Editorial
Der Duden, die Rechtschreibreform und Bibliothekare

Ende August 2004 erschien eine weitere Neuausgabe des Duden, inzwischen bereits die dreiundzwanzigste, nach der letzten im Jahr 2000 die zweite auf der neuen amtlichen Grundlage. Allerdings ist diese Amtlichkeit, die 1996 beschlossen wurde und 2005 verbindlich eingeführt werden soll, zumindest bei Behörden und Schulen inzwischen wieder ins Wanken geraten.

Kritik hat es zwar vor und nach der Einführung der Übergangsphase 1998 bereits gegeben, aber vor allem im letzten Sommer haben sich besonders viele Köpfe aus dem Sommerloch gereckt um Flagge zu zeigen, so dass erneut und vor der verbindlichen Einführung zum 1. August 2005 eine heftige Diskussion um das Für und Wider entstanden ist, bis in höchste politische Kreise, aber wohl nicht mit höchster Kompetenz. Warum da gerade zu diesem Zeitpunkt ein neuer Duden erscheinen musste ist vielleicht verständlich wenn man weiß, dass er zu den meistverkauften Büchern überhaupt zählt!

Haben sich zuerst einige Schriftsteller gegen die neue Rechtschreibreform ausgesprochen, so folgten radikal mit der Rückkehr zur alten Schreibweise einige der größten Zeitungs- und Zeitschriftenverlage, allen voran die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Ihr folgten jetzt mit spektakulären Ankündigungen die Springer-Presse, der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung. Wahrgemacht hat es von diesen allerdings bislang nur die Springer-Presse, während Spiegel und Süddeutsche vorerst einen abwartenden Rückzug gemacht haben. Es wird geschätzt, dass heute etwa die Hälfte der Zeitungsauflagen in neuer und die andere Hälfte (abwartend) in alter Schreibweise erscheinen.

Auch prominente Schriftsteller wurden nun massiver, allen voran Günter Grass und Martin Walser sowie die frisch gekürte Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, die zusammen mit ca. 200 gleichgesinnten Kollegen in einer Unterschriftenaktion zur Buchmesse, dem "Frankfurter Appell", die Rücknahme der Rechtschreibreform eindringlich forderten.

Dass solche Forderungen prominenter Persönlichkeiten und großer meinungsbildender Verlage Bürger zu ähnlicher Meinung veranlassten, zeigt eine Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach, die Anfang Oktober veröffentlicht wurde: danach traten 63% der Befragten dafür ein, ganz oder teilweise zur alten Rechtschreibung zurückzukehren; nur 26% möchten die neue beibehalten, während es im April des gleichen Jahres noch 33% waren.

Das Für und Wider ist nun in der jüngsten Vergangenheit genügend in der Presse erörtert worden und braucht deshalb hier nicht wiederholt zu werden. Neue Argumente wurden allerdings von bibliothekarischer Seite eingeführt, ohne dass diese allerdings irgendeine Wirkung gezeigt hätten. Sicherlich liegt dies auch an der mehr privaten Initiative mit ihren ca. 100 Unterschriften, ohne dass sich unser neuer, großer Dachverband, der BID, dafür stark gemacht hätte, auch wenn die Argumente als offener Brief an die Ministerpräsidentenkonferenz geleitet und in den Diskussionslisten von InetBib und DBV-LIST veröffentlicht wurden.

Argumentiert wurde darin, dass bislang die Auswirkungen der Rechtschreibreform auf die Bibliothekskataloge und Suchmaschinen gar nicht berücksichtigt wurden. Erstere geben nur das wieder, was als Titel des Buches vorlag, bislang in alter Schreibweise, in Zukunft in alter oder neuer, je nachdem, was Autor oder Verlag bevorzugen. Suchmaschinen können nur das finden, was und wie es ihnen eingegeben wurde, Buchstabe für Buchstabe, in alter und/oder neuer Schreibweise. Man wird also vieles nicht finden, wenn man nicht beide Schreibweisen beherrscht, nicht im deutschsprachigen Raum und erst recht nicht im Ausland! Es ist, wie gesagt, bedauerlich, dass diese Argumente nicht wenigstens mit der Kraft unseres großen Verbandes in die Öffentlichkeit und an die Entscheidungsträger getragen wurden.

Wenn auch die Ministerpräsidenten unter weit heftigerem und prominenterem Druck nicht bereit waren, die Rechtschreibreform zu kippen, so zeigten sie im September auf ihrer Sitzung in Berlin doch wenigstens die Bereitschaft, diese überarbeiten lassen zu wollen. Diesem Votum folgte auch am 14. Oktober auf ihrer Sitzung in Mettlach die Kultusministerkonferenz mit dem Beschluss der Berufung eines "Rates für Deutsche Rechtschreibung", als Ersatz für die 1997 berufene Zwischenstaatliche Kommission für Deutsche Rechtschreibung, mit dem Ziel der Vorlage einer Überarbeitung bestimmter Regeln bis zum Juni 2005, um dann, nach Ablauf der Übergangsfrist, dieses Ergebnis als amtlich und allein verbindlich zum 1. August 2005 einzuführen. Auch der Bundestag wird sich auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion vom November erneut mit dem Thema befassen, um die Kultusminister der Länder zu bitten, "Klarheit für eine einheitliche Rechtschreibung zu schaffen und den derzeitigen verunsichernden Zustand zu beenden".

Es bleibt also abzuwarten, und das tun viele Verlage und wohl auch die Bibliotheken, ob Plan und Ziel dieser Vorgehensweise realisiert werden. Für Bibliotheken wird es dann auf jeden Fall zwangsläufig, Techniken zu entwickeln, um die Nachteile dieser Reform, wie auch immer, zu minimieren.

Es sollte nun aber mit diesen Äußerungen hier keineswegs auf ein neues Schwerpunktthema hingewiesen werden, sondern es waren Gedanken, die dem Autor kamen, als er den neuen Duden zur Rezension erhielt. Vielmehr bestimmen andere Themen dieses Heft wie z.B. der Beitrag von Dr. Sigrid Reinitzer über elektronisches Publizieren an wissenschaftlichen Bibliotheken in Österreich oder die Darlegungen von Dr. Rafael Ball und Dirk Tunger über bibliometrische Analysen als neues Geschäftsfeld für Bibliotheken. Auch die kritische Darstellung von Robert Klaus Jopp über den inzwischen bezogenen Neubau der Bundestagsbibliothek in Berlin wird sicher manchen interessieren. Des weiteren bietet der Bericht von Prof. Dr. Wolfgang Ratzek über eine Tagung in Shanghai gleichzeitig neue Einblicke in ein noch immer verborgenes Land.

So hoffen wir für unsere Leser und Leserinnen wieder ein interessantes Informationspaket geschnürt zu haben, das Ihnen vor oder nach den Feiertagen hoffentlich neue Erkenntnisse bietet. In diesem Sinne wünschen die Herausgeber Ihnen geruhsame Feiertage und einen gesunden Wechsel in das Neue Jahr.

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur