Lesegeräte auch zu den Kunden finden. Wir sprechen den Vielleser an, den Lese-Junkie. Unsere Lesegeräte sind für den gemacht, der viel liest und nicht für den, der sich aus Spaß mal einen Titel aus dem Netz zieht oder im Urlaub einmal im Jahr ein Buch liest. Wir fokussieren uns darauf, das Leseerlebnis so perfekt wie möglich zu gestalten.

B.I.Tonline.: Welche Rolle spielen Bibliotheken in Ihrem Geschäftsmodell?

Salmen: Dass eBooks für Bibliotheken interessant sind, zeigen die Zahlen in den USA und erste erfolgreiche Ausleihprojekte in Deutschland wie das der Stadtbibliothek Duisburg. Auch in der Zusammenarbeit von uns mit Bibliotheken gibt es eine Win-Win-Situation. Bibliotheken profitieren von dem Medium, weil Sie sich damit in der Öffentlichkeit und bei ihren Kunden als innovative Institution präsentieren, die ihrem Bildungsauftrag gerecht wird. Gerade für technikbegeisterte Jugendliche gewinnt die Bibliothek durch den eBook-Verleih wieder an Attraktivität. Auf dem Weg zur Bibliothek der Zukunft, die jeden Titel zu jeder Zeit an jedem Ort bereithält, sind eBooks ein erster Schritt. Für uns sind Bibliotheken hervorragende Multiplikatoren. Hier trifft unsere Zielgruppe, die Vielleser, auf unsere Geräte und wird kompetent an das eBook und den Umgang mit dem neuen Medium herangeführt.

B.I.T.online: Wie gestaltet sich Ihre Zusammenarbeit mit Bibliotheken ganz konkret?

Salmen: Interessierten Bibliotheken bieten wir zunächst die Möglichkeit, unsere eBook-Modelle unverbindlich und kostenlos zwei Wochen zu testen. Gekauft werden können die eBooks entweder über den Buchhandel, über Libri, über unsere diversen Online-Partner oder direkt unter www.gemstar-ebook.de. Bei mehr als zehn Geräten sollte sich die Bibliothek auf jeden Fall direkt mit uns in Verbindung setzen, da wir dann Sonderkonditionen gewähren. Selbstverständlich stehen wir jederzeit für Fragen zur Verfügung und unterstützen die Bibliothek beim Einsatz der Geräte, sowohl in technischer Hinsicht als auch durch Informations- und Werbematerialien.

B.I.T.online: Herr Salmen, wir danken Ihnen für das Interview!

Weitere Infos über Gemstar, die verschiedenen eBook-Lesegeräte und die zur Verfügung stehenden Inhalte finden Sie unter www.gemstar-ebook.de. Bibliotheken, die an einem Leihgerät für zwei Wochen interessiert sind, wenden sich bitte an: Michaela Vogt, mvogt@gemstar.de, 040/68 94 63 60.