"In Seventh Heaven" - Inetbib 7 in der
Deutschen Bibliothek Frankfurt am Main

von Mary Jo Rabe

Manchmal fragt man mich im Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg, warum ich unbedingt zur Inetbib-Tagung fahren will und was ich dort speziell für meine Arbeit in der Ordinariatsbibliothek lernen kann. Ich gehe dorthin um zu staunen, um große Augen über all das zu machen, was ich an Neuigkeiten erfahre. Dort bin ich jedes Mal von 300-400 BerufskollegInnen umgeben, die alle mehr wissen als ich. Dort wird über die neuesten Entwicklungen im Bibliotheks-/Informationswesen informiert und diskutiert. It's an all-time high, the cutting edge of librarianship.

Einige fragen, ob Tagungen inzwischen nicht überflüssig seien, denn heutzutage ist es doch möglich, auch multimediale Vorträge ins Netz zu stellen, wo alle sie ohne Anfahrts- oder Übernachtungskosten abrufen können. Das ist zwar eine schöne Theorie, aber das Besondere an einer Tagung ist ja gerade, dass ich aus meinem Alltag herausgerissen werde und endlich Zeit dafür habe, Bekanntschaft mit neuen Visionen und Ideen zu machen, mich damit näher zu beschäftigen und mich endlich ausführlich und ohne Ablenkungen über Bibliotheksthemen zu informieren. Und bei den Inetbib-Tagungen begegne ich Menschen, mit denen ich Fachgespräche führen kann. Auch die Angebote von so vielen Sponsoren bieten eine einmalige Gelegenheit, zu überlegen, was für meine eigene Bibliothek doch noch interessant wäre.

Die Inetbib 7 vom 12. bis 14. November 2003 in der Deutschen Bibliothek war insgesamt eine hervorragende Tagung. Dort wurde über die Themen bisheriger Inetbibs reflektiert, aber es war auch ein bahnbrechender Aufbruch in die Zukunft.

Der Eröffnungsvortrag "Virtuelle Welten" von Prof. Dr. José Luis Encarnacao zeigte Zukunftsvisionen auf, mit denen wir uns alle mit Sicherheit bald beschäftigen werden. Die virtuellen Welten voller Information, die intelligenten Umgebungen, schaffen eine direkte Verbindung zwischen Nutzer und gewünschter Information. Die Konsequenzen für Bibliotheken als Informationsanbieter sind offensichtlich, besonders im Hinblick auf die ständig wachsende Informationsflut. Die Erkenntnisse der graphischen Datenverarbeitung sind so verblüffend und überraschend wie sie wichtig sind, z.B. dass eindeutig als solche zu erkennende Avatare auf dem Bildschirm eine größere Akzeptanz bei Nutzern erfahren als computererzeugte Gesichter, die von echten Menschen nicht zu unterscheiden sind. Professor Encarnacao meinte zur allgemeinen Erleichterung, diese intelligenten Umgebungen und virtuellen Welten hätten nichts mit den störenden Kontrollversuchen von Microsoft gemein.

Dr. Beate Trögers sprach in ihrer Präsentation "Nutzeranalysen im Blick auf fachliche und interdisziplinäre Webportale" davon, dass viele Benutzer von Datenbanken sich mit der Suche schwer tun. Sie lesen weder "Hilfe" noch "Tipps" und wissen nicht, wie man Boole'sche Operatoren bei einer Suche einsetzt. Aber Wissen ist bekanntlich Macht und so kommt es darauf an, wie Benutzer dazu gebracht werden können, effektivere Such-Strategien anzuwenden.

Sicher haben sich alle, die bei der Inetbib 2 in Potsdam waren, besonders auf den Vortrag von Uwe Dierolf und Dr. Michael Mönnich "Der KVK - in acht Jahren um die Welt" (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2003/volltexte/dierolf-moennich_block3.pdf) gefreut. In ihrem exzellenten Vortrag schafften die beiden einen nahtlosen Übergang zwischen der Geschichte eines Phänomens und dessen Zukunftsvisionen, von denen einige schon verwirklicht sind. Das, was bei der Inetbib 2 noch als Traum oder Vision erklärt wurde, ist inzwischen Realität geworden. Der Karlsruher Virtuelle Katalog ist in der deutschen Bibliothekslandschaft außergewöhnlich und genießt international einen ausgezeichneten Ruf. Er ist ein Teil der Internetgeschichte geworden. Aber natürlich denken die KVK-Entwickler weiter. Wie viele andere auch, beurteile ich die Sucheffizienz von Google eher skeptisch, aber ich sehe ein, dass die Bibliotheken sich an die Gewohnheiten der Nutzer anpassen müssen. Also ist es eine gute und zeitgemäße Idee, jetzt einen "easyKVK" anzubieten.

Mit "Weblogs: Warum BibliothekarInnen sie kennen sollten" beschäftigte sich Edlef Stabenau (http://www.netbib.de). Mein Fazit nach diesem Vortrag: Ich werde mir in Zukunft Zeit für "netbib" freihalten und mich intensiver mit bibliothekarischen Weblogs beschäftigen. Weblogs und Mailinglisten sind Vorteile des Internets, und diese "netbib" ist der perfekte Einstieg in die Informationswelten im Cyberspace. Spannend beschrieb Prof. Dr. Achim Oßwald in seinem Vortrag "eBook-Angebotskonzepte von Aggregatoren" die Entwicklung der Vermarktung von eBooks. Bibliotheken sind ein sehr relevantes Marktsegment für die eBook-Industrie geworden. Der Vortrag von Ulrich Korwitz "Rechtstreitigkeiten bei Dokumentenlieferung" über die verschiedenen Rechtsprobleme mit Dokumentenlieferung, gab einen eher pessimistischen Einblick in das, womit sich heute Dienstleister wie Subito und Bibliotheken auseinandersetzen müssen.

Prof. Dr. Damian Weber stellte in seinem Vortrag "Trusted Computing" (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2003/volltexte/weber_block5.pdf) eine leider realistische Schreckensvision vor, um die ich nicht herumkomme, sofern ich bereit bin zu glauben, dass Microsoft wirklich das tun wird, was technisch möglich ist und was Microsoft schon angekündigt hat. "Trusted Computing" bedeutet letzten Endes eine Überwachung und Kontrolle durch Microsoft, sowie eine Einschränkung von bibliothekarischen Dienstleistungen. Möglicherweise besteht die einzige Lösung in der Open Source Software, deshalb werde ich unsere EDV fragen, wann Linux im Erzbischöflichen Ordinariat eingeführt wird.

Der Vortrag von Dr. Florian Seiffert "Büchersuche für Dummies" (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2003/volltexte/seiffert_block6.pdf) war auch dieses Mal hochinformativ und ein Genuss, die Grundidee bestechend: Wenn unsere Benutzer grundsätzlich zuerst Informationen bei Google suchen, müssen wir eben dafür sorgen, dass unsere Bibliotheksbestände über Google zu finden sind. Über Google findet man bereits heute das virtuelle Bücherregal NRW. Hier wird erneut klar, wie sehr Bibliotheken "ihre" Informatiker/Naturwissenschaftler brauchen, nicht nur für die EDV-Schwerstarbeit, sondern für kreative Vorschläge (warum machen wir ... nicht?). Und sie liefern, Beispiel Dr. Seiffert, auch äußerst unterhaltsame Vorträge.

Vorschläge zum Phänomen "eUniversity" (definiert als "Enhanced University") kamen von Prof. Dr. Wilfried Juling in seinem Vortrag "Chefsache": Integration von Information, Kommunikation und Multimedia" (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2003/volltexte/juling_block7.pdf). Durch Einsatz von neuen Medien und neuer Technologie müssen die Universitäten sich einfach weiterentwickeln und neue Angebote machen. Ein "Chief Information Officer" ("CIO") muss die Koordinierung und Integration aller Bereiche organisieren. Bei der Fülle an Information werden Kompetenz und Service immer nötiger, wobei doppelte Arbeit schon aus Finanzgründen vermieden werden muss.

Aufgrund von Frank Sanders hervorragendem Workshop über die Gestaltung von Webseiten bei der Inetbib 5 in Dortmund, freute ich mich auch dieses Mal auf seinen Beitrag "Barrierefreiheit von Webangeboten" (Information unter http://www.wilder-jaeger.de). Seine Ausführungen machten aber zunächst einmal sehr betroffen. Natürlich sollen Webseiten für Behinderte barrierefrei und darüber hinaus überhaupt leicht zugänglich sein. Aber die großen Vorteile einer maximalen Zugänglichkeit waren bisher vielleicht nicht offensichtlich. Frank Sander zeigte auf, dass in erster Linie kreatives Denken und Nachdenken gefragt sind. Behindertenzugängliche Webangebote sind auch suchmaschinenfreundlich und haben meist eine kürzere Ladezeit. Zugängliche Seiten müssen auch nicht langweilig sein. Persönlich nahm ich diese Anregungen gerne an und werde dafür sorgen, dass die neu entstehende Webseite der Freiburger Ordinariatsbibliothek von Anfang an barrierefrei gestaltet wird.

Krönender Abschluss der Tagung war Dr. Volker-Henning Winterers engagierter Vortrag, "In omnibus rebus rete ... in allem ist das Netz: Entwicklungen und Visionen" (http://omnibus.uni-freiburg.de/~vowi/inetbib/). Winterer warnte hinsichtlich der Haltbarkeit unserer Daten. Migration von Daten bleibt schwierig; ehemalige Platforms müssen als Emulationen archiviert werden, damit ältere Informationen nicht verloren gehen. Man kann "ältere" Information retten, es sei denn, diese Information ist in Datenbanken gespeichert (wie zum Beispiel bei Bibliotheken!?). Eine Möglichkeit für die Nutzung und Sicherung von Information sind die skalenfreien Netzwerke, die small-world networks. In Zukunft brauchen wir allgegenwärtige Verarbeitung von Informationen durch mobile Netzwerke.

Michael Schaarwächter fasste in seinen Schlussworten die Ergebnisse der Tagung kurz zusammen. Und mein Fazit: Insgesamt eine perfekt organisierte und gelungene Inetbib-Tagung, zu deren Gelingen nicht zuletzt auch der schöne Rahmen beitrug. Es gab, dank großzügiger Unterstützung durch die Sponsoren, reichlich vorzügliche Speisen und Getränke. Und seit der Inetbib 4 in Oldenburg gibt es bei der großen Abendveranstaltung außerdem die Möglichkeit, das Tanzbein zu schwingen, dieses Mal zu Klängen der "The Sixties Fun Company", die Songs der 60er Jahre spielte. Außerdem wurde bei der Inetbib 7 - für mich besonders erfreulich - relativ wenig geraucht.

Das Programm der Inetbib-Tagung im Internet: http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2003/programm.html


Zur Autorin

Mary Jo Rabe

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