Indexierung von Fachdatenbanken am Beispiel des
"Informationssystems Medienpädagogik"

von Heike vom Orde

Die Dokumentation des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (nachfolgend mit IZI abgekürzt) stellt einen Teil seiner Literaturdatenbank www.IZI-Datenbank.de als Kooperationspartner dem Informationssystem Medienpädagogik zur Verfügung. Die Literaturdatenbank umfasst zur Zeit rund 13.000 Literaturzitate (Stand: Februar 2004) und ist die umfangreichste im deutschsprachigen Raum erstellte bibliographische Datenbank zu den Themengebieten Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen.

Die für das "Informationssystem Medienpädagogik" relevanten Themenbereiche werden aus der IZI-Datenbank selektiert und in den ISM-Datenpool exportiert. Die Erschließung der IZI-Dokumente mit so genannten Teil-Pools, die als erster Arbeitsschritt in der Indexierung vergeben werden, ermöglicht eine schnelle Auswahl der Themenkreise, ohne eine Einschränkung im Dokumententyp oder in der Publikationsform vorzunehmen. "Medienkompetenz", ein nicht exakt zu fassender und diffuser Begriff, wird von der Dokumentation des IZI u. a. inhaltlich gefüllt mit den Teil-Pools "Bildungsprogramme im Fernsehen", "Jugendmedien", "Jugend und Fernsehen", "Kinder- und Jugendmedienschutz", "Kindermedien", "Kinder und Fernsehen", "Lehren mit Medien", "Lernen mit Medien", "Medienpädagogik", "Neue Medien" und "Werbung".

Das IZI wurde 1965 als Forschungs- und Dokumentationseinrichtung gegründet und untersteht dem Bayerischen Rundfunk. Seine Aufgabe ist die Förderung der Qualität im Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen durch die Dokumentation und Erweiterung des Forschungsstands. Um diesen Dokumentationsauftrag zu erfüllen, sammelt und erschließt das IZI Fachliteratur, Forschungsberichte und Informationen jeder Art, die im Zusammenhang stehen mit Planung, Produktion, Nutzung und Wirkung der Themenschwerpunkte Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen. Neben der institutseigenen Spezialbibliothek ist die international orientierte Referenzdatenbank www.IZI-Datenbank.de das Kernstück der Dokumentation. Außerdem führt das IZI empirische Forschungsprojekte zu aktuellen Programmformaten und Themen im Bereich Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen durch und veranstaltet Tagungen und Workshops.

Abbildung 1: Aufgabenbereiche des IZI

Die Dokumentation des IZI wertet monatlich rund 100 (großenteils englischsprachige) Fachzeitschriften aus. Dazu kommt die Sichtung der relevanten Neuerscheinungen deutschsprachiger und internationaler Buchverlage, Newsletter sowie grauer Literatur. Außerdem werden regelmäßig Recherchen in Fachdatenbanken (ERIC, Psycinfo, Psyndex, Sociological abstracts) durchgeführt und Alerts bezogen.

Die große Herausforderung bei der möglichst vollständigen Erfassung relevanter Publikationen besteht zum einen in der internationalen Ausrichtung der Datenbank. Trotz stetig zunehmender Rechercheangebote von (Import-)Buchhandlungen im Internet ist der halbwegs aktuelle Nachweis von Neuerscheinungen aus dem asiatischen oder südamerikanischen Raum nach wie vor schwierig. Deshalb ist eine kontinuierliche Beobachtung der Publikations- und Forschungsaktivitäten einschlägig bekannter wissenschaftlicher Einrichtungen sowie die Sichtung von Mailing Lists oder "grauer Literatur" unabdingbar. Außerdem sind internationale Tagungen zum Kinder-, Jugend- oder Bildungsfernsehen, auf denen neue Studien und Ergebnisse diskutiert werden, eine wichtige Informationsquelle für die Dokumentation. Kongressbeiträge oder Tagungsdokumentationen werden oft direkt von den Organisatoren oder Referenten angefragt, weil eine Verlagspublikation nicht geplant ist. Die Dokumente werden in der Institutsbibliothek archiviert.

Die zweite Schwierigkeit liegt in der Vielschichtigkeit und Interdisziplinarität des zu dokumentierenden Themenbereichs. Das Spektrum der zu berücksichtigenden Fachgebiete ist breit: Medien- und Kommunikationswissenschaft, Pädagogik, Soziologie, Psychologie, Marketing, Pädiatrie, Sprach- und Literaturwissenschaften, Informationswissenschaft und viele andere mehr gehören dazu. Dazu kommen populärwissenschaftliche Veröffentlichungen (wie z. B. medienpädagogische Ratgeberliteratur, die nach vorheriger inhaltlicher Prüfung auch in die Datenbank aufgenommen wird) und medienpädagogische Materialien (auf CD, Video oder DVD).

Vor diesem Hintergrund ist die Erstellung und fortlaufende Pflege eines Thesaurus eine besondere Herausforderung. Ein Thesaurus stellt per definitionem die höchste Form dokumentarischer Ordnung konkreter Relationen zwischen Begriffen und Benennungen dar und enthält - in Form der Deskriptoren - ein streng kontrolliertes Vokabular normierter Wörter. Wegen der wissenschaftlichen Natur der zu dokumentierenden und indexierenden Texte ist Fachsprache und damit ein spezifisches, differenziertes Vokabular vorherrschend. Aufgrund der Vielzahl an relevanten Wissenschaftsgebieten war jedoch eine eigenständige Lösung für ein Ordnungssystem der IZI-Dokumentation notwendig.

So wurde mit dem Beginn einer fortlaufenden Literaturdokumentation der Forschungsliteratur zum Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen ein eigenständiger Thesaurus konzipiert, der sich an sozialwissenschaftlichen Thesauri orientiert (Thesaurus of Sociological Indexing Terms (Sociological Abstracts), Thesaurus of ERIC Descriptors, PSYNDEX Terms) und mit themenspezifischem Fachvokabular ergänzt wurde. Der IZI-Thesaurus enthält heute rund 1.600 Deskriptoren und ist polyhierarchisch aufgebaut. Die zwischen den Begriffen bestehenden Relationen werden durch Äquivalenzverweise, hierarchische und assoziative Verweise kenntlich gemacht. In einigen Fällen sind auch Scope Notes zur terminologischen Kontrolle erforderlich.

Abbildung 2: Der IZI-Thesaurus

Die Deskriptoren können - im besten Fall - ein genau definiertes Sachgebiet abdecken. Im Idealfall sollte es also im Thesaurus keinen Sachverhalt geben, der nicht durch Controlled Terms erfasst werden kann. Hier trifft die Dokumentationstheorie auf die alltägliche Praxis: Durch die Vielzahl der wissenschaftlichen Forschungsfelder zum Kinder-, Jugend- und Bildungsfernsehen ist es immer wieder nötig, zur möglichst tiefen inhaltlichen Erschließung neben der Vergabe der Deskriptoren (Additionsmethode) auch die Vergabe "freier Schlagworte" zuzulassen (Extraktionsmethode). Neue Schlagworte in der wissenschaftlichen Diskussion ("Ökonomie der Aufmerksamkeit"), neue Genres ("Mystery", "Retro-Show"), Projektnamen oder Sendungstitel sind auf www.IZI-Datenbank.de in der erweiterten Suche unter "Schlagwort" recherchierbar.

Hiermit tragen wir den Recherchegewohnheiten des "Google"-gewohnten Users Rechnung, der schnelle qualifizierte Rechercheergebnisse erwartet, ohne in hierarchische Ordnungsstrukturen einsteigen zu müssen. Allerdings bestätigen die Rückmeldungen unserer Datenbanknutzer nicht das gängige Vorurteil, dass der "typische" Internet-Surfer sich nur in der Welt der "einfachen" (Volltext-)Suche auskenne. Im Gegenteil: Der Einstieg in die themenorientierte Sachrecherche mittels Deskriptor oder Index ist bei geübten Usern nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Nach unseren Erfahrungen wissen es Informationssuchende sehr zu schätzen, wenn auf ihre spezifischen Bedürfnisse eingegangen wird. So wird in der erweiterten Suche die Möglichkeit, Texte nach "Publikationstypen" (von "Annotierte Bibliografie" bis "Zusammenfassung") zu selektieren, häufig genutzt.

Das Feedback unserer Nutzer hat uns dazu ermutigt, ab Sommer 2004 auch eine qualifizierte Schlagwortrecherche in englischer Sprache anzubieten. Die Implementierung des "Descriptor"-Felds entspricht nicht nur der internationalen Ausrichtung unseres Dokumentationsauftrags; es unterstreicht auch die Wichtigkeit, die wir der inhaltlichen Erschließung wissenschaftlicher Dokumente zuweisen.

Abbildung 3: Expertensuche in www.IZI-Datenbank.de

Für die IZI-Dokumentation ist die Qualität der Indexierung eine grundsätzliche Bedingung für hochwertige Rechercheergebnisse. Da für die inhaltliche Erschließung der Dokumente mit der Additionsmethode gute Kenntnisse der Fachgebiete und der zu verwendenden Dokumentationssprache unabdingbar sind, wird die Zuweisung der Deskriptoren von StudentInnen der (Medien-)Pädagogik, Soziologie, Psychologie oder Kommunikationswissenschaften vorgenommen. Im Rahmen einer wöchentlich stattfindenden Arbeitssitzung werden die Ergebnisse der Literaturauswertung vorgestellt und diskutiert. So ist qualitativ gesichert, dass fachbezogene und dokumentarische Kompetenz sich ergänzen.

Da www.IZI-Datenbank.de überwiegend für wissenschaftliche Zwecke genutzt wird und der Anteil an Forschungsberichten sehr hoch ist, sind die Ansprüche an die Deskriptorenvergabe entsprechend vorgegeben. So ist nicht nur die Erschließung der wissenschaftlichen Fragestellung, des Untersuchungsgegenstands und der Forschungsergebnisse für den Recherchierenden von Interesse, sondern es interessieren auch die wissenschaftliche Methode, die angewendet wurde, oder die Teilnehmer der Studie. Es kann durchaus erforderlich sein, zur Beschreibung eines komplexen Forschungsprojekts mit einem Mehrmethodenansatz zwanzig oder mehr Deskriptoren zu vergeben. Nur so können solche Dokumente in einem Rechercheschritt nachweisbar sein. Eine automatische Indexierung, egal ob sie mit dem Freitextverfahren, mit einem morphologisch-lexikalischen oder morphosyntaktischen Verfahren oder mit semantischer Analyse arbeitet, wird diese dokumentarische Leistung nicht in adäquater Weise erbringen können.

Die starke Spezialisierung des IZI-Thesaurus bringt es mit sich, dass eine Vereinheitlichung der Indexierung innerhalb des ISM-Projektverbunds nicht unproblematisch ist. Das DIPF und das IZI haben durch die Abgleichung des Thesaurus bzw. der Schlagwortliste Referenzen für synonyme Begriffe erstellt (Beispiel: Kinderfernsehen - Kinderprogramm). Da einzelne Datenbankfelder von www.IZI-Datenbank.de bei ISM nicht recherchierbar sind (wie z. B. der Publikationstyp), fallen einige Rechercheoptionen, die der "Expertensuche" zugeordnet werden, unter den Tisch. Dies ist zwar bedauerlich, aber im Rahmen eines Kooperationsprojekts nicht zu umgehen. Die Synergie-Effekte, die die inhaltliche Abdeckung des Themas "Medienkompetenz" angehen, wiegen dies bei weitem auf.

Eine Erweiterung des Dateninputs durch die Einbeziehung weiterer Kooperationspartner aus Bibliotheken oder Dokumentationseinrichtungen wird vom "Informationssystem Medienpädagogik" angestrebt und ist wünschenswert, stößt aber in der Praxis auch auf Schwierigkeiten, die in der unterschiedlichen Form der Sacherschließung liegen.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Bibliothek bei der Indexierung mit der Bildung von Schlagwortketten, also der Postkoordination mehrerer Einzelschlagwörter, arbeitet. Auch das Erschließungsverfahren der Präkombinationen erschwert im Verbund die Indexierung: Wenn bei der Sacherschließung Verknüpfungen im Vokabular bereits angelegt sind oder bei der Indexierung festgelegt werden, so erschwert dies die Vereinheitlichung und den online-gerechten Zugang erheblich.

Hier zeigt sich deutlich der Unterschied zur Schlagwortarbeit im Verbund von wissenschaftlichen Universalbibliotheken. Eine enge Verflechtung der Verbundarbeit mit der Arbeit an einem einheitlichen Regelwerk in Form einer Schlagwortnormdatei ist dort ebenso gegeben wie die Abstimmung in einer Verbundredaktion. Die Bibliotheken des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung und des IZI sind eigenständige Institutsbibliotheken mit jeweils klar definierten Sammelschwerpunkten; eine Schlagwortarbeit wie bei einem Bibliotheksverbund üblich ist im Rahmen des "Informationssystems Medienpädagogik" weder sinnvoll noch realistisch.

Dennoch haben es sich die ISM-Projektpartner zum Ziel gesetzt, ein Informationssystem anzubieten, das einen direkten und möglichst vollständigen Zugang zur benötigten Fachinformation mittels qualifizierter Recherchemöglichkeiten eröffnet. Dies ist auf der Basis des speziell entwickelten Softwarekonzepts sowie mithilfe der Methoden und Verfahren zur Strukturierung der Medien, Informationen und Daten auch in beispielhafter Form gelungen.


Zur Autorin

Heike vom Orde, Dipl.-Bibl., M.A ist Leiterin der Dokumentation des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) beim Bayerischen Rundfunk in München.

Internationales Zentralinstitut für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI)
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