Ehrensache?!: Zivilgesellschaftliches Engagement in öffentlichen Bibliotheken; Positionen - Modelle - Grundlagen

Hrsg. von Petra Hauke und Rolf Busch

- Bad Honnef: Bock + Herchen, 2003. - 280 S.: Ill. (Bibliothek und Gesellschaft; 16)
(Beiträge zur bibliothekarischen Weiterbildung)
ISBN 3-88347-233-6, 28 Euro (Deutschland), 28,80 Euro (Österreich)

Das Referat Weiterbildung der Freien Universität Berlin lud 2003 zu einer Fachtagung mit dem Thema "Möglichkeiten ehrenamtlicher pädagogischer Arbeit in Bibliotheken" ein. Am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität Berlin wurde in der Folge von einem Projektseminar eine Tagungsdokumentation erstellt, welche mit elf eingeworbenen Beiträgen erweitert wurde und hier in Buchform in der Publikationsreihe des Referates Weiterbildung veröffentlicht wird. Damit liegt eine Publikation vor, die Orientierung in der immer stärker werdenden Diskussion um das Thema ehrenamtliche Arbeit in Bibliotheken zu geben vermag. Diese Diskussion steht allzu oft unter dem Vorzeichen der Kostenersparnis (von Seiten der Kostenträger) und reziprok der Abwehr des Ersatzes professioneller Arbeit durch freiwillige Arbeit (von Seiten der Bediensteten). Dass es um mehr geht, mehr gehen muss, verrät bereits der Untertitel des Buches: "Zivilgesellschaftliches Engagement". Was es damit auf sich hat, behandeln die beiden am Anfang stehenden Beiträge: Jürgen Kocka als namhafter Historiker umreißt die historischen Wurzeln des Konzeptes bürgerschaftlicher, ehrenamtlicher Arbeit und der in der Profession nicht minder namhafte Konrad Umlauf spitzt das Thema auf das Feld der Bibliotheken zu. Es geht um freiwillige Arbeit für das Gemeinwesen, welche auch im Rahmen von Bibliotheken geleistet werden kann, in welchen Freiwillige besondere Qualifikationen einbringen können, um zusätzliche Felder oder zusätzliche Qualität der Bibliotheksarbeit hinzuzufügen, welche von den professionellen Kräften nicht oder nur schwer geleistet werden kann.

Die beiden genannten Beiträge leiten den ersten Teil "Positionen" ein, in welchem verschiedene Vertreter/innen von Ausbildungsstätten und Fachverbänden Stellung zum Thema Ehrenamt beziehen. Der abschließende Beitrag eines verdi-Vertreters bleibt leider ziemlich blass.

Bei den Statements geht es zum einen um die Abwehr der Substitution professioneller Arbeit durch Freiwilligenarbeit, darüber hinaus aber um Grenzen und Möglichkeiten, Ehrenamtliche für besondere Zielgruppen und damit für besondere Arbeiten einzusetzen.

Im darauf folgenden Teil "Modelle" werden 19 verschiedene Projekte aus dem Bereich der Leseförderung, der Schul- und Kinder- und Jugendbibliotheken vorgestellt sowie ehrenamtliche Arbeit in Freundeskreisen und Fördervereinen beschrieben. Einerseits bieten die Berichte eine Art Ideenreservoir, wo alles Ehrenamtlichenarbeit in öffentlichen Bibliotheken sinnvoll sein könnte, andererseits zeigt sich an den konkreten Beispielen, dass sich der Aufwand, Ehrenamtliche zu rekrutieren und zu organisieren, lohnt. Beachtenswert ist auch, dass mit einem Beitrag über den Tellerrand geschaut wird: Eingangs beschreibt eine Amerikanerin die Freiwilligenarbeit in Bibliotheken in den USA, wo die Zivilgesellschaft einen höheren Stellenwert besitzt als in Deutschland.

Im abschließenden dritten Teil "Grundlagen" wird die Freiwilligenarbeit zunächst rechtlich gewürdigt (mit Entwurf eines Mustervertrages), dann Leitlinien für die ehrenamtliche pädagogische Tätigkeit (Ergebnisse eines Workshops) aufgestellt und zum Schluss die "Guidelines" für die Einarbeitung von Freiwilligen aufgeführt, welche das britische Chartered Institute for Library and Information Professionals (CILIP) erstellt hat. Auch in diesem Teil werden etliche Vorurteile ausgeräumt, Informationen vermittelt, welche man bei der Planung gebrauchen kann. Dieser Teil, obwohl gering an Umfang, hat Handbuchcharakter.

Ein Autorenverzeichnis und eine Bibliographie runden die Veröffentlichung ab.

Ein Fazit, das man aus der Lektüre der Beiträge ziehen könnte, nimmt Georg Ruppelt in seinem Geleitwort vorweg, indem er fünf Punkte für das Ehrenamt nennt:

  1. Missbrauch des Ehrenamtes ist abzulehnen.
  2. Ehrenamt ist nicht umsonst. (...)
  3. Ehrenamt braucht Voraussetzungen. (...)
  4. Ehrenamt braucht Selbstbestimmung und Qualifikation. (...)

Damit ist eigentlich alles zur Einschätzung des Ehrenamtes gesagt: Es ist nicht als Ersatz für professionelle Arbeit geeignet, aber für zusätzliche Dienste enorm nützlich, wenn man den Aufwand der Rekrutierung, Organisation und Weiterbildung von Ehrenamtlichen nicht negiert.

Wenn dieses Buch auch in weiten Teilen auf die Situation öffentlicher Bibliotheken abhebt, so ist die Lektüre des ersten und dritten Teiles doch auch für wissenschaftliche Bibliotheken von Interesse. Meinhard Motzko strich auf einer Veranstaltung auf dem Bibliothekskongress die große Bedeutung der Ehrenamtlichenarbeit als Feld des Bibliotheksmanagements heraus. Dieses Buch bietet eine willkommene Hilfe, sich auf diesem Gebiet fit zu machen.


Anschrift des Rezensenten

Dr. Jürgen Plieninger
Bibliothek des Instituts für Politikwissenschaft
Universität Tübingen
E-Mail: juergen.plieninger@uni-tuebingen.de