eBooks an der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln

von Rolf Thiele

Schon in der Gründungsphase der Digitalen Bibliothek NRW wurde darauf hingewiesen, dass neben den schon eingeführten elektronischen Medien wie Datenbanken oder E-Journals ein Bedarf an "normaler" Literatur bestehen könnte. Die einschränkende Formulierung verweist auf die Skepsis, inwieweit Fachbücher in elektronischer Form akzeptiert werden: Wer liest schon ein 500-Seiten Buch am Bildschirm? "Normale Literatur" zielt in diesem Kontext auf aktuelle Fachtitel, wie sie studienbegleitend ständig gebraucht werden, im Gegensatz zu Titeln, die aus eher kulturhistorischen Gesichtspunkten (oder weil sie keinen Urheberrechten mehr unterliegen!) digitalisiert werden. Von Werkausgaben und Nachschlagewerken abgesehen, wie sie mittlerweile vielfach vorliegen, wäre der Aufbau einer digitalen Lehrbuchsammlung das genuine Ziel mit den Vorteilen der parallelen Nutzung und des schnellen Zugriffs vom Schreibtisch aus.

Mit dem Bekanntwerden des Angebots der Firma ciando (München) im vergangenen Jahr sahen wir in der USB Köln eine Möglichkeit, in dieser Richtung weiterzukommen. ciando hatte damals ca. 250 Titel im Bereich Wirtschaft, Recht und EDV im Angebot, die unseren Ansprüchen sehr nahe kamen: Aktuelle deutschsprachige Titel aus überwiegend seriösen Verlagen, darunter eben auch Titel, wie man sie in die Lehrbuchsammlung einstellen würde bzw. in Printform auch schon eingestellt hat. Zudem war zum Aufrufen dieser eBooks kein eigenes zusätzliches Gerät erforderlich, der Aufruf konnte am PC erfolgen. Allerdings - ein Netzanschluss musste schon sein; vor allem aber musste ein besonderer eBook-Reader installiert sein: bei ciando der von Adobe. Dieser stand (und steht) nur für bestimmte Betriebssysteme zur Verfügung, man kann ihn kostenlos von Adobe herunterladen, musste ihn aber nach der Installation frei schalten lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass der eBook-Reader schon benötigt wird, um die eBooks überhaupt beziehen / herunterladen zu können, dass die heruntergeladenen eBooks festplattengebunden sind und damit nicht einfach weitergegeben werden können und dass sie nur nach den vom Rechteinhaber mitgegebenen Rechten verarbeitet werden können, z.B. hinsichtlich des Ausdrucks oder der Möglichkeit, Zitate in anderen Programmen weiter zu nutzen.

Zwei Punkte seien dazu angemerkt: Im Vorfeld des Projekts hatten wir an der USB versucht, im Rahmen unseres SSG-Sammelauftrags us-amerikanische eBooks über unsere Buchhändler zu beschaffen und waren gescheitert. Zwar hatte der Buchhändler das eBook auf seiner Festplatte, das Weiterleiten und damit auch der Verkauf an uns war aber eben wegen dieser Festplattengebundenheit nicht möglich. Deshalb waren wir froh, mit ciando an einen in Deutschland ansässigen Lieferanten zu kommen. Zum anderen waren die Bedingungen bei ciando aus meiner Sicht durchaus großzügig, so konnte ein Titel zweimal heruntergeladen werden (stationärer PC und Notebook bzw. Handheld), auch die Druck- und Kopiermöglichkeiten waren anwenderfreundlich geregelt.

Die eBooks von ciando hatten (und haben) einen weiteren Vorteil: Der Bezug der eBooks war kapitelweise möglich. In Verbindung mit der kontextsensitiven Volltextrecherche im einzelnen Dokument erlaubte das, dass man nur die Kapitel kaufen und herunterladen musste, die z.B. zu einem bestimmten Stichwort Ausführungen enthielten. Das passt zu dem punktuellen zielgerichteten Zugriffsinteresse, dem mir die elektronischen Medien angemessen zu sein scheinen, aber ebenso zu der Nutzung von Studienliteratur, wie sie oft zu beobachten ist.

Wir haben daher mit ciando ein Projekt vereinbart, das in seiner ersten Phase die Akzeptanz der Nutzer eruieren sollte; in einer zweiten Phase, die technisch noch zu realisieren war, sollte eine Ausleihmöglichkeit implementiert werden, die zunächst IP- und dann benutzerbezogen gestaltet werden sollte. Für die erste Phase haben wir von ciando Gutscheine zur Verfügung gestellt bekommen, die wir (teilweise wieder unterstützt durch Ressourcen von ciando) im Campus verteilt haben, wobei man den Code zur Freischaltung allerdings im Informationszentrum der USB abholen musste. Wir hatten dort Beispiele von eBooks auf einem Kiosk-PC installiert und CD-ROMs mit dem eBook-Reader für diejenigen gebrannt, denen ein Herunterladen von ca. 9 MB über Modem zu aufwändig war. Diesen Weg in die USB, der technisch unnötig war, hatten wir zur Bedingung gemacht, um die USB mit Blick auf die "Ausleihphase" von vornherein als Teil des Projekts kenntlich zu machen.

Anders als ciando, die das Ergebnis dieser ersten Projektphase als Erfolg einstufen, sehen wir die Ergebnisse skeptisch: Wir haben noch nicht einmal alle 500 Gutscheine verteilen können, was auch daran liegen mag, dass die Differenz zwischen dem Wert des Gutscheins und dem, was ciando ohnehin Erstkunden als Startgutschein einräumte, nicht so erheblich war, um Interessenten, die die USB sonst nicht oder nicht zu diesem Zeitpunkt nutzten, den Gang in die USB lukrativ erscheinen zu lassen. Da wir versäumt hatten, eine Rückmeldung als verpflichtend in das Projektdesign zu integrieren, und auf freiwillige Rückmeldungen angewiesen waren, war die Resonanz spärlich und da, wo sie kam, kritisch bis negativ. Sie zielte auf die Kosten (trotz des Kostenvorteils für Hochschulangehörige), die Umständlichkeit der Beschaffung und die Bindung an den eBook-Reader mit seinen Schutzmechanismen. In der letzten Phase des Ausliegens der Gutscheine gab es schon keine Nachfrage mehr, auch der Wegfall der Gutscheine löste keinerlei Reaktion aus. Das Thema ist für unsere Nutzer offenbar keins - jedenfalls nicht in einer Form, die uns als Bibliothek einschließt. Insofern ist das eBook-Projekt auch an der USB Köln erst einmal "eingeschlafen".

Das bedeutet nicht, dass wir nicht nach wie vor ein gewisses Interesse an eBooks haben, in denen wir in dem angedeuteten Rahmen eine Bereicherung des Angebots von Bibliotheken erkennen. Allerdings motiviert die ausbleibende Nachfrage auch nicht dazu, mit hoher Priorität an diesem Projekt weiterzuarbeiten, wenn gleichzeitig andere Projekte unsere Arbeitskraft mehr als beanspruchen.

Zudem ist auf einen Grundkonflikt hinzuweisen: ciando hat ein legitimes kommerzielles Interesse, die Firma muss sich refinanzieren und gleichzeitig ihr Angebot stetig erweitern. Auch in einer "Ausleihphase" erwartet ciando, dass die Kosten gedeckt werden. Zwar waren für diese Phase geringere Kosten als beim Erwerb geplant, diese aber hätten von der Bibliothek oder vom Endnutzer übernommen werden müssen. Der Endnutzer scheint mir jedoch noch nicht soweit zu sein, Kosten für eine Ausleihe zu tragen, wenn er den Titel für vergleichsweise wenig mehr auch kaufen könnte oder aber eben in Printform in der Bibliothek kostenlos ausleihen kann. Die Bibliothek wiederum hätte im Einzelfall auszurechnen, was teurer ist: Erwerb des Titels in Printform in entsprechender Staffelung oder Subventionierung des Endnutzers durch Übernahme der Ausleihkosten in jedem Einzelfall. Das ist aus meiner Sicht trotz aller Diskussion um pay per view immer noch Neuland für uns.

Als Resümee bleibt: eBooks sind für bestimmte Leseintentionen eine interessante Alternative (vor allem in Verbindung mit einem Volltextretrieval), für das Ziel einer digitalen Lehrbuchsammlung bieten sie sich an. Sie sind aber in der von uns getesteten Form eine schwieriges Format für Bibliotheken. Wir haben dennoch ein Interesse daran, das Projekt wieder aufzunehmen, zumal die Zusammenarbeit mit der Firma ciando sehr angenehm war. Dass in der Zwischenzeit viele neue Titel im Angebot hinzugekommen sind, ist dafür nur ein weiterer Gesichtspunkt.


Zum Autor

Dr. Rolf Thiele ist Leiter des Dezernats Informationsdienste, Neue Medien und Gesamtkatalog der

Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
Universitätsstraße 33
D-50931 Köln
E-Mail: thiele@ub.uni-koeln.de