8. InetBib-Tagung 2004 in Bonn

von Mary Jo Rabe

Mehr als 370 Teilnehmer trafen sich vom 3. bis 5. November in den Räumen der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn zur 8. Inetbib-Tagung und konnten dabei in diesem Jahr zehn Jahre Inetbib-Diskussionsliste feiern. So wertvoll die Diskussion der Inetbib-Liste ist (über 4000 Teilnehmer würden kaum bleiben, wenn die Liste nicht hervorragend wäre), die Tagung bedeutet noch eine Qualitätssteigerung. Eine Tagung ist "dreidimensional", während eine Diskussionsliste per E-Mail nur "zweidimensional" sein kann. Bei der Tagung lernt man die Menschen schätzen, die man sonst nur von E-Mails "kennt". Jede Diskussion hat einen mehrschichtigen, tieferen Charakter, wenn sie live und menschlich stattfindet und erlebt wird, statt nur schriftlich und mit Zeitverzögerung über den Bildschirm.

Die Inetbib 8, wie alle bisherigen Inetbibs, war nicht nur ereignis- und abwechslungsreich, sie war vor allem auch informativ. Die Friedrich-Ebert-Stiftung (http://www.fes.de) mit ihrem schönen roten Backsteinbau war ein perfekter Tagungsort und sehr leicht zu erreichen. Die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung (http://library.fes.de) ist eine der größten wissenschaftlichen Spezialbibliotheken Europas und das Archiv der sozialen Demokratie (AdsD) der Friedrich-Ebert-Stiftung (http://www.fes.de/archive) eines der bedeutendsten Archive Europas. Archiv und Bibliothek organisierten interessante zusätzliche Vorträge und Führungen sowie Ausstellungen um die Tagungsräume und in der Bibliothek.

Viele Vorträge sind auf der Inetbib-2004-Programmseite als Volltextversion vorhanden (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2004/programm.html) und sehr gelungene Fotos gibt es auf der Inetbib-2004-Fotoseite (http://www.ub.uni-dortmund.de/inetbib2004/fotos.html).

Die Tagung begann mit ausgezeichneten Workshops. Da die Freiburger Ordinariatsbibliothek jetzt erst - nach langem Entstehungsprozess - eine Homepage hat, habe ich mich besonders auf den zweiten Workshop zum Thema "Webredaktion" gefreut. Rund 40 Personen drängten sich in dem engen Raum und alle waren von der Referentin Barbara Knorn begeistert. Sie sprach darüber, wie gut organisierte Webteams mit sinnvoller Arbeitsteilung die Webseiten in Bibliotheken noch innovativer, effektiver und aktueller machen können und gab praktische Tipps, wie Bibliotheken besonders mit ihren EDV-Abteilungen zusammenarbeiten können. Frank Sander (http://www.wilder-jaeger.de), der letztes Jahr einen beeindruckenden Vortrag bei der Inetbib-Tagung in Frankfurt über Barrierefreiheit von Webseiten gehalten hat, gab anschließend weitere praxisnahe Tipps, wie Barrieren auf Webseiten erkannt und beseitigt werden können. Hier müsse es "menschlich" zugehen. Wir dürften uns nicht auf Software verlassen, weil keine Software alle Barrieren erkennen kann. Barrierefreiheit braucht ständige menschliche Aufsicht und Pflege. In humorvoller Art gab Frank Sander Denkanstöße und legte uns nahe, uns über die BITV (Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung) zu erkundigen und Informationen über die Web Accessibility Initiative einzuholen. Vera Tidona erklärte dann das Website-Management mit CMS (Content Management System) und die eindeutigen Vorteile dieses Systems durch die Trennung von Inhalt und Layout und durch die einfache Bedienbarkeit für die Redakteure. Nach dem Workshop gab es etwas Zeit, die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung und die einzelnen Firmenaussteller zu besuchen.

Bei der Eröffnungsveranstaltung hieß uns zunächst Dr. Renate Vogt von der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn willkommen, bedankte sich bei den Partnern der Tagung, der Universitätsbibliothek Dortmund, der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und lobte die optimalen Räumlichkeiten. Dr. Roland Schmidt von der Friedrich-Ebert-Stiftung hob in seinen Begrüßungsworten hervor, dass die Friedrich-Ebert-Stiftung sich schon seit 1994 mit dem Internet beschäftige. Prof. Dr. Wolfgang Löwer von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn staunte in seinem Willkommensgruß über die Vielfalt der Tagungsthemen.

Michael Schaarwächter, dem wir in der Inetbib-Diskussionsliste ja alles verdanken, gestand, dass er, obwohl es ihm nichts ausmache, E-Mails an 4000 Menschen zu schicken, sich doch nervös fühle, wenn er nun vor nur einem Zehntel dieser Gruppe stehe. Er gab einen faszinierenden statistischen Überblick über die Inetbib, von der ersten E-Mail im Jahr 1994 mit 28 Teilnehmern bis zum jetzigen November 2004, in dem die Liste 4000 Teilnehmer umfasst. In diesen zehn Jahren wurden über 26.000 E-Mails verschickt. Themen der E-Mails waren Internetseiten, Stellenmarkt, Information zu Tagungen, Bibliotheksarbeit und oft sehr gelungene Aprilscherze. Natürlich gab es auch Kleinkriege; Teilnehmer zeigten sich gereizt, verletzt oder ungeduldig. Aber viele haben geschrieben, um sich für die Informationen von anderen Teilnehmern zu bedanken. Es gibt Lurker, die selten bis nie etwas schreiben, und Vielschreiber, die Hunderte von E-Mails an die Liste schicken. Bei 4000 Teilnehmern kann die Liste es kaum jedem recht machen. Manche können nicht mehr als 20 E-Mails pro Tag ertragen und ärgern sich über "Off-Topic" E-Mails. Andere freuen sich über besonders unterhaltsame E-Mails und empfinden jede Bitte, man sollte sich eher "On-Topic" äußern, als unerträgliche Zensur. Viele haben ihre Lieblingsthemen und ihre festen Überzeugungen, bei denen sie argumentationsresistent sind. Beim Medium E-Mail ist der Tonfall heikel. Ohne persönlichen Kontakt fühlen sich manche auch bei objektiven Kommentaren leicht und schnell verletzt.

Für den Moderator Michael Schaarwächter bleibt das Dilemma: Lässt er die Kontrahenten ihre Schlachten austragen, riskiert er, dass manche Angst haben, E-Mails an die Liste zu schicken, weil sie befürchten, die berüchtigten "Vielschreiber" würden sie fertig machen. Geht er auf die Beschwerden ein, ist das Wort "Zensur" sofort da. Schaarwächter findet nach zehn Jahren Inetbib, dass das Experiment grundsätzlich gelungen und ein Forum wie Inetbib, wo man schnell einen Informationsaustausch verwirklichen kann, notwendig und nützlich ist. Aber eine Liste wie Inetbib braucht eine besondere Streitkultur, die durch Toleranz und Geduld gekennzeichnet ist. Dankbar wurde zur Kenntnis genommen, dass Michael Schaarwächter die Liste weiter moderieren will. Er sorgt seit zehn Jahren dafür, dass wir uns in der Liste so wohl fühlen. Und wenn man ihn bei der Inetbib-Tagung persönlich trifft, erlebt man einen freundlichen und netten Menschen, der immer geduldig zuhört. Wünschenswert wäre es, wenn ihm die lästigen, ungerechten Angriffe aus der Liste erspart blieben.

Nach der Kaffeepause fing der brisante Block "Nachhaltigkeit elektronischer Publikationen" an. Prof. Dr. Gudrun Gersmann stellte uns das erfolgreiche und beispielhafte eJournal "zeitenblicke" (http://www.zeitenblicke.historicum.net/) vor, das von der Dipp (Digital Peer Publishing NRW, http://www.dipp.nrw.de) gefördert wird. E-Journals wie "zeitenblicke" sind international verfügbar, können sowohl kommentierte Illustrationen als auch Multimedia anbieten, und brauchen keinesfalls auf Peer Review zu verzichten. Zufällig, also ohne bei dieser Inetbib-Tagung darauf aufmerksam gemacht worden zu sein, wäre ich mit Sicherheit nicht auf diese eJournals aufmerksam geworden.

Dr. Silke Schomburg hielt einen hoch interessanten Vortrag über den jetzigen Stand der Open Archives Initiative, OAI. Jahre lang gab es verschiedene lokale und regionale elektronische Archive, aber erst mit der OAI wurden Möglichkeiten geschaffen, Zugang zu diesen Archiven zu ermöglichen. Es gibt noch viele Herausforderungen und Probleme, aber jetzt geht es darum dafür zu sorgen, dass mehr Hochschulen mitmachen.

Hans-Joachim Wätjen sprach deutliche Worte und Warnungen über Open Access in Deutschland, von Bibliotheken und ihren Benutzern, besonders Wissenschaftlern, gewünscht, von der Wirtschaft teilweise aber als "Freibier für die Wissenschaft" verschrien. Die Problematik ist komplex. Es gibt eine wachsende Informationsflut verbunden mit stark abnehmenden Möglichkeiten, ohne hohe Kosten an Informationen heranzukommen. Bibliotheken stehen zwischen allen Fronten. Herr Wätjen hat auf anschauliche Weise die Unterschiede zwischen dem "goldenen Weg" von OA Publishing und dem "grünen Weg" von OA Self-Archiving gezeigt. Self-Archiving hat großes Potential, aber die Bibliotheken müssen die Wissenschaftler davon überzeugen.

Beim Einwand von Marlene Nagelsmeier-Linke wurde mir wieder klar, wie wertvoll diese Tagung ist. Die Diskussion zwischen Herrn Wätjen und Frau Nagelsmeier-Linke, upfront and personal, war bemerkenswert: Beide vertraten deutlich entgegengesetzte Positionen, aber die Diskussion war durch hohen gegenseitigen Respekt gezeichnet.

Nach diesem anspruchsvollen Nachmittag haben wir uns auf die Ausstellung mit Happy Hour am Gemeinschaftsstand der Veranstalter in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung gefreut. Dort traf ich auf viele, die von der Tagung genauso begeistert waren wie ich. Die Aussteller und Sponsoren sind jedes Jahr sehr wichtig, denn sie geben mir neue Ideen für Dienstleistungen oder Anschaffungen in der Ordinariatsbibliothek.

Donnerstagmorgen wollten wir keine Minute des Vortrags von Prof. Dr. Rolf Schulmeister über eLearning verpassen, der über die Vorteile von eLearning zusammen mit Präsenzlearning sprach, aus denen ja so etwas wie "Blended Learning" entsteht. Blended Learning kann häufig auftretende Schranken überwinden mit "A3", "Anywhere, Anytime, Anyplace/Anyone". Die Zukunft der Universität heißt "Blended Learning", mit Beteiligung von EDV und Bibliothek. Faszinierend!

Dr. Petra Hennecke erzählte uns von den Erfahrungen mit neuen Medien im Thüringer Verbundstudiengang Werkstoffwissenschaft. Man dachte sehr früh an Möglichkeiten von Teleteaching (Televorlesung, Teleseminare, Teleturorien) und E-Learning. Eigentlich wurde von Anfang an eine Art "Blended Learning" angestrebt, was jetzt seit sechs Jahren stattfindet und die Verantwortlichen bemühen sich ständig um Verbesserungen des Angebots und darum, die technologischen Fortschritte noch besser auszunutzen.

Nach diesem Block wurden wir nochmals von den großzügigen Sponsoren zu einer netten Kaffeepause eingeladen, und wir haben diese Gelegenheit dazu benutzt, die Stände der Aussteller zu besuchen. Es gab viel zu sehen und wenig Zeit, weil ich keinen Vortrag verpassen wollte.

Ich wusste nicht, was ich mir unter dem Begriff "Specials" bei Block 4 vorstellen sollte, aber aus Erfahrungen der vergangenen Jahre war ich sicher, dass der Vortrag "Sehnsucht nach dem weiten Meer" von Marlene Nagelsmeier-Linke und Frank Sander ein Genuss sein würde. Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Frau Nagelsmeier-Linke hat in Anlehnung an das Zitat von Saint-Exupéry überlegt, wie eine Universitätsbibliothek bei ihren Benutzern "Sehnsucht", bzw. Interesse oder die Bereitschaft fördern kann, die verschiedenen Suchmöglichkeiten kennen zu lernen, die eine Universitätsbibliothek zu bieten hat. Die "Kids" im Alter von 14 bis 29 sind die nächste Studierendengeneration. Sie verlassen sich gern auf die schnellen Antworten aus Google, sind an schnelle Videoclips gewöhnt und eher durch Spaßerlebnisse zu motivieren. So entstand die Idee eines Online-Spiels, wodurch die jüngeren Benutzer mit den Angeboten der Universitätsbibliothek vertraut werden würden. Herr Sander hat das von ihm entwickelte unterhaltsame Spiel dann vorgestellt: Ein lustiger unerschrockener Bücherwurm wird auf die Jagd geschickt, wobei es darum geht, Begriffe aus den Bibliotheksangeboten zusammenzustellen. Vorbild für dieses Spiel soll die Moorhuhnjagd sein, aber ich fühlte mich an Pac Man oder Donkey Kong erinnert (wobei ich mein Alter natürlich preisgebe). Herr Sander hat uns das Spiel vorgeführt, und wir konnten das Spiel danach am Stand des HBZ in der Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung ausprobieren.

Dirk Pieper und Friedrich Summann sprachen dann über BASE (Bielefeld Academic Search Engine) und über Suchmaschinentechnologien für digitale Bibliotheken. Benutzer verlangen, dass alle Ergebnisse aus Suchmaschinen genauso schnell kommen wie aus Google. Bei der Suche nach qualitativ hochwertigen und wissenschaftlich relevanten Informationen ist es natürlich wichtiger, dass alle Quellen angezapft werden, auch wenn es länger dauert. Mit Einsatz von Suchmaschinentechnologie integriert BASE Suchen durch digitale Bibliothekskataloge, kommerzielle Provider, Portale und den "visible web". Eine erste Version von BASE kann man im Internet ausprobieren: http://base.ub.uni-bielefeld.de.

Nach dem Büfett gab es erneut Zeit, sich mit Kollegen zu unterhalten und sich nochmals mit den Ausstellern zu beschäftigen. Um 13 Uhr fanden im großen Saal zwei Firmenvorträge von ImageWare und von IBM Deutschland statt, die niemand versäumen wollte. Überhaupt gab es viele interessante Firmenvorträge, aber ich konnte mich von den attraktiven Tagungsvorträgen einfach nicht wegreißen.

14 Uhr ging es mit den Tagungsvorträgen weiter. Dr. Rüdiger A. Niehl berichtete von dem spannenden CAMENA-Projekt, der Digitalisierung von alten Drucken in lateinischer Sprache. Das CAMENA-Projekt bietet Bildscans der originalen Drucke mit verlinkten Volltextabschriften in XML-Format. Dadurch werden wertvolle alte Drucke gleichzeitig für die Zukunft geschont und andererseits publik gemacht, für alle zugänglich. Von diesem Projekt profitieren Benutzer und Bibliotheken zugleich! Wir können nicht oft genug daran erinnert werden, dass, wenn wir für die Benutzer etwas Gutes tun, die Bibliothek meist davon profitiert.

Dr. Christian Reinicke berichtete Faszinierendes über die verschiedenen Dienstleistungen im Personenstandsarchiv Brühl (http://www.archive.nrw.de, Staatsarchive, Personenstandsarchiv Brühl). 90% der Benutzer dieses Archivs sind Familienforscher. Durchschnittlich 87.000 Archivalien werden jährlich durchgesehen, eine Gefahr für das Archivgut. Also hat das Personenstandsarchiv Brühl nach Möglichkeiten gesucht, die Kirchenbücher anders für die Familienforscher zugänglich zu machen. Lange Zeit wurde die Mikroverfilmung als beste Lösung angesehen. Seit den 1990er Jahren war Mikrofiche das Wunschmedium für die Archivnutzung. Aber die Mikrofiches waren umständlich zu benutzen, waren nicht immer von guter Qualität und verursachten eine hohe Auslastung der Readerprinter, weswegen es auch unterschiedliche Qualität bei Kopien gab. Die Benutzer hatten inzwischen ganz andere Ansprüche. Computerkundige wollten einen bequemen Zugriff auf gute Kopien der Archivalien, sowie eine Nutzung wie beim Original, mit Blättern, Kopieren von einzelnen Seiten, usw. Also hat das Archiv sich für eine Digitalisierung der Kirchenbücher mit dem Ziel der einfachen Benutzung entschieden. Die originalen Kirchenbücher wurden Seite für Seite in 24-Bit Color digitalisiert, um das Erkennen von paläografischen Besonderheiten zu erleichtern. Diese Bilder wurden auf Servern im Archiv gespeichert und werden seit neuestem auf CD-ROMs gebrannt und an die Familienforscher verkauft. Mit Hilfe der Benutzer sollen Transkriptionen der Kirchenbücher gemacht werden, die mit auf die CD gebrannt werden. Später sollen alle Informationen übers Internet zugänglich sein. Digitalisierung wird als Hilfe für die Benutzung gesehen, nicht nur als Sicherungsmedium, um die Originale zu schonen - eine hervorragende Idee! Digitalisierung fördert die Zusammenarbeit zwischen Archiv und Benutzern, zum Wohle aller Interessierten.

Günter Mühlberger und Peter Pfister hielten einen Vortrag über die Konvertierung von Frakturschriften und die automatische Generierung von Volltexten mit Optical Character Recognition (OCR). Die Erfolgsquote dieser neuen Projekte ist beachtlich. Zur Geschichte der Fraktur zeigte Herr Mühlberger uns eine Kopie eines Erlasses, der bezeugte, dass, was die heutigen Rechtsradikalen wohl nicht wissen, Frakturschrift damals von den Nazis als undeutsch verboten wurde!

Nach einer weiteren Kaffeepause sprach Dr. Berthold Gillitzer sehr anschaulich über Medea3, ein Bestellungsverwaltungssystem für Ausleihe und Kopienversand für Bibliotheken in Bayern, wobei Benutzer ihre Bestellungen per E-Mail oder über den Browser abgeben können. Die Bestellungen werden an die gebende Bibliothek weitergeleitet, gescannt und dann an die nehmende Bibliothek weitergeleitet. Der Benutzer holt seine Bestellung an der Bestellbibliothek ab. Der Leitweg ist vollständig dokumentiert; der Workflow läuft perfekt. Benutzer und Bibliotheken genießen die Vorteile von Medea3.

Anschließend erklärte Uwe Rosemann die "hard, cold facts of life" über Urheberrechtsfragen und Subito. In seiner ruhigen, sachlichen Art hat er uns den Verlauf der Klagen gegen Subito beschrieben und den Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft analysiert. Am 18. Juni 2004 reichte der Börsenverein des deutschen Buchhandels und Stichting STM eine Klage gegen Subito e.V. am Landgericht München ein. Die Parteien sind sich einig, dass dieser Prozess ein Musterverfahren ist und große Veränderungen mit sich bringt. Betroffen sind diejenigen, die urheberrechtlich geschützte Werke schaffen, diejenigen, die diese verwerten, diejenigen, die sie nutzen und diejenigen, die die vorhandenen Werke archivieren und sie den Nutzern zugänglich machen. Subito besteht aus 33 Mitgliedsbibliotheken, bei denen natürlich die Risikobereitschaft eher klein ist. Im Referentenentwurf für ein Zweites Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft gibt es einige gravierende Nachteile für Bibliotheken. Also brauchen Bibliotheken dringend Alliierte. Herr Rosemann ist zuversichtlich, dass die Verlage Bibliotheken nicht behindern wollen, sondern dass sie nur eine angemessene Vergütung für die Werke eines Verlages sichern wollen.

Ich fand es jedoch schwer, den Optimismus von Herrn Rosemann zu teilen. Herr Wätjen befürchtete, dass diese Tatsachen eher eine Horrorprognose für die Zukunft bedeuten und empfahl uns dringend, die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004 zu unterschreiben: http://www.urheberrechtsbuendnis.de.

Nach diesem informativen Nachmittag war die Freude auf die Abendveranstaltung "Wir feiern 10 Jahre Inetbib" riesengroß, und diese Vorfreude wurde nicht enttäuscht. Wir feierten vergnügt in der Friedrich-Ebert-Stiftung. Es gab ein vorzügliches Essen, für jeden wirklich alles, und das in großzügigen Mengen! Nur beim Dessert wurden diejenigen enttäuscht, die nicht schnell genug waren. Im Hintergrund spielte die angenehme Swing-Musik des Bernd-Lier-Ensembles, nicht zu laut, und nicht zu leise. Die Sängerin brillierte mit einer fantastischen Stimme. Der Höhepunkt des Abends war das Improvisationstheater mit drei Frizzles (http://www.frizzles.de), die uns ununterbrochen zum Lachen brachten. Am Schönsten war aber, noch einmal eine Chance zu haben, sich mit Inetbiblern zu unterhalten, die man höchstens einmal im Jahr sieht.

Am Freitagmorgen war es natürlich nicht ganz so einfach, um Punkt 9 Uhr für den Vortrag über Wissensmanagement von Frau Ute Engelkenmeier da zu sein. Bevor man über Wissensmanagement reden kann, muss man natürlich klarstellen, was mit "Wissen" gemeint ist. Bewusster Umgang mit Wissen führt zu Leistungssteigerungen beim Zusammenspiel zwischen Mensch, Technik, Organisation. Hochschulen sind inzwischen Unternehmen, und die Bibliothek, da besonders gut für Wissenstransfer geeignet, spielt eine zentrale Rolle als Mittler zwischen internen Leistungen und externen Partnern.

Dr. Ulrike Wigger erzählte über praktiziertes Wissensmanagement an der Deutschen Sporthochschule Köln. Ziel des Projektes Sport-eL (e-Learning in Sport-Science und Sport) war eine Verbesserung der Lehre und Forschung durch IT-Technologie und größeren Einsatz von E-Learning. Das ganze zur Verfügung stehende Wissen wurde in Multi-Media-Lernmodellen organisiert, die als Produkte in verschiedensten Formen angeboten werden. Der Kunde kann jetzt über die Website alles nach individuellen Wünschen bestellen. In der IT-Infrastruktur spielt die Bibliothek eine zentrale Rolle. Der Erfolg dieses Projekts kommt durch Miteinbeziehung der Studierenden, Integration in die Universität und durch den Einstieg in universitäres ePublishing.

Dr. Thomas Kamphusmann sprach über die Arbeit am Fraunhoferinstitut, um die Möglichkeiten wissenschaftlicher Kommunikation und ihre technische Unterstützbarkeit zu verbessern. Der Kommunikationsprozess unter Wissenschaftlern läuft oft unstrukturiert, wenn nicht sogar zufällig. Mit einer Kommunikationsstruktur aber könnte die Effizienz erhöht werden. Ein Informations- und Kommunikationssystem muss komplexe Aufgaben bewältigen, wobei je nach Kontext verschiedene Medien geeignet sind. Ziel ist, dass der Wissenschaftler benachrichtigt wird, wenn etwas in seinem Bereich geschieht. Ein dynamisches Informationsangebot der Bibliotheken würde dazu führen, dass sie noch mehr benutzt werden.

Dann kam die letzte Kaffeepause und zugleich die - von mir so empfundene - letzte Chance, die Ausstellungen anzuschauen und Informationen von den Ausstellern zu erhalten.

Danach sprach Dr. Peter Kostädt - zwar fast ohne Stimme, aber seine Ausführungen über Indexierung der HBZ-Verbunddaten mit FAST Data Search waren hoch interessant. Erst erklärte er die verschiedenen Vorzüge eines Bibliothekskatalogs verglichen mit denen einer beliebten Suchmaschine, um dann über eine Integration der beiden Möglichkeiten nachzudenken. Er meint, dies mit Hilfe der Software "FAST Data SearchTM" (von der Firma Fast Search & TransferTM) in der HBZ-Verbunddatenbank erreicht zu haben.

Dr. Florian Seiffert sprach am Freitag. Es war das fünfte Mal, dass wir den Genuss hatten, bei einer Inetbib-Tagung einen Vortrag von Dr. Seiffert zu erleben. Sein Vortrag über die Indexierungsweise von Google und anderen Suchmaschinen am Beispiel des Virtuellen Bücherregals NRW war wieder mal der Höhepunkt der Tagung (nachzulesen auf seinem Server: http://www.florian-seiffert.de/2004/Bonn/Inetbib2004.pdf). Natürlich haben wir während dieser Tagung eine perfekte Powerpoint-Präsentation nach der anderen erlebt (und schon lange keinen Overheadprojektor mehr bei einer Inetbib-Tagung gesehen!), aber dieser Vortrag war einfach genial, in Konzept und Ausführung: auf unterhaltsame Art wurden dabei komplizierte Inhalte verständlich dargestellt. Der Inhalt seines Vortrags hat uns ebenso interessiert wie die Darstellung uns bezaubert hat. 80% der Information, die wir aufnehmen, kommen visuell bei uns an. Auf begnadete Art hat er es uns mithilfe von Grafiken und Farben ermöglicht, uns bildlich 12.96 Millionen Bücher vorstellen zu können. Ein rein sprachlicher Vorschlag, wir sollen uns einfach 216.000 Zellen mit 60 Büchern pro Zelle vorstellen, wäre längst nicht so erfolgreich.

Dr. Seiffert zeigte uns die Ergebnisse seiner Beobachtungen. Wie sucht Google durch eine solche Menge im Virtuellen Bücherregal NRW? Nicht linear, wie es vielleicht Physiker anfangen würden, sondern Google geht nach verschiedenen Strategien vor, gar nicht systematisch. Wenn man die Treffer von Google-Bots analysiert, sieht man aber, dass Schlagwörter in den Datensätzen ein Vorteil sind. Es gibt bei Google wohl keine Seitenzahlbegrenzung pro Server. Google sammelt immer neue Seiten an. Nachdem die Google-Bots da waren, dauert es ungefähr einen Tag bis drei Monate, bis die Seite im Index erscheint. Google behauptet, alle vier Wochen Neues einzusammeln. Beim Virtuellen Bücherregal scheint Google nicht nur bis zu einer bestimmten "Tiefe" zu suchen. Was beeinflusst dann die Besucherhäufigkeit der Google-Bots? Google behauptet, alle vier Milliarden Seiten werden einmal im Monat indexiert. Wenn ein Treffer auf einer Seite gefunden wird, dann kommt der Google-Bot das nächste Mal viel früher. Also kann man die Bots anlocken. Es lohnt sich, die eigene Seite zu suchen. Dr. Seiffert machte uns wieder mal darauf aufmerksam, dass die Benutzer sich heute für Kategorien nicht interessieren, ja sie wissen gar nicht, was unsere Bibliothekskategorien bedeuten. Man will alles durch Google finden, schnell und einfach. Bibliotheken müssen ihre Suchangebote dem Verhalten der Benutzer anpassen. Das HBZ verfährt zweigleisig mit OPAC und mit schneller Suchmaschine.

Berndt Dugall hielt einen hoch aktuellen Vortrag über Vascoda aus der Sicht eines Nutzers. Natürlich kennen Bibliotheksprofis Vascoda. Bei der letzten Inetbib in Frankfurt sprachen Christine Burblies und Dr. Tamara Pianos über die Zukunftsperspektiven von Vascoda. Aber Herr Dugal hat eine neue Sicht von Vascoda vermittelt, die eines enttäuschten Benutzers. In der Theorie bietet Vascoda umfassende Nachweise für Wissenschaftler; in der Praxis aber, die Herr Dugall aus seiner Erfahrung detailliert beschrieb, führen Suchen oft zu falschen Ergebnissen oder zu Nachweisen, für die der Benutzer eine eigene Lizenz braucht. Die Suchmechanismen funktionieren manchmal nicht wie versprochen. Herr Dugall meinte, der wissenschaftlich gebildete Laie würde mit Google bei seinen Suchen mehr Erfolg haben. Dr. Beate Tröger entgegnete, dass viele Probleme aus der Entstehungsgeschichte von Vascoda entstanden seien. Mit 45 Partnern ähnle das Portal teilweise mehr einem schwerfälligen Tanker als einem schlanken Rennboot. Die Idee von Vascoda sei aber gut, man brauche einfach mehr Zeit. Als Bibliotheksprofis finden wir diesen Einwand natürlich sympathisch, aber wir sollten eher an die Benutzer denken, uns in ihre Lage versetzen. Wenn ein Nutzer mit Vascoda schlechte Erfahrungen macht, ist er weg. Bibliotheksprofis haben vielleicht Geduld und sind bereit, auf Verbesserungen zu warten, Benutzer nicht. Ich denke an den Spruch aus dem Film Feld der Träume (Field of Dreams), "If you build it, they will come". Das stimmt natürlich, aber auch: "If it doesn't work, they will leave". Auch diese deutliche Meinungsverschiedenheit zwischen Herrn Dugall und Frau Dr. Tröger wurde, wie immer bei einer Inetbib-Tagung, in einer Atmosphäre von gegenseitiger Hochachtung und gegenseitigem Wohlwollen durchgeführt und es ist schön, live dabei zu sein.

André Schaefer erzählte in dem letzten Vortrag der Inetbib-Tagung in Bonn viel Interessantes über Daffodil, ein System zur integrierten Suche in heterogenen digitalen Bibliotheken eines Fachbereichs, zurzeit nur im Fach Informatik möglich. Daffodil (http://www.daffodil.de) bietet vielfältige Recherchefunktionen, wobei der Benutzer eine strategische Unterstützung mit verschiedenen Werkzeugen erfährt. Mit den Ergebnissen kann der Benutzer seine persönliche digitale Bibliothek entwickeln.

Michael Schaarwächter sprach zum Schluss von einer wunderbaren Tagung und kündigte bereits die nächste Inetbib-Tagung im Jahr 2005 in der Technischen Informationsbibliothek Universitätsbibliothek Hannover an.

Vielen herzlichen Dank an alle, die zu dieser Tagung beigetragen haben!


Zur Autorin

Mary Jo Rabe ist Leiterin der

Erzbischöflichen Ordinariatsbibliothek
Herrenstraße 35
D-79098 Freiburg im Breisgau
E-Mail: bibliothek@ordinariat-freiburg.de