Manipulation durch elektronische Suche:
Kompetenzen der Bibliotheken gefragt

von Simon Hölzer

Drei Thesen: Ein freier Zugang zu elektronischen Informationsquellen garantiert noch nicht, das

1.) alle relevanten Informationen zeitgerecht gefunden werden können

2.) keine systematische Verzerrung allein aufgrund der Suchmethode ("Art des Suchens") erfolgt

3.) keine gewollte oder unbewusste Manipulation des Informationssuchenden stattfindet.

Neue Ausgangslage durch neue Technologie

Die zunehmende Vernetzung, höhere Speicherkapazitäten und Bandbreiten der Informationstechnik ermöglichen den ubiquitären Zugang zu immer mehr Information. Dies allein garantiert nicht eine bessere Informationsbereitstellung. Im Gegenteil! Die Präzision, d.h. die Zahl der tatsächlich für eine Suchanfrage relevanten Trefferdokumente sinkt mit steigender Zahl an Ressourcen. Bei heutigen Suchmaschinen leidet die Präzision auch mit steigender Anzahl von eingegebenen Suchbegriffen. Darüber hinaus erfolgt eine für den Anwender nicht transparente (erweiterte) Filterung, Sortierung und damit Manipulation der Ausgabe. Die Anwendung derartiger Suchtechnologie, ob als externer Service oder als Software im Intranet, bleibt problematisch.

Lösungen

Der zunehmenden Manipulation kann man sich auf verschiedene Arten erwehren: z.B. durch das Einholen einer zweiten Meinung (second opinion: andere Suchmaschine oder Metasuche), der Nutzung von Diskussionsforen, Mailinglisten, Newsgroups etc. Eine neuere Methode besteht darin, definierte Nachrichtenkanäle zu bündeln und zu abonnieren. Über diese Kanäle lassen sich auch primär nicht web-basierte Ressourcen (z.B. Datenbankinhalte und Content des sogenannten deep web) bereitstellen.

Das löst aber noch nicht das Problem der Suche innerhalb dieser Informationsströme.

Minimieren von Manipulation heißt auch immer Optimieren der Informationsbereitstellung. Hier leisten die Bibliotheken heute und in Zukunft einen entscheidenden Beitrag. Denn sie verfügen z.B. über das Wissen, welche Suchziele verfolgt werden, kennen inhaltliche Bedeutungen, Zusammenhänge und den Kontext zu übergeordneten/assoziierten Themen. Dabei wird zunehmend eine Strukturierung der elektronischen Datenbestände auf unterschiedlichen Ebenen durchgeführt. Diese themenbezogene Ordnung, Verschlagwortung und Strukturierung der Ressourcen ergibt sich aus dem Wissen um die Semantik (inhaltliche Bedeutung) und die Zusammenhänge zwischen verschiedenen verwalteten Objekten (Autoren/Urheber, Dokumenten/Dokumenteninhalten und deren physischer Ablage). Derartiges Wissen kann bei der Suche eingesetzt werden.

Neueste Suchtechnologien basieren entsprechend auf der Möglichkeit der automatischen thematischen Zuordnung und dem Erkennen von Begriffszusammenhängen über sogenannte semantische Konzepte. Diese Verfahren gehen zudem davon aus, dass die Speicherung und Pflege von Informationsinhalten bei den Urhebern (Autor, Redaktion etc.) verbleibt. Dieser konsequent verteilte Ansatz in Kombination mit transparenten Suchstrategien ist weitaus manipulationsresistenter.

Einige dieser Technologien stehen für die Öffentliche Verwaltung/Dienstleistung gemeinfrei zur Verfügung und werden an verschiedenen Bibliotheken erfolgreich eingesetzt (weitergehende Informationen und Literatur beim Autor).


Zum Autor

Privatdozent Dr. med. Simon Hölzer

Fährstr. 30
CH-3004 Bern
Schweiz
Tel.: 0041 76 4035536
E-Mail: simon.hoelzer@uni-giessen.de