OmniCard 2003 - Der Chipkarten-Kongress in Berlin
Die Chipkarte - Fester Bestandteil unseres Alltags

von Clemens Deider

So lautet der Titel des Chipkartenkongresses Januar 2003 im Grand Hotel Esplanade Berlin. Und gerade an diesem Tage berichtete eine Berliner Tageszeitung über die wiederholte Projektverschiebung einer Campus-Chipkarte an der Technischen Universität Berlin. Sicherheitslücken in der Software sollen dafür der Grund sein. Dr. Martiny, der die Einführungsworte zum Kongress sprach, kommentierte dies trocken: man solle sich doch den Rat der Industrie holen. Damit leitete er über zum ersten Kongress-Forum "Und es gibt sie doch: Die Stories der Erfolge".

Dr. David Stephenson von der Cartes Bancaires Paris berichtete über zehn erfolgreiche Jahre mit der CB-Smartcard. Dabei bewege sich die nationale französische Norm in Richtung auf eine europäische Norm hin. Die elektronische, digitale Unterschrift, wie sie für die Ende des Jahres geplante Geldkarte vorgesehen ist, soll dabei mehr Sicherheit und neue Leistungen bieten. Eric Tai (Ceo Oktopus Cards Ltd.Hong Kong) beschrieb den erfolgreichen Einsatz der Chipkarte in Hongkong. 95% der Bevölkerung von Hongkong besitzen mindestens eine Karte. Doch sind weit mehr Karten im Umlauf als Honkong Einwohner hat. Als Begründung führte Eric Tai an, dass besonders die Damen wohl in jeder Handtasche eine Karte hätten. Das Oktopussystem ist mehr als eine Zahlkarte. Als ID-Karte begleitet sie z.B. Schulkinder auf ihrem Schulweg, dient als Zahlkarte bei der Schulspeisung, dient als Anwesenheitsnachweis in der Schule und vermittelt so den Eltern wie auch den Lehrern eine gewisse Sicherheit. Das erste Forum wurde mit der Frage nach neuen Chancen für die Chipkarte, Trends, Risiken und Perspektiven abgeschlossen.

Michael Hinz schilderte in Vertretung von Oliver Nazet von der Mummert Consulting AG Frankfurt Main eine Fragebogenaktion, die ein greifbares Fundament schaffen sollte, auf das im Rahmen der Bundesförderung von BundOnline 2005 14 Modellverfahren aufsetzen können bzw. konnten, mehrere mit Einsatz qualifizierter elektronischer Signaturen - diese unter Verwendung einer Chipkarte. Ein Auszug der Vorhaben kann der Kongressdokumentation Blaues Buch von OmniCard 2003 auf Seite 97 entnommen werden.

Durch die augenblickliche finanzielle Situation und die Diskussion, welche Anwendungen geplant sind und ob Chipkarten von anderen Systemen mitgenutzt werden sollen, ist jedoch eine abwartende Haltung angesagt. Öffentliche Institutionen konzentrieren sich wohl in der Hauptsache auf Signatur-Initiativen, wobei auftretende Kompatibilitätsfragen zu klären wären und nicht zuletzt ist dabei die Lebensdauer der Karte zu berücksichtigen. Als Schlussfolgerung für öffentliche Institutionen sah der Referent kurzfristig:

Langfristig wird sich ein flächendeckendes Angebot von eGovernment-Services (BundOnline 2005) entwickeln. Sein Schlusswort: Technisch ist alles möglich, nur die Teilnehmer/Teilhaber müssen sich verständigen.

Die nächsten Foren des Tages setzten sich mit neuen Akzeptanzfeldern der Chipkarte im Zahlungsverkehr auseinander, so die Deutsche Postbank mit dem von der deutschen Kreditwirtschaft geschaffenen Verfahren zur Online-Personalisierung von Terminals (OPT). Gemachte Erfahrungen wurden stichwortartig in der Kongressdokumentation zusammengestellt (Blaues Buch S. 149).

Der Einsatz der Geldkarte an Zigarettenautomaten mit u.a. altersbezogener Zugangskontrolle per Chip könnte, was die Alterskontrolle anbelangt, auch für Bibliotheken von Interesse sein.

Peter Lind vom Bundesverband Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller aus Köln schilderte anschaulich Projektvorbereitung und Umsetzung. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz des Systems durch gezielte Aufklärungsmaßnahmen wesentlich erhöht werden kann.

Das Referat "Das Anwendungsfeld Maut" war für Bibliothekare als Benutzer der Bundesautobahn insoweit von privatem Interesse, dass von der Technik her gesehen eine Autobahngebühr für Personenkraftwagen keinen Sinn macht, so der Vortragende Wolfgang Beier von Daimler/Chrysler Berlin.

Mit den Foren Elektronische Signaturkarte zweiter Schritt und Konkrete Projekte und gute Geschäfte klang der offizielle Teil des ersten Tages aus. Zum Thema "Elektronische Signaturkarte zweiter Schritt" wurden Geschäftsmodelle von und für Banken vorgetragen:

Prof. Dr. Herbert Kubicek entwarf eine mehrseitige Kosten-/Nutzenanalyse zur Verwendung der elektronischen Signatur in der Anwendung verschiedener Kartensysteme.

Dr. Rüdiger Mock-Hecker - Deutscher Sparkassen-Verlag GmbH, Stuttgart - stellte die Frage, warum sich die digitale Signatur bei so vielen Vorteilen nicht durchsetze? Seine Antwort: Für den Bürger lohne es sich wegen der seltenen Einsatzmöglichkeiten nicht; für die Behörde lohne es sich aus eben diesem Grunde nicht, dem Bürger eine Chipkarte auszuliefern. Zusammenfassend kam Dr. Mock-Hecker zu dem Schluss, dass ein großes Potential für den Einsatz der digitalen Signatur - sowohl softwarebasiert wie auch kartenbasiert - besteht, um damit Prozesse sicherer und/oder günstiger zu gestalten. Voraussetzungen wären jedoch

Der Referent der HypoVereinsbank Gerd Schlachter kam zu dem Schluss:

Doch es sind noch viele Schritte erforderlich, um zum Erfolg zu führen. Denn warum soll der Kunde/Bürger z.B. einen Chipkartenleser kaufen? Das würde er doch erst bei einer größeren Anwendungsvielfalt und der Einsatzmöglichkeit am heimischen PC tun.

Und so sieht auch Prof. Dr. Kubicek von der Universität Bremen die Gründe für die geringe Nachfrage im

Hierzu können noch die im Blauen Buch auf Seite 198 aufgeführten Kosten-/Nutzenaspekte eingesehen werden.

Von guten Geschäften wurde im Forum 4 berichtet. Franz Haniel von Giesecke & Devrient schilderte den erfolgreichen Einsatz der Chipkarte am Beispiel einer zuverlässigen Personenidentifikation im ostasiatischen Macao. Dort soll die Karte als Schlüsselkomponente bei der Modernisierung der Verwaltung zu eGovernment hinführen. G&D schlägt für eine sichere Identifikation die Fingerprint-Überprüfung vor. Dr. Jürgen Kuttruff von Infineon /München und Gilles Michel von Gemplus S.A./Gemenos berichteten von Projekten in Taiwan und Oman, was Dr. Martiny zu der Frage veranlasste, warum solche Unternehmen im Ausland erfolgreich sind und bei europäischen Projekten kaum etwas passiert. Das Transrapid-Projekt in China drängt sich hier als Vergleich auf.

Am zweiten Veranstaltungstag standen die Themen Elektronisches Ticketing (Forum5), Customer Relationship Management (CRM) mit Hilfe der Chipkarte (Forum 6) und Entscheidende Schritte im Zahlungsverkehr auf dem Programm. Eine Preisverleihung für das schnellste ec-cash-Terminal mit Chip und die Podiumsdiskussion Wem gehört der Kunde? beendeten als Forum 8 und 9 den offiziellen Teil dieses Tages.

Bei den oben angeführten Themen ging es vornehmlich um Fragen und Probleme, die sich bei Verkehrsunternehmen, bei deren Betrieb und Geschäftsgang stellen. So wurde über den elektronischen Fahrschein, seine Gestaltung und Handhabung, die Ablaufplanung und das Controlling, das Fahrgeldmanagement und der Einsatz des Mobiltelefons für elektronisches Ticketing referiert. Wenn diese Foren auch nicht direkt bibliothekarische Aufgabenstellungen wiedergaben, so sind doch Art und Weise der Problemlösungen teilweise auf bibliothekarische Geschäftsgänge und Problemstellungen analog und approximativ anwendbar. So die Behandlung des Gegenstandes Fahrschein für Benutzerausweis, Fahrgeld- und Kundenmanagement, und auch Chancen und Grenzen der Benutzerbetreuung. Ideenlieferanten für die Bibliotheken könnten eventuell Fallstudien der CRM GmbH München (Blaues Buch S.403) sein.

Zu der Frage, wem denn nun der Kunde gehöre, entwickelte sich eine recht lebhafte Diskussion, in der auch Antworten zu den Fragen gesucht werden mussten: Wer bekommt wie viel von der Wertschöpfung am Kartensystem bei Beteiligung mehrerer Parteien? Wer übernimmt die Gesamtverantwortung gegenüber dem Kunden für die ganze Karte bei mehreren Applikationen? Letztendlich einigte sich die Diskussionsrunde darauf, dass der Kunde dem Kartenherausgeber gehört, denn Warenzeichen/Brand und Image sind mit der Karte eng verbunden. Und es wird immer eine Kartenvielfalt geben, hoffentlich mit einheitlicher Schnittstelle möglichst auf der Infrastruktur einer kompatiblen, digitalen, elektronischen Signatur. Die Kartenvielfalt ergibt sich aus den oft recht unterschiedlichen Brancheneigenheiten, deren Facettenreichtum mindestens vorerst von einer Zusammenführung auf eine Karte abraten lassen. Dem Kunden sollte vielmehr freigestellt sein, welche Applikationen er auf seine Karte laden möchte.

Auch Forum 10 folgte am dritten Veranstaltungstag wie einem roten Faden der digitalen Identifikation. Projekte der ID-Card aus Tallin/Estland (Jury Voore, leider nicht in der Dokumentation Blaues Buch enthalten, Info@,skee ), aus Bern/Schweiz und Rom/Italien wurden vorgestellt. In der Grobplanung der Schweiz ist die Realisierung der eID im Jahr 2004 vorgesehen. Drei Grundfunktionen soll sie beinhalten:

Die staatliche eID-Karte ist lt. der Entscheidung der Schweizer Landesregierung (Bundesrat) eine reine Identitätskarte und enthält keine weiteren Anwendungsdaten, wie zum Beispiel Gesundheitsdaten.

Im Forum 11 wurde über den Karteneinsatz im Gesundheitswesen referiert und diskutiert. Dabei ging es um

Mit Visionen und dem Blick auf innovative Entwicklungen klang als Schlussveranstaltung von OmniCard 2003 der Kongress mit dem Forum 12 aus. Dr. Claus-Werner Brill von der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Berlin ) warb in seinem Vortrag für VERSA: Verteilte Signatur-Arbeitsplätze; d.h.

Mit einem mobilen persönlichen Signiergerät will Detlef Kraus (Security Research & Consulting GmbH, Bonn ) eine Autorisierung z.B. via PDA (Personal Digital Assistant) mit Schreibstift elektronisch z.B. bei Zugangsbeschränkungen in Arztpraxen, bei Behörden u.s.w. erreichen. So unterschreibt ein Arzt oder Kunde auf dem Display seines PDA mit vollem Schriftzug oder Paraphe und weist sich so als rechtmäßiger Vertragspartner digital aus. Zur Kontrolle kann der angesprochene Signaturempfänger nochmals von sich aus um eine Bestätigung bitten, die mit der Wiederholung der Unterschrift auf dem Display gegeben werden kann. Eine Technik, die auch auf Bibliotheken zukommen könnte. Über einen PDA dürften schon viele Bibliotheksbenutzer vefügen, genauso wie über ein Handy. Letztes wird als universelles Gerät neben der Internetverbindung und Fotolinse auch bald über ein signaturfähiges Display verfügen. Dazu mehr bei D. Kraus im Blauen Buch auf Seite 495.

Für Mario Hoffmann vom Fraunhofer Institut Darmstadt sind Smart Cards zur sicheren Nutzung von Location Based Services das innovative Anwendungsfeld der Chipkarte. Gemeint sind Dienste, die Ort-, Zeit- und Benutzerinformationen zu individuellen, kontextorientierten Diensterbringungen kombinieren (siehe Blaues Buch S. 500 - http://www.mobile-projekt.de). Um die Profildaten eines Kartenbenutzers bei mobilen Diensten zu sichern, setzt sich Mario Hoffmann für ein Profilmanagement ein - Blaues Buch Seite 505 -, was ausführlich im März auf der CeBIT 2003 als Projekt MOBILE am Stand der Fraunhofer Gesellschaft gezeigt werden soll.

Lösungsansätze für sicheres mBanking (mobiles Banking) versprach Hans-Peter Dünnwald vom SIZ Bonn (Informationszentrum der Sparkassenorganisations GmbH).

Sicher, bequem, einfach und kostengünstig soll der Sparkassenkunde über sein Handy in Bus, Bahnen, Cafes und Bars seine Rechnungen begleichen können, so schnell und selbstverständlich wie er seine SMS-Nachrichten versendet, so also auch Ausleih- und Mahngebühren seiner Bibliothek. (Letzteres wurde so deutlich nicht ausgesprochen.)

Neben den Kongressforen konnte eine limitierte Anzahl von Teilnehmern parallel in sieben Workshops den Meinungs- bzw. Erfahrungsaustausch vertiefen. Und wie in den neun vorangegangenen Veranstaltungsjahren wurde der Kongress auch dieses Mal von etwa 30 Ausstellern begleitet, die vornehmlich beratend ihre Leistungen anboten. Und nicht unerwähnt bleiben soll auch das vorzügliche Ambiente im Gran Hotel Esplanade (www.esplanade.de), mit dem Mathias Fluhr von inTIMEberlin alle Teilnehmer in bester Weise zusammenführte. Das Kongressprogramm ließ ausreichend Raum für gute Gespräche bei gutem Essen & Trinken, wahrlich ein nicht zu unterschätzender Kongresspluspunkt. Wer nicht persönlich teilnehmen konnte, kann die Dokumentation Blaues Buch erwerben:

Die Chipkarte - Fester Bestandteil unseres Alltages
Kongressdokumentation und Katalog
OMNICARD 2003
15. bis 17. Januar 2003

Neben den verschiedenen Referaten und Veranstaltungsübersichten sind dort Angaben über die Aussteller und Lebensläufe der Referenten zu finden. Diese Mal sind auch bei den meisten Beiträgen Text und Bild-/Skizzenwiedergaben kombiniert. Weitere Informationen, so auch die Power Point-Präsentationen der Vorträge , sind mit Passwort über Internet www.omnicard.de abrufbar. Das Passwort ist bei inTIMEberlin zu erfragen.

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