Der Einsatz von RFID1-Technologie in der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin


Abstracts

1. Einführung
2. Selbstverbuchung in der Medienausleihe
3. Steuerung der Transportbehälter der Buchförderanlage


von Andreas Richter und Wolfgang Zick

1. Einführung

3M
Digitaler Tag der F:a 3M
RFID-Etiketten, Smart Labels, Transponder2 oder Tags (Abb. 1) kommen in immer mehr Lebensbereichen zum Einsatz, so auch in Bibliotheken. Das technische Prinzip, eine Kombination von Funk mit Radartechnik, ist nicht neu, wurde aber in den letzten Jahren konsequent weiterentwickelt.

Vorläufer heutiger Tags sind die Buchsicherungsetiketten, die in einfachster Ausführung in der Regel mit einem 1-Bit-Transponder ausgestattet sind. Dieser besteht aus einem Kondensator und einer Spule, die je nach Zustand (aktiviert/deaktiviert) vom Detektionsgerät erkannt oder eben nicht erkannt werden kann. Heute verwendete Transponder bestehen aus einem Mikrochip, der gleichzeitig Kondensator ist und einer Spule oder einem Dipol. Sie können bis zu 100 KByte an Daten aufnehmen. Der Mikrochip erlaubt sowohl einen lesenden als auch einen schreibenden Zugriff.

Damit ergeben sich für den Mikrochip (= Tag) neue Einsatzmöglichkeiten. An der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Berlin können mithilfe der Transponder Medien von den Kundinnen und Kunden selbst entliehen und verbucht werden. In dem zum 12. Juli 2004 fertig zu stellenden Neubau der Universitätsbibliothek wird außerdem eine Buchförderanlage eingebaut, bei der die Transportbehälter mit Transpondern ausgestattet sind und so von der Anlagensteuerung durch das System geleitet werden.

Die datenschutzrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Mikrochips dürften für den Bibliotheksbereich so lange von untergeordneter Bedeutung sein, wie dieser nicht als Identifikationsmerkmal auf dem Bibliotheksausweis verwendet wird.

2. Selbstverbuchung in der Medienausleihe

Selbstverbuchungsgeräte sind in Bibliotheken keine Neuheit. Bisher erfolgt die Verbuchung jedoch über Barcode-Etiketten, die meistens auf dem Buchdeckel aufgebracht sind. Außen aufgebracht, macht der Abrieb diese aber nach einiger Zeit unbrauchbar oder die Etiketten müssen zusätzlich foliiert werden. Außerdem ist es für eine erfolgreiche Verbuchung erforderlich, dass das Etikett exakt unter dem Lesegerät platziert wird. Innen aufgebracht, musste das Buch aufgeklappt und ebenfalls exakt platziert werden. Je mehr Bücher verbucht werden sollten, desto aufwändiger und zeitraubender wurde das Verfahren.

3M
Digitales SelfCheck System
Modell 7210 der F:a 3M
Das alles entfällt mit dem Tag. Das Buch wird auf die Verbuchungsfläche gelegt und das Gerät liest den Transponder aus. Eine Stapelverbuchung ist möglich, das heißt, es können mehrere Medien gleichzeitig verbucht werden. In der Theorie gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Zahl der Medien durch das Selbstverbuchungsgerät vorgegeben3 oder aber es kann eine beliebige Anzahl bis zu einer Höchstgrenze verbucht werden. Beide Möglichkeiten haben in der Praxis Schwächen: Es ist unwahrscheinlich, dass verschiedene Kundinnen und Kunden nacheinander immer die gleiche Anzahl von Medien verbuchen wollen. Gibt man die Anzahl der gleichzeitig verbuchbaren Medien frei, so kann es vorkommen, dass das Gerät mal eine Medieneinheit "übersieht". Deshalb ist derzeit die Einzelverbuchung der sicherste Weg.

3M
Digitaler Personalarbeitsplatz
Modell 795 der F:a 3M

3M
Digitale Konvertierungsstation
Modell 711 der F:a 3M
Seit Juli 2003 läuft in der Lehrbuchsammlung der Technischen Universität Berlin eine Testphase mit einem Selbstverbuchungsgerät Modell 7210 der Firma 3M4 (Abb. 2), das eine Ausleihe der Medien durch die Kundinnen und Kunden selbst mittels Transponder erlaubt. Das Angebot wird von den Studierenden sehr gut angenommen und ist von Anfang an als Alternative zur Ausleihe durch Bibliothekspersonal akzeptiert worden. Für den Neubau der Universitätsbibliothek5 ist deshalb vorgesehen, die Anzahl der Geräte zu erhöhen und in den nächsten drei bis fünf Jahren den gesamten frei zugänglichen, ausleihbaren Bestand mit Tags auszurüsten.

Das Beschreiben der Tags mit den für den Buchungsvorgang notwendigen Daten erfolgt entweder an einem digitalen Personalarbeitsplatz (Abb. 3), wie er an der Technischen Universität Berlin eingesetzt wird oder über eine digitale Konvertierungsstation (Abb. 4), die mit einer Schreib-/Leseeinheit für den Tag ausgestattet sind. Voraussetzung ist außerdem eine Schnittstelle zum lokalen integrierten Bibliothekssystem (LIBS); hier das Aleph500-System der Firma ExLibris. Auf dem Tag selbst befinden sich keinerlei sensible Daten, sondern lediglich entsprechende Angaben aus dem Exemplarsatz des LIBS zu der jeweiligen Medieneinheit. Auf dem Monitor des Selbstverbuchungsgerätes werden die Studierenden in einfacher und verständlicher Art und Weise bildlich und verbal durch den Selbstverbuchungsvorgang geführt. Die für den Verbuchungsvorgang benötigten Daten der Kundin bzw. des Kunden werden über den mit Barcode versehenen Benutzerausweis und einen Scanner vom Selbstverbuchungsgerät in das LIBS eingelesen. Denkbar und technisch machbar wäre auch hier die Verwendung eines Tags an Stelle des Barcodes. Dies wirft jedoch datenschutzrechtliche und sicherheitstechnische Probleme auf, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.

3M
Digitaler Bibliotheks-Assistent
Modell 701 der F:a 3M
Das digitale Identifizierungssystem vervollständigt ein bisher nur von der Firma 3M angebotener Digitaler Bibliotheks-Assistent (Abb. 5). Dieses Gerät unterstützt das Bibliothekspersonal bei der Mediensuche, der Standortidentifizierung und der Bestandsordnung am Regal. Einfach ausgedrückt überprüft das Gerät, ob die Medien in der richtigen Signaturenfolge im Regal stehen. Es erleichtert damit das Auffinden von versteckten oder verstellten Medien, da das Gerät eine optische und akustische Meldung gibt, das Personal muss nicht mehr Signaturschild für Signaturschild lesen und hinter die Medien schauen. Der Bibliotheks-Assistent wird derzeit an der Technischen Universität Berlin getestet.

3. Steuerung der Transportbehälter der Buchförderanlage

Während der Planung der Buchförderanlage für den Bibliotheksneubau stellte sich die Frage, welcher Steuerungsmechanismus die Transportbehälter in der Anlage von A nach B gelangen lassen sollte.

Bisher gibt es im Bibliotheksbereich auf diese Frage nur eine Antwort: mit Zielleisten und Lichtschranken. Jeder Transportbehälter hat eine Leiste mit Ziffern von 0 - 9 auf dem Rand. Über zwei Schieberegler mit Reflektoren, die auf die Ziffern eingestellt werden, wird das Ziel manuell festgelegt. Jeder Station wird eine individuelle Nummer zugeordnet. An jeder Entscheidungsstelle wird die Zielleiste durch eine Lichtschranke abgetastet und die folgende "Weiche" dem Zielort entsprechend von der Anlagensteuerung gestellt. Bei diesem Verfahren kann nicht festgestellt werden, wo sich ein bestimmter Transportbehälter in der Anlage befindet. Für den Stoßbetrieb muss immer eine genügende Anzahl von Transportbehältern mit den voreingestellten Zielleisten vorhanden sein, um zügig arbeiten zu können.

Das mit der Planung der Buchförderanlage betraute Büro, die MMG Ingenieurgesellschaft für Materialmanagement mbH6, unterbreitete als Alternative zum Zielleistensystem die Verwendung von Transpondern. In Materialfluss-Systemen, z.B. in der Automobilindustrie oder dem Versandhandel, wird diese Technik schon seit längerem erfolgreich eingesetzt. Gemeinsam mit der MMG wurde eine Buchförderanlage entwickelt, die von der Funktionalität den bibliothekarischen als auch den gebäudetechnischen Anforderungen gerecht wird und auf Transponder setzt. Im Bibliotheksbereich kommt - soweit bekannt - der Transponder deutschlandweit erstmalig zum Einsatz. Dies war jedoch nicht der Grund, sich für die Transponder-Lösung zu entscheiden. Die Verwendung von Transpondern bietet aus unserer Sicht folgende Vorteile:

Mit der Nutzung von Transpondern fällt das manuelle Einstellen der Regler weg. Beim Versand des Transportbehälters wird in ein Gerät, das den Transponder entsprechend codiert, einfach die Zielnummer eingegeben oder das Ziel über Kurzwahltasten ausgewählt. Für den Stoßbetrieb entfällt ein Vorsortieren der Kisten nach Zielorten, da die Zielangabe auf dem Transponder einfach überschrieben werden kann. Mithilfe des Transponders lässt sich der Weg eines Transportbehälters durch die Buchförderanlage verfolgen, da jeder Behälter individuell durch eine Codierung auf dem Transponder gekennzeichnet ist. Beim Ersatz beschädigter Transportbehälter muss lediglich der Behälter selbst ersetzt werden; der Transponder des defekten Behälters kann abgenommen und am Ersatzbehälter angebracht, also wieder verwendet werden.

Die Bedienung der Buchförderanlage beziehungsweise der Versand der Transportbehälter funktioniert mit den Transpondern im Wesentlichen in derselben Art und Weise wie mit dem Zielleistensystem:

Der Transportbehälter mit den Abmessungen 60 x 40 x 17,5 cm (LxBxH) ist an den beiden Längsseiten mit Transpondern ausgestattet. In den Bedienstationen wird an einem Bedienterminal (Touchscreen Panel) die Zieladresse eingegeben. Bei der Übernahme des Behälters durch den Fahrkorb gibt eine Schreib-/Leseeinheit das Ziel an den Transponder weiter beziehungsweise beschreibt diesen mit dem entsprechenden Zielcode. Vor jeder Entscheidungsstelle im weiteren Transportablauf sind Leseeinheiten angebracht, die dann die folgende "Weiche" entsprechend der Zieleingabe stellen.

Eine weitere Besonderheit der Buchförderanlage ist die Ankunftsmeldung für die ankommenden Transportbehälter:

In der Regel erfolgt die Meldung der Ankunft eines Transportbehälters an einer Bedienstation über ein akustisches und/oder optisches Signal. Im Verwaltungsbereich des neuen Bibliotheksgebäudes ist aber keine der beiden Möglichkeiten einsetzbar. Hier sind die Bedienstationen in einem Flur gelegen, der auf der einen Seite von einer Wand zum Freihandbereich und auf der anderen Seite ebenfalls von einer Wand mit den Zugangstüren zu den einzelnen Büroräumen begrenzt wird. Ein optisches Signal würde nur zufällig wahrgenommen werden, da sich dort an den Bedienstationen nicht andauernd Personal aufhält. Eine Installation in jedem Büroraum wäre zu aufwändig gewesen. Ein akustisches Signal schied aus, da es auch im Freihandbereich zu hören gewesen wäre. Es musste also eine andere Lösung gefunden werden. Die Ankunftsmeldung erfolgt deswegen über die Telefonanlage. Die von der Firma Philips Business Communications Gmbh7 errichtete Telefonanlage verfügt über eine Schnittstelle zur Buchförderanlage. Bei Ankunft des Transportbehälters an der Zielbedienstation wird der Transponder ausgelesen. Über die Schnittstelle zur Telefonanlage wird die Ankunft am digitalen Telefon des Raumes, für den der Behälter bestimmt ist, gemeldet. Dort ertönt ein Rufzeichen und eine Textmeldung erscheint im Display. Jede Bedienstation existiert physisch zwar nur einmal im System der Buchförderanlage; ihr können jedoch virtuell beliebig viele Ziele für die Ankunftsmeldung zugeordnet und auch differenziert werden. Dem Zielleistensystem sind hierbei Grenzen gesetzt, die für den Transponder nicht gelten.

Derzeit wird die Buchförderanlage von der Firma Swisslog Telelift GmbH8 in den Neubau eingebaut. Die Abnahme der Anlage ist zum 9. Juni 2004 geplant. Anschließend wird die Buchförderanlage probeweise in Betrieb genommen werden. Dann wird sich zeigen, ob die Umsetzung der konzeptionellen Planung in die Realität gelungen ist. Die Aufnahme des Regelbetriebs ist zum Beginn des Wintersemesters am 18. Oktober 2004 vorgesehen.

Auskunft darüber, ob und wie sich die Buchförderanlage im normalen Bibliotheksalltag bewährt, wird zu gegebener Zeit in einem Erfahrungsbericht geklärt werden.


Zu den Autoren

Dr. Wolfgang Zick ist Direktor und

Andreas Richter stellvertretender Direktor der

Universitätsbibliothek
Technische Universität Berlin
Straße des 17. Juni 135
D-10623 Berlin
Tel.: +49 (030) 314 -22611, -22539
E-Mail: zick@ub.tu-berlin.de und richter@ub.tu-berlin.de


Anmerkungen

1. RFID = radio frequency identification oder Identifikation mit Funkwellen

2. Kunstwort abgeleitet aus dem englischen Wörtern transmit und response

3. bei jedem Buchungsvorgang muss immer die definierte Anzahl an Medien aufgelegt werden; z.B. 3, 5 oder 8

4. http://www.3m.com

5. siehe Bibliothek - Forschung und Praxis 27 (2003), Heft 1/2, S. 65 ff. und ABI Technik 23 (2003), Heft 4, S. 282 ff.

6. http://www.mmg-ing.de

7. http://www.pbc.philips.de

8. http://www.telelift.de