Public Relations für Bibliotheken, Verleger und Informationszentren

9. internationale Konferenz 2003 des Instituts of Information and Library Science in Krakau

Mit einem Interview mit der Direktorin des Instituts

von Rafael Ball

Bereits seit neun Jahren veranstaltet das Institute of Information and Library Science der Jagiellonen Universität in Krakau die internationale Konferenz zu wichtigen und aktuellen Themen der Zeit. Als "hot topic" für das Jahr 2003 hat das Institut unter der Leitung von Professor Maria Kocojowa das Thema "Public Relations for Libraries, Publishers and Information Centres" ausgemacht. Nach den erfolgreichen Themen der letzten Jahre (Electronic Publications in Libraries and Information Centers: Research and Practice, 2001; Distance Education for Information Society - Library Needs: Practice & Theory, 2002) hat der Veranstalter auch diesmal den Puls der Zeit getroffen.

Auditorium des neuen Campus
der Jagiellonen Universität
Erstmals fand diese Veranstaltung auf dem Gelände des neuen Campus der Universität statt, der durch die architektonische und technische Zeitgenössigkeit der Gebäude beeindruckt.

Bereits die Grußreden während der Eröffnung warfen einen Schatten auf ein aktuelles politisches Ereignis in Polen, das auch in der akademischen Welt die Gemüter zu erhitzen scheint. Der Beitritt Polens zur EU und die zu erwartenden Früchte für den akademischen Austausch füllten zum Großteil die Ansprachen.

Professor Goban-Klas, als Vertreter des Ministeriums für Erziehung und Sport, erläuterte den Übergang zur Informationsgesellschaft in Polen, auch wenn er mit seiner Formulierung: "The transition from porc based economy to knowledge based economy" etwas zu sehr auf tradierte Bilder einer überkommenen polnischen Volkswirtschaft zurückgriffen hatte. Derzeit gebe es in Polen noch mehr Landwirte als Hochschuldozenten und man wolle dies - die USA ist hier Vorbild - umkehren. Die versprochene Erhöhung des Bildungsetats um drei Prozent wurde von der Prorektorin der Jagiellonen-Universität, Frau Professor Nowakowska, nur noch mit Ironie begleitet; der Einbruch der Bildungsetats ist in Polen ähnlich hoch wie in Deutschland und schlägt massiv auf die Ausstattung, auch der Bibliotheken, durch. Hier wie dort klafft zunehmend die Schere zwischen den Wünschen und Forderungen der Bibliotheksbenutzer und den Möglichkeiten der Bibliothekare in der Beschaffung von Literatur und Information, zumal der elektronischen. Und weil sich nicht alles um die Beschaffung und um die Verwaltung des Mangels drehen kann, ist das Thema "Public Relations", für das es im Polnischen ebenso wie im Deutschen keine adäquate Übersetzung zu geben scheint, ein "hot topic" im polnischen Bibliothekswesen. Nicht zuletzt in Folge der politischen Vergangenheit Polens ist diese Terminologie noch immer ein Reizthema, zumal unter Bibliothekaren, die in Polen diesbezüglich ein noch traditionelleres Verhalten aufweisen als in Deutschland. Noch immer belastet die alte sozialistische Diktion (Definition von Marketing: "Gesamtheit strategischer und taktischer Methoden und Mittel von Großunternehmen der Produktion und des Handels im kapitalistischen Konkurrenzkampf zur Sicherung wachsender Marktanteile und Profite und Markt und Käufermanipulation u.a. mittels unseriöser Reklame". BI-Universallexikon, Leipzig 1986) den entspannten Umgang mit dieser Management-Terminologie, die schlicht als kapitalistisch verschrien galt.

Zwar ist Polen schon seit mehr als 15 Jahren mit einem demokratischen politischen System ausgestattet, aber derartige Mechanismen halten lange vor. Selbst im deutschen Bibliothekswesen diskutiert man noch immer über den Sinn von PR in Bibliotheken, ja behauptet gelegentlich die Unmöglichkeit des Einsatzes derartiger Tools.

Aber auch außerhalb des Bibliothekswesens war PR nicht immer hoch angesehen. John Aspery , Präsident des Institute of Public Relations in Großbritannien, wusste aus seiner Zeit als PR-Verantwortlicher bei "Heinz" (bekannt mit dem Produkt Heinz-Ketchup") zu berichten, dass er mit den Medien nicht reden durfte. Erst seit einigen Jahren werde PR als Management-Tool ernst genommen.

Zu lernen gab es viel während der Konferenz und vom Leiter der PR-Abteilung der British Library Greg Hayman, war zu erfahren, dass es nicht stimme, dass "even bad news are good news". Sein Vortrag zeigte die Entwicklung der PR-Aktivitäten von einer ständigen, aber negativen Berichterstattung über die British Library in den achtziger Jahren, bis hin zur regelmäßigen positiven Wahrnehmung in den britischen Medien in der Gegenwart.

Noch schlimmer als "bad news" aber sind totgeschwiegene Bibliotheken, sind Einrichtungen, über die nichts zu lesen, zu hören und zu sehen ist. Dass dies, insbesondere in der Kombination mit einem Negativ-Image von Bibliotheken und Bibliothekaren, zu einem katastrophalen Standing bei Unterhaltsträgern, Kunden und der Öffentlichkeit führt, machte Rafael Ball aus der Bibliothek des Forschungszentrums Jülich deutlich. Die Orientierung hin zum Kunden, die Veränderung des Blicks und der Perspektive, gelte als Voraussetzung für die Anwendung des PR-Instrumentariums. Und hier hätten Bibliothekare noch viel Nachholbedarf.

Konkrete Beispiele schilderte Oliver Obst von der medizinischen Zentralbibliothek in Münster. Hier gab es Beispiele zu sehen, wie die Sichtbarkeit der Bibliothek erhöht werden kann und die Kunden direkt angesprochen werden können.

Der kurze Beitrag von Professor Klaus Saur über die Zukunft von Buch und Information machte deutlich, dass die digitale Welt nicht alles ist und sein kann und dass deren Entwicklung vor allem nicht vorhersagbar sei, wenngleich auch er über digitale Projekte in seinem Verlag zu berichten wusste. Die Verlegersicht wurde ganz deutlich, als Saur die negativen Auswirkungen der Änderung des Urheberrechtsgesetzes §52a in Deutschland auf die kleinen Verleger mit kleinen Auflagen erläuterte. Sicher hätte es hier einer vertieften Debatte bedurft, da Details dieser Diskussion außerhalb Deutschlands nahezu nicht präsent sind.

Videokonferenz mit Spezialisten aus den USA
im amerikanischen Generalkonsulat in Krakau
Am Nachmittag hatte das amerikanische Generalkonsulat in Krakau zu einer Videokonferenz mit Spezialisten aus den USA eingeladen. Mit Guy Lamolinara (verantwortlich für das Marketing der Digital Information Initiatives der Library of Congress) und Monica Lewis Lofton ( verantwortlich für Marketing und Communication der Columbia Public Library in Washington D.C.) waren zugleich kompetente und eloquente Gesprächspartner zugeschaltet, die außerdem zwei verschiedene Bibliothekstypen repräsentierten. Zentrale Botschaft - insbesondere für den Bereich der öffentlichen Bibliotheken - hieß denn auch "we care about you", ein Schwerpunkt neben anderen bekannten PR- und Marketing-Aktivitäten. Interessant war hingegen das Eingeständnis, dass die Produkte und Services nicht zielgruppenspezifisch für Geschäftspartner und Shareholder (oder die finanzierende öffentliche Hand) vermarktet werden, während - wie sollte es anders zu erwarten sein - die digitalen Initiativen der Library of Congress überwiegend über das Internet vermarktet und beworben werden. Bei zwei Milliarden (!) Zugriffen jährlich sicher eine lohnende Sache.

Der zweite Tag der Konferenz ist traditionsgemäß mehr der nationalen Diskussion in Polen gewidmet. Entsprechend waren hier die Vorträge denn auch überwiegend in Polnisch gehalten. Da die Qualität der Vorträge denen der internationalen Vertreter in keiner Weise nachstand, sollte der Veranstalter die Strategie der ausschließlichen Einsprachigkeit überdenken, um die oft bemerkenswerten Beiträge einem breiteren internationalen Publikum zugänglich zu machen (etwa durch die Übersetzung ins Englische in den Proceedings).

Postersession vor dem Auditorium
So berichtete der Direktor der Universitätsbibliothek Poznan (Posen) Artur Jazdon in seinem Beitrag "Lobbying for Libraries?" über die historische Belastung dieses Terminus. "Weißes" und "schwarzes" Lobbying, ethisches und unethisches Lobbying wurden scharf von einander unterschieden und dies nur deshalb, weil in kommunistischer Diktion Lobbying immer auch Korruption, Illegalität und Vetternwirtschaft bedeuteten. So wurde vor allem vielen Ausländern klar, dass es Mühe macht, diesen Begriff in Polen neutral und unbelastet in das "normale akzeptierte" Instrumentarium des Bibliotheksmanagement aufzunehmen.

Konkrete Beispiele für ein- und umgesetzte Marketing- und PR-Aktivitäten trug Anna Machalska-Garbacz, die Leiterin der Bibliothek der Technischen Hochschule in Krakau, vor. Die Vermittlung von E-Journals, das dazugehörige Training, interne und externe Kommunikation wie E-Mail-Listen, Flyer, Infostände, aber auch SDI´s als Kundenservice, kombiniert mit dem ausgesprochenen Willen zur Qualität der Arbeit und Services zeigten, auf welch hohem Niveau sich Bibliotheken in Polen bewegen können.

Auf ein historisch entstandenes und noch ungelöstes Problem in ganz Frankreich wies Jean-Marc Francony (University Pierre Mendes, Grenoble) hin. Die historisch bedingte strikte Trennung zwischen Dokumentation und Bibliothek in Frankreich hat die Bibliotheken längst von der technologischen und inhaltlichen Entwicklung abgekoppelt. Im Ergebnis bilden dezentrale und nicht zusammen geschlossene Dokumentationseinrichtungen über ganz Frankreich verteilt die Avantgarde der informationstechnischen Entwicklung, während die (wissenschaftlichen) Bibliotheken, die als konservativ und rückschrittlich gelten, am traditionellen Buch "kleben" und faktisch für moderne Entwicklungen keine Rolle mehr spielen. Diese Dichotomie spiegelt sich auch in der Ausbildung und den Ausbildungsinhalten. Erst langsam beginnen die Ausbildungseinrichtungen die Unterscheidung zwischen Dokumentation und Bibliothek aufzuheben. Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis die Schnittmengen dieser Bereiche größer werden.

Eine Posterausstellung über aktuelle Projekte von polnischen Bibliotheken und Ausbildungseinrichtungen komplettierte diese seit Jahren bewährte Aus- und Fortbildungsveranstaltung an der Jagiellonen Universität.


Professor Maria Kocojowa
R. Ball: Professor Kocojowa, every year 100 students leave your institute with a Bachelor or Master of Information and Library Science. What kinds of jobs do these information specialists look for?

Prof. Kocojowa: Our graduates usually find employment in public and school libraries in the south of Poland, in large libraries in Kraków, in companies dealing with the Internet, or in local information centres. Many of them are involved with teaching English in Polish primary and secondary schools. The most important thing is that they have a lot of opportunities for employment as graduates of our Institute. The Institute of ILS owes its present status to the following factors and activities: innovations on national-scale initiatives in the field of curricula and organisation; permanently adjusting its programmes to changing needs (the Institute of ILS was, for example, the first LIS school in Poland to offer courses in business information, "didactics of information science"); the quality of the academic output of the faculty and its expert role in Poland and abroad, among others reviewing projects and dissertations in Slovakia, Lithuania, the USA; international internships for foreign librarians and faculty members; active participation in scientific conferences (abroad frequently as the representative of Poland), membership and activity in prestigious scientific associations and also international organisations like EUCLID, FID/ET, ALA, SHARP as well as editorial and library boards; editing of two scientific series of our own - well known in Poland and abroad. The most important of these factors is the high quality of studies in the ILS at JU.

R. Ball: Information science and librarianship has dramatically changed during the last ten years. How does the content of education at your institute reflect the reality of these changes?

Prof. Kocojowa: The curriculum has been fundamentally modified in the last few years according to the new needs of the information and library community, which resulted in growing numbers of students. In 2002 the Institute of Information and Library Studies of the Jagiellonian University was accredited by UKA (Polish University Commission on Accreditation), along with five other university units in Poland. In order to meet modern needs and requirements, the discipline of the studies has been changed from "information science and librarianship" to "information science and library science”. The main initiator of these changes was our Institute. The discussions on these engrossing subjects are taken up regularly by library experts and information professionals world-wide at the annual international conferences organised by the Institute. Some measures were also taken (jointly by the Institute of Information and Library Studies and the Institute of Journalism and Social Communication of the Jagiellonian University) to establish a new discipline in Poland called "Information and Social Communication”. The changes are also reflected in the Polish educational system - the philological and historical nature of studies has been changed to a modern major dealing with information and communication technology (ICT) and particularly wide area networks (WWW, Internet). The first serious changes were put into effect in 1990, when the 3rd Polish Republic was established, as a result of political, social and economic transformations and reform of the labour market. The next step was connected to the spreading of information and research by the Internet after 1995.

R. Ball: Which competences are necessary in your opinion for the information specialists of the 21st century? What traditional competences can you ignore?

Prof. Kocojowa: Modern information specialists' competences, skills and features:

R. Ball: Poland will become part of the EC soon. Do you see any direct influences on your work and your teaching at the Jagiellonian University?

Prof. Kocojowa: We hope to co-operate more with countries of the EU, exchange lecturers, students and experiences in education and research. In this case, we need special European grants or funds for this programme. Our Institute offers two special courses for teachers from abroad: professionals in information and library sciences. The courses for students are called: "Comparative international librarianship" and "Modern trends in information and library practice and theory", as well special courses (MA courses) called: "Electronic publications", "Information for society", "Document records and digitalisation", "Modern librarianship". I would like to thank you very much, Dr Ball, for helping us as a teacher in our Institute on the modern subject of librarianship and sharing German experiences with us. It was really great. As an editor I invite specialists from abroad to contribute to our series Research Reports of Librarianship and Information Studies of the Jagiellonian University. Next year, 2004, we expect to publish our 15th volume. From 1995, I have been the organiser every year of all-Polish and international conferences, including a video conference with US specialists (in the Consulate General of the USA in Kraków). It is the best place in Poland to exchange EU and global professional experiences. I would therefore like to very cordially invite to this meeting all EU specialists, specially from Germany, where we have many friends. The topic in 2004 will be: "Information on the Internet: Creation, Access and Quality".

R. Ball: What are the main research topics at your institute at the moment?

Prof. Kocojowa: The main research topics carried out at the Institute are:

R. Ball: Co-operation in research and development and also in practice is becoming ever more important. Where are your main co-operation partners located and what are the main concrete projects?

Prof. Kocojowa: Our main co-operation partners are:

Moreover, within the framework of the COINE Project, the Institute co-operates with:

Manchester Metropolitan University, United Kingdom; Fretwell-Downing Informatics Ltd, United Kingdom; The National Microelectronics Applications Centre Ltd, Ireland; Eircom Ennis Information Age Town, Ireland; Universitat Oberta de Catalunya, Spain; University of Macedonia Economic and Social Sciences, Greece.

R. Ball: Thank you very much for this interview.


Zum Autor

Dr. Rafael Ball ist Leiter der Zentralbibliothek des

Forschungszentrum Jülich GmbH
D-52425 Jülich
E-Mail: r.ball@fz-juelich.de