Bericht von der CeBIT 2003 - oder das eBook lässt noch etwas auf sich warten!

von Vera Münch

Die CeBIT hat sich verändert. Sie ist wieder das geworden, was sie einmal war - eine ernstzunehmende Messe, bei der es um Geschäftsanbahnung, Kooperationen und Verkauf geht. Party-Stimmung, Big Show und Glitzer-Entertainment sind einer professionellen Arbeitsatmosphäre gewichen. PCs und Taschencomputer, Funk- und Erdnetze, Internet-Telefonieanlagen, Software, neue Speichermedien, Handys, und Spielkonsolen müssen nun wie jede andere Ware auch verkauft werden. Die zweite gravierende Veränderung der CeBIT steckt in dieser Aufzählung. Aus dem "Centrum für Büroautomatisierung, Informationstechnik, Telekommunikation" ist die größte Fachmesse der Welt für Computer, Software, Telefonie und Internet-Anwendung geworden. Altbewährte Maschinen zur Automatisierung der Büroorganisation wie Telefon, Fax, Kopierer und Scanner wirken ungeachtet aller Software die sie steuert in diesem Umfeld schon beinahe antiquiert.

Gewinnspiele für krisen- geschüttelte Messebesucher: MobilCom verloste eine Traumreise mit der AIDA. Mitbewerber O2 verschenkte Turnschuhe, die es aus werbetechnischen Gründen sofort anzuziehen galt.
6526 Firmen nutzten das Hannoversche Forum, um ihre Informations- und Kommunikationstechnologie-Angebote vorzustellen. Im Jahr 2002 waren es 7264 Aussteller. Das entspricht einem Rückgang von knapp elf Prozent. Rund 560.000 Besucher kamen in diesem Jahr nach Hannover. Im März 2002 waren es 674.000; ein Minus von 17 Prozent.

Trotz der deutlich geschrumpften Zahlen gaben sich am Ende alle Beteiligten zufrieden. Immerhin waren 43 Prozent der Besucher nach Umfragen des Veranstalters mit konkreten Investitionsabsichten nach Hannover gekommen. Laut Abschlussbericht der Deutsche Messe AG waren sie auch noch "höher qualifiziert sowie besser informiert und stellten daher erheblich größere Anforderungen an die Beratungsqualität und -intensität als in den Vorjahren". Kaufabsichten und Gesprächsqualität schlugen sich dann auch konkret nieder. Die Aussteller der CeBIT 2003 konnten zehn Prozent mehr Aufträge schreiben als im letzten Jahr.

Die Seiten der Zukunft

Wer sich in Hannover als Bibliothekarin oder Bibliothekar fachlich informieren wollte, zum Beispiel über den Stand der Entwicklung zu elektronischem Papier und Büchern - ePaper/eBooks -, musste entweder vorher Bescheid wissen, oder heftig suchen, um dann vielleicht Epyrus von Siemens in Halle 26 und das bislang noch namenlose eBook von Philips in Halle 21 zu entdecken. Weder Sony noch XEROX zeigten etwas zu diesem Thema, obwohl beide Hersteller bekanntermaßen an Entwicklungen arbeiten und XEROX eigentlich in diesem Bereich eine Führungsposition inne hat. War offenbar kein Thema für die CeBIT, auch nicht im Produktkatalog zu finden, wo unter dem Stichwort eBooks "Subnotebooks" und "Booksize Personal Computers" aufgeführt sind. Siemens zeigte mit Epyrus, wie die Seiten der Zukunft irgendwann aussehen könnten: Das elektronische Papier ist ein Rollbildschirm, der wie eine Jalousie zusammengerollt verharrt, bis man ihn zum Gebrauch auszieht. Zur Darstellung der Information werden Moleküle aktiviert, die unter Stromeinfluss ihre Farbe verändern. Bislang, so berichtete ein Journalist in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, funktioniert das laut Siemens-Ingenieur Marco Werner allerdings nur in schwarz-weiß. In zwei bis drei Jahren seien aber auch Farbdisplays in dieser Technik denkbar. Für Laptops, Handys oder elektronische Notizbücher böten sich dann völlig neue Möglichkeiten. Auch ein elektronischer Stadtplan wäre denkbar. Über Bücher und Buchinhalte wurde nicht gesprochen.

Der Hersteller Philips ist da mit seinem eBook einer Verwendung zur Literaturwiedergabe deutlich näher. Den Ansatz hat man aber auch schon häufiger gesehen: Zwei gegenüberliegende Bildschirme im Taschenbuchformat, auf denen sich zuvor geladene, digitale Inhalte darstellen lassen. Umgeblättert wird per Knopfdruck. Beide eBooks gibt es noch nicht zu kaufen. 2005, so vermuten die Experten der Firmen, wird es vielleicht eBooks mit farbigem Bildschirm geben. Der farbige Rollbildschirm dürfte 2006 so weit sein. Ob die Technologie dann aber gleich für die Darstellung von literarischen Werken eingesetzt wird oder eher für dynamisch wechselnde Inhalte, das bleibt gelassen abzuwarten. Kurzfristig erwächst dem guten alten Buch hier noch keine Konkurrenz.

Schonende Digitalscanner für Bibliotheken und Archive

Theresa Hanesch-Özdemir von Zeutschel erklärt den Lesekopf des A0-Farb-Hybrid-Systems OMNIA OK 300. Das Gerät kann sowohl Mikrofilme erzeugen, als auch digital erfassen.

Einstweilen gilt es also weiterhin, Bücher zu drucken und die vorhandenen Bücher per neuer Technologie verfügbar zu machen; sprich: wertvolle Inhalte zu digitalisieren, zu archivieren und übers Netz nach Bedarf auszuliefern. In Halle 1 zeigten die Hersteller Zeutschel aus Tübingen (www.zeutschel.de) und Imageware aus Bonn (www.imageware.de), was sie auf diesem Sektor für Bibliotheken und Archive anzubieten haben. Zeutschel präsentierte seine Hochleistungs-Farbscanner Omniscan "in neuem Gewand", das heißt, in einem ansprechenden Design und mit einer Vielzahl technischer Verbesserungen. Theresa Hanesch-Özdemir, Gebietsverkaufsleiterin Ausland bei Zeutschel, hob vor allem die neuen Funktionalitäten für eine bequemere Benutzung sowie das neue Licht-System der Zeutschel-Scanner hervor. So stellt die Software mit dem Imaging Kit neuerdings Bildbearbeitungswerkzeuge bereit, die es möglich machen, bereits während des Scan-Vorgangs die Vorlage zu bearbeiten; etwa zu maskieren, auszuschneiden, gerade auszurichten oder Kontrast und Helligkeit zu verbessern. Eine "Job-Verwaltung" erlaubt Anwendern, ihre persönlichen Einstellungen dauerhaft zu speichern. Diese werden dann bei der Anmeldung automatisch aktiviert. Über Omniscan eingelesene Dokumente können auf Wunsch mit einem so genannten "Digitalen Wasserzeichen" versehen werden; einer unsichtbaren Kennzeichnung, über die ein Dokument im Falle des Verdachtes einer Urheberrechtsverletzung eindeutig identifiziert werden kann. Als Besonderheiten des neuen Licht-Systems stellt Hanesch-Özdemir "die Abtast-Geschwindigkeit und die Schonung von Dokumenten und Anwendern" heraus. Zeutschel beleuchtet die Vorlagen nur noch mit Kaltlicht ohne UV-Anteil. Das Licht wird als schmales Band über das Dokument geführt und leuchtet jeweils nur den Bereich aus, den der Zeilenscanner gerade liest.

Die Bookeye-Scanner von ImageWare, ein paar Stände weiter ausgestellt, kommen optisch etwas schlichter daher. "Weil sie aus Standard-Bauteilen zusammengesetzt werden", begründet Marketingleiterin Astrid Gatzweiler. Diese Systemteile-Fertigung der Geräte hätte einen ganz großen Vorteil. Sie mache die Produktion der Anlagen preisgünstig. Gatzweiler erklärte, die standardisierten, vielfach erprobten Bauteile in Verbindung mit intelligenter Steuerung ermöglichten "eine optimale Kombination von Hard- und Software". Das schlage sich in der einfachen Bedienung und der optimalen Schonung der Vorlagen nieder. Der auf der CeBIT von ImageWare neu vorgestellte "erste echte 400dpi Graustufenscanner" justiert sich von selbst, sobald er angeschlossen wird. Damit entfällt die Installation von Treibern. Über eine RJ45-Standard-Schnittstelle mit TCP/IP-Protokoll kann das Gerät laut Hersteller problemlos in vorhandene Netzwerke eingebunden werden. Darüber hínaus hat ImageWare neue Softwaresysteme für die elektronische Dokumentenlieferung entwickelt, die auf der Web-Technologie aufsetzen. Die "MyBib" genannte Plattform kann derart in die Anlage integriert werden, dass die Dokumente nach dem Scannen direkt per eMail, per Fax, über Web-Publishing oder als Datei per FTP an den Besteller ausgeliefert werden können. Mechanisch sorgt eine geteilte Buchwippe in den Bookeye-Geräten dafür, dass historische Bücher ohne gewaltsames Aufbiegen oder Trennen der Bindung digitalisiert werden können.

Sowohl ImageWare als auch Zeutschel berichteten übrigens, dass sie unter Wirtschaftsflaute und Bibliothekskrise wenig leiden. Die Umsatzzahlen beider Firmen entwickeln sich positiv, bei Zeutschel stark unterstützt vom Auslandsgeschäft. Der Bedarf für die Technik sei gegeben, erklärten die Firmenvertreterinnen. Dabei habe die Mikroverfilmung nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Wissensmanagement-Systeme deutlich besser

Was auf der CeBIT sonst noch für Bibliothekarinnen und Bibliothekare hätte interessant sein können, hätten die Aussteller im Messekatalog in der Rubrik 04.01.06.04 eintragen können. Die aber blieb leer. Deshalb gab es in Hannover zwar Vieles, was im Sinne der persönlichen Weiterbildung in Sachen IT-Fortschritt gut zu wissen ist. Für den direkten Einsatz im Beruf gab es aber nichts akut Wesentliches. Möglich, dass die eine oder andere Software noch interessant gewesen wäre, in der Flut der Präsentationen aber untergegangen ist. Besonders angekündigt war nichts.

Traditionell sind Informations-Retrieval-Systeme, Dokumentenmanagement (DMS), Workflow-Anwendungen und Archivierungslösungen ein wichtiges Thema der CeBIT. Auf diesem Feld betätigen sich Firmen wie Agfa (www.agfa.de), Océ Document Technologies (www.oce.de), Saperion (www.saperion.com), Ricoh (www.ricoh.de), IBM (www.ibm.com), DocuWare (www.docuware.de) und FileNet (www.filnet.de) sowie kleinere, oft auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisierte Anbieter. Doch so richtig Neues gab es auch hier nichts. Die Systeme stehen in ihrem Grundgerüst. Sie werden "nur noch" kontinuierlich weiterentwickelt; etwa durch Schaffung von Schnittstellen zu XML-Inhalten und/oder Anbindung an Portale.

Zu diesen teilweise schon seit Jahren eingeführten Automatisierungssystemen haben sich vor wenigen Jahren die Wissensmanagement-Systeme gesellt. Hier gab es im letzten Jahr deutliche Fortschritte, die jetzt auf der CeBIT zu sehen waren. Die Lösungen orientieren sich immer stärker an den vollständigen Unternehmensprozessen. Im besten Fall verbinden sie Workflow/DMS und Wissensmanagement. Gute Beispiele sind Anwendungslösungen wie die Software von Hummingbird (www.hummingbird.com), die als "Enterprise Information Management System" (EIMS) so ausgelegt ist, dass sie alle Bereiche eines Unternehmens verbinden kann - Dokumentenmanagement, Knowledge Management, Business Intelligence, Informationsportal-Bedienung und was man sonst noch für eine durchgängige Verwertung der im Unternehmen produzierten Schriftstücke und des darin steckenden Unternehmenswissens braucht. Eine starke Suchmaschine hilft laut Prospekt dabei, "die entscheidenden Informationen herauszufiltern und diese in unternehmensweites Wissen umzuwandeln". Die Demonstration war beeindruckend. Für die Inhalte - die vielzitierten Contents - ist allerdings auch hier wie bei den meisten Software-Systemanbietern der Kunde selbst verantwortlich. Neben Hummingbird stellten Hyperwave (www.hyperwave.de), einer der ersten Anbieter auf diesem Gebiet, sowie die beiden noch jungen Firmen ontoprise, Karlsruhe (www.ontoprise.de) und Solyp aus Nürnberg (www.solyp.de) in Hannover beachtenswerte Wissensmanagement-Lösungen vor. Der Export der firmenintern erzeugten Daten in zum Beispiel offene Web-Systeme (oder Services) ist allerdings in den meisten Wissensmanagementsystemen noch nicht gelöst.

Blaue Zähne und heiße Stellen

Technisch gab es also insgesamt wenig Sensationelles auf der diesjährigen CeBIT. Vieles, was im letzten Jahr als Neuheiten angekündigt worden war, konnte man nun auch anfassen und ausprobieren. Aus Konzepten und Ideen sind Produkte geworden. Das meiste funktioniert auch tatsächlich und zwar gut, sehr zum Erstaunen und zur Freude der bislang von der schnelllebigen IT häufig leidgeprüften Anwender. Eines der eindrucksvollsten Beispiele war das Datenfunknetz (Wireless Local Area Network WLAN), das über dem gesamten CeBIT-Gelände lag. Es arbeitete erstklassig. Für die Benutzung musste man allerdings bezahlen.

Mobile Datenkommunikation war eines der wenigen großen Themen der CeBIT 2003. Das allgegenwärtige Netz der Zukunft, in das man sich per Laptop, PC oder Handy von der Parkbank aus einklinken kann, wird zur Zeit vor allem durch zwei neue technische Lösungen dargestellt: "Hot Spots" und "Bluetooth". Beide Begriffe bezeichnen Technik zur drahtlosen Datenübertragung. Die "Heiße(n) Stellen" sind regional begrenzte Funknetze (WLANs), die zunehmend auf Bahnhöfen, auf Flughäfen, in Kaffeehäusern und anderen Plätzen als öffentlich zugängliche Servicepunkte für den Internetzugang aufgebaut werden. Hinter den "blauen Zähnen" verbirgt sich eine Funktechnik für die mobile Vernetzung im Nahbereich, vorzugsweise im Büro. Mit Bluetooth-Technologie will man dem bisherigen Kabelsalat ein Ende bereiten. Passend zu den funkvernetzten Laptops gibt's dann gleich auch noch futuristisch anmutende Funkkopfhörer mit Mikrophon, die man sich trendy hinters Ohr klemmt, um dem PC aus der Ferne Befehle erteilen zu können.

Telefonieren geht auch

Auf der Suche nach "dem Trend" der CeBIT 2003, den es nicht gab, gerieten die neuen, multifunktionalen Handys zu den meistzitierten Erfindungen. Die neuen Funktelefone sind eine Art Mischung aus Mini-PC und Spielkonsole. Sie gehorchen aufs Wort, geben Sprache aus, kommunizieren mit dem Internet, erlauben interaktive Spiele auf knallbunten Bildschirmchen und können zu guter Letzt auch noch Fotografieren. Jeder zweite CeBIT-Pressebericht war illustriert mit einem schlechten Schnappschuss aus einem Mobiltelefon: Ziemlich unscharf, dadurch aber von einem ganz besonderen Hauch Zukunft umhüllt. Der neue Nachrichtenübertragungsdienst MMS (Multimedia Message Service) soll dank dieser Bild- plus Tonübertragungsfähigkeit für neuen Schwung in der Branche sorgen. Telefonieren kann man mit den neuen Handys übrigens auch noch.

Dass die X-BOX zum CeBIT-Beginn ins Internet startete, ging im Handy-Fotografierwahn fast unter. Für diejenigen, die keine halbwüchsigen Jungs zu Hause haben und dementsprechend an dieser Stelle nicht eingeweiht sind: Die X-Box ist die Spielkonsole von Microsoft. Nun können die Kids also auch online spielen. Das konnten sie zwar auch schon vorher, aber nur mit irgendeinem Netzspiel - nicht mit Microsoft, bitte!

Futurce Parc - und die Hoffnung lebt

Über regen Besuch freuen konnten sich die Aussteller im Future Park in Halle 11. Dort präsentierten Hochschulen und Forschungsinstitute wie etwa die Fraunhofer Gesellschaft, sowie junge, mit öffentlichen Mitteln geförderte IT- und Internet-Firmen ihre frischen Ideen und Lösungsansätze. Oft war es aber nicht nur der Wunsch nach einem Blick in die Zukunft, der die Schritte der Messebesucher in den Future Parc lenkte, sondern vielfach echtes Geschäftsinteresse: Entscheider auf der Suche nach zukunftsträchtigen Investitionsbereichen. Wo werden sie liegen? In der virtuellen Graffiti-Wand, im dreidimensional darstellenden Bildschirm, in sicheren mobilen Agenten fürs Internet, im unsichtbaren Urhebernachweis und anderen Dokumenten- und Datenschutzmodellen? Oder eher in der gemeinsamen, gemieteten Nutzung der Rechenleistung von Computern, die an verschiedenen Standorten stehen (Grid-Computing). Oder nicht zuletzt doch in der weiteren Automatisierung des eCommerce, der schon sehr bald von der Anfrage in einer Suchmaschine bis zur automatischen Angebotsabgabe aus einem neuen Web-Service reichen wird?

Die Zukunft wird es zeigen. Großes Potential haben die spannenden Forschungs- und Lösungsansätze allemal.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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