69. IFLA-Kongress 2003 in Berlin - einige Anmerkungen

von Robert Klaus Jopp

Vom 1.bis 9. August 2003 tagte in Berlin der 69. Weltkongress der IFLA. Die Veranstaltungen fanden im ICC, dem "International Congress Center" (so heißt so etwas heute) statt, wo sich etwa 4000 Teilnehmer aus aller Welt tummelten. Das Programm umfasste über 800 Beiträge zu den unterschiedlichsten Fragen des Bibliothekswesens. Diese Anmerkungen beschränken sich aber vor allem auf einige bauliche und technische Aspekte.

Schon in der Pressekonferenz zu Beginn des Kongresses kam zum Ausdruck, dass in den meisten Ländern - so auch in Deutschland - den Bibliotheken viel zu wenig Bedeutung für das Bildungswesen beigemessen wird, was sich vor allem in der meist geringen und oft immer weiter eingeschränkten Höhe der für Bau, Einrichtung und Betrieb verfügbaren Finanzmittel zeigt. Dr. Georg Ruppelt, der Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) wies darauf hin, dass diese Feststellung jedenfalls in Deutschland durchaus nicht die Notwendigkeit zum Sparen in den öffentlichen Haushalten in Frage stelle, demgegenüber aber die Gewichtung der Ausgaben für die in den Reden der Politiker immer wieder betonte Bedeutung der Bildung und Ausbildung zu kritisieren sei. Ein schwieriges Problem, für das derzeit keine Lösung in Sicht ist, besteht darin, dass die Entscheidungen zu Einrichtung und Förderung von Öffentlichen Bibliotheken allein bei den Kommunen liegt; es gibt keine - etwa im Grundgesetz oder in den jeweiligen Landesverfassungen geregelte - Verpflichtung zur Einrichtung und zum Betrieb von Bibliotheken.

Inspektionsreise in den Irak

Einen schrecklichen Eindruck hinterließ der Bericht von Jean-Marie Arnoult, dem Generalinspekteur der französischen Bibliotheken, als Mitglied des Comité International du Bouclier Bleu (CIBB), über eine Inspektionsreise in den Irak nach den jüngsten Kriegsereignissen, die einen Überblick über die während und nach den Kriegshandlungen stattgefundenen Zerstörungen und Plünderungen der Bibliotheken und Archive schaffen sollte. Stark betroffen ist die Nationalbibliothek in Bagdad, die durch Brandstiftung einen erheblichen Teil ihrer Bestände und den gesamten Katalog verloren hat und deren Gebäude durch den Brand umfangreiche Schäden erlitten hat, die noch gar nicht endgültig beurteilt werden können. Die Motive für die Brandstiftung bleiben unklar und der Umstand, dass die amerikanischen Streitkräfte offensichtlich nichts unternommen haben, um Plünderung und Brandstiftung zu verhindern, bedarf noch einer Erläuterung.

In Basra wurden die Öffentliche Bibliothek und die Universitätsbibliothek geplündert; vom Archiv blieben nur die völlig leeren Räume. In Mossul hingegen blieb die Universitätsbibliothek, von eher geringfügigen Bombenschäden abgesehen, von Plünderungen oder Vandalismus weitgehend verschont. Einige aus den Lesesälen gestohlene Möbel wurden inzwischen von den Besatzungsbehörden ersetzt.

Der Wiederaufbau und die Wiederherstellung der irakischen Bibliotheken und ihrer Bestände wird große und nicht zuletzt internationale Anstrengungen erfordern. Von großer Wichtigkeit wird die Einrichtung eines Netzwerkes sowie die Reproduktion von verlorenen Büchern aus den Beständen von Bibliotheken anderer Länder sein; eine internationale Zusammenarbeit ist dabei dringend erforderlich.

Eine weitere Aufgabe stellt sich mit der Schulung und Ausbildung von qualifiziertem Bibliothekspersonal. Die Teilnehmer an der Inspektionsreise konnten an Ort und Stelle lediglich Direktoren und Wachleute ausfindig machen; Bibliothekarinnen und Bibliothekare erhielten keine Gehaltszahlungen mehr und mussten sich daher nach anderen Erwerbsquellen umsehen. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang besteht darin, möglichst weitgehend zu verhindern, dass die gestohlenen Bücher auf dem "freien" Markt verschwinden.

Situation der Bibliotheken in Berlin

Erwähnenswert auch der Beitrag von Claudia Lux, der Leiterin der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), zur Situation der Bibliotheken in Berlin. Aufgrund der Finanzsituation mussten in Berlin viele Zweigbibliotheken geschlossen werden. Zu dem Konzentrationsprozess gehören auch Überlegungen, die zwei Häuser der ZLB, nämlich die ehemalige Amerika-Gedenkbibliothek und die ehemalige Stadtbibliothek in der Breiten Straße in einem von einer privaten Initiative betriebenen wiederaufzubauenden Stadtschloss gemeinsam unterzubringen - ein Projekt, das für die Bibliothek wegen der möglichen Lösung der Raumprobleme attraktiv erscheinen mag, das aber im politischen Kontext eher negativ, das heißt: restaurativ-konservativ zu bewerten wäre.

"Poster-Session" im Eingangsfoyer

Im Eingangsfoyer des Kongresszentrums fand eine sogenannte "Poster Session" statt, eine Darstellung sehr verschiedenartiger bibliothekarischer Projekte aus 76 Ländern. Vorgestellt wurden auf jeweils einer Plakattafel - und von den jeweiligen Bibliothekaren - Neubauten wie die Baltische Bibliothek in Greifswald, die Universitätsbibliothek Warschau oder die Planung der Bibliothek der Amerikanischen Universität am Golf, aber auch Beispiele der bibliothekarischen Versorgung in Afrika und Lateinamerika; hervorzuheben ist hier unter anderem die seit vielen Jahren von der Frankfurter Bibliothekarin Elisabeth Zilz betriebene Initiative "Ein Bücherbus für Nicaragua"; aus dem durch Spenden finanzierten Unternehmen hat sich inzwischen auch eine "ortsfeste" Bibliothek entwickelt.

Die Bibliotheksausstatter aus dem In- und Ausland waren im Wesentlichen mit den bekannten und soliden Produkten, das heißt Regalsystemen und vielerlei Zubehör vertreten. Aufregende Neuerungen sind auch wegen der Marktlage zur Zeit nicht zu erkennen. Die neuen EU-Beitrittsländer als zukünftige potentielle Kunden verfügen durchweg nicht über Finanzmittel für Aufträge an "West"-Firmen; Regale und anderes Mobiliar werden in der Regel von örtlichen Firmen hergestellt und geliefert. Mehrere in- und ausländische Aussteller waren mit Geräten zur Selbstverbuchung vertreten. Diese Geräte werden mit Radiofrequenzen betrieben, sodass in bereits mit Magnetstreifen zur Diebstahlsicherung ausgestatteten Büchern zusätzliche Etiketten angebracht werden müssen. Eine italienische Firma stellte ein Buchentstaubungsgerät vor, das in den Gängen zwischen Regalreihen eingesetzt werden kann, mit einer Breite von 75 cm allerdings den vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen Regalen gerade ausfüllt und daher bei den geringsten Abweichungen von diesem Maß und/oder etwas vorstehenden Büchern in Gefahr gerät, einfach stecken zu bleiben. Eine schwedische Firma zeigte eine Buchrückgabeanlage, die die zurückgegebenen Bücher und andere Medien automatisch nach Signaturen in bereitstehende Bücherwagen sortiert.

Der Kongress in Berlin stand im Zeichen der Literaturversorgung der Bevölkerung in den ärmeren Ländern, als Beitrag zur Alphabetisierung, zur Bildung und Ausbildung, wobei in vielen Beiträgen auch der freie und uneingeschränkte Zugang zu Informationen erörtert wurde. Baufragen spielten dabei eine eher geringe Rolle.