Strategisches Management für Bibliotheken,
von Sigrid Reinitzer
Bibliotheken, Museen und Archive (BAM) sind zentrale Kultur- und Informationseinrichtungen für alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes, da nicht nur Ausbildung, Wissenschaft und Forschung, sondern auch das lebensbegleitende Lernen global für alle Menschen von immer größer werdender Bedeutung ist. In den letzten Jahrzehnten wurden die trennenden Faktoren der BAM-Einrichtungen hervorgehoben, heute besinnt man sich der verbindenden Aspekte und betont verstärkt die Arbeiten, die gemeinsam durchgeführt werden können. Dazu gehört z.B. das Digitalisieren von Dokumenten oder die Langzeitarchivierung von elektronischen Materialien. Wichtigstes Ziel ist, dass die Informationen für alle Menschen zur Verfügung stehen. Die UNESCO hat hierfür ein eigenes Programm entwickelt - IFAP (Information for All Program), wofür auch in Österreich unter Vorsitz von Herrn HR Dr. Dietrich Schüller im Frühjahr 2004 eine neue Arbeitsgruppe gegründet wurde.
http://www.unesco.at/user/programme/infokomm/infokomm.htm
http://www.oegdi.at/IFAP/IFAPProtokoll_27-05-2004.doc
Die vorrangigen Ziele von IFAP im Informations- und Kommunikationsbereich sind:
Alle Aktivitäten der wissenschaftlichen Bibliotheken stehen unter dem Druck der immer knapper werdenden finanziellen Ressourcen, der sich in Zukunft noch verstärken wird. Diese Tatsache beeinflusst die Leistungen der Bibliotheken, die sie für Wissenschaft, Forschung und Lehre sowie für das lebensbegleitende Lernen der BürgerInnen des Landes erbringen.
Unter diesem Aspekt wird es immer wichtiger, Kooperationen und Partnerschaften im lokalen, nationalen und internationalen Bereich anzustreben und abzuschließen. Diese Kooperationen und Partnerschaften haben Jahrhunderte alte Tradition und werden im Bibliothekswesen weltweit geübt, ganz besonders intensiv ist diese Zusammenarbeit im lokalen und nationalen Bereich. In Österreich wurde die Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Bibliotheken unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung seit den Siebziger Jahren bis 2000 unter Berücksichtigung von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit sehr gefördert. Doch auch in der veränderten Universitätslandschaft ist es den wissenschaftlichen Bibliotheken ein hohes Anliegen, aktiv miteinander die Informationslandschaft zu gestalten, damit Wissenschaft, Forschung und Lehre in unserem Land eine hervorragende Position einnehmen. Zu berücksichtigen ist dabei der neue Aspekt der Konkurrenzierung der Universitäten untereinander. Die neue Form der Kooperation muss daher auch diesen erschwerenden Faktor einbeziehen.
Beispielsweise besteht die Bibliothekslandschaft in der Steiermark aus fünf Universitätsbibliotheken, nämlich der Karl Franzens Universität Graz, der Technischen Universität, der Medizinischen Universität und der Universität für Musik und darstellende Kunst, alle in Graz, sowie der Montanuniversität Leoben, weiters aus den Bibliotheken der Fachhochschulen und der Pädagogischen Akademien, aus den Schulbibliotheken, der Landesbibliothek, der Bibliothek der Arbeiterkammer sowie den Stadtbibliotheken und öffentlichen Büchereien. Träger dieser Bibliotheken sind einerseits der Bund, andererseits das Land bzw. die Stadt Graz und die Gemeinden.
1. Grundsätzliche Überlegungen
Kooperationen geschehen im Bibliothekswesen auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichen Aufgabenbereichen:
2. Strategische Analyse
2.1 Zielgruppen
1. Zielgruppe: Bibliotheken, sowie Archive und Museen in Graz und der Steiermark.
1.1 als größter Bereich sind die vier Grazer Universitätsbibliotheken und die Universitätsbibliothek in Leoben anzusehen.
1.2 die Bibliotheken der Fachhochschulen, der pädagogischen Akademien sowie die Bibliotheken der Grazer und steirischen Schulbibliotheken (AHS und BHS).
Diese beiden Gruppen sind Einrichtungen des Bundes, sodass eine gewisse Homogenität in der Koordinierung der Ansprechpartner gegeben ist.
1.3 die Landesbibliothek sowie die öffentlichen Büchereien der Stadt Graz und der steirischen Gemeinden.
1.4 Bibliotheken von wissenschaftlichen Einrichtungen, Kirche, Vereinen.
1.5 Archive und Museen der KFUG, der Stadt Graz, der Gemeinden und des Landes (Steiermark) sowie des Bundes.
2. Zielgruppe: wissenschaftliche Bibliotheken in Österreich sowie Archive und Museen.
2.1 15 Universitätsbibliotheken, die Bibliothek der Akademie der bildenden Künste in Wien und die Österreichische Nationalbibliothek.
2.2 Bibliotheken der Fachhochschulen, der pädagogischen Akademien.
2.3 Landesbibliotheken sowie die öffentliche Büchereien.
2.4 Bibliotheken von wissenschaftlichen Einrichtungen, Kirche, Vereinen.
2.5 Archive und Museen.
3. Zielgruppe: wissenschaftliche Bibliotheken in den Nachbarländern von Österreich sowie Archive und Museen.
3.1 Bibliotheken in deutschsprachige Nachbarländern
3.2 Bibliotheken in EU-Nachbarländern
3.3 Archive und Museen.
2.2 Bedarfsanalyse
Die Kooperation kann von Institutionen in verschiedenen Bereichen angestrebt werden. Kooperation muss immer von mehreren Einrichtungen angestrebt und kann nur gemeinsam realisiert werden, sofern dies von der Leitung der jeweiligen Institutionen gewünscht oder zugelassen wird und das erforderliche Budget dafür bereitgestellt wird. In verschiedenen Bereichen wird Kooperation unterlassen, um die eigene Institution nicht in eine Abhängigkeit von der anderen Einrichtung zu bringen, wodurch für die eigene Institution eine Verminderung der eigenen Aktivitäten und des eigenen Prestiges drohen könnte, in seltenen Fällen könnte Kooperation unterlassen werden, damit die Eigenständigkeit bewahrt bleibt.
Für folgende Aufgabenbereiche können durch Kooperationen auf verschiedenen Ebenen Verbesserungen erzielt werden:
Wichtig ist es, jeweils auf nationaler und internationaler Ebene Kontakte wahrzunehmen und entsprechende Aufgaben zu übernehmen, z.B.:
- Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (Arbeitsgruppe: Bibliotheken-Archive-Museen; BAM)
- Minerva (Salzburg Research) im Bereich Digitalisierung, e-fit Austria, e-Europe
- UNESCO im Bereich Aus- und Weiterbildung sowie lebensbegleitendes Lernen.
3. Konkrete Projekte
- Vereinheitlichung der Online-Kataloge zu einem großen Verbundkatalog. In allen Bibliotheken (Universitäten, FHs, Pädagogischen Akademien, Schulen, öffentlichen Bibliotheken) sollen die BenützerInnen eine einheitliche Suchstrategie und Oberfläche geboten bekommen.
- Digitalisierung von unikalen Dokumenten, Zeitungen, Dissertationen, Diplomarbeiten
- Ausbildung, Weiterbildung, Lebenslanges Lernen
- Bestandskoordination von gedruckten und elektronischen Werken; evtl. zentrale Nutzung der BBG, falls diese Verträge anbieten kann, die budgetär erfolgreich sind
- Eine zentrale Stelle schließt auf Basis einer Beauftragung durch Institutionen Lizenzverträge für verschiedene BAM-Einrichtungen in Absprache mit Verlagen ab
- Die Fragen der Langzeitarchivierung von digitalen Dokumenten müssen berücksichtigt und einer Lösung zugeführt werden:
- Was soll durch zentrale Speichermedien "lang / vergleichbar mit Handschriften oder wenigstens Büchern" bereitgehalten werden?
- Was sollen Universitäten speichern: Dissertationen, Diplomarbeiten, Habilitationen, wissenschaftliche Arbeiten (Open Access)? Dabei stellt sich die Frage: werden Medien gespeichert die ausschließlich online vorhanden sind oder auch solche, die es ohnedies in gedruckter Form bereits gibt?
- Wie erfolgt in Zukunft die Dokumentation von Vorlesungen? Wird das Angebot von e-Learning erweitert oder wieder reduziert?
- Was ist Basisliteratur auch im e-Bereich von Spezialbibliotheken, wissenschaftlichen Allgemeinbibliotheken? Richtet sich das Literaturangebot verstärkt auf den jeweiligen (auch kurzfristigen) Bedarf von Forschungsprojekten aus, oder müssen langfristige Strategien berücksichtigt werden, die zukunftsorientiert sind?
4. Resümee
Bibliotheken, Archive und Museen müssen gemeinsam auf nationaler und europäischer Basis folgende Themen aufgreifen und umsetzen:
- Erarbeitung von Ziel- und Leistungskatalogen sowie von Produktkatalogen für das Angebot der unterschiedlichen BAM-Einrichtungen
- Ausarbeitung von Evaluierungsgrundlagen, wobei definiert werden muss, was die Basis für TQM (Total Quality Management) von BAM-Einrichtungen ist. Leitlinien und Standards müssen festgelegt werden
- Die Basis für eine zweckdienliche Mittelverteilung (kurz- und langfristige Aspekte) muss aufgezeigt werden
- Die Frage muss gelöst werden, in welchen Bereichen von Technologie, Forschung und Lehre sowie des lebensbegleitenden Lernens aller Bürgerinnen und Bürger des Landes bzw. von Europa müssen die ersten Maßnahmen gesetzt werden.
http://europa.eu.int/yourvoice/forms/dispatch.jsp?form=330&lang=EN
Zur Autorin
Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer
Strategisches Management für
Bibliotheken, Archive und Museen an der
Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität
Universitätsplatz 3
A-8010 Graz
E-Mail: sigrid.reinitzer@uni-graz.at