Landesbibliotheksbau in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Hrsg. v. Detlev Hellfaier


- Frankfurt a.M.: Klostermann 2003 (ZfBB Sonderheft 85). 229 S.
CD mit Abbildungen.
ISBN 3-465-03291-8. Euro 69,- (im Abo Euro 62,10)

Zwanzig Jahre nach der von Rolf Fuhlrott, Gerhard Liebers und Franz-Heinrich Philipp als Sonderheft 39 der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie herausgegebenen Dokumentation "Bibliotheksbauten in der Bundesrepublik Deutschland 1968-1983" ist nun diese Dokumentation "Landesbibliotheksbau in Deutschland, Österreich und der Schweiz" erschienen. Führte die zuerst genannte Dokumentation vor allem Hochschulbibliotheken auf, so ist die vorliegende Veröffentlichung - dem Titel gemäß - Landesbibliotheken in den drei deutschsprachigen Ländern gewidmet. Die siebzehn Beiträge sind unterteilt in Neubauten, umgenutzte bestehende Gebäude, Um- und Erweiterungsbauten sowie Planungen. Diese Textbeiträge werden ergänzt durch Abbildungen auf einer CD; Grundrisse fehlen hier weitgehend, was bedauerlich ist, weil eine solche Dokumentation doch auch Anhaltspunkte für Planungen geben können sollte - auch wenn natürlich kein Planungsfall ohne weiteres auf einen anderen übertragbar ist. In der Einführung wird zwar gesagt, dass nicht an mit einer "Fülle von statistischem Material und zahllosen (!) Grundrissplänen angereicherten Bericht gedacht war, was aufgrund des Fehlens abbildbarer Pläne (?) gar nicht möglich gewesen sein soll", der Rezensent - selbst Architekt - fragt sich allerdings etwas erstaunt, wie denn die Neu-, Um- und Anbauten geplant worden sind. Auch das eine oder andere Organigramm wäre hilfreich gewesen, um die spezifischen organisatorischen Gegebenheiten einer Landesbibliothek deutlich zu machen. Nun gut, die meisten Beiträge zielen eher darauf ab, die Entwicklung der jeweiligen Planungskonzeption darzulegen.

In der Gruppe Neubauten berichten zunächst Thomas Bürger und Michael Golsch über den Neubau der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Sie beschreiben die Geschichte und die Vorgängereinrichtungen sowie die verschiedenen Planungsansätze schon in der DDR-Zeit und erwähnen auch die Diskussion um eine mögliche Unterbringung der Landesbibliothek im sog. Erlweinspeicher, welche Lösung sich u.a. aus technischen Gründen als undurchführbar erwies. Schon bald nach der Wende kam die Zusammenlegung der Landesbibliothek und der Universitätsbibliothek im Rahmen eines Neubauprojektes ins Gespräch, die dann schließlich mit der Einweihung des Neubaus im Jahre 2003 verwirklicht werden konnte. Die Autoren weisen allerdings auch darauf hin, dass es am Standort keinerlei Erweiterungsmöglichkeiten gibt, wie das für Bibliotheken dieser Größenordnung erforderlich wäre - somit muss die Bibliothek von Anfang an mit externen Ausweichmagazinen arbeiten. Kritik am Standort der Niedersächsischen Landesbibliothek in der Waterloostraße in Hannover in der Nähe des Niedersachsenstadions mit störenden Sport- und Popmusikveranstaltungen und dem gegenüber gelegenen Schützenplatz mit Schützen-, Oktober- und sonstigen Festen kommt im Bericht von Wolfgang Dittrich zum Ausdruck.

Rainer Herzog hebt die gute Einbindung der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in das städtebauliche Gefüge von Jena und zugleich die gute räumliche Beziehung zu den Universitätseinrichtungen hervor. Der statistische Anhang mit Angaben über Flächen, Bestände und Benutzung ist sehr hilfreich. Die Badische Landesbibliothek in Karlsruhe ist Gegenstand des Berichtes von Ludger Syré. Auch in diesem Falle wird die sehr günstige Lage in der Nähe der Haupteinkaufsstraße von Karlsruhe sowie auch der Respekt gegenüber den benachbarten Bauten von Weinbrenner hervorgehoben. Im Zusammenhang mit dem Wettbewerb 1980 für den Neubau wird erwähnt, dass "auch ein Bibliothekar mit Sitz und Stimme" (!) der Jury angehörte. Weiter wird angemerkt, der Architekt habe auf den Schriftzug Badische Landesbibliothek "verzichtet" - würde oder dürfte man auf einen Schriftzug Bahnhof oder Unfallklinik "verzichten"? Der Autor zählt eine ganze Reihe von Planungsmängeln auf wie z.B. der ziemlich versteckte Eingang, die unzulänglichen Orientierungsmöglichkeiten für die Benutzer im Eingangsbereich oder die versteckte Lage der Leihstelle und der Treppen. Die abgedruckte Isometrie des Gebäudes erlaubt wenigstens einen groben Eindruck von dem Ensemble. Am Bericht von Gebhard König über die Niederösterreichische Landesbibliothek in St. Pölten zeigt sich besonders deutlich, wie wichtig vor allem Grundrisse für das Verständnis von Baubeschreibungen sind; auf der CD wäre dafür sicherlich noch Platz gewesen. Aber abgesehen von dieser kritischen Anmerkung bietet der Bericht eine eingehende Beschreibung der durch schwer nachzuvollziehende Kürzungen im Programm verursachten Schwierigkeiten bei der Planung und Durchführung des Neubaus, demgegenüber aber der sehr guten Zusammenarbeit mit dem Architekten, der diese Aufgabe mit viel Verständnis und Sorgfalt gemeistert hat. Hartmut Harthausen beschreibt im letzten Beitrag in der Gruppe Neubauten den Bau der Pfälzischen Landesbibliothek in Speyer. Die Besonderheiten: Die Landesbibliothek bildet eine bauliche Einheit mit dem Landesarchiv und ist als reine Magazinbibliothek konzipiert; das Fassungsvermögen des Hauptmagazins kann durch spätere Erweiterungsbauten auf das Dreifache vergrößert werden - ein seltener Fall von verwirklichter Voraussicht! Eine bemerkenswerte Feststellung ist auch, dass "der digitale Fortschritt kaum Auswirkungen auf den Bau als solchen" hatte. Hervorgehoben wird, dass der Architekt kein "Stararchitekt" im schlechten Sinne war, das heißt, er hat sich immer offen für die begründeten Vorstellungen des zukünftigen Nutzers gezeigt - wie schön wäre das bei so manch anderem neueren Projekt gewesen!

In der Gruppe Umnutzung öffentlicher und privater Gebäude werden drei realisierte Projekte vorgestellt. Als erster beschreibt Hellfried Delpin die Vorarlberger Landesbibliothek in Bregenz. Die Bibliothek wurde erst 1977 gegründet; sie konnte angemessen und großzügig im ehemaligen St. Gallusstift untergebracht werden, wozu natürlich umfangreiche und zugleich behutsame Umbauarbeiten in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäudekomplex notwendig waren.

Im folgenden Beitrag stellt Helmut Frühauf die Probleme bei der Unterbringung der erst 1987 errichteten Rheinischen Landesbibliothek dar. Ihr Domizilfand die Bibliothek 1989 bis 1999 in einem bis dahin vom Bundesarchiv genutzten Gebäude. Zunehmende Raumnot zwang dann zu einem Umzug in ein Gebäude am Bahnhofsplatz, das außer der günstigen Lage ein besseres Flächenangebot aufweist. Egbert Koolman schließlich befasst sich mit der Landesbibliothek Oldenburg. Diese hat sich aus ihren Anfängen im späten 18. Jahrhundert zu einer großen Bibliothek entwickelt. Ihr jetziger Standort in einer ehemaligen Artilleriekaserne am Pferdemarkt liegt günstig zum geisteswissenschaftlichen Bereich der Universität, zur Fachhochschule sowie zu den Gymnasien und dem Staatsarchiv. Das Kasernengelände bietet darüber hinaus Platz für in absehbarer Zeit erforderliche Magazin-Erweiterungsbauten.

Die dritte Gruppe behandelt Um- und Erweiterungsbauten. Martin Thielke schildert den 1995 eröffneten Erweiterungsbau der Landschaftsbibliothek in Aurich. Der Autor äußert sich kritisch über die mangelnde akustische Abschirmung des Thekenbereiches gegenüber dem Lesesaal sowie über die Probleme der "modernen Glasarchitektur" in Bezug auf den Sonnenschutz; originell ist der Schutz der als Schaubibliothek aufgestellten Altbestände: Die Regalfronten werden durch Hartschaumplatten geschützt, auf die 1:1-Großphotos der Regale aufgezogen sind! Der nächste Beitrag von Willi Treichler beschreibt die umfangreichen Umbau- und Reorganisationsarbeiten an der Schweizerischen Landesbibliothek (der Funktion nach Schweizerische Nationalbibliothek) in Bern, die mit viel Rücksicht auf das 1930 errichtete und unter Denkmalschutz stehende Gebäude durchgeführt werden mussten. Karl-Heinz Kratz-Lukas gibt in seinem Bericht über die Hessische Landes- und Hochschulbibliothek in Darmstadt einen Überblick über die Erweiterung der Bibliothek in den Ostflügel des Darmstädter Schlosses. Das Barockschloss war nach den Kriegszerstörungen, die nur die Außenmauern übriggelassen hatten, seit 1952 wieder aufgebaut und danach bis 1993 von der Landesbibliothek und dem Landesarchiv genutzt worden. Der 1993 erfolgte Auszug des Archivs ermöglichte die dringend gewordene Erweiterung der Bibliothek in dem denkmalgeschützten Gebäude. Dem Bericht ist eine tabellarische Zusammenstellung von statistischen Daten angefügt. Als letzter Bericht in der Gruppe Um- und Erweiterungsbauten widmet sich Detlev Hellfaier der Modernisierung der in einem denkmalgeschützten großbürgerlichen Palais seit 1886 untergebrachten Lippischen Landesbibliothek in Detmold. Es zeigt sich auch hier, wie schwierig es ist, eine offenbar recht interessante bauliche Situation rein verbal zu beschreiben.

In der letzten Gruppe werden vier Bau- und Nutzungsplanungen vorgestellt. Claudia Lux schildert in ihrem Beitrag über die Berliner Zentral- und Landesbibliothek die Vision von der Zusammenführung der beiden Teilstandorte Breite Straße und Amerika-Gedenkbibliothek in einem gemeinsamen Gebäude auf dem Schlossplatz. Diese gewiss attraktive Vorstellung wurde auch von der so genannten "Internationalen Kommission für die Historische Mitte Berlins" übernommen, bei deren Konzeption allerdings die Rekonstruktion der Schlossfassade und der Abriss des erst einmal ausgebeinten Palastes der Republik an erster Stelle steht; der Rezensent hat etwas Mühe, sich an dieser Stelle nicht in die mit viel Polemik (aber ohne Kaiser!) ausgetragene Debatte einzumischen. Die Zentral- und Landesbibliothek Berlin auf dem Schlossplatz, vielleicht unter Einbeziehung des Baukörpers des Palastes der Republik (und ohne rekonstruierte Schlossfassade), anzusiedeln, erscheint jedenfalls als sehr reale Zielvorstellung. Es folgt ein Bericht von Thomas Elsmann und Annette Rath-Beckmann über ein neues Nutzungskonzept für die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen. Die Bibliothek war Mitte der siebziger Jahre gemäß der damals bevorzugten "Philosophie" der ungeteilten, die ganzen Geschossflächen umfassenden Großräume geplant und gebaut worden; es hatten sich jedoch schon bald nach Bezug des neuen Gebäudes Schwierigkeiten in Bezug auf Belüftung und Akustik gezeigt, die zu einer Unterteilung der Räume durch Trennwände führte - die dann aber auch nicht funktionierte; die Lüftung und die Beleuchtung der Räume waren problematisch und der Energieverbrauch erwies sich auch nach dieser Maßnahme als viel zu hoch. Hand und Fuß hat der mit den auf der CD wiedergegebenen Grundrissen versehene Beitrag von Joseph F. Desput zur Planung der Steiermärkischen Landesbibliothek in Graz. Ähnlich gut durch aussagefähige graphische Darstellungen hätte man sich auch die anderen Berichte des Bandes gewünscht. Die Planung der Landesbibliothek Mecklenburg-Vorpommern erläutert Rolf-Jürgen Wegener in seinem Beitrag. Es ist die Rede von völlig unzureichenden Unterbringungsbedingungen der Bestände während der DDR-Zeit und bis zur Mitte der 90er Jahre auch an verschiedenen Standorten. Das mit einem Grundrissplan vorgestellte und erläuterte Neu- bzw. Erweiterungsbauprojekt wird mit seiner Realisierung der Bibliothek sicherlich gute Zukunftsaussichten eröffnen.

Erstaunlicherweise wird in keinem der Berichte etwas zu den besonderen Anforderungen an die Kapazität der Landesbibliotheken als Pflichtexemplarstellen gesagt, obwohl dies doch, im Unterschied zu vielen anderen Bibliotheken, ein nicht unerhebliches Problem darstellt. Die Berichte sind auf jeden Fall für alle diejenigen lesenswert, die eine Bibliothek - nicht nur eine Landesbibliothek! - neu- oder umzubauen, beziehungsweise zu reorganisieren haben.

Ergänzend sei hier an einige weitere Dokumentationen erinnert:


Anschrift des Rezensenten

Architekt Robert Klaus Jopp
Fürstenstraße 6
D-14163 Berlin
E-Mail: jopp.berlin@freenet.de