Frommeyer, Jutta: Zeitbegriff und Zeitcodierungen
in allgemeinbibliographischen Datenbanken:
Analyse von RSWK, LCSH und RAMEAU sowie Entwicklung
eines theoretischen Modells für ein Zeitretrieval

- Berlin: Logos, 2003. XII, 371 S. (Berliner Arbeiten zur Bibliothekswissenschaft; 10)
ISBN 3-89722-993-5

Die von der Autorin an der Humboldt-Universität zu Berlin verteidigte Dissertation beschäftigt sich mit einem Teilproblem der Sacherschließung, das Pauline A. Cochrane 1986 so formulierte: "In the online catalog, how we can limit a subject search on the basis of date or chronological period?" (S. 4).

Ziel der Arbeit ist es, "Vorschläge für ein über Länder- und Sprachgrenzen hinaus geltendes Zeitretrieval theoretisch zu entwickeln sowie eine entsprechende Bildschirmaufbereitung zu skizzieren, bezogen auf allgemeinbibliographische Datenbanken im bibliothekarischen Bereich." (S. 6)

Wichtigste Zielgruppe für ein Zeitretrieval sind die historisch orientierten, geisteswissenschaftlichen Bibliotheksbenutzer (S. 6-7), "weil die Geschichtswissenschaft durch ihre Disziplin mit dem Phänomen Zeit am engsten verbunden ist und die Chronologie zu ihren Hilfswissenschaften zählt" (S. 302). Ergänzend weist die Autorin zu Recht darauf hin, dass die Globalisierung und Internationalisierung der Wissenschaft und Wirtschaft von den Wissenschaftlern fordert, "über ihren Kulturkreis hinaus auf die bibliothekarischen Materialien aus aller Welt zugreifen zu können." (S. 303)

Einer Einführung in den Gegenstand im ersten Kapitel folgen im zweiten Kapitel Ausführungen zum Phänomen Zeit, wobei Jutta Frommeyer die historische Sichtweise mit der Kalenderentwicklung und Epocheneinteilung in den Vordergrund stellt.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit allgemeinen Grundlagen zur Sacherschließung. "Aus der grundsätzlichen Betrachtung der Charakteristika von Zeitbegriffen und unter Einbeziehung der Zeitcodierungen" stellt die Autorin einen Fallkatalog für die in den nächsten drei Kapiteln vorgenommene Analyse der Schlagwortregelwerke (S. 52-53) zusammen.

Unter besonderer Berücksichtigung der Behandlung des Zeitaspekts werden untersucht:

  1. Der Schlagwortnormendatei (SWD) mit den Regeln für den Schlagwortkatalog (RSWK) für den deutschsprachigen Raum,
  2. die Library of Congress Subject Headings (LCSH) für den angelsächsischen Raum,
  3. das Répertoire d´Autorité Matière Encyclopédique et Alphabétique Unifié (RAUMEAU) für den frankophonen Raum.

Das siebente Kapitel, "Gesamtanalyse aus dem Blickwinkel des Retrievals", zeigt die Retrievalmöglichkeiten nach Zeitbegriffen und Zeitcodierungen anhand der OPACs von drei Nationalbibliotheken (Deutsche Bibliothek, Library of Congress, Bibliothèque Nationale de France) mit Folgerungen für ein Zeitretrieval (S. 228-232).

Im achten Kapitel wird die Betrachtung des zeitlichen Zugriffs über den bibliothekarischen Bereich hinaus auf drei digitale Allgemeinenzyklopädien (Encyclopaedia Britannica, Brockhaus-Enzyklopädie, Encarta) und zwei historische Fachdatenbanken (Historical Abstracts, Jahresberichte für Deutsche Geschichte) ausgedehnt und mit einem Resümee versehen (S. 268-269).

Im neunten Kapitel stellt die Autorin als Ergebnis ihrer Untersuchungen ein theoretisches Retrievalmodell für Zeitrecherchen bezogen auf allgemeinbibliographische Datenbanken in den drei Elementen Zeitcode, Chronikcode und Chroniknormdatei vor (S. 271-301, auch im folgenden Kapitel S. 314).

Es ist zu hoffen, dass die im zehnten Kapitel "Zusammenfassung und Ausblick" von Jutta Frommeyer geäußerten Wünsche nach einem Pilotprojekt zur Realisierung ihres Modells bald aufgegriffen werden, da ein einheitliches Zeitretrieval für allgemeinbibliographische Datenbanken zu einer wesentlichen Verbesserung von Recherchen in Online-Katalogen führt.

Zahlreiche Anhänge (Dokumente zu Zeitcodierungen, Abbildungs- und Tabellenverzeichnis, Abkürzungsverzeichnis, Literaturverzeichnis) vervollständigen und ergänzen die Arbeit.

Fazit: Die Forschungsarbeit ist eine sehr fundierte Analyse zur Zeitcodierung in allgemeinbibliographischen Datenbanken und wird der angestrebten Zielgruppe sehr gute Dienste leisten.


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de