"Man kann Informations- und Bibliothekswesen nicht mehr trennen"

Bericht von der comInfo2004, Fachmesse für Wissensmanagement

von Vera Münch

Vernetzung, Kooperation, Partnersuche: Das große Zusammenrücken der traditionellen Online-Informationswirtschaft, seit nunmehr drei Jahren in vollem Gange, zog sich wie ein roter Faden durch die comInfo 2004 Mitte Juni in Frankfurt am Main. Das Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe und das FIZ CHEMIE Berlin sind ab sofort in einer strategischen Partnerschaft verbunden, die Wirtschafts- und Pressedatenbankenanbieter GENIOS und GBI kooperieren im Geschäftsbereich Kundenlösungen, die Technische Informationsbibliothek (TIB) Hannover und das FIZ Technik kündigten in Frankfurt "eine noch engere Kooperation zum Vorteil der Kunden an", das Handelsblatt und Creditreform haben gemeinsam ein neues Wirtschaftsinformationsportal aus der Taufe gehoben und mit Microsoft, T-Pay, dem Anwalt-Suchservice aus dem Verlag Dr. Otto Schmidt, BusinessWire und dem Haufe Verlag schlagkräftige Kooperationspartner dafür gewonnen.

"Wir erleben einen Prozess des Zusammenwachsens der Anbieterkreise", kommentierte Peter Genth, Geschäftsführer des FIZ Technik, Frankfurt am Main, als Vertreter des Ausstellerbeirates im Pressegespräch zur comInfo 2004 die Entwicklungen in der Branche. "Die Kooperationen finden statt, um gemeinsam stärker zu sein und weil sie auch von den Kunden erwartet und verlangt werden", so Genth. Die Frage sei: "Wie weit setzt sich das noch fort?".

BID. Ein neuer Bundesverband Bibliothek Information Deutschland

Auf jeden Fall auch bis hinein in die Verbandslandschaft. Soviel steht fest. Denn auch hier gab es zur comInfo die Verkündigung eines großen Schulterschlusses: Die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationswirtschaft (DGI) e.V. (www.dgi-info.de) und der Bundesverband Deutscher Bibliotheksverbände (BDB) haben einen neuen, gemeinsamen Dachverband ins Leben gerufen. Das gab die Präsidentin der DGI, Dr. Gabriele Beger, auf der Messe bekannt. Der neue Verband heißt "Bibliothek Information Deutschland", kurz BID und ist laut Homepage "hervorgegangen aus der BDB - Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände e.V." (http://www.bideutschland.de). Beger, die im Hauptberuf Bibliothekarin in der Zentral und Landesbibliothek Berlin ist, nannte als einen der Hauptgründe für den Zusammenschluss: "Man kann Informations- und Bibliothekswesen nicht mehr trennen". Deshalb, so die DGI-Präsidentin, müssten Schranken abgebaut werden. Die Sparten der Nutzer und Anbieter seien viel zu lange getrennt betrachtet worden "Das Schlagwort Vernetzung ist für uns kein Modebegriff, sondern unsere Chance", so Beger.

Konnte man Bibliothek und Information eigentlich schon jemals trennen? Sicherlich nicht. Aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um die neuen Formen der Bereitstellung, Organisation und Verwaltung von Informationsinhalten sowie um eine Qualitätssicherung für die Quellen. Etwas, das im Bibliothekswesen jahrzehntelang selbstverständlich war, im Technologiewandel vom Buchdruck zum Computer aber abhanden zu kommen droht, in Teilen sogar schon abhanden gekommen ist. Bibliothek geht nicht mehr ohne Online-Medien, Informationsversorgung nicht mehr ohne Content-Management. "Content-Lieferung wird sich zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige entwickeln", erklärte Beger in Frankfurt. In diesem Zusammenhang gelte es deutlich zu machen, wie wichtig professionelle Inhalte und professioneller Umgang mit Inhalten sei und wer die Kompetenz dafür hat.

Wenig öffentliches Interesse

Zum dritten Mal veranstaltete die DGI in diesem Jahr die comInfo (www.cominfo2004.de) und die parallel dazu laufende 26. DGI Online-Tagung in eigener Regie; letztere unter dem passenden Motto: "Information Professional 2011: Strategien - Allianzen - Netzwerke". Mit der comInfo will die DGI der Informationswirtschaft ein Forum zur Präsentation geben und Anbieter und Nutzer vernetzen. Als drittes Ziel versuchen Fachgesellschaft und Aussteller gemeinsam, "die Leistungen der Informationsvermittlung als wichtigste Dienstleistung der Wissensgesellschaft besser im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern". Das erste und das zweite Vorhaben sind gelungen. Die Öffentlichkeit indes interessiert sich nach wie vor wenig für die Informationswirtschaft. An drei Tagen kamen insgesamt 3.500 Besucherinnen und Besucher ins Forum Messe Frankfurt. 750 Tagungsteilnehmer und rund 500 Studierende aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind in diese Gesamtzahl eingerechnet. Bei den Studierenden handelt es sich um den Branchennachwuchs, den die DGI mit einem Newcomer-Tag ganz besonders umwirbt - mit gutem Erfolg, wie sich zeigte (www.newcomer-tag.de).

Bibliotheken sparen am Reisebudget

Die Besucherzahl wirft die Frage auf, ob Informationsprofis im Zeitalter der Hochgeschwindigkeitsnetze überhaupt noch eine Fachmesse brauchen. Dr. Karin Bocek, Leiterin Fachinformation/Normen/EDV der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz zögerte keinen Moment mit der Antwort: "Ja, sie brauchen eine." Für die Gespräche, die sie in Frankfurt in anderthalb Tagen mit allen für sie wichtigen Anbietern führen könne, würde sie ohne Messe "viele Arbeitstage und viel Reisegeld verbrauchen", sagte Bocek und ergänzte: "Geld, das wir gar nicht mehr haben." Wie sehr die engen Budgets drücken, zeigte sich in diesem Gespräch nebenbei: Bocek’s Kollegin Dagmar Hesse, an der TU Chemnitz verantwortlich für das Fachinformationszentrum, musste eher abreisen als in vergangenen Jahren. Genau so, wie viele andere comInfo-Besucherinnen und -Besucher auch. Statt wie früher für die Tagungsteilnahme und den Messebesuch den gesamten Veranstaltungszeitraum von drei Tagen einzuplanen, reisten viele Messegäste nur für einen Tag an.

Fokustage konzentrieren Informationsangebot

Diesem Trend zu kürzeren Veranstaltungsbesuchen hatte die DGI in Abstimmung mit dem Ausstellerbeirat der Messe bereits im Vorfeld der comInfo 2004 Rechnung getragen: Zum ersten Mal gab es Fokustage: Am ersten Messetag standen Naturwissenschaft und Technik auf dem Programm, am zweiten waren es Wirtschafts- und Finanzinformationen, und der dritte Tag war den Newcomern gewidmet. Zum jeweiligen Fokus gab es einführende Überblicksvorträge zu einem aktuellen Thema, spannende Podiumsdiskussionen und Firmenvorträge. Die Neulinge kamen sogar in den Genuss organisierter Messeführungen. Insgesamt war das Programm aus Messe, Beiprogramm und Tagung wie schon in den letzten beiden Jahren sehr umfangreich, informativ und hoch aktuell. Nur echte technische Highlights fehlten.

Syndizierung elektronischer Inhalte kommt

Nach fast 20 Jahren hektischer Softwareentwicklung und mindestens halbjährlicher Vorstellung von neuen Produkten, verlangsamt sich das Innovationstempo in der Computerindustrie - zumindest im Bereich ihrer Anwendungen. Die Technologie hat einen akzeptablen Reifegrad erreicht - im Kraftfahrzeugbau würde man sagen: Das Auto fährt. Nun geht es vornehmlich um die Modellpflege - um die Verbesserungen der Leistungsfähigkeit vorhandener Systeme und Anwendungsprogramme und um ganz viel Organisation. Urheberrechtsfragen, Zuverlässigkeit der Informationsquellen, Qualitätsprüfung für Quellen und Inhalte beschäftigen die Content-Wirtschaft. Ein kleiner technologischer Trend zeichnete sich im Bereich der Weiterverwertung von elektronischen Inhalten in firmeneigenen Portalen und Newslettern ab. Zunehmend entwickeln Informationslieferanten Angebote, die eine Syndizierung per Mausklick ermöglichen. Interessante Nachrichten können durch diese Funktion aus der elektronisch zugelieferten Informationsmenge relativ einfach herausgelöst und in interne Newsletter oder eben ins eigene Internet-Portal übernommen werden. Intelligent aufgebaute Syndikations-Funktionen (zum Beispiel bei GBI - www.gbi.de) organisieren dabei auch die Vermittlung der Weiterverwertungsrechte für die jeweils genutzte Information.

vascoda.de braucht Einbindung in lokale Informationsdienste

2003 auf der comInfo als Prototyp vorgestellt und zur internationalen Bibliothekskonferenz IFLA im August 2003 in Berlin erstmals öffentlich freigeschaltet, war vascoda auf der comInfo 2004 natürlich ein Ziel journalistischen Interesses (www.vascoda.de). Wie geht es dem Meta-Portal, das, gemeinsam gefördert vom Bundesforschungsministerium (BMBF) und Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG), Übersicht in den Dschungel der deutschen Informationslandschaft bringen und so einen "Grundstein für die Digitale Bibliothek Deutschland" legen soll? "Gut", antwortete Christine Burblies von der vascoda Geschäftsstelle. "Es werden immer mehr Partner." 43 sind es mittlerweile, die ihre elektronischen Kataloge und Nachschlagewerke unter der einheitlichen Zugangsoberfläche verfügbar gemacht haben. Darunter finden sich so gut wie alle virtuellen Fachbibliotheken (ViFas), die Informationsverbünde EconDoc (Wirtschaft), GetInfo (Naturwissenschaft und Technik), infoconnex (Pädagogik, Sozialwissenschaften, Psychologie), Medizinquellen und die Elektronische Zeitschriftenbibliothek EZB. Trotzdem ist die Euphorie der ersten Stunde ein wenig verflogen. Burblies schränkte im Gespräch ein: "Über kurz oder lang macht ein solcher Dienst nur Sinn, wenn er von der angestrebten Zielgruppe intensiv genutzt wird. Wir müssen vascoda in lokale und regionale Angebote einbinden, so dass Nutzer, wenn das eigene System die gesuchten Informationen nicht liefern kann, über vascoda zu einem geeigneten Anbieter geleitet werden." Wo hier das Problem liegt, erschließt sich von selbst. Burblies spricht es aus: "Um vascoda zu einem wirklich guten Service zu machen, müssen einfach alle an einem Strang ziehen."

Aber wer verknüpft schon gerne seinen, oft in jahrelanger Arbeit mühevoll aufgebauten elektronischen Katalog mit einem quasi "Wettbewerbsprodukt", das vom Inhalt her umfassender und technologisch vielleicht sogar besser, auf jeden Fall aber häufig jünger und deshalb weiterentwickelt ist? Und wer macht dann vielleicht auch noch auf seiner eigenen Homepage Werbung für den Link auf vascoda? Zudem ist eine Schnittstelle zur Einbindung notwendig, die unter Umständen Entwicklungsaufwand erfordert. Man darf gespannt sein, in welche Richtung sich der ambitionierte, auf der Input-Seite bislang sehr erfolgreiche Versuch weiterentwickelt.

Kompetenzzentrum für Fachinformation soll Deutschland als Standort stärken

Hinter allen Kooperationen und Partnerschaften steckt der gleiche Wunsch: Die deutsche Fachinformationsbranche will im Wettlauf um Marktanteile auf dem globalen Informationsmarkt wettbewerbsfähig bleiben: Durch die Bündelung guter Informationsquellen, durch die Teilung von Ressourcen, durch das Teilen von Entwicklungskosten und die Nutzung sämtlicher verfügbarer Vertriebskanäle aller beteiligten Partner. "Mit einer engen Kooperation zwischen unseren Institutionen machen wir den ersten Schritt, die wissenschaftlichen Informationseinrichtungen am Standort Deutschland nachhaltig zu stärken", erklärte die Geschäftsführerin des FIZ Karlsruhe, Sabine Brünger-Weilandt bei einem Festakt zur Unterzeichnung des "Letter of Intent", der die künftige Partnerschaft mit dem FIZ Chemie besiegelt. Man wolle sich verstärkt im europäischen Kontext positionieren und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit langfristig sicherstellen. Professor Dr. René Deplanque, Geschäftsführer des FIZ CHEMIE Berlin und sein kaufmännischer Kollege, Geschäftsführer Peter Schuhe, betonten das Potenzial der gemeinsamen Ressourcen aus der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der technischen Anlagen: "Wir haben in Deutschland die Leistungsfähigkeit, die Köpfe und die Visionen, der Wissenschaft nicht nur erstklassige Informationsversorgung anbieten zu können, sondern sie auch aktiv in ihrem Wissensmanagement zu unterstützen - und das international", so Deplanque. Schuhe erklärte: "Wenn wir das gemeinsame Fachwissen und die Kompetenzen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal einsetzen, werden wir positive Synergieeffekte erzielen." Aus der Verbindung der beiden Fachinformationszentren soll ein zukunftsfähiges, leistungsstarkes Kompetenzzentrum für wissenschaftliche und technische Information und Dienstleistung entstehen (www.fiz-karlsruhe.de, www.fiz-chemie.de, www.chemistry.de).

Das organisatorische Kooperationsmodell wird so gestaltet, dass die künftige Einbeziehung weiterer Partner möglich ist. Zwar noch ein wenig hinter vorgehaltener Hand, aber doch schon ausgesprochen, wurden hier die Namen der Technischen Informationsbibliothek (TIB) Hannover und des FIZ Technik, Frankfurt am Main.

FIZ Technik Datenbanken im TIB Portal

Die beiden letztgenannten haben zunächst aber ihre eigenen Pläne im Sinn, voran die Verstärkung ihrer seit Jahren gepflegten Kooperation. Zur comInfo 2004 kündigten sie die Einführung einer neuen Meta-Suche "Technik und Naturwissenschaften" im TIB-Portal an. Sie wird eine parallele Suche im TIB-Katalog und in den Fachdatenbanken des FIZ Technik (www.fiz-technik.de) ermöglichen. Recherchiert werden kann mit TIB- oder FIZ-Technik-Kennungen. Die Meta-Suchmaschine ist auf der Homepage der TIB bereits vorhanden, aber noch hinter dem Stichwort "Digitale Bibliothek" versteckt, weil sie offenbar noch nicht ganz fertig ist (www.fiz-technik.de, www.tib.uni-hannover.de).

Neue Quellen für Wirtschaftsinformationen und Dienstleistungen

Folgerichtig zur Gesamtentwicklung waren die neu vorgestellten Produkte und Dienstleistungen auf der comInfo 2004 fast ausschließlich Resultate von Kooperationen. Sehr großes Potenzial hat - allein aufgrund der beteiligten Partner - das neue Wirtschaftsinformationsportal www.firmenwissen.de, Kind der Verbindung zwischen der Verlagsgruppe Handelsblatt und der Vereine Creditreform e.V. Das Portal soll dem Mittelstand alle Informationen liefern, die er für sein Geschäft braucht. Es wird von GENIOS betrieben.

Die eingangs erwähnte Zusammenarbeit zwischen GENIOS und GBI, den laut Pressemitteilung "beiden führenden deutschen Online-Anbietern von Wirtschafts- und Pressedatenbanken", beschränkt sich auf individuelle Lösungen für kundenspezifische Intranet-Anwendungen und Unternehmensportale. Firmenkunden können wahlweise über die GBI-Maschine oder über die GENIOS-Oberfläche auf beliebige, individuell aus dem Angebot beider Hosts zusammengestellte Quellen zugreifen. Und weil es um Marktanteile, Vertriebswege und natürlich auch Gewinnmargen geht, werden eigene gute Lösungen nach wie vor besonders beworben. Wer zum Beispiel die Creditreform-Datenbank über GBI nutzt, kann dazu einen Nachtragsservice abonnieren. Dann bekommt er ein Jahr lang automatisch alle Aktualisierungen zu den Firmen, über die er Bonitätsauskünfte aus der GBI Creditreform Datenbank eingeholt hat.

Im Zusammenhang mit Wirtschaftsinformationen darf ISI Emerging Markets nicht unerwähnt bleiben. Das Unternehmen mit Hauptsitz in New York trat erstmals auf der comInfo als Aussteller auf und präsentierte seine neue Datenbank "emerging markets". Inhalt: aktuelle Informationen, Firmen- und Finanzdaten aus 8.000 Quellen - zu aufstrebenden Märkten rund um den Globus, darunter auch die EU-Beitrittsländer Polen, Ungarn und die Tschechische Republik.

Lexis-Nexis personalisiert Rechts-Informationen

LexisNexis, der Presse-, Wirtschafts- und Rechtsinformationsservice von Reed Elsevier, New York, kündigte wenige Tage vor der comInfo unter der Überschrift "LexisNexis revolutioniert die Rechtsnews" einen neuen juristischen Informationsservice an. Der Dienst fasst "das Wesentliche aus 140 juristischen Fachzeitschriften" zusammen und liefert es nach individuellem Interessensprofil des Benutzers aus. 110 qualifizierte Fachautoren fassen die Informationen aus 14 Rechtsgebieten zusammen und bewerten auch die praktische Relevanz der veröffentlichten Beiträge. Der Dienst wird als personalisierter Newsletter im wöchentlichen Abo angeboten. Die aktuellsten und wichtigsten Meldungen können übers Internet abgerufen werden (www.lexisnexis.de/rechtsnews/).

Offenes Portal zur automatischen Anreicherung von OPACs?

Zum Schluss noch eine neue Idee zur Anreicherung von Katalogen, deren Weiterentwicklung zwar bei weitem noch nicht abzusehen ist, die aber schon für einige Furore sorgte. Manfred Hauer, Geschäftsführer von AGI Information Management Consultants, Neustadt/Weinstraße, in der Informationswirtschaft seit Jahren durch gute Softwarelösungen bekannt, präsentierte sie auf der Messe in Frankfurt am Main. Das heißt, man erfuhr schon im Vorfeld davon, denn bereits etliche Tage vor der comInfo 2004 diskutierten die Listenteilnehmer der Inetbib-Diskussionsliste für Bibliothekare (www.inetbib.de) den neuen Ansatz "dandelon.com" (www.dandelon.com). Damit förderten sie erheblich die Aufmerksamkeit für dieses, ja, wie soll man es nennen, vielleicht "offenes Portal zur Anreicherung von Katalogen" oder auch "Portal für Kataloginhalte verschiedener Bibliotheken". Ausgangsbasis ist die von Hauer entwickelte Software "intelligentCAPTURE" für maschinelle Indexierung. Hilfskräfte brauchen nach Untersuchungen der österreichischen Vorarlberger Landesbibliothek (http://www.vlr.gv.at/vlb), bei der intelligentCAPTURE im Einsatz ist, 90 Sekunden um ein Buch bei durchschnittlich fünf Seiten Titelblatt plus Inhaltsverzeichnis zu scannen und für den OPAC zu verarbeiten. Die Vorträge der Onlinetagung hat Hauer nach eigener Aussage in 45 Sekunden menschlicher Arbeitszeit und anschließend 24 Minuten maschineller Arbeitszeit (auf einem Laptop) verarbeitet, was nach seiner Aussage einem Durchschnitt von 39,4 Sekunden pro Aufsatz entspricht. Einige Vortragende hätten das maschinell erstellte, deutsche Indexat (für englisch fehlt noch der Thesaurus) überprüft und für gut empfunden. Die Vorträge sind im neuen Portal Informationswissenschaft, das die DGI und Hauer's AGI Information Management Consultants gerade als Service aufbauen, bereitgestellt (http://www.agi-imc.de/isearch/is_dgi.nsf). Darüber hinaus wird gerade erwogen, dort eventuell auch B.I.T.online und die DGI-Fachzeitschrift Information, Wissenschaft und Praxis (IWP) einzustellen.

Zurück zum Katalogaufbau: Beim Scannen mit "intelligentCAPTURE" wird der erfasste Text gleichzeitig von einer Texterkennungssoftware (OCR-Software) gelesen und inhaltlich erschlossen. Der maschinellen Erschließung liegt ein starker Algorithmus zugrunde, der stochastische und linguistische Zusammenhänge nutzt. Das Ergebnis sind Metadaten, die deutlich über herkömmliche Zettelkatalog-Daten hinausgehen.

Bibliotheken, die intelligentCAPTURE gekauft haben, sollen sich nun nach der Idee von Hauer in dandelon.com zusammentun und sich gegenseitig ihre Katalogdaten (und Kataloge) zugänglich machen. Dies würde, so der diplomierte Informationswissenschaftler, bedeuten, dass die von Bibliotheken erstellten Anreicherungen als "Open Content" beziehungsweise nach "Open Access"-Grundsätzen von allen anderen Bibliotheken/Nutzern weltweit genutzt und in ihre eigenen Kataloge eingebunden werden könnten.

Die Inetbib-Diskussion zu dandelon.com machte deutlich, dass intelligente, schnelle Kataloganreicherung für Bibliotheken derzeit ein sehr wichtiges, spannendes Thema ist. Andererseits aber auch, dass man vorsichtig geworden ist, was immer neue Ideen und neue Software betrifft. Hauer stellte sich übrigens der Listendiskussion auch durch eigene ausführliche Beiträge.

Die nächste comInfo und die 27. DGI-Online-Tagung finden vom 31. Mai bis 2. Juni 2005 wieder in Frankfurt am Main, Forum Messe Frankfurt statt (www.cominfo2005.de).


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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