Baubericht über die Sächsische Landesbibliothek -
Staats- und Universitätsbibliothek Dresden

von Robert Klaus Jopp

Am 14.Januar 2003 fand in der sächsischen Landeshauptstadt die feierliche offizielle Eröffnung des Neubaus der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) statt. Für den Generaldirektor Prof.Jürgen Hering war dies Krönung und zugleich Abschluss seiner beruflichen Laufbahn. Prof.Dr.Georg Milbradt, der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, hob in seiner Ansprache die Leistung und gute Zusammenarbeit aller an der Planung und dem Bau Beteiligten hervor und wies auf die Bedeutung der SLUB als nunmehr einer der grössten deutschen Bibliotheken hin.

Aus Anlass der Eröffnung des neuen Gebäudes erschien eine Festschrift: Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden. Festschrift anlässlich der Erweiterung des Neubaus. Hrsg. Prof.Jürgen Hering - Dresden: Michel Sandstein 2002. 171 S. ISBN 3-930382-81-4

In Ergänzung dazu wurde vom Staatshochbauamt Dresden unter dem Titel SLUB - Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden eine weitere Dokumentation über den Neubau herausgegeben (nicht im Handel).

Die reichlich mit vorzüglichen Fotos versehene Festschrift enthält etwa dreissig Beiträge von Mitarbeitern der Bibliothek. Der Leser erhält so einen umfassenden Überblick über das Werden und die Organisation der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden - voll ausgeschrieben eine etwas sperrig erscheinende Benennung, die sich aber natürlich aus der Entstehungsgeschichte ergibt; ‚handlicher' ist sicher die Kurzbezeichnung SLUB, mit der allerdings nicht Eingeweihte - wie so oft bei Abkürzungen oder Akronymen - nicht immer etwas anfangen können.

Jürgen Hering beschreibt die komplizierte Geschichte der Zusammenführung der traditionsreichen Sächsischen Landesbibliothek mit der Universitätsbibliothek Dresden, die anfangs von einer zum Teil sehr emotionalen Polemik vor allem von den Gegnern dieser Vereinigung begleitet war; die Gegner hätten die Landesbibliothek gern im sogenannten Erlwein-Speicher, neben dem Landtag, untergebracht gesehen. Allerdings hätte schon der Bauzustand des Gebäudes aus dem Anfang des 20.Jahrhunderts und die mangelnde, zum Teil überhaupt nicht gegebene Tragfähigkeit der Geschossdecken, eine solche Lösung nicht erlaubt; das Hochwasser vom August 2002 hätte darüberhinaus nicht wiedergutzumachende Schäden an den Beständen der Landesbibliothek verursacht. Unter dem Vorsitz von Günter Gattermann wurde von der beauftragten Integrationskommision ein tragfähiges Konzept entwickelt, das Grundlage der weiteren Planung wurde. Die weitere Aufgabe war danach die Entwicklung einer Organisationsstruktur für das gesamte Bibliothekssystem der Landesbibliothek und der Universitätsbibliothek. Diese Aufgabe konnte dank der inzwischen überwiegenden Unterstützung der Mitarbeiter der - vormals beiden - Bibliotheken gelöst werden. Katrin Nitzschke gibt in dem anschliessenden Beitrag einen interessanten Überblick über die verschiedenen Standorte der beiden Bibliotheken seit ihrer jeweiligen Gründung. Reinhard Haida beschreibt die Zeit der provisorischen, immerhin 55 Jahre währenden, Unterbringung der Landesbibliothek in einer ehemaligen Grenadierkaserne an der Marienallee, inmitten eines von sowjetischen Truppen genutzten Kasernengeländes, das zudem etwas abgelegen und nicht gut erreichbar war. Hans-Dieter Wüstling beschreibt sehr ausführlich die Baugeschichte der Bibliothek der TU seit Kriegsende. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs hat es übrigens wiederholt Diskussionen und auch Planungsüberlegungen zur Zusammenlegung der Landesbibliothek und der Universitätsbibliothek gegeben, die aber immer wieder an den sehr unterschiedlichen strukturellen Vorstellungen der Universität, der Landesbibliothek und der ministeriellen Seite beziehungsweise der zentralen Einrichtungen gescheitert sind.

Ein weiterer Abschnitt mit Beiträgen der Architekten Laurids und Manfred Ortner, Matthias von Rüdiger und Candida Höfer ist der Planung und der Ausführung des Neubaus für die SLUB gewidmet. Während Ortner sich mit dem Erscheinungsbild der äusseren und inneren Wände - die Struktur der Travertinverkleidungen der Aussenwände, die sich auch in Betondecken im Innenbereich wiederfindet, bezeichnet er als ‚Bücherflimmern'(?) - befasst, schildert von Rüdiger die Planungs- und Bauabläufe und auch deren Probleme; beispielsweise musste das im Wettbewerbsentwurf vorgesehene siebengeschossige Tiefmagazin wegen der wasserführenden Schichten im Baugrund aufgegeben werden und aus demselben Anlass eine aufwändige Pfahlgründung an der Hangseite vorgenommen werden.

Eine ganze Reihe von Beiträgen befasst sich mit Fragen der Organisation der verschiedenen Benutzungs- und Verwaltungsbereiche, auch mit den gut ausgestatteten Werkstätten für Buchpflege und Bucherhaltung.

Der Text enthält eine grosse Anzahl von guten Abbildungen vor allem zum Neubau. Im Anhang werden die Grundrisse der drei Hauptbenutzungsgeschosse (Abb.1) dargestellt sowie eine Liste der am Bau und der Ausstattung beteiligten Unternehmen aufgeführt. Eine ausführliche Bibliographie ergänzt die Festschrift.

Das Bibliotheksgebäude verfügt über eine Hauptnutzfläche von 29.375 m², davon 10.018 m² Freihand- und Lesebereiche; dort stehen 990 Leseplätze, darunter 46 Carrels, zur Verfügung. Der Freihandbereich umfasst zur Zeit etwa 420.000 Bände; diese Zahl lässt sich in Zukunft verdoppeln. Die Gesamtkapazität des Neubaus beläuft sich auf 6 Millionen Bände.

Der Bau überrascht dadurch, dass man ihn bei der Annäherung an das Gelände eigentlich zunächst garnicht wahrnimmt. Die beiden Kuben stehen etwas isoliert auf einer Wiese, in der man bei näherem Hinsehen die horizontale Glasfläche des Lesesaaloberlichts - fast wie ein Wasserbecken - entdeckt (Abb 2 + 3). Ob diese ebenerdige, horizontale Glasfläche nicht mit der Zeit zu Dichtigkeitsproblemen führen kann, muss abgewartet werden.

Der Besucher betritt das Gebäude auf Strassenniveau, also der Gebäudeebene 0, und gelangt dort in die recht grosszügige Eingangshalle. Von dort aus führen Treppen und Aufzüge in die vier oberen Geschosse des Nordriegels; im ersten Obergeschoss befindet sich eine Cafeteria, im zweiten das Buchmuseum. Den vollständig unter der Erde gelegenen und durch das erwähnte Dachoberlicht erhellten grossen Lesesaal (Abb.4) erreicht man auf Ebene -2. Wenngleich es auch nicht wenige vergleichbare historische Vorbilder gibt, so erscheint heute diese Art von Raum doch etwas gewöhnungsbedürftig; die ebene Glasoberlichtdecke macht sich übrigens bei starkem Regen oder Hagel akustisch bemerkbar. Die Leseplätze bieten viel Platz, allerdings sind die Drehstühle (Abb.5) etwas unbequem und dürften wegen der Drehgestelle und Rollen auf die Dauer reparaturanfällig sein. Die Wände und Säulen im gesamten Gebäude sind mit Platten und Formstücken aus MDF (MittelDichte Faserplatten) bekleidet, ein Material, das wegen seiner Qualitäten eingesetzt wird, nichtsdestoweniger aber optisch etwas an ‚Presspappe' erinnert. Im Benutzungsbereich sind Teppichböden verlegt, deren Farbe und Musterung an die Travertinverkleidungen der beiden oberirdischen Riegel angelehnt ist, was auf den Treppen, insbesondere beim Hinabsteigen, Orientierungsprobleme mit sich bringt, weil die Stufenvorderkanten oft nicht sehr gut zu erkennen sind.

Bei aller Kritik an Details handelt es sich aber bei dem Neubau der SLUB um ein gut organisiertes und kompaktes Bauwerk, das sich in der Benutzung sicher für lange Zeit gut bewähren wird.


Zum Autor

Robert Klaus Jopp ist Architekt und Bibliotheksbauberater

Fürstenstraße 6
D-14163 Berlin
Tel.: (030) 805 809 57


Abbildung 1: Grundriss Ebene 0 (Eingangsgeschoss)

Abbildung 2: Nord- und Südriegel von Südwesten

Abbildung 3: Luftaufnahme der SLUB von Südosten

Abbildung 4: Der grosse Lesesaal

Abbildung 5: Drehstuhl im öffentlichen Bereich