Die neuen Bibliotheksaufgaben:
Unternehmensmanagement, Ausbildung und Networking

Bericht von der 7. Internationalen Bielefeld Konferenz 2004

von Vera Münch

Für Dr. Norbert Lossau war die 7. Internationale Bielefeld Konferenz, die vom 3. bis 5. Februar in Bielefeld stattfand, die erste, die er zu verantworten hatte. "Die Fortführung dieser Tradition ist ein großer Aufwand. Aber meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gesagt, wir sollen es machen", erklärte der 43jährige Leiter der Universitätsbibliothek Bielefeld bei der Eröffnungspressekonferenz herzerfrischend offen. "Na gut", hätte er gedacht, "dann mache ich es auch" - und setzte sodann in der Handschrift der neuen Generation von auslandserfahrenen, medientrainierten Managern Zeichen. Eines war die Zielgruppenansprache: Bielefeld bot sich in diesem Jahr als "internationales Forum für Bibliothekare und Führungskräfte der Universität" an. Die sehr starke internationale Ausrichtung war ein weiteres: 17 von 28 Vortragenden der 7. Bielefeld-Konferenz kamen aus dem Ausland; aus Australien, England, den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und den Vereinigten Staaten. Im Programmkomitee saßen mit Reg Carr, Direktor der Oxford University Libraries, England und Hans Geleijnse, IT-Direktor und Chief Information Officer (CIO) an der niederländischen University of Tilburg zwei renommierte Vorkämpfer im Paradigmenwechsel des wissenschaftlichen Publikations- und Informationswesens. (Erstgenannter war übrigens der Chef von Lossau, als dieser von 2001 bis zu seinem Wechsel nach Bielefeld Mitte 2003 unter Carr die Oxford Digital Library leitete). Unter den rund 450 Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmern stellte Deutschland das größte Kontingent. Aber auch in diesem Bereich war absolute Internationalität angesagt: Auf der Besucherliste fanden sich Länder wie China, Estland, Indien, Lettland, Mongolei, Nepal, Pakistan, Russland, Singapur und Slowenien. England, Skandinavien und die Benelux-Länder wirkten in diesem Umfeld wie "Heimatland Europa". Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch mit Simultanübersetzung.

Über die klassischen Bibliotheksfragen hinaus denken

Auch das Motto der Konferenz "Thinking beyond Digital Libraries - Designing the Information Strategy for the Next Decade" war Ausdruck der starken globalen Ausrichtung. "Thinking beyond Digital Libraries" nur mit "Jenseits Digitaler Bibliotheken” zu übersetzen, greift zu kurz. Zwar definiert der Brockhaus "Jenseits" als "den [...] die sichtbare Welt und ihre Erfahrungen übersteigenden Bereich", was eine durchaus passende Beschreibung wäre für die Bielefelder Vision, nach der irgendwann sämtliche Informationsquellen der Bibliotheken bis hinunter zum letzten Dokument des tiefen oder versteckten, akademischen Web (Deep/Hidden Web) über ein einziges Universitätsportal in Hochgeschwindigkeit verfügbar werden sollen.

Aber "Thinking beyond..." soll nach dem Willen der Organisatoren mehr als dieses technologische "Jenseits" ausdrücken. Ihrer Meinung nach geht es zwar nach wie vor darum, gute technische Lösungen für eine weltweite "Digital Library" zu entwickeln. (Und die Universitätsbibliothek Bielefeld versucht dies gerade in einem spannenden neuen Projekt mit Hilfe der neuen Suchmaschinentechnologie des norwegischen Herstellers FAST - www.fastsearch.com). Doch die wirklich große Herausforderung reicht weit über die reine Technik hinaus. Jetzt gilt es, die Informationsstrategie fürs nächste Jahrzehnt zu entwickeln - "Designing the Information Strategy for the Next Decade" - und das im globalen Verbund. Warum? Dafür gibt es viele Gründe. Auf der Konferenz wurden sie auf breiter Ebene diskutiert.

"Keine Elite-Uni ohne Elite-Bibliothek"

Warum sich die Organisatoren in Zeiten rasanten Technologiefortschrittes vollmundig an eine "10-Jahres-Strategie" heranwagen, begründete Professor Dr. Dieter Timmermann, Präsident der Universität Bielefeld, gleich zu Beginn: "Wir stehen nicht mehr unmittelbar unter dem Eindruck neuer Technologien wie Anfang der 90er Jahre, sondern sind in einer Konsolidierungsphase. Eine völlig neue Technologie wäre auch finanziell und organisatorisch nicht mehr zu leisten." Universitätsbibliotheken, so der Präsident in seiner Begrüßungsrede weiter, seien ein herausragender universitärer Standort- und Imagefaktor und damit wesentlicher Teil im immer schärfer werdenden Wettbewerb: "Keine Elite-Uni ohne Elite-Bibliothek kann man wohl mit Blick auf die in Deutschland gerade laufende aufgeregte Diskussion sagen", so Timmermann. Öffnungszeiten seien ein Profilelement und mit alter Technik könne man keinen Wissenschaftler mehr locken. Dann dachte er am Rednerpult noch laut darüber nach, ob die neue Zeit wohl eine "Ethnologie der wissenschaftlichen Suchmaschinennutzung" erfordere und zog zum heiß diskutierten Thema Urheberrecht und freier Zugang zur Information (Open Access) ein Zwischenresümee: "Diese Diskussion ist vermutlich nie zu beenden."

eScience = Grid-Computing und Virtuelle Informationsumgebungen

Damit hatte der Präsident in wenigen Worten einen großen Teil der Herausforderungen angesprochen, denen wissenschaftliche Bibliotheken derzeit gegenüberstehen. Die neuen Aufgaben verlangen von jeder einzelnen Bibliothek eine strategische Positionsbestimmung und Zukunftsorientierung. Unverzichtbar ist aber auch eine gemeinsame, auf politischer Ebene organisierte Marschrichtung, die später im europäischen und internationalen Kontext weiterentwickelt werden kann. Und eigentlich müsste eine solche Positionsbestimmung auch zwingend zur aktuellen Innovationsoffensive der Bundesregierung gehören.

Dr. Christine Thomas, Leiterin des Referates Digitale Bibliotheken im Bundesforschungsministerium (BMBF), wagte sich in Bielefeld mit dem Vortrag "Dynamische Infrastrukturen für die Wissenschaft - Herausforderung für Digitale Bibliotheken" an die Skizzierung denkbarer, zukünftiger Formen der Unterstützung wissenschaftlicher Kommunikation, Information und Publikation. Ihre Vision stellte sie als einen Wechsel von den "Digitalen Bibliotheken und elektronischen Publikationen zu Virtuellen Informations- und Arbeitsumgebungen" für Forscherinnen und Forscher dar. Die technologische Grundlage sieht Thomas im Grid-Computing, also der Verteilung der Rechenleistung auf verschiedene Rechner in einem Hochleistungsnetz, um die Ressourcen kooperativ zu nutzen. "Ein Land ohne exzellente Netz-Infrastruktur wird für Wissenschaftler in Zukunft nicht mehr interessant sein", so die Referatsleitering. e-Science, wobei das "e" für enhanced, also verbessert/gesteigert steht, sei ein wichtiger Standortfaktor. Thomas erklärte, welche Elemente eine e-Science-Initiative für Deutschland ihrer Meinung nach beinhalten sollte:

  1. GRID-Infrastruktur,
  2. Middleware (Werkzeugkasten),
  3. Dienste für die Wissenschaft und
  4. Kompetenznetzwerk.

"Publikation", so Thomas in ihrer Zusammenfassung, "muss als Prozess, nicht als Produkt betrachtet werden." "Digitale Bibliotheken" forderte sie auf, sich an der Entwicklung sowie an Anwendungsprojekten systematisch zu beteiligen: Als Nutzer und Anwender von Technologien, als Anbieter von Daten und als Dienstleister für die Wissenschaft und Forschung.

Aufgaben für Bibliothekare als kunterbunte Liste

Dass für alle Bibliotheken in Deutschland eine mittel- und langfristige Geschäftsstrategie dringend geboten ist, kann eigentlich von niemandem mehr bezweifelt werden. Welche Fragen in der Bibliothekswelt zu lösen sind, lässt sich hier nur in Kurzform auflisten. Zur Zeit geht es nach Meinung der durchwegs hochkarätigen Vortragsrednerinnen und -redner der 7. Internationalen Bielefeld Konferenz konkret - aber ohne Wertung betrachtet - darum:

  1. Zu definieren: Was können wissenschaftliche Bibliotheken tun, um (Elite?-)Universitäten im Wettbewerb um die besten Köpfe zu unterstützen.
  2. Der Wissenschaft in ihrem Bestreben nach Direktpublikation nach besten Kräften zu helfen.
  3. Zu hinterfragen, wie man der fortschreitenden Fragmentisierung der Informationslandschaft begegnen kann und zu klären, wie mit den exponentiell steigenden Mengen an wissenschaftlich relevanter Information in Zukunft ungegangen werden soll.
  4. Neue Modelle für die Geschäftsbeziehungen mit wissenschaftlichen Verlagen entwickeln.
  5. Die internationale Zusammenarbeit im wissenschaftlichen Publikationswesen auszubauen und langfristig zu sichern.
  6. Für sich die Frage zu klären, mit wem man Partnerschaften eingehen kann und will und wo es besser ist, im Wettbewerb zu bleiben.
  7. Die Bedeutung von Information für den Erfolg von Universitäten, Unternehmen, Volkswirtschaften und Kulturen deutlich zu machen.
  8. Damit auch den Wert und die Bedeutung einer gesunden Bibliothekslandschaft mit leistungsfähigen Bibliotheken für ein Land und seine Volkswirtschaft sichtbar zu machen.
  9. Sich um einen effizienten Einsatz neuer Retrieval- und Verarbeitungstechnik zu kümmern.
  10. Enger mit den Fakultäten, den Professorinnen und Professoren, zusammenarbeiten und fachspezifische Publikations- und Informationsangebote zu machen.
  11. In diesem Zusammenhang für Bibliothekarinnen und Bibliothekare eine neue Rolle als "Educators" - als Ausbilder und Trainer - im Rahmen des Hochschulcurriculums zu entwickeln; zu "Trend Scouts" für neue Services werden.
  12. Bei immer größerer, teils kaum vorhersehbarer finanzieller Belastung und knapper werdenden Mitteln ein solides Finanzmanagement für die Bibliothek hinzukriegen.

Geschäftsführungsaufgaben allererster Güte

Die Aufzählung ist sicher nicht vollständig, zeigt aber die Ausmaße des Durcheinanders, das der Paradigmenwechsel ins wissenschaftliche Publikationswesen gebracht hat. Hinter und über all diesen Fragestellungen steht die große Aufgabe, der Wissenschaft eine funktionsfähigen, kostengünstige, weitgehend digitalisierte Infrastruktur für die Publikation, Sammlung, Bereitstellung, Suche, Auslieferung und Abrechnung elektronischer Dokumente zur Verfügung zu stellen. Aber ist das wirklich die Aufgabe von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren? (Unternehmens-)Management, internationale Kooperationen, Planung und Finanzierung von High-Tech-Infrastrukturen, die ihre langfristige Bestandsfähigkeit noch nicht unter Beweis gestellt haben, innovative Aus- und Weiterbildungsangebote, Spezialservice für die verschiedenen Fachbereiche usw. usf. - Das sind Geschäftsführungsaufgaben allererster Güte. Mit der Alltagsarbeit in der Bibliothek, für die Bibliothekarinnen und Bibliothekare in ihrem Studium ausgebildet werden, haben sie eigentlich herzlich wenig zu tun.

Zu vielen der angesprochen Fragen lieferte die 7. Internationale Bielefeld Konferenz Lösungsideen und Anregungen. Sie gab aber auch konkrete beispielhafte Antworten aus der internationalen Bibliotheks- und Informationsszene. Sharing Knowledge" - das Wissen teilen - war einer der Lösungsansätze. Er wurde von mehreren internationalen und nationalen Rednern propagiert. Das neue Zauberwort heißt "Networking". Carr erklärte den Konferenzteilnehmern: "We have to move beyond the creation of our own library - across our national borders." Nicht nur die Bibliotheksgrenzen, auch die nationalen Grenzen müssten überwunden werden, weil alle Bibliotheken der Welt mit den gleichen Herausforderungen konfrontiert seien. Der Direktor der Oxford Libraries träumt davon, dass alle Bibliotheken "Teile eines kollektiven Designs" einer internationalen wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur werden und die Welt so zu einer besseren und effizienteren Zukunft geführt werden könnte. Die Vorträge respektive Vortragsfolien sind auf dem Server der Universitätsbibliothek Bielefeld unter http://conference.ub.uni-bielefeld.de publiziert. Einen gedruckten Konferenzband wird es nicht geben (Ob dieser Verzicht auch als Zeichen des "neuen Managements" zu werten ist, mag jeder für sich selbst entscheiden).

Informationsstrategie ist Geschäftsstrategie

Globale Zusammenarbeit bis hin zum Zusammenschalten der Quellen auf den Publikationsservern der Universitäten oder Institute - eine Traumvorstellung, die zwischen den Hochschulen der Welt technisch und organisatorisch realisierbar klingt. Wären da nicht der Konkurrenzkampf um die Pole Position in der Forschung, der Wettbewerb um die kommerzielle Verwertung vielversprechender Ideen, nationale Interessen und nicht zuletzt persönliche Interessen der Forscherinnen und Forscher, die dem entgegen stehen. Umso mehr gilt, was Professor Dr. Donald A. Marchand als Hauptredner in Bielefeld proklamierte: "Informationsstrategie ist gleich Geschäftsstrategie. Es gibt keine Informationsstrategie neben der Geschäftsstrategie." Marchand, der als Professor am Institute for Management Development (IMD) in Lausanne tätig ist, stellte ein von ihm entwickeltes Verfahren vor, das den Geschäftswert aus effizienter Informationsnutzung betriebswirtschaftlich messbar macht - "damit die Manager endlich verstehen, dass Information den Geschäftserfolg bringt." Er berichtete, dass die meisten Manager, wenn sie die Effizienz erhöhen und die Ergebnisse verbessern wollten, auf die IT schielen würden, weil sie nicht verstünden, dass es um die Nutzung von Information - ihre Verarbeitung im Kopf von Menschen und den gezielten Einsatz an der richtigen Stelle - ginge. Um das zu ändern hat Marchands eine neue Business Value Formel für die Bewertung von Information und ein IO-Dashboard (IO = Informations-Organisation) als Meßinstrumente entwickelt. In Kurzform: IT-Entwicklung alleine ist nichts, IT-Entwicklung plus Nutzung durch Menschen ist okay, IT-Entwicklung multipliziert mit Nutzung bringt den höchsten Geschäftserfolg. Am Beispiel einer Direktbank sowie des Zement-Lieferanten "Cemex" zeigte Marchand höchst beeindruckend, welcher Erfolg mit strategischer Informationsorganisation erzielt werden kann. "The Cemex way" ist innerhalb weniger Jahre zu einer "IT-Legende" geworden. Mit der Kombination aus High-Tech-IT-Infrastruktur und gezielter Informationsnutzung sowie einer neuen , darauf ausgerichteten Firmenkultur hat das Unternehmen innerhalb weniger Jahre Riesenerfolg erzielt.

Bibliothekare als Lehrer und Ausbilder

Beeindruckend war auch der Vortrag von Dr. Alan Bundy, Direktor der Bibliothek der Universität von South Australia und Direktor der Bob Hawke Prime Ministerial Library. Der Vortrag war in seinem Kern ein Plädoyer dafür, der Welt mitzuteilen, welch wichtige Rolle Bibliothekare in der Bildung des Volkes einnehmen und sie als "Agenten im Wechsel der Bildung" einzusetzen. Unter dem Titel "Beyond information: the academic library as educational change agent" hat Bundy ein umfassendes Papier zusammengestellt, das all jenen zur Lektüre zu empfehlen ist, die sich mit Curricula, Neuen Medien und Bildung befassen, auch unter politischen Aspekten. Der Bibliothekar beschreibt unter anderem auch, wie Universitätsbibliotheken den Wandel begleiten können, mit dem progressive Universitäten den Herausforderungen Massenbildung, flexibler Informationslieferung, auf Studenten zentriertes und auf Einzelaufgabenlösung ausgelegtes eLearning, Informationskompetenz und andere Qualifikationen angehen. Er empfiehlt Bibliotheksverantwortlichen eine enge Partnerschaft mit dem Lehrkörper der Universität sowie eine Entwicklung des Personals hin zu Lehrern und Ausbildern (Educators). Der Aufsatz zitiert mit 29 Literaturhinweisen eine Vielzahl von internationalen Statements und Quellen zu diesem Thema. Information ist für Bundy "die Währung der Demokratie". Sein Vortrag kann auch direkt vom Bibliotheksserver der australischen Universität unter www.library.unisa.edu.au/about/papers/default.asp#ab abgerufen werden.

"...an den Verlagen vorbei publizieren"

Zu guter Letzt darf natürlich in Bielefeld - schon aus Tradition - die Diskussion zur Neuausrichtung des Wissenschaftlichen Publizierens im direkten Zusammenhang mit den Verlagen nicht fehlen. Gefragt nach seiner Strategie im Bezug auf die Bereitstellung von kostenloser und kostenpflichtiger Information lies der neue Bibliotheksdirektor Lossau in der Pressekonferenz eine kleine Bombe platzen: "Die generelle Linie der Universitätsbibliotheken in den nächsten drei bis fünf Jahren ist, die Wissenschaftler dabei zu unterstützen, an den Verlagen vorbei zu publizieren." So deutlich hat man das bisher selten gehört - auch wenn es hinter den Kulissen so gedacht wurde. Auch Lossau bemühte sich um Relativierung: "Mit den Verlagen, die bereit sind, an fairen Modellen mitzuarbeiten, reden wir natürlich. In der Firmenausstellung sind ja auch einige vertreten."

Tatsächlich stellten in Bielefeld neben Anbietern von Bibliotheksausstattung wie Imageware und Zeutschel sowie Softwarelieferanten wie Sisis, Bond und ExLibris auch die Wissenschaftsverlage Springer und Elsevier aus. Vorläufig ist auch noch nicht in Sicht, wie die Wissenschaft komplett auf die traditionellen Verlage verzichten könnte und diese bemühen sich natürlich auch im eigenen Interesse um neue Geschäftsmodelle. Es gibt nach wie vor kein Pauschalrezept für die Informationsversorgung der Wissenschaft und, auch das wurde in Bielefeld vielfach betont, man muss deutlich zwischen den Disziplinen unterscheiden. Was für Naturwissenschaftler gut ist, taugt für Erziehungswissenschaftler oder Gesellschaftsforscher noch lange nicht. Und dass es im Wandel der Beziehungen zwischen Bibliotheken und Verlagen neue Formen der Zusammenarbeit geben wird, zeigten einige interessante Pilotprojekte. Der Fachverlag Thieme stellt beispielsweise Universitätsbibliotheken den Inhalt mehrerer Fachbücher aus verschiedenen Disziplinen als Informationspool zum pauschalen Zugriff zur Verfügung. Mit gutem Erfolg, wie am Rande der Konferenz zu erfahren war.

Open Access Business Modell

Über ein zweites Beispiel berichtete Bianca Gerlinger, Assistant Publisher bei der Nature Publishing Group (Macmillan), UK, unter dem Titel "Partnerschaften in einer sich verändernden Welt: Zukünftige Geschäftsverbindungen zwischen Verlagen, akademischen Bibliotheken und Wissenschaftlern". Sie stellte das "Nature Archive" und "Signaling Gateway", ein Datenbank-Publikationsprojekt zur Zellbiologie, als den "Prototyp eines Zukunftsmodells für wissenschaftliche Kommunikation" vor. "Signaling Gateway verbindet das beste aus beiden Welten: Als Portal ist es dynamisch und damit immer auf dem neuesten Stand. Es wird laufend aktualisiert. Dabei bleiben die Publikationen wissenschaftlich geprüft und zitierbar", erklärte Gerlinger. Die offene Teilung des Wissens (data sharing) unterstütze die kollaborative Analyse und damit weitere wissenschaftliche Entdeckungen, so, wie sich die Wissenschaft das wünscht. Nature Publishing produziert das Gateway. Damit ist es für Gerlinger ein "Open Access Business Model”. Woher das Geld kommt, verriet die Verlagsfachfrau auch: Signaling Gateway wird vom US National Institute of General Medical Sciences (NIGMS) mit 100 Millionen US-Dollar gefördert. Das Projekt ist zunächst auf zehn Jahre ausgelegt: http://www.signaling-gateway.org.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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