Ein trilateraler Weltbund für die Fachinformation
STN International feiert 20-jähriges Bestehen

von Vera Münch

"Das Geschäft mit Fachinformation hat durch den Fortschritt der Technologie einen unbeschreiblichen Paradigmenwechsel erlebt. Information und Wissen, und die Verknüpfung dieser beiden Bereiche in leistungsstarken Informations- und Kommunikationssystemen, sind zu Schlüsselfaktoren einer gedeihenden Wirtschaft geworden: zur Quelle wissenschaftlicher Leistungen, von Produktentwicklungen und Patentzulassungen". So fasst Sabine Brünger-Weilandt, Geschäftsführerin des Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe 20 Jahre Fachinformation zusammen. Genau so lange besteht der wissenschaftlich-technische Informationsverbund STN International.

Vor 23 Jahren, auf der anderen Seite des großen Teiches, saßen Strategen der amerikanischen Chemie-Fachgesellschaft American Chemical Society (ACS) und grübelten, wie sie für die Forscherinnen und Forscher in ihrem Land die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aus aller Welt online verfügbar machen und gleichzeitig ihr eigenes Angebot näher an die Märkte im Ausland bringen könnten.

Just zur selben Zeit wurde im tiefen Süden Deutschlands, namentlich im Wald von Eggenstein-Leopoldshafen, ein vergleichbares Problem gewälzt. Dort, im wenige Jahre zuvor durch die Zusammenlegung der Dokumentationsstellen für Atomenergie, Luft- und Raumfahrt, Weltraumforschung, Physik und Mathematik entstandenen FIZ Karlsruhe, berieten eine Handvoll Vordenker der elektronischen Informationsversorgung die Frage, wie man Fachinformation globalisieren könnte.

Das Informationsdepartment von ACS, der Chemical Abstract Service (CAS), und das FIZ Karlsruhe produzierten schon damals Datenbanken, in denen wissenschaftliche Fachliteratur und Faktendaten nach Fachgebiet sortiert dokumentiert und sauber strukturiert abgelegt wurden. Beide, CAS und das FIZ, betrieben auch schon Rechenzentren mit Online-Hosts. Das Fachwissen wurde den Kunden als Informationsdienst zum Zugriff per Modem über Stand- oder Wahlleitung angeboten. BT-Tymnet, X.25, Datex-P, BTX, BT-J und wie sie im Laufe der Zeit alle hießen... Das Online-Informationssystem aus Karlsruhe, über das neben den beteiligten Fachgesellschaften auch das Schwesterinstitut FIZ CHEMIE Berlin seine Datenbanken offerierte, trug den Namen "Information System Karlsruhe" ­ kurz INKA. Der Online-Service von CAS hieß CAS ONLINE.

Das war Anfang der 80er Jahre. Erinnern Sie sich noch daran?

"Seither hat sich viel verändert", sagt Sabine Brünger-Weilandt. Sie wirkte in den 80ern selbst am Aufbau von datenbankgestützten Informations- und Dokumentationssysteme mit; zu jener Zeit allerdings noch im Bereich der wirtschaftlichen Fachinformation bei der Deutschen Bank und später bei Genios, dem Host der Verlagsgruppe Handelsblatt. "Damals hat noch keiner geahnt, wie das Internet die Fachinformation revolutionieren würde. Einfach,wie es zu benutzen ist, hat es sich zu einer wertvollen Informationsquelle entwickelt".

Deutsch-amerikanische Annäherung

Anfang der 80er war vom Internet noch keine Rede, geschweige denn vom World Wide Web für Jedermann. Da flitzen die Daten über proprietäre Leitungen zwischen Amerika, Europa und dem Rest der Welt. CAS ONLINE wie auch INKA präsentierten sich als eigenständige Dienste durchaus vielversprechend. Dennoch setzten sich Amerikaner und Deutsche an einen Tisch, um über einen möglichen gemeinsamen Service zu verhandeln. Triebfeder war der Wunsch, alle wichtigen Informationen für die Forschung der jeweiligen Länder über eine zentrale Anlaufstelle unter einheitlicher Such- und Abfragesoftware verfügbar zu machen. Und man wollte, wie gesagt, sowohl in Amerika, als auch in Europa näher am Kunden sein. Die Verhandlungspartner sahen überdies die Chance, Doppelentwicklung zu vermeiden. Zu jener Zeit nämlich arbeiteten weltweit viele in der Informationsbranche tätige Organisationen, Datenbankproduzenten und Fachgesellschaften an Datenbasen zu vielen verschiedenen Fachgebieten; manche aber auch zum selben Thema. Ein kooperatives Netzwerk, so der Gedanke, könnte diese Datenbanken aus sich gegenseitig ergänzenden Fachgebieten als neutrale Drehscheibe zusammenführen, und einer vom anderen profitieren. Die Argumente überzeugten. 1983 unterzeichneten die ACS und das FIZ Karlsruhe eine Vereinbarung zum Aufbau eines gemeinsamen, "weltweiten Online-Informationsnetzes mit einem breitgefächerten Spektrum an wissenschaftlichen und technischen Informationen". The Scientific and Technical Information Network ­ STN International ­ war geboren. Ein knappes Jahr später, 1984, lernte das Kind laufen. Online. Im Netz.

Datenbanken auf drei Kontinenten

"Vor zwanzig Jahren war es wahrlich ein ambitioniertes Vorhaben, ein internationales Netzwerk zu starten, das Datenbanken mit großer thematischen Spannbreite bereitstellt, die auf drei verschiedenen Kontinenten ­ in Amerika, in Europa und in Asien ­ vorgehalten werden", so Sabine Brünger-Weilandt. STN sei dennoch von Anfang an ein Erfolg gewesen, weil "die Partnerschaft auf gegenseitigem Vertrauen und einer ausgeprägten Selbstverpflichtung zu einer gemeinsamen Strategie" beruhe.

Mit der Einführung von STN International hatten die CAS-Kunden in Europa eine Anlaufstelle in Karlsruhe, die ihnen Unterstützung und Service bot und zudem eine Palette spannender weiterer Datenbanken aus aller Welt bereithielt. Die Forscherinnen und Forscher in Übersee konnten nun direkter auf die aktuellsten Erkenntnisse der Wissenschaft und Forschung in Europa zugreifen, die Europäer auf Wissen, das in den Vereinigten Staaten erarbeitet wurde.Doch das war den Erfindern von STN International noch nicht genug.

Der Dritte im Bunde

Sie erkannten, dass ein weltumspannendes Netzwerk für wissenschaftlich-technische Fachinformation nicht komplett sein würde ohne einen Partner in Asien. Man fand ihn in JICST, dem Japan Information Center for Science and Technology. JICST, heute eine Abteilung der Japan Science and Technology Agency (JST), hatte zuvor schon erfolgreich den Japan Online Information Service, JOIS, betrieben, war also wie die beiden anderen Partner bereits erfahren in Online-Informationsbereitstellung. Im Juni 1986 wurde das Abkommen über den Betrieb eines STN Service Centers in Tokio unterzeichnet.

Seither ist STN International enorm gewachsen. Das Netzwerk hat sich wie geplant zu einer neutralen Plattform entwickelt, auf der Dutzende verschiedener Informationshändler mehr als 200 Online-Datenbanken mit Inhalten zu vielen Fachgebieten der Wissenschaft und zur Technik mit ergänzender Wirtschaftsinformation sowie zum internationalen Patentwesen anbieten. Waren zunächst nur Literaturhinweise mit bibliografischen Daten und kurzen Beschreibungen des Inhalts (Abstracts) oder direkte Faktendaten geladen,so wurden mit dem Forschritt der Technologie immer umfassendere Informationsquellen bereitgestellt. Heute deckt STN International die gesamte Informationskette vom Literaturzitat bis zur Volltextlieferung ab. Die vollständigen Dokumente sind entweder in einer Volltextdatenbank direkt bereitgestellt, oder sie können über die STN Full Text Solution per Mausklick aus den Rechercheergebnissen heraus bestellt werden. Die Volltexte werden, je nach Verfügbarkeit und Kundenwunsch, online, per Fax oder per Post geliefert. "Seamless access" ­ der nahtlose Online-Zugang zum Wissen steht heute in Großbuchstaben über der elektronischen Informationsversorgung.

Zugang passend für Jeden

Bei den Vertriebskanälen und den Zugangsoberflächen hat sich vor allem in den letzten paar Jahren sehr viel getan. Das Internet verlangte mit seinem unaufhaltsamen Eindringen in alle Bereiche der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens nach immer neuen Entwicklungen, stellte aber auch gleichzeitig die Technologie zur Lösung der Aufgaben bereit. Heute nutzt STN International für den Verkauf seiner Informationsdienstleistungen alle verfügbaren elektronischen Vertriebswege und hat Such- und Abfrageoberflächen für alle Nutzergruppen parat. STN Express with Discover! und STN on the Web sind Oberflächen für Profis, STN Easy und STN Easy for Intranets decken den Bedarf von gelegentlichen Nutzern und sogenannten "managed Endusern" ab. Darunter versteht man Anwender, die über Firmenintranets oder den Universitätscampus auf Online-Datenbanken zugreifen. Dabei werden Datenbankauswahl, Bereitstellung und Lizenzierung von einem Informationsprofi organisiert.

Den Kunden zuhören

Die gemeinsame Zielsetzung der STN Partner ist trotz Internet und Informationsflut ­ oder gerade deswegen ­ heute noch genau so gültig wie vor 20 Jahren; vielleicht sogar noch wichtiger. Davon sind alle drei Betreiber des Informationsverbunds fest überzeugt. "Der Bedarf an Information, den Wissenschaft und Wirtschaft haben, ist oft weit komplexer, als man das mit dem Internet lösen kann", begründet Sabine Brünger-Weilandt. Information müsse für Forscherinnen, Forscher und Entwickler zur richtigen Zeit und am richtigen Ort verfügbar sein, die Herkunft und Qualität der Inhalte überprüft und nachvollziehbar sein. Ein qualifiziertes Serviceteam gehöre genau so selbstverständlich zu einer qualitätsorientierten Informationsversorgung wie gute, aufgabenangepasste Abfragesysteme und Anwendungssoftware.

Woher STN das so genau weiß? ­ Von den Kundenselbst, sagen die Betreiber. STN International pflegt seit seiner Gründung eine enge Zusammenarbeit mit den Informationsprofis, die seine Systeme benutzen. "Listen to the customers" ­ wird als eine der wichtigsten Voraussetzungen für erfolgreiche Informationsdienstleistungen betrachtet. Man hört den Kunden zu. Und das soll auch in den nächsten 20 Jahren so gehalten werden, sagen die Verantwortlichen.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin mit Schwerpunkt Wissenschaft und Forschung

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