Nachruf für Dr. phil. Irmgard Lankenau
  * 16.07.1952 in Marburg -  † 07.03.2004 in Karlsruhe

Direktorin der Universitätsbibliothek der Universität Koblenz-Landau

Viel zu früh hat eine liebenswerte Kollegin die bibliothekarische Szene verlassen. Viel zu früh musste Dr. Irmgard Lankenau als Direktorin der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau ihre Aufbauarbeit aus der Hand legen. Viel zu früh muss nun das Redaktionsteam dieser Zeitschrift B.I.T.online der kompetenten Mitarbeit dieser stets hilfsbereiten Frau entbehren. Karlsruhe war ihr Lebensmittelpunkt, hier begann und schloss sich ihr Lebenskreis nach langer schwerer Krankheit, wohl geahnt, aber dann doch so plötzlich und viel zu früh im Alter von nur 52 Jahren. Groß war die Trauergemeinde von Verwandten, Freunden und Kollegen, die sich zu ihrem Gedenken am 18. März in der evangelischen Kirche im Karlsruher Stadtteil Neureut-Süd eingefunden hatte, um von ihr Abschied zu nehmen.

Karlsruhe war gleichsam ihre Heimat geworden, wenn auch in Marburg geboren, so ging doch von ihrer Wahlheimat Karlsruhe ihre Weit-, ja Weltläufigkeit aus durch ihre Tätigkeit in nationalen und internationalen Gremien, durch ihre Mitwirkung an in- und ausländischen Kongressen und durch ihre beruflichen Tätigkeiten im süddeutschen Raum.

Ihre Ausbildung begann Irmgard Lankenau natürlich in Karlsruhe, hier ging sie zur Schule, bestand am Bismarck-Gymnasium 1971 das Abitur und begann im gleichen Jahr an der hiesigen Universität das Studium in den Fächern Neuere und Neueste Geschichte, Kunstgeschichte, Baugeschichte und Deutsche Literatur des Mittelalters. Im Jahr 1977 bestand sie das Examen zum Magister Artium in diesen Fächern. Danach war sie über ein Jahr als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität tätig und von 1978 bis 1983 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte. Diese Tätigkeit schloss sie mit der Promotion zum Dr. phil. ab mit einem grenznahen Thema: Die Elsaß-Lothringer im Reich 1918-1933.

Unmittelbar danach fand sie zu ihrer eigentlichen beruflichen Aufgabe im Informations- und Bibliothekswesen. Zunächst war sie als Dokumentationsassistentin im Fachinformationszentrum in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe tätig und begann noch im gleichen Jahre als Bibliotheksreferendarin an der Badischen Landesbibliothek ihre Ausbildung zur wissenschaftlichen Bibliothekarin. Diese beendete sie 1985 mit der Fachprüfung an der Bibliotheksschule in Frankfurt am Main.

Mit dieser bibliothekswissenschaftlichen Ausbildung ging sie wieder zurück an das Fachinformationszentrum Karlsruhe, wo sie dann zehn Jahre lang bis 1995 als Assistentin der Geschäftsführung tätig war und den Arbeitsbereich "Nationale und Internationale Zusammenarbeit" leitete. Für diese Aufgabe waren ihre exzellenten Sprachkenntnisse, ihre fachliche Kompetenz und das persönliche Geschick sowie ihre Diplomatie im Umgang mit Geschäftspartnern aus nahezu der ganzen Welt äußerst hilfreich und von großer Bedeutung für das FIZ Karlsruhe. So hat sie viele Kontakte aufgebaut und gepflegt.

Ihre besondere Aufmerksamkeit galt der partnerschaftlichen Zusammenarbeit des FIZ Karlsruhe mit dem Chemical Abstract Service (CAS) und der Japan Science and Technology Agency (JST) für STN International, dem weltweit führenden Online-Dienst für wissenschaftlich-technische Fachinformation. So hatte sie folgerichtig auch die Verantwortung für die Organisation der Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bestehen von STN International inne.

Sie vertrat das FIZ Karlsruhe auf nationalen und internationalen Kongressen, besonders auch im bibliothekarischen Bereich. Ihre schon frühe Mitarbeit in internationalen Gremien und Ausschüssen war beachtenswert und von großem Interesse für das FIZ, wodurch weitere wertvolle Verbindungen entstanden. Und als Assessorin für den höheren Bibliotheksdienst konnte sie ihre Kompetenz auch als Ausbildungsleiterin einsetzen.

Organisations- und Strukturwechsel im FIZ ließen Frau Lankenau 1995 nach einer neuen Aufgabe Ausschau halten. Diese fand sie im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main, wo vieles neu geordnet werden musste. Denn nach der Wiedervereinigung Deutschlands war die Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR als Trägereinrichtung einer der bedeutendsten pädagogischen Bibliotheken Europas und eines Informationszentrums für die pädagogische Information der DDR weggefallen. In diese Zeit, da sie nun als Leiterin des Servicebereichs berufen wurde, fiel die Evaluierung des Instituts durch den Wissenschaftsrat, die eine tiefgreifende Neuorientierung des DIPF nach sich zog. Frau Dr. Lankenau hat an der Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats und der darauf beruhenden Beschlussfassung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung entscheidenden Anteil gehabt. Sie hat durch ihre gewinnende Art und fachliche Kompetenz wesentlich dazu beigetragen, dass die Bibliothek und Informationseinrichtung in Berlin erhalten geblieben sind und dass sich das DIPF insgesamt zu einem Informations- und Kommunikationszentrum trotz der unterschiedlichen Standorte weiterentwickelt hat, in dem die verschiedenen Informationsdienstleistungen, wie das Fachinformationszentrum Bildung (FIS) und die IuD, zu einer Einheit verschmolzen wurden. Darüber hinaus gelang es ihr, die Aktivitäten der beiden Bibliotheken des DIPF - die Frankfurter Forschungsbibliothek und die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin - enger aufeinander abzustimmen. Auf diese Weise hat Frau Dr. Lankenau das heutige Profil des Instituts stark mitgeprägt. Ihre Verdienste um das DIPF bleiben daher unvergessen.

Ihre Erfahrungen, eine auf mehrere Standorte verteilte Institution zu koordinieren, ließ sie Mitte 1998 geeignet erscheinen, als erste Frau an die Spitze einer Hochschulbibliothek des Landes Rheinland-Pfalz berufen zu werden. An der Universität Koblenz-Landau fand sie eine zentrale Einrichtung vor, die auch durch ihre Verteilung auf drei Standorte großen strukturellen Veränderungen unterworfen war: die Planungen für neue Bibliotheksgebäude in Koblenz und Landau begannen, unterschiedliche Bibliothekssysteme mussten zu einer standortübergreifenden EDV-Versorgung zusammengefasst werden, und im Sinne der Einheitlichkeit der Systeme war ein fast für unmöglich gehaltener Verbundwechsel vom Südwestdeutschen Bibliotheksverbund zum nordrhein-westfälischen erforderlich. Von praktischer Vernunft geleitet und der ihr eigenen Willensstärke und Überzeugungskraft meisterte sie die großen Herausforderungen, auch gegenüber der Hochschulleitung am dritten Standort in Mainz.

Ein weiteres wichtiges Anliegen war ihr die Ausrichtung der traditionellen Informationsmittel hin zur verstärkten Nutzung elektronischer Ressourcen und damit zu einem effektiven und effizienten Umgang mit den neuen Medien in sog. Learning Centers, und das nicht nur innerhalb der Universität, sondern auch auf Bundesebene.

Schon von Anbeginn ihrer beruflichen Laufbahn schaute Irmgard Lankenau immer über ihren eigenen Aufgabenbereich hinaus, gab ihre Erfahrungen und ihren Rat weiter in vielseitiger Gremienarbeit und auf vielen Ebenen:

Im Lande war sie

  • im Vorstand des Landesverbandes Rheinland-Pfalz des Deutschen Bibliotheksverbandes und
  • im Beirat für das wissenschaftliche Bibliothekswesen im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, Forschung und Kultur tätig und wirkte als
  • Mitglied des Beirates der Zentralstelle für Psychologische Information und Dokumentation Trier.

    Über die Landesgrenzen hinaus war sie in folgenden Gremien:

  • Stiftungsrat des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt am Main
  • Verwaltungsrat des Informationszentrums Sozialwissenschaften Bonn
  • in der Deutschen Initiative für Netzwerkinformation e.V (DINI) war sie in der Arbeitsgruppe "E-Learning und Multimediakompetenz" tätig
  • Korrespondierende Mitarbeiterin der Zeitschrift für Bibliothek, Information und Technologie (B.I.T.online)
  • auch in der Gruppe Information und Kommunikation (IuK) der wissenschaftlichen Fachgesellschaften (9 Fachgesellschaften) wurde ihre Stimme sehr geschätzt.

    International war sie

  • Board Member der International Association of Technological University Libraries (IATUL) mit Mitgliedern in über 40 Ländern
  • im Programme Committee der zweijährigen Konferenzen des Current Research Information System und schließlich
  • Mitglied des British-German Think Tank on Information and Education des British Councils Deutschland.

    Diese umfangreiche Gremienarbeit ließ in ihr die Überzeugung wachsen, dass gemeinsame Ziele nicht im Alleingang zu erreichen sind, sondern nur in Kooperation mit den Entscheidungsträgern und Mitarbeitern. Daher war ihr Führungsstil ausgesprochen mitarbeiterorientiert und kollegial. Dabei war sie konkurrierenden Gedanken durchaus aufgeschlossen und konnte sie übernehmen, wenn sie in das von ihr entwickelte Konzept passten. Irmgard Lankenau verfügte über einen hohen Gerechtigkeitssinn und ein ausgeprägtes Maß an Toleranz, gepaart mit Geduld und Humor - und sie konnte mit ihrer heiteren und charmanten Art auch schwierige Situationen überwinden.

    Ihre reichen Erfahrungen brachte Irmgard Lankenau auch von Anbeginn an als Korrespondierende Mitarbeiterin in diese Zeitschrift B.I.T.online ein. Schon in der Gründungsphase war sie eine hilfreiche Befürworterin dieses neuen Organs. Trotz ihrer starken Belastung durch ihre neue Aufgabe fand sie immer Zeit, Anregungen und Empfehlungen zu geben. Von ihren Reisen brachte sie interessante Reportagen für unsere Leserschaft mit. Wiederholt berichtete sie von der Planung, dem Baufortschritt und dem Einzug in die neuen Bibliotheksgebäude in Koblenz und Landau und von der Philosophie dieser auf mehrere Standorte verteilten Universitätsbibliothek. Ein ganzes Bündel von Ideen und Maßnahmen schwebte ihr vor, die sie zum großen Teil anstoßen, aber längst nicht mehr alle realisieren konnte. So wird auch die Zeitschrift B.I.T.online schmerzlich ihre tatkräftige Mitarbeit vermissen.

    So ist es nicht verwunderlich, dass sich an jenem denkwürdigen 18. März eine so große Trauergemeinde aus allen ihren ehemaligen Dienststellen und Tätigkeitsbereichen zusammen mit ihren Freunden und Verwandten in Karlsruhe zusammengefunden hatte, um ein letztes Mal Abschied zu nehmen von einer strahlenden Frau, wie es auch das in der Kirche aufgestellte Bildnis vermittelte, deren Liebenswürdigkeit alle noch lange in Erinnerung behalten werden, die mit ihr zu tun hatten.

    Joachim Ringleb
    und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
    der Universitätsbibliothek Koblenz-Landau
    Dr. Rolf Fuhlrott
    und Herausgeber und Verlag
    der Zeitschrift B.I.T.online