Erfahrungen mit der eBook-Ausleihe im Medien- und Informationszentrum Biberach an der Riss*

von Simone Hampp

1. Einleitung

Als eine der ersten deutschen Bibliotheken testet das Medien- und Informationszentrum Biberach/Riss seit Anfang 2001 die Chancen, Einsatzmöglichkeiten und die Nachfrage nach eBooks in einem Mittelstadtzentrum von 31.000 Einwohnern.

Am Anfang der Testphase standen vor allem folgende Fragen im Mittelpunkt:

2. Entscheidung für das Rocket eBook

Nach einer eingehenden Testphase, in der auch der "eBookman" der Firma Franklin getestet wurde, hat sich die Stadtbücherei Biberach für das Rocket-eBook der Firma Nuvomedia bzw. Gemstar entschieden. Gegen Franklin sprach zum damaligen Zeitpunkt vor allem die Überfrachtung mit Funktionen, von denen die meisten nicht benötigt wurden. Die größten Probleme resultierten jedoch aus dem Format eines PDA's (Personel Digital Assistent) und der fehlenden Datensicherheit. Das Rocket-eBook dagegen überzeugt nicht nur durch seine simple Handhabung, sondern auch durch sein verhältnismäßig geringes Gewicht, verglichen mit den Printausgaben der geladenen Romane. Durch die unkomplizierte Handhabung bietet sich das Rocket-eBook auch für Bibliotheken als Testobjekt sehr gut an. Mit relativ geringem Aufwand lässt sich das eBook supporten.

3. Einfaches Downloaden der eBook-Editions

Grundstzlich bezeichnet man die Hardware als eBook oder eBook-Reader, während fuuml;r den eigentlichen Lesestoff der Begriff eBook-Edition verwendet wird. Der Kauf der eBook-Editions über die Internetanbieter, z.B. dibi medien, funktioniert problemlos. Der Kauf ist sehr schnell und auch für ungeübte Internet-, bzw. EDV-Anwender einfach durchzuführen. Außerdem verfügt der Rocket-librarian, das Verwaltungssystem des Rocket-eBooks auf dem PC, über eine ausführliche Anleitung, so dass ein Download kein Kunstwerk ist. Probleme beim Kauf macht für Bibliotheken eher die geforderte Zahlungsweise der jeweiligen Anbieter. Entweder man bezahlt per Kreditkarte, was für Bibliotheken meist schwer realisierbar ist, oder man bezahlt per Vorkasse. Letzteres ist zwar umständlich, aber man bekommt auf Anfrage in der Regel eine Rechnung nachträglich per eMail oder, auf Wunsch, auch per Post. Mittlerweile bietet dibi neben dem normalen Guthabenkonto noch die Möglichkeit an, einen Guthaben-Gutschein zu kaufen, mit dem der gewünschte Betrag auf dem Gerät freigeschaltet wird. Allerdings erfordern diese Varianten meistens die vorherige Absprache mit dem Anbieter, bei dem bestellt wird und in vielen Bibliotheken auch die Bereitschaft eines Freiwilligen, der den Betrag erst einmal vorstreckt. Für das Rocket eBook beliefen sich die Kosten bisher für Hardware auf ca. 300 Euro. Für die Software sind immerhin für acht Titel rund 170 Euro angefallen.

4. Wie funktioniert die Ausleihe?

Seit August 2001 bietet das Medien- und Informationszentrum Biberach/Riss das Rocket-eBook für vier Wochen zur Ausleihe an. Bevor der interessierte Leser allerdings das eBook zu Hause ausprobieren kann, muss er zunächst den Ausleih-Vertrag ausfüllen und eine Versicherungspauschale von 5 Euro bezahlen. Zu Beginn der eBook-Ausleihe konnten aus Kostengründen nur fünf Romane angeschafft werden. Seit Dezember 2001 ist das eBook zusätzlich mit drei neuen, aktuellen Titeln bestückt. Die stark gesunkenen Titelpreise ermöglichten es, "Das sexuelle Leben der Catherine M." von Catherine Millet, "Die Sünde der Engel" von Charlotte Link und "Das Schwarze Manifest" von Frederick Forsyth zu kaufen. Mittlerweile kosten die Ausgaben der elektronischen Bücher genau soviel wie die Printausgaben. Für die Zukunft wäre es natürlich sinnvoll, wenn die Softwarepreise noch mehr sinken würden, um damit zusätzlichen Anreiz zu schaffen, auf das elektronische Schmökern umzusteigen.

5. Bisherige Resonanz

Die ersten Erfahrungen zeigen, dass sich sehr viele Benutzer für das eBook interessieren und sich das neue Lesegerät auch gern von unserem Bibliothekspersonal an der Information erklären lassen. Die Zahl der Leser, die das Lesegerät auch ausleihen und zu Hause testen, ist nur wenig geringer. Die Tatsache, dass das eBook seit August 2001 insgesamt 15 Mal ausgeliehen wurde, beweist doch deutlich, dass die Biberacher an diesem neuen Leseobjekt sehr interessiert sind. Allerdings äußern auch viele Entleiher den Wunsch, das eBook mit praktischen Sachbüchern für den Urlaub zu bestücken. Dabei werden immer wieder Reiseführer mit U-Bahn- und Stadtplänen, sowie Sprachführer und Lexika genannt. Im Belletristik-Bereich ist das Angebot jetzt wesentlich aktueller und umfangreicher geworden. Allerdings fehlen bisher die absoluten Highlights: eine Harry-Potter-Edition oder eine digitalisierte Ausgabe des neuesten "Baudolino"-Romans von Umberto Eco ist bisher noch nicht erhältlich. Um die Kundenzufriedenheit noch genauer beurteilen zu können, bekommt jeder e-Book-Entleiher des Medien- und Informationszentrums Biberach/Riss seit August 2002 einen von der Stadtbibliothek Duisburg entwickelten und ausgearbeiteten Fragebogen ausgehändigt.

Aber nicht nur Benutzer, sondern auch viele Bibliotheken zeigten großes Interesse an unserem eBook-Projekt. Deswegen bietet die Stadtbücherei Biberach seit kurzem auf ihrer Homepage unter http://www.medienzentrum-biberach.de eine FAQ-Seite an, auf der sich alle Interessierten zur eBook-Ausleihe informieren können. Auf weitere Erfahrungsberichte von Lesern und Bibliotheken ist das Team der Bücherei in Biberach sehr gespannt.

6. Ein zweites eBook in Biberach

Das neue eBook GEB 2200 der Firma Gemstar hat die Stadtbücherei Biberach/Riss vor kurzem gekauft und wird es baldmöglichst auch zur Ausleihe anbieten. Bei diesem Gerät erfolgt das Herunterladen der Titel nicht mehr vom PC auf das eBook, sondern direkt über einen analogen Telefonanschluss auf das GEB 2200. Durch den Wegfall der PC-Verbindung und die verschlüsselte Lieferung des eBooks für jedes einzelne Gerät, will Gemstar das Verfielfältigen und Weitergeben der eBook-Editions unterbinden. Im Gegensatz zum Rocket eBook, das HTML-Seiten liest, ist das neue Lesegerät von Gemstar zum Open eBook-Format (OEB) kompatibel. OEB, das XML nutzt, stammt vom gleichnamigen Konsortium und soll der Standard für elektronische Bücher werden. Das GEB 2200 verfügt über ein integriertes, analoges Modem, wodurch das Downloaden der Titel ermöglicht wird. Da das Medien-und Informationszentrum jedoch nur über ISDN-Anschlüsse verfügt, bekamen wir von Gemstar, auf Nachfrage, eine Anschlussanleitung für ISDN-Anlagen. Wenn man diese Einstellungen beachtet, soll es auch möglich sein, eBook-Editions über einen ISDN-Anschluss herunterzuladen. Das GEB 2200 ist das erste eBook mit Farbbildschirm. Es ist daher gut zum Anschauen grafikintensiver Inhalte - Magazine, Zeitungen und Zeitschriften - geeignet. Sehr gespannt sind wir daher auf die beiden Probeabos der Zeitschriften Spiegel und Financial Times Deutschland, die bei der Bestellung enthalten sind. Da die eBook-Ausgabe des Spiegels schon zwei Tage vor Erscheinen der Printausgabe geladen werden kann, hoffen wir, unseren Lesern mit diesem Angebot einen besonderen Anreiz zu geben, das GEB 2200 regelmäßig auszuleihen. Bei entsprechender Nachfrage plant die Stadtbücherei Biberach/Riss, dieses Angebot auszubauen und eventuell das GEB 2200 als kleines Zeitschriften-Archiv zu nutzen. Ab Dezember 2002 werden im Medien-und Informationszentrum Biberach/Riss also zwei elektronische Lesegeräte für die Ausleihe zur Verfügung stehen. Geplant ist, dass das Rocket eBook mit Romanen und das GEB 2200 mit Sachbüchern bestückt wird.

7. Zukünftige Entwicklung

Im Mittelpunkt der Diskussion stehen in Biberach natrlich in erster Linie die Benutzerinteressen. Aber inwieweit können diese auch zukünftig realisiert und umgesetzt werden? Neue Verkaufsmodelle sowie verschiedene Kooperationen zeigen, dass der Markt im eBook-Bereich langsam in Bewegung kommt. Es gibt bereits einige Anbieter, die die eBook-Editions auch leihweise anbieten. Allerdings ist dieses Angebot bisher mehr im Fachbuchbereich verbreitet. Bei Missing Link beispielsweise, dem deutschen Vertriebspartner für die eBooks des Wissenschaftsverlages Taylor and Francis, können die eBook-Editions entweder für eine dauerhafte Nutzung gekauft oder aber für eine begrenzte Zeit, z.B. für die Dauer eines Semesters oder einer Hausarbeit, abonniert werden. Im Belletristik-Bereich sind es vor allem die copyrightfreien Klassiker, die im Internet offeriert werden. So findet man beispielsweise beim Projekt Gutenberg deutschsprachige Gedichte, Sagen und copyrightfreie Romane im HTML-Format. Das englischsprachige Pendant Project Gutenberg gilt als die Mutter aller copyrightfreien Sammlungen im Internet, deren Anfänge bis ins Jahr 1971 zurückreichen. Mittlerweile stehen dort mehrere tausend Klasssiker im TXT-Format bereit. Das Medien- und Informationszentrum Biberach/Riss rechnet damit, dass sich dieser Trend auch im populären Sachbuch- und Belletristikbereich fortsetzen wird und dass zunehmend Verkaufsschlager aus diesen beiden Bereichen auf den Markt kommen. Diese Entwicklung bietet sicherlich auch für öffentliche Bibliotheken neue Chancen und Möglichkeiten, die eBook-Editions kundenorientiert anzubieten. Eine neue Angebotsform wäre beispielsweise, dass Bibliotheken eBook-Editions bestimmter Verlage auf einem extra Server zur Verfügung stellen. Die Leser können sich diese dann entweder komplett, oder die für sie interessanten Exzerpte, gegen eine Gebühr herunterladen. Das Vorhaben, die eBook-Editions für eine trägerunnabhängige Informationsversorgung zu nutzen, ist mittelfristig sicherlich auch in öffentlichen Bibliotheken realisierbar.

8. Fazit

Mittlerweile ist - sicherlich nicht nur - in Biberach die friedliche Koexistenz von eBook und gedrucktem Werk eingetreten. Denn es geht nicht darum, das Buch zu ersetzen, sondern durch das eBook zu ergänzen und damit auch das Angebot der öffentlichen Bibliotheken attraktiver und anziehender zu gestalten. So sind die eBooks beispielsweise im Urlaub, unterwegs oder unter schlechten Lichtbedingungen den gedruckten Werken überlegen. Auf alle Fälle wird sich das Team der Bücherei in Biberach auch weiter mit diesem innovativen Medium und seinen Möglichkeiten im öffentlichen Bibliothekswesen - und für das öffentliche Bibliothekswesen - beschäftigen.


*) Erweiterte Fassung eines ersten Erfahrungsberichtes in: BuB 54(2002) 7/8,S.484-485


Zur Autorin

Dipl.-Bibl. Simone Hampp ist nach ihrem Studium an der HBI Stuttgart seit Oktober 2001 als Bibliothekarin beim Medien- und Informationszentrum Biberach mit Schwerpunkt Erwachsenenveranstaltungen, Leitung und Organisation der Leseoase und Organisation der Zeitschriften tätig.

Stadtbücherei
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E-Mail: simone.hampp@biberach-riss.de