Literatur- und Patentinformationssysteme

Knowledge Communities in der Medikalproduktbranche
am Beispiel der Ethicon GmbH


1. Ausgangssituation und Ziele
2. Konzeption und Umsetzung
3. Grundlegende Funktionen
4. Ausblick

von Dr. Brigitte Hellhammer und Petra Hauschke

Der Aufbau und die stetige Verbesserung von Wissensnetzwerken ist für die heutigen Unternehmen von strategischer Bedeutung. Die Aufgabe, Wissen und Informationen, gezielt zu kommunizieren, ist eine wesentliche Grundlage für den Unternehmenserfolg in einer zunehmend globalisierten Wirtschaftswelt. Der Erfolg im internationalen Wettbewerb wird auch in hohem Maße davon abhängen, wie intensiv das vorhandene Wissen im Unternehmen transparent gemacht werden kann. Wissensnetzwerke oder Knowledge Communities bilden eine Basis, relevantes Wissen zu generieren, miteinander zu teilen und zu nutzen. Am Beispiel der Ethicon GmbH in Hamburg, einer Tochter des Pharmakonzerns Johnson & Johnson, soll nachfolgend aufgezeigt werden, wie durch den Aufbau eines Wissensnetzwerkes basierend auf einer STAR-Datenbank der weltweite Wissensaustausch forciert wird. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der Schaffung eines Informationsportals mit attraktivem Angebot für die Anwender und der Möglichkeit der Anbindung von gescannten oder zur Verfügung gestellten Volltexten und Bildern an die bereits erfassten Patentinformationen und sonstiger Literatur. Dabei sollten alle innerhalb der Firmengruppe berechtigten Mitarbeiter und Kooperationspartner via Intranet auf die relevanten Daten zugreifen können.

Die Ethicon GmbH setzt seit 1991 die STAR-Datenbank-Software der Cuadra Associates, Inc. (Los Angeles, USA) ein, die durch die GLOMAS Deutschland GmbH, München, vertrieben wird.

Cuadra STAR ist ein flexibles, vollintegriertes Mehrbenutzer-Textinformations-Management und -Retrieval-System, das Cuadras Suchmaschine verwendet. Es erlaubt Organisationen, schlüsselfertige Lösungen zu verwenden oder eigene Anwendungen zu definieren und jederzeit zu ändern, ohne die Hilfe von Programmierern in Anspruch nehmen zu müssen.

MIRA CR ist ein Software Modul der Firma RWS Wissenmanagement GmbH, Balingen. Das Design der Software ermöglicht es dem Benutzer, typische Firmendokumente in elektronischer und Papierform über verschiedene Schnittstellen an ein EDMS oder Wissensmanagementsystem anzubinden.

1. Ausgangssituation und Ziele

- Beschleunigung des Zugriffs zu wichtigen Informationen durch Datenbankeinsatz via Webtechnologie

- Optimale Recherchemöglichkeiten

- Systemgesteuerte Organisation der Informationen

- optimaler Zugriff von Mitarbeitern auf ihre Informationen (im Volltext)

- Zentralisierung der Datenarchivierung

- Erweiterung des Informationsangebots für firmenrelevante Daten

- Den gestiegenen Anforderungen der Informations-/Kommunikationsgesellschaft gerecht zu werden

- Die Anpassung der Informationsstrategie an die technischen Neuerungen.

Kurz gesagt, alle relevanten Information, die Ethicon betreffen transparent zu machen und durch laufende Aktualisierung qualitativ und auch quantitativ deutlich zu verbessern, war eine der wesentlichen Anforderungen an das Projekt Knowledge Community. Die Abteilung "Wissenschaftliche Information und Dokumentation" innerhalb des Bereichs "Forschung und Entwicklung Europa" der Ethicon GmbH sammelt sämtliche Literatur und Artikel über ihre Produkte und Forschungsbereiche, aber auch Patentinformationen, die die Firma Ethicon und den Wettbewerb betreffen. Vor der Einführung dieser Knowledge Community waren die Dokumente im zentralen Papierarchiv in Regalen und Ordnern abgelegt und die dazugehörigen bibliografischen Meta-Daten in einer STAR-Datenbank gespeichert. Zwei Dinge sollten mit dem Aufbau eines Wissensnetzwerkes erreicht werden: in erster Linie strebte man an, den länderübergreifenden Wissensaustausch mit allen beteiligten Partnern voranzubringen und über den gesamt Lebenszyklus hinweg effizient zu organisieren und zu verwalten und somit sicher zu stellen, dass internes Know How auch allen zur Verfügung steht. Weiterhin galt es, die wissenschaftliche Betreuung der verschiedenen Ansprechpartner über ein Unternehmensportal via Intranet zu optimieren. Schnell und komfortabel sollten die Anwender künftig Zugang zu den benötigten Daten und Dokumenten bekommen und dadurch die benötigten Informationen auf den Punkt genau erhalten, was darüber hinaus eine Erhöhung der Attraktivität der Abteilung als Serviceanbieter zur Folge hat. Anfragen, auch von externer Seite, sollten dann im Idealfall umgehend und fundiert beantwortet werden. Eine benutzerfreundliche Aufmachung und die Attraktivität des Angebots für den Anwender sollten ebenso gewährleistet sein wie eine problemlose Anbindung von neuen gescannten oder zur Verfügung gestellten Volltexten und Bildern zu den bereits in der STAR-Datenbank erfassten Informationen. Last but not least war es ebenso eine wesentliche Zielsetzung, die Mitarbeiter der Abteilung "Wissenschaftliche Information und Dokumentation" zu entlasten.

Ein systematisches, bereichs- und länderübergreifendes Wissensmanagement war bis dato so nicht vorhanden. Bisher wurden Daten und Dokumente, die in das vorhandene STAR-Datenbank-System einzustellen waren, von Hand verschlagwortet und den entsprechenden Kategorien und Rubriken zugeordnet. Dies war kosten- und zeitintensiv und verhinderte auch die notwendige Transparenz im Hinblick auf vorhandene Erfahrungen und Kompetenzen. Die Schaffung entsprechender Metadaten, wie Schlagworte, Synonyme, Zusammenfassung sowie Ratings, die Content erst zu echtem Mehrwert verhelfen, sollten auf der Basis des vorhandenen STAR-Datenbank-Systems automatisiert werden. Ferner sollte die Kommunikation untereinander in einer mehrgleisigen Infrastruktur gewährleistet sein, die allen Beteiligten den Zugriff über das Intranet ermöglicht.

2. Konzeption und Umsetzung

Mit Mira Suite aus dem Hause RWS wurde die optimale Ergänzung zu den bestehenden STAR-Anwendungen gefunden. Die Anbindung der in STAR gepflegten Datenbanken an das Intranet via neu erstelltem STAR-Webinterface war mit dieser Lösung ebenso möglich, wie das Aufrufen von Volltexten durch den Benutzer. Ferner bietet MIRA Suite mit dem Modul "MIRA CR" die Möglichkeit, bereits existierende digitale Daten aus der STAR-Datenbank mit analogen Daten aus dem Archiv per CR zu verbinden. Das Modul Mira-Index übernimmt danach den Indizierungsprozess der Daten. Basierend auf den vorgegebenen Parametern werden die Ergebnisse mit Volltext, kontrollierten Stichwörtern und den am häufigsten vorkommenden Begriffen als XML-Datei abgelegt und über bestehende Schnittstellen in die STAR-Datenbank geladen und das Originaldokument mit allen Metadaten und Dokumentenverknüpfungen bereitgestellt. Die in der STAR-Datenbank gepflegten Thesaurusinformationen dienen als Basis für das System, um den zu erkennenden Text automatisch mit den Thesaurusbegriffen basierend auf der heuristischen Methode abzugleichen und die berechneten Begriffe als Deskriptoren zu erkennen.

Die Kombination der Vorteile des vorhandenen STAR-Datenbank-Systems mit der Flexibilität der MIRA Suite ermöglichte auch eine leichte Implementierung und Modifizierung der Software bei vollständiger Berücksichtigung des Corporate Designs.

3. Grundlegende Funktionen

Die grundlegenden Funktionen dieser Wissensmanagement-Lösung und die Anbindung von lokal gespeicherten Dateien mit Volltext und automatischer Indexierung gestalten sich wie folgt.

- Über die Standardanzeige der Webapplikation ist es dem berechtigten Benutzer möglich, Dateien an einen bestehenden Datensatz des Informationssystems anzubinden. Hat der Benutzer sich angemeldet, bekommt er einen Link angezeigt.

- Durch den Aufruf des Links werden die Daten des Records in einem Erfassungsformular angezeigt. In einer Eingabebox hat der Benutzer die Möglichkeit über einen "Durchsuchen"-Button seine lokalen Dateien zu durchsuchen, die gewünschte Datei auszuwählen und in das Eingabefeld einzufügen.

- Wird die Eingabe bestätigt, wird das lokale File in das definierte Volume kopiert und der Link in den Record der STAR Datenbank eingetragen.

- Zusätzlich wird ein Texterkennungsprozess ausgelöst. Das OCR Programm extrahiert aus der anzubindenden Datei den Volltext wenn es sich um TIF, PDF oder Microsoft Office Dokumente handelt.

- Der Volltext wird, basierend auf einer vorgegebenen Stichwortliste oder eines hierarchischen Thesaurus, anschließend automatisch indexiert.

- Zusätzlich werden nach Ausschluss einer Stopwortliste die am häufigsten verwandten Begriffe berechnet (frequent words)

- Der Volltext, die Stichworte, frequent words werden zusammen mit dem Link in den betreffenden Datensatz geladen.

- Elektronische Dokumente, die an die einzelnen Datensätze angehängt werden sollen, lassen sich leicht via E-Mail oder Online-Formular in die Datenbank einbinden. Die Information, welches Dokument zu welchem Datensatz gehört, generiert das System automatisch aus den E-Mails bzw. Online-Formularen.

- Das System extrahiert den Volltext der Daten und Dokumente und führt eine automatische Indexierung auf Basis eines definierten Thesaurus durch.

- Dem Anwender eröffnet sich damit ein umfangreiches Rechercheangebot, um strukturiert nach relevanten Informationen im gesamten Wissensnetzwerk zu suchen. Gefundene Informationen können über verschiedene Anzeigeformate dargestellt werden. Selektionsmechanismen ermöglichen es, die Informationen bedarfsgerecht zu filtern und aufzubereiten. Zur Weiterverarbeitung der Informationen besteht die Möglichkeit, die Daten an die Textverarbeitung der lokalen Arbeitsstation zu senden.

- Autorisierte Benutzer können angebundene elektronische Dokumente und Ratinginformationen über einen Link aufrufen, wobei die Aufrufe der einzelnen Dokumente protokolliert werden. Möchte der Benutzer das Dokument für nicht wissenschaftliche Zwecke verwenden oder an Dritte weitergeben, kann er es über einen Bestellworkflow im Namen des Empfängers anfordern und die Weitergabe dokumentieren.

4. Ausblick

Mit dem neu eingeführten Wissensnetzwerk steht relevantes Wissen via Internet-Technologie allen Mitarbeitern weltweit an jedem Ort jederzeit zur Verfügung. In der Praxis hat sich die Lösung schnell bewährt und trägt zu einem erheblich schnelleren und effizienteren Informations- und Wissenstransfer bei. Alle Mitarbeiter greifen auf einen einheitlichen zentralen Wissenspool zu. Ein aufwändiger Abgleich doppelt gehaltener Daten, etwa zwischen einzelnen Standorten, entfällt damit. Die angestrebte Entlastung der Mitarbeiter im Bereich "Fachinformation" trägt erste Früchte. Durch die zunehmende digitale Archivierung konnten die Kosten für Archivierung und auch der Platzbedarf zu Gunsten produktiver Tätigkeiten gesenkt werden.


Zu den Autorinnen

Dr. Brigitte Hellhammer ist Ärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der "Forschung und Entwicklung Europa", Direktor Dr. Dieter Engel, der Ethicon GmbH. Zu ihrem Verantwortungsbereich gehört die Leitung der Abteilung "Wissenschaftliche Information und Dokumentation".

E-Mail: dhellham@ethde.jnj.com

Petra Hauschke ist Geschäftsführerin der RWS Wissensmanagementgesellschaft mbH in Balingen und als langjähriger Consultant im Auftrag der Firma GLOMAS Deutschland GmbH tätig. Zuvor war sie viele Jahre im Bereich Fachinformation und Wissensmanagement im In- und Ausland tätig.

RWS Wissensmanagementgesellschaft mbH
Balinger Str. 36
D - 72336 Balingen
Tel.: 0 74 33/9 82-126
Fax: 0 74 33/9 82-129
E-Mail: info@wissensbank.com
www.wissensbank.com