Die Informationsgesellschaft

Hrsg. FHS Fachhochschulstudiengänge St. Pölten

- Wien; Köln; Weimar: Böhlau, 2003. 290 S. (FACTS; 1)
ISBN 3-205-77183-4. Euro 19,90

Diese Veröffentlichung ist der erste Band aus der Reihe FACTS = Forum Aelio in Cetio Technici Scientiaeque, die "ein wissenschaftliches Forum für eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Problemstellungen in den Bereichen Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft" sein will (aus dem Editorial von Matthias Stadler, S. 9). Hier werden relevante Themen aus dem Blickwinkel der in St. Pölten vertretenen Disziplinen Informations- und Kommunikationstechnologie, Medienökonomie sowie Sozialarbeit zur Diskussion gestellt, um dem Leser durch eine umfassende und interdisziplinäre Darstellung des aktuellen Diskussions- und Forschungsstandes einen möglichst weiten Erkenntnishorizont zu bieten.

Erster Schwerpunkt ist die Informationsgesellschaft. Das Buch enthält eine kurze Einführung, 17 Beiträge, zwei Buchrezensionen, eine "Studentenecke" zu Ergebnissen der "Forschungs-Werkstatt" 2003 und die Lebensläufe der Autoren.

Den Inhalt fasst Matthias Stadler in einer Frage zusammen: "Existiert die Informationsgesellschaft wirklich, oder ist dieser Begriff eine Worthülse, die zu bestimmten Zwecken erfunden wurde und im Dienste bestimmter Interessen instrumentalisiert wird?" (S. 9) Antworten darauf geben Kommunikationswissenschaftler, Medienmanager, Nachrichtentechniker, Elektrotechniker, Politikwissenschaftler, Philosophen, Biologen, Biochemiker und Sozialanthropologen zu folgenden Themen - der Rezensent hat sie ein wenig geordnet, um die Interdisziplinarität deutlich zu machen:

(1) Grundlegende, soziale und psychologische Fragen der Informationsgesellschaft

Die Informationsgesellschaft: ein Phänomen des sozialen Wandels oder ein Mythos? - Sammeln, Verteilen und Bewerten von Informationen: verteilte Intelligenz in einem Bienenvolk - "Nichtwissen" in der Informationsgesellschaft: Information als Schlüssel in der Sozialpolitik - Lebensbewältigung und Hilfe in Zeiten des Internets - Information und Katastrophe: Hochwasser, was nun? - Medientechnische Manipulation der physischen Attraktivität in Printprodukten

(2) Technische und technologische Fragen der Informationsgesellschaft

Wireless LAN: Sicherheit und funktechnische Aspekte - COntent - COntext - COmmunity - COmmerce: Mit der CO4-Analyse zu netzkonformen Radioformaten

(3) Pädagogische Fragen der Informationsgesellschaft

Teleteaching: die Zukunft in der Aus- und Weiterbildung? - Medienkompetenz und neue Medien

(4) Journalismus und Informationsgesellschaft

Journalistische Qualität und Profit: Herausforderung für Medienunternehmen - Online-Journalismus in Österreich

(5) Die Stadt im Informationszeitalter

Cybermetapher und Öffentlichkeitsprothese: urbane Architektur in der Informationsgesellschaft.

Die Autoren setzen sich mit dem Begriff und den Inhalten einer Informationsgesellschaft auseinander. Der Begriff wird kritisch hinterfragt, die Inhalte werden aus Sicht verschiedener Disziplinen formuliert. Die von den Herausgebern beabsichtigte interdisziplinäre Auseinandersetzung ist vorzüglich gelungen.

Leider ist es nicht möglich, diese lebendige, anregende, manchmal auch emotional geführte Diskussion in wenigen Sätzen zu beschreiben. Offensichtlich hat die nicht in ein Schema gepresste und nicht mit Vorgaben belastete o.g. Fragestellung zu dieser Lebendigkeit der Darstellung geführt.

Für Edith Huber z.B. befinden wir uns nicht in einer Informationsgesellschaft, "vielmehr geht eine technische Revolution vonstatten, die vor allem auf das Informations- und Kommunikationsverhalten Auswirkungen hat." (S. 24)

In einer sich mithilfe der Informations- und Kommunikationstechnologien grundlegend wandelnden Gesellschaft muss sich nach Peter Pantucek auch das Sozialwesen verändern: "Viele der strukturellen Änderungen, die sich anbahnen, sind noch kaum untersucht." (S. 261) Die rasante Entwicklung in der technischen Infrastruktur macht es nach Thomas Zöchbauer überhaupt erst möglich, von einer Informationsgesellschaft zu sprechen, aber eine Mitwirkung am gesellschaftlichen Leben setzt nun auch voraus, "dass alle in der Lage sind, die zur Verfügung stehenden Techniken eigenverantwortlich zur Informationssuche und Informationssammlung, zur Meinungsbildung und zum Einbringen der eigenen Meinung einzusetzen." (S. 127)

Und die Stadt der Zukunft? Roland Graf glaubt, dass "soziale Begegnung abseits der Avatars und Cyber-Communities" nur stattfinden kann, "wenn der mediale Raum dafür auch physisch vorhanden ist. Eine dialektische Aufgabe." (S. 210)

Bei Johann Günther findet sich ein wichtiger Hinweis: Statistiken zeigen, "dass durch neue Medien alte nicht ersetzt werden. Man kann eher den Umkehrschluss ansetzen: Neue Medien ergänzen und fördern alte." (S. 171)

Um es allgemeiner zu formulieren: Die Gesetzmäßigkeiten des Wachstums, des Veraltens und der Verbreitung von Informationen führen in jeder Epoche der Entwicklung von Wissenschaft und Technik zu spezifischen Veränderungen in der menschlichen Kommunikation. Eine Besonderheit besteht darin, dass die bisherigen Methoden und Mittel nicht abgelöst, sondern bei Schwerpunktverlagerung von einer Gruppe von Methoden und Mitteln auf eine andere nur ergänzt und verändert werden. Das Entstehen der auf Gutenbergsche Art gedruckten Bücher führte nicht dazu, dass handgeschriebene Manuskripte und Briefe zwischen den Menschen verschwanden, es änderte sich nur ihre Stellung im System der Kommunikation. In gleicher Weise geschah dies z.B. bei der Entstehung der Zeitungen und Zeitschriften, der Firmenschriften, Patenten, Normen und anderen Kategorien von Informationsquellen. Warum sollte entgegen der 600-jährigen Erfahrung das Buch durch die elektronischen Publikationen ersetzt werden? Auch hier wird nur sein Platz neu zu bestimmen sein.

So schnell kann man zum Nachdenken angeregt werden!

Fazit: Das ist weder ein Lehrbuch noch eine Monographie zum Begriff und zu den Inhalten der Informationsgesellschaft, sondern es ist eine lebendige Diskussion zu dem oft missbräuchlich und plakativ angewendeten Begriff der Informationsgesellschaft.

Leider können wir in B.I.T.online diese Reihe nicht begleiten, denn die noch 2004 herauszugebenden Bände beschäftigen sich mit "Der gläserne Mensch - Europäisierung" (Band 2) und "Machtwert des Wissens - Wirtschaft und Forschung (Band 3).


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de