Hiller, Helmut; Füssel, Stephan:
Wörterbuch des Buches. 6. grundl. überarb. Aufl.


- Frankfurt a. M.: Klostermann, 2002. 363 S.
ISBN 3-465-03220-9. Euro 29,80

Reclams Sachlexikon des Buches.
Hrsg. von Ursula Rautenberg. 2. verb. Aufl.


- Stuttgart: Philipp Reclam jun., 2003. 590 S.
ISBN 3-15-010542-0. Euro 22,90

Buch- und Bibliothekswissenschaftler, Bibliophile, Verleger, Drucker, Buchbinder und Buchhändler mussten elf Jahre auf eine Neuauflage von Hillers Wörterbuch des Buches warten. Doch der Buchmarkt überrascht im gleichen Jahr noch mit einem weiteren Nachschlagewerk zum Buchwesen, und dieses erscheint schon kurz nach der Erstausgabe in zweiter, verbesserter Auflage. Aber der Reihe nach.

Das Wörterbuch des Buches ist seit dem Erscheinen der ersten Auflage 1954 unter dem Namen seines inzwischen verstorbenen Herausgebers und Verfassers Helmut Hiller das am meisten verbreitete einbändige deutschsprachige Fachwörterbuch zum Buchwesen. Und es war bis jetzt konkurrenzlos.

Seit der fünften Auflage haben sich durch die massenhafte Anwendung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien alle von dem Wörterbuch betroffenen Bereiche grundlegend verändert und werden dies wohl auch in den nächsten Jahren weiterhin tun. Der Direktor des Instituts für Buchwissenschaft an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Stephan Füssel, der vom Verlag mit der Bearbeitung der sechsten Auflage betraut wurde, nennt im Vorwort u.a. das elektronische Publizieren, den Zeitschriftenmarkt, den Internet-Buchhandel, das Printing on Demand, die Vermarktung der CD-ROM und die einschneidenden Verlagsfusionen, aber auch die Globalisierung und die staatliche Wiedervereinigung Deutschlands.

Füssel wollte "die bekannten Qualitäten des Nachschlagewerkes" bei der notwendigen Überarbeitung so weit wie möglich erhalten, "damit es weiter auf dem Schreibtisch jedes Auszubildenden oder Studierenden der Buchbranche nützliche Dienste leisten und auch für alle Praktiker in Druck und Medien, Buch und Verlag, Bibliothek und Ausbildung eine zuverlässige erste Informationsquelle bieten kann." (S. 5) Dies ist ihm und seinen im Vorwort genannten Mitstreitern Christoph Reske (für Druckwesen und Schrift), Stephan Pelgen (für die Ausbildung) und Wulf D. Lucius (für Rechtsfragen) durchaus gelungen.

Das Werk verzeichnet etwa 2.500 Begriffe zum Buchwesen im weitesten Sinne des Wortes. Gegenüber der fünften Auflage wurde es "grundlegend überarbeitet". Überarbeitung und Neukonzeption wurden von über 100 Studierenden des Mainzer Instituts in einem Praxistest einer Feuerprobe unterzogen.

Hillers Konzeption wurde nicht grundsätzlich verworfen, ein Großteil seiner Beiträge aus früheren Ausgaben wurde behutsam auf den neuesten Stand gebracht und um Stichwörter ergänzt, die durch die Modernisierung des Buchwesens notwendig wurden.

Das Sachlexikon des Buches hat diese Tradition nicht zu berücksichtigen. Die Herausgeberin, die Erlanger Buchwissenschaftlerin Ursula Rautenberg, konnte unvoreingenommen, mit eigener Konzeption und ganz modern ausgerichtet ihr ehrgeiziges Projekt verwirklichen - ein einbändiges Sachlexikon, in kleinem Format, allerdings "ein Wagnis - gehört doch das Buch zu den ältesten und wichtigsten an die Schrift gebundenen Medien". (S. 5) "Die thematische Breite umfasst das Medium Buch in seinen herstellerischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bezügen. Herstellungstechniken und Handel, Markt und Marketing, Recht und Zensur sind genauso berücksichtigt wie Layout und Lesen, Schreiben und Drucken oder die Buchausstattung und Buchillustration." (S. 6) Das Ziel bestand in der Herausgabe eines handlichen, preiswerten, mit Wissen "randvollen" Nachschlagewerks (S. 7). Der Herausgeberin standen für diese Aufgabe elf Autorinnen und Autoren (neben Buchwissenschaftlern u.a. eine Kunsthistorikerin, ein Jurist und ein Informatiker) zur Seite, die in 1.600 Beiträgen dieses Ziel erreichen wollten - und erreicht haben.

Nach dieser Einführung kommt dem Rezensenten die Aufgabe zu, beide Veröffentlichungen in ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden sowie Vor- und Nachteilen zu bewerten, wenn möglich ganz kurz. Das aber ist nur sinnvoll nach jahrelangem regelmäßigem Gebrauch und nicht durch vorwiegend fiktives Nachschlagen einzelner Begriffe und dem beckmesserischen Suchen nach Fehlern. Welche Zeitschriftenredaktion ist aber geneigt, dies zu akzeptieren, da Neuerscheinungen angezeigt werden sollen? Und welcher Verlag würde dieses Vorgehen akzeptieren, da er seinen Titel verkaufen und gegebenenfalls auch aus einer Rezension zitieren will (wenn diese denn zum Kauf anregt und nicht abschreckt)?

Zuerst ein Fazit: Beide Bücher erfüllen die Kriterien für ein einbändiges, dazu sehr handliches Nachschlagewerk zum Buchwesen. Nur der Leser kann entscheiden, welches Konzept, welche Inhalte und welcher Stil ihm mehr zusagen. Der Rezensent will ihm bei dieser Entscheidung mit den folgenden Gedanken gern zur Seite stehen (auf einzelne Fehler und Unkorrektheiten kann aus Platzgründen nicht eingegangen werden).

  1. Der Verlag. Der Hiller wird von dem 1930 gegründeten Verlag Vittorio Klostermann, einem traditionellen buch- und bibliothekswissenschaftliche Verlag, herausgegeben. Der Verleger des Lexikons ist der 1828 gegründete Verlag Philipp Reclam jun., ein Verlag, den in Deutschland jeder Schüler durch "Reclams Universalbibliothek" kennt und von dem er mindestens einen Klassiker in seinem Bücherregal stehen hat. Diese Unterschiede zeigen die Möglichkeiten der Verbreitung der jeweiligen Veröffentlichung. Beim Hiller die eher fachbezogene Werbung, beim Lexikon die nahezu "grenzenlose Werbung" im Rahmen der Gesamtproduktion des Verlages. Das erklärt zum Teil auch die "erfreulich gute Aufnahme" des Lexikons (S. 7), so dass nach sechs Monaten eine Neuauflage erscheinen konnte (diese zeichnet sich gegenüber der Erstauflage durch die Korrektur einiger sachlicher Fehler und Versehen, die Aktualisierung des Zahlenmaterials und das Hinzufügen einiger neuer Artikel, z.B. Integrated Services Digital Network aus).
  2. Der Preis. Beide Veröffentlichungen sind preiswert, wenn man bedenkt, welche Informationen auf "engem" Raum geboten werden. Der Hiller kostet 29,80 Euro, das Lexikon in der ersten Auflage 19,90 Euro. Erstaunlich ist die Preiserhöhung des Lexikons um drei Euro für die zweite Auflage.
  3. Der Titel. Der Hiller ist ein Wörterbuch, das Lexikon ist ein Sachlexikon. Diese unterschiedlichen Bezeichnungen spiegeln sich in den Konzeptionen wider. So befinden sich im Hiller neben sachbezogenen Einträgen auch biographische Einträge zu bedeutenden Schriftkünstlern und Buchdruckern wie Bodoni, Goudy, Unger, Weiß, Schauer und Perthes (aber leider nicht zu bedeutenden Bibliographen und Bibliothekaren wie Ebert, Naudé, Petzholdt, Denis und Ranganathan) sowie Einträge zu Verlagen (mit allen Risiken durch den ständigen Wechsel von Besitzverhältnissen und Bezeichnungen). Das Lexikon bleibt seiner Bezeichnung Sachlexikon immer treu.
  4. Der Inhalt. Das Lexikon enthält präzise Definitionen zu 1.600 Begriffen - nicht zu eng gefasst, d.h. auch zu rechtlichen, politischen, technologischen, technischen und ökonomischen Kontexten. Es ist auf dem neuesten Stand, was sich auf den Gebieten der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien und des Urheberrechts am deutlichsten zeigt. Bei insgesamt weniger Einträgen ist es umfassender und aussagekräftiger als der Hiller. Diese Modernität zeigt sich u.a. in der Aufnahme zahlreicher Begriffe aus der modernen Kommunikation wie Digital, Digitale Bibliothek, Digitale Medienproduktion, Digital Audio Tape, Digital Object Identifier und Digital Versatile Disk (bei Hiller findet sich nur Digitales Drucksystem), ohne traditionelle Begriffe zu vernachlässigen. Der Hiller hat seine Stärken in den sehr zuverlässigen und praktischen Kurzinformationen und in den unter Punkt 3 erwähnten Eintragungen zu Personen und Verlagen. Unterschiedliche Bewertungen und Herangehensweisen zeigen sich in erster Linie bei umfassenderen Begriffen wie Buchforschung (bei Hiller) und Buchwissenschaft (im Lexikon). Den Begriff Lesen gibt es leider nur im Lexikon.
  5. Die informationsgerechte Gestaltung. Gemeinsamkeiten liegen in der Größe (Hiller 18 x 11 cm, Lexikon 15 x 10 cm) und in vielen Teilen des Layouts. Als Unterschiede seien vermerkt: Hiller folgt der alten Rechtschreibung, verfügt über ein Literaturverzeichnis von über fünf Seiten, zahlreiche tabellarische Übersichten, ein kleines Verzeichnis latinisierter Ortsnamen, aber keine Abbildungen und keine Literaturangaben am Schluss der einzelnen Beiträge. Das Lexikon folgt der neuen Rechtschreibung, bietet 85 Abbildungen, Literaturangaben bei längeren Beiträgen und eine umfangreiche Bibliographie von über 30 Seiten, aber keine tabellarischen Übersichten und kein Verzeichnis latinisierter Ortsnamen.

Beide Nachschlagewerke zeigen deutlich, dass das Buch das unbestrittene Leitmedium ist und wohl auch noch lange Zeit bleiben wird. Ihnen ist eine weite Verbreitung zu wünschen - auch unter den vielen Bücherlesern, die keine Profis sind.

Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de