Guy Saint Clair hat in seinen in den 90er Jahren in der zukunftsorientierten Reihe Information management series erschienenen Büchern auf die wesentlichen Veränderungen in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts hingewiesen (1) und sich dabei insbesondere auf das Management von Bibliotheks- und Informationsdiensten konzentriert. Der Aus- und Fortbildung im Bibliotheks- und Informationswesen und der Weiterentwicklung des bibliothekarischen Berufsstandes kam dabei nur eine bescheidene Rolle zu. So war es nur eine Frage der Zeit, wann sich der Autor in einem Band gesondert mit diesen Fragen beschäftigen wird. Dies geschieht nun in Beyond degrees : professional learning for knowledge services auf unerwartete und beeindruckende Weise - unerwartet, weil der Ansatz weit über die bisher geäußerten Vorstellungen von der Weiterentwicklung des Berufsstandes in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft hinausgeht; beeindruckend, weil es dem Autor gelingt, ein in sich schlüssiges Konzept diskussionswürdig vorzulegen (2).

Saint Clair ist für ein solches Unterfangen prädestiniert, weil er m.E. wie kein zweiter das Innenleben der US-amerikanischen Bibliotheken und Informationseinrichtungen kennt, in unterschiedlichen und für verschiedene Bibliothekstypen (corporate libraries, special libraries, knowledge centres, one person libraries) arbeitet und sich mit der Anwendung verschiedener Methoden des Bibliotheks- und Informationsmanagements (Change Management, Change Implementation) beschäftigt. Darüber hinaus ist er erfolgreich in Spitzenpositionen der Special Library Association und von SMR International tätig.

Sein Szenario ist einfach: In der Wissensgesellschaft ändert sich der Beruf des Bibliothekars fundamental, weil neue Technologien, soziale Erwartungen und Organisationsstrukturen das Wesen der gesamten Arbeit beeinflussen. Die Bibliotheken und Informationszentren sind kein physischer Ort mehr, die Bibliothekare und Informationsspezialisten werden von einem "organizer and keeper of knowledge" zu einem "facilitator of knowledge generation", sie wandeln sich von einem "service provider" zu einem integralen Bestandteil der "learning organization". Der Verfasser versucht drei Fragen zu beantworten: "What does it mean to live in a knowledge environment? How does an organization become a learning organization in which knowledge built by each member of the whole is available to all? What do these changes signify for knowledge workers?" Er stellt Methoden vor "that will greatly assist the librarian or other information provider, caught in the swirl of organizational change, to understand how to put knowledge management skills work." (S. XIII) Dies alles erläutert er in einer umfassenden Einführung unter dem Titel Knowledge services in the twenty-first century: the grand design.

Die Definitionen zu den Wissensdiensten und zu einem neuen Beruf, der sich mit diesen Diensten beschäftigt, sind einleuchtend:

1. "A knowledge services profession will provide an overarching and comprehensive structure for connecting the several professions, disciplines, and types of work that now provide information management, knowledge management, and strategic learning." (S. 277) Das schließt u.a. die Informationswissenschaft, die Informationstechnologien, das Bibliothekswesen und das Informationsmanagement, das Archivmanagement, die Ausbildung der Mitarbeiter und das Personalmanagement sowie das lebenslange Lernen ein.

2. "I define knowledge services as those management approaches and organizational entities which together support knowledge development and knowledge sharing in the organization" - (S. 277)

Das Buch umfasst drei Teile. Im Mittelpunkt der ersten beiden Teile Knowledge services profession und Learning in the organization stehen in Form eines Leitfadens umfassende Erläuterungen zum Rahmen der Aus- und Fortbildung für den künftigen "knowledge services profession", ergänzt durch eine Vielzahl von interessanten Anwendungsmöglichkeiten moderner Managementmethoden, klugen ausführlichen Definitionen zu den wichtigsten Begriffen und interessanten Beispielen für Wissensdienste.

Der dritte Teil Epilogue, final thoughts and bibliography enthält den Wiederabdruck von vier Essays des Autors für die "New York Chapter News" der Special Libraries Association, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und ein ausführliches Register.

Leider werden die Ziele der Veröffentlichung (z.B. durch Deanna Marcum in einem Vorwort und durch den Autor in der Einleitung, in einzelnen Kapiteln und in einem Epilog) und die wichtigsten Definitionen (wie der Begriff knowledge service auf den Seiten XXI-XXII, S. 52, 59 und 277) an den unterschiedlichsten Stellen behandelt bzw. erläutert. Ein Glossar hätte hier Abhilfe schaffen und den Einstieg in die Thematik erleichtern können.

Der Autor hat eine sehr aktuelle lesenswerte Monographie geschrieben, die in keiner Aus- und Fortbildungseinrichtung und auf keinem Schreibtisch eines Bibliotheksdirektors fehlen sollte.

(1) Saint Clair, Guy: Entrepreneurial librarianship: the key to effective information services management. München, 1996. XXI, 182 S. - Saint Clair, Guy: Total quality management in information services. München, 1997. XXV, 261 S.

(2) In vielen seinen Äußerungen steht der Autor im Einklang mit den von G.E. Gorman geforderten Veränderungen in der Aus- und Fortbildung (The future for library science education. In: Libri 49 (1999) S. 1-20) und mit den Wünschen von Michael Koenig nach Berücksichtigung des Wissensmanagements in der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Ausbildung (Knowledge management. In: Librarianship and information work worldwide 2000. München, 2000. S. 215-218. - Ausführlicher: Koenig, M.; Srikantaiah, T.: Education for knowledge management. In: Information services and use 19 (1999) 1, S. 17-31).

Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
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