Innovationsforum 2004 der Kommission Aus- und Fortbildung des Berufsverbandes Information Bibliothek e.V. -
B.I.T. online Innovationspreis

von Heike Brückner

Am 24. März 2004 fand während des 2. Leipziger Kongresses für Information und Bibliothek "Information Macht Bildung" im Congress Center das 8. Innovationsforum statt. Drei Preisträger, Thomas Zachlod, Claudia Latze und Maria Uebel, waren von der Kommission Aus- und Fortbildung des Berufsverbandes Information Bibliothek e.V. aufgrund ihrer innovativen und praxisverbundenen Diplomarbeiten aus einer Vielzahl von Arbeiten für den in diesem Jahr zum sechsten Mal vergebenen B.I.T.online Innovationspreis ausgewählt worden.

In der von Frau Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert moderierten Veranstaltung wurde der von der Zeitschrift B.I.T.online gestiftete Preis in Höhe von 1000 Euro durch Dipl.-Ing. Christoph-Hubert Schütte, Direktor der Universitätsbibliothek Karlsruhe und Mitherausgeber von B.I.T.online, an jeden Preisträger überreicht. Vom Berufsverband Information Bibliothek e.V., vertreten durch Klaus-Peter Boettger, erhielten die Preisträger für ein Jahr eine kostenlose Mitgliedschaft im Verband.

Im Anschluss an die Preisverleihung präsentierten die Ausgezeichneten dem Fachpublikum ihre Arbeiten.

Bibliotheken im Internet

Thomas Zachlod, Absolvent des Studienganges Bibliothekswesen an der Fachhochschule Köln, verfasste 2003 eine Diplomarbeit zum Thema "Auskunft und Informationsdienstleistungen deutscher Bibliotheken im Internet". Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Digital Reference Service, einer elektronischen Auskunft, die ausschließlich über das Medium Internet erbracht wird. Eine allgemeine Einführung in das Thema zeigt, dass in den USA bereits Mitte der 1980er Jahre das Internet für Auskunftsdienstleistungen von Bibliotheken genutzt wurde. Seit Mitte der 1990er Jahre bieten deutsche Bibliotheken organisierte Auskunft mittels E-Mail an, wenig später kam die Auskunft per Web-Formular hinzu und ab 2001 wird auch der Chat dafür genutzt. Zachlod ergänzte die Einführung in das Thema Digital Reference Service durch die Erläuterung notwendiger Begriffe und befasste sich danach mit dem Verbreitungsgrad der einzelnen Varianten von Digital Reference in deutschen Bibliotheken. Mit einer Websiteuntersuchung und einer E-Mail-Umfrage unter 97 Großstadt- und 79 Universitätsbibliotheken wurde der Verbreitungsgrad des Angebotes untersucht und die Internetauftritte der Bibliotheken daraufhin analysiert, ob und in welcher Form Informationen zu Angeboten von Digital Reference vorhanden sind. Mit einem vom Autor erarbeiteten Fragebogen zum Digital Reference wurden die Untersuchungen ergänzt.

Die gründliche Aufbereitung und Bewertung der Websiteanalyse und der Umfrageergebnisse umfasste den Hauptteil der Arbeit. Sie ergab, dass in Deutschland grundsätzlich nur wenige Bibliotheken das Internet für Auskunfts- und Informationsdienstleistungen nutzen und die digitale Auskunft an den Universitätsbibliotheken verbreiteter ist als an den Großstadtbibliotheken. Vor allem in den Öffentlichen Bibliotheken bestehen Defizite. Die wenigsten Bibliotheken werben für ihre Auskunftsdienstleistungen und informieren kaum über ihre Nutzungsbedingungen und Leistungsmöglichkeiten. Das zeigt sich in unübersichtlich gegliederten Websites und fehlenden Verlinkungen zu den Auskunftsdiensten.

Die Bibliotheken, in denen gut ausgebaute Websites vorhanden sind, verfügen bereits über die technischen Möglichkeiten für den Aufbau von digitalen Auskunftsdienstleistungen und sollten dies in Angriff nehmen.

In den Universitätsbibliotheken sind die Websites in der Regel klarer gegliedert und einige Bibliotheken bieten Digital Reference Service an. Jedoch wird der digitale Auskunftsdienst oft nicht als eigenes Konzept umgesetzt, sondern die herkömmlichen Informationsdienstleistungen werden lediglich um digitale ergänzt. Mit vielen Abbildungen werden diese und weitere Untersuchungsergebnisse im Anhang gut visualisiert dargestellt.

Die Umfrage ergab auch, dass viele Bibliothekare über nicht ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet des Digital Refenence Service verfügen und Schulungsbedarf besteht. In der mit umfangreichen Literaturangeben versehenen Diplomarbeit können sich Bibliothekare einen Überblick zum Digital Reference Service in Deutschland verschaffen und Anregungen zum Aufbau oder zur Erweiterung des Dienstleistungskonzeptes im digitalen Bereich holen.

Balanced Scorecard für Hamburger Öffentliche Bücherhallen

Die zweite prämierte Arbeit "Entwicklung einer Balanced Scorecard für die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen" wurde von Claudia Latze als Hausarbeit zur Diplomprüfung im Studiengang Mediendokumentation an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg geschrieben. Sie zeigt in ihrer Arbeit den Wissensstand zum Balanced Scorecard-Konzept als Managementsystem und überträgt dieses auf eine großstädtische Öffentliche Bibliothek.

Im theoretischen Teil der Arbeit werden die Grundlagen des Balanced Scorecard-Konzeptes dargestellt: seine Funktionen als Bindeglied zwischen Strategie und optionalem Handeln, die strategischen Erfolgsfaktoren sowie die Kennzahlen und Messkonzepte werden in einen Zusammenhang gebracht. Dazu werden Kundenperspektive, Interne Prozessperspektive, Wachstums- und Entwicklungsperspektive und Wirtschaftlichkeitsperspektive in Bezug auf ihre Aussagekraft und ihre Steuerungspotentiale analysiert und Anwendbarkeit und Nutzen für den öffentlichen Sektor, insbesondere für Öffentliche Bibliotheken, dargestellt.

Im empirisch-analytischen Teil wird eine Balanced Scorecard für die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen konzipiert. Zunächst wird dazu das Unternehmen Hamburger Öffentliche Bücherhallen vorgestellt und an dessen Leitbild und Leitziel die spezifischen "Kritischen Erfolgsfaktoren" erschlossen. Daraus werden Kennzahlen ermittelt, die auf die Perspektiven bezogen werden. Das notwendige Zahlenmaterial und die Hintergrundinformationen wurden in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen gesammelt.

Folgende Bausteine für ein Balanced Scorecard-Konzept werden betrachtet:

Für die herausgearbeiteten "Kritischen Erfolgsfaktoren" werden dann Kennzahlen entwickelt und die Ursache-Wirkungsbeziehungen dargestellt.

Wenn bisher keine Daten aus den Hamburger Bücherhallen vorlagen, wurden Wege aufgezeigt, um Daten zu erheben. Quantitative Daten wurden durch Zeitmessungen erhoben, qualitative Daten mit Hilfe von Befragungen ermittelt. So fand eine Befragung von 99 Bürgern in Hamburgs Innenstadt zum Image der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen Eingang in die Arbeit.

Anschließend werden mit verschiedenen Messkonzepten Soll-Ist-Vergleiche angestellt, um Lücken in der Arbeit der Bibliothek zu erkennen und die Hamburger Öffentlichen Bücherhallen mit anderen ähnlichen Unternehmen zu vergleichen. So wurden die Jahresöffnungsstunden mit denen anderer Öffentlicher Bibliotheken verglichen, das Verhältnis von Arbeitsstunden zu Öffnungsstunden ermittelt und daraus Schlussfolgerungen gezogen. Als Ergebnis der gesammelten und aufbereiteten Information werden Maßnahmen vorgeschlagen, um ähnliche Leistungen wie vergleichbare Unternehmen zu erreichen. Ein Ausblick auf weitere Entwicklungs- und Anwendungsmöglichkeiten des Balanced Scorecard-Konzeptes in den Hamburger Bücherhallen beschließt die Arbeit.

Der umfangreiche theoretische Teil der Arbeit und die praktische Umsetzung des Balanced Scorecard-Konzeptes am Beispiel einer Öffentlichen Bibliothek zeigen Wege zu nachhaltiger Erfolgssicherung, Risikoerkenntnis und Flexibilitätserhöhung.

Die neue Dresdner Jugendbibliothek medien@age

Im Rahmen einer Exkursion während ihres Studiums lernte Maria Uebel die medien@age kennen und war so beeindruckt von ihr, dass daraus die Diplomarbeit "Die Neue Dresdner Jugendbibliothek medien@age. Konzeption und Erfolgsmessung der zielgruppenspezifischen Bibliotheksarbeit" im Studiengang Bibliothekswesen an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig entstand.

Gegründet wurde die Neue Dresdner Jugendbibliothek medien@age im Rahmen des Projektes "Bibliotheksfilialen: Optimierung von Angebot und Organisation" der Dresdner Städtischen Bibliotheken und der Bertelsmann Stiftung speziell für ein Publikum im Alter von 13-25 Jahren.

Maria Uebel stellt in ihrer Arbeit zuerst die Konzeption der medien@age vor: Entwicklung, Zielgruppe, Funktionen, Ziele, Marketinginstrumente. Im Hauptteil der Arbeit befasst sie sich mit der Erfolgsmessung der zielgruppenspezifischen Bibliotheksarbeit der Jugendbibliothek, da im November 2003 das Projekt ausläuft und geprüft werden soll, welchen Anklang die Bibliothek bei Kindern und Jugendlichen findet.

Am Ende der Projektlaufzeit stellen sich die Fragen:

Die Untersuchung soll die Bibliotheksarbeit prüfen und, wenn notwendig, korrigieren.

Aus vorliegenden Informationen (Berichtswesen und Erfolgsmessung) wurden statistische Daten über die medien@age und die Städtischen Bibliotheken Dresden sowie zusätzliche Daten der Kommunalen Statistikstelle Dresden ausgewertet und ergänzend dazu eine schriftliche Befragung der Bibliotheksbesucher mittels Fragebogen durchgeführt. Mit Hilfe dieser Daten konnten Aussagen zur Besucherstruktur, dem Besucherverhalten, der Nutzung der Bibliotheksangebote, der Zufriedenheit mit der Einrichtung, den Entleihungen, der Zufriedenheit mit dem Bestand, den Medienvorlieben und -wünschen, den Themeninteressen und -wünschen, dem Zurechtkommen mit der Medienaufstellung, den elektronischen Angeboten, den Veranstaltungen und der Zufriedenheit mit den Mitarbeitern getroffen werden.

Gleichzeitig wurden die Erfolgsmessungen der Gegenleistungsgestaltung, der Distributionsgestaltung und der Kommunikationsgestaltung einbezogen.

Die Untersuchung erbrachte folgende Ergebnisse:

Die hohe Anzahl von Besuchern zeigt die Beliebtheit der medien@age. Die Kunden setzen sich überwiegend aus der angestrebten Altersgruppe 13-25 Jahre zusammen. Nach der Hauptbibliothek ist die Neue Jugendbibliothek der zweite Anziehungspunkt unter den Dresdner Bibliotheken für die Zielgruppe. Beide Geschlechter nutzen die Bibliothek gleichermaßen. Da der Anteil von Kunden mit hohem Bildungsniveau überwiegt, muss die Bibliothek sich intensiver der Gewinnung von Hauptschülern als Kunden widmen, um für diese Chancengleichheit beim Zugang zu Informationen zu wahren. Ein großer Anteil von Kunden nutzt die Bibliothek regelmäßig, vor allem, um Bedürfnisse der Unterhaltung und Freizeit sowie des Lernens für Schule und Ausbildung zu befriedigen. Medienausleihe und Internetzugang werden am häufigsten genutzt.

Die Neue Jugendbibliothek hat den Charakter eines Aufenthalts- und Freizeit-Ortes für die Besucher. Die moderne und jugendgemäße Einrichtung gefällt, nur bei den Leseplätzen sind die Besucher nicht zufrieden, denn da werden gemütliche Leseecken gewünscht.

Die Medienstruktur, vor allem der hohe Non-Book-Anteil, entsprechen den Wünschen der Kunden. Allerdings geht mit der intensiven Nutzung eine mangelnde Verfügbarkeit der Medien einher. Trotz thematischer Präsentation finden die Besucher nicht immer selbstständig die gesuchten Informationen. Weitere Bibliotheksführungen und Schulungen am Katalog sollten hier Abhilfe schaffen.

Die EDV-Ausstattung der Bibliothek, besonders der kostenlose Internetzugang, wird positiv bewertet. Die Einrichtung weiterer Internet-Arbeitsplätze wird erwartet. Das Veranstaltungskonzept für Gruppen während der Öffnungszeiten wird gut angenommen. Abendveranstaltungen sind weniger begehrt. Günstigste Veranstaltungszeiten liegen zwischen 16:00 Uhr und 19:00 Uhr. Der zentrale Standort der Jugendbibliothek wird geschätzt. Benutzer mit Bindung zur Bibliothek sind bereit, ein Entgelt für die Benutzung zu zahlen. Für die Gewinnung neuer Benutzer spielten besonders Mundpropaganda und Werbung am und im Gebäude eine Rolle.

Der Erfolg der medien@age in Dresden zeigt, dass der Bedarf an Einrichtungen solcher Art bei Kindern und Jugendlichen besteht. Für Bibliotheken, die sich zielgruppenspezifischer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen widmen, kann die vorliegende Arbeit Anregungen zur Gestaltung der Bibliothek und zur Messung des Erfolges der Bibliotheksarbeit bieten.

Die Fragen der Besucher des Innovationsforums an die Referenten und die angeregten Gespräche beim anschließenden Sektempfang des Verlages Dinges & Frick Wiesbaden zeigten, dass die ausgewählten Arbeiten beim Fachpublikum auf großes Interesse stießen. Die drei ausgezeichneten Diplomarbeiten wurden bereits als Band 7 in der Reihe B.I.T.online Innovativ des Verlages Dinges & Frick veröffentlicht. Das nächste Innovationsforum findet auf dem Bibliothekartag 2005 in Düsseldorf statt.


Zur Autorin

Heike Brückner

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