Die Kunstwerke der Kölner Fotografin Candida Höfer wurden auf vielen Ausstellungen gezeigt und in zahlreichen Publikationen dokumentiert, so in "Öffentliche Innenräume 1979-1982" (Essen, 1982), "Innenraum. Fotografien 1979-1984" (Köln, 1984) und "Candida Höfer. Martin Kippenberger. Deutscher Pavillon, La Biennale die Venezia 2003" (Köln, 2003). Mit großer Begeisterung hat sie sich auch den Bibliotheken angenommen und in ihnen fotografiert. Mit dem Thema "Leseräume" 1999 hat sie in Basel in einer mit viel Beifall bedachten Ausstellung eine Auswahl ihrer Fotografien vorgestellt. Ein Katalog¹ mit 50 Abbildungen gibt einen kleinen Einblick in die Welt der Bibliotheken, u.a. in die Deutsche Bücherei Leipzig, die Bibliothèque Nationale de Françe Paris, die Königliche Bibliothek Kopenhagen, die Bibliothek der Kunsthalle Basel und das Kunsthaus Bregenz. Michael Oppitz würdigt in einem Essay ihre Kunst, Leseräume "unbelastet vom augenblicksbezogenen Zeichenwert störender Benutzer" darzustellen.

Sieht man von Fotografien Candida Höfers in einigen bibliothekswissenschaftlichen Büchern² ab, wird nach fünfjähriger Abstinenz endlich wieder eine größere Sammlung ihrer Bilder aus Bibliotheken veröffentlicht. Es sind Innenräume von 25 niederländischen Bibliotheken - Universitätsbibliotheken, Öffentliche Bibliotheken, Museumsbibliotheken, Privatbibliotheken sowie eine kirchliche, eine juristische und eine königliche Sammlung.

Die Aufnahmen sind von großem künstlerischem Wert. Sie vermitteln von ganz verschiedenen Bibliotheksräumen ganz unterschiedliche Eindrücke. Die Menschenleere ermöglicht eine Betrachtung unter rein formalen Gesichtspunkten wie die Vielfalt der Farben, das Spiel geometrischer Formen, die Wirkung verschiedener Ebenen in Räumen mit Galerien, das Zusammenspiel von Regalen, Tischen, Stühlen, Säulen, Treppen und Fenstern sowie die Bedeutung von Accessoires. Der Rezensent möchte abermals aus dem Essay von Martin Oppitz im Katalog der Ausstellung von 1999 zitieren, weil seine Wertung in gleicher Weise auf den vorliegenden Band zutrifft: "Durch diesen Sachverhalt gewinnen die Fotos zur dokumentarischen eine ästhetische Dimension hinzu. Diese Mischung ist kennzeichnend für viele der Fotos von Candida Höfer. Ihre Ästhetik ist geradlinig, scharfkantig, reduktionistisch und klar, angetrieben von einem Impetus zur Ordnung der Dinge, zu einer katalogisierbaren Übersichtlichkeit der Welt."

Die Fotos von Candida Höfer bilden den ersten Teil der Publikation. In einem zweiten Teil findet der Leser sinnvolle Ergänzungen zu ihren "menschenlosen" Räumen. Es handelt sich um Porträts von 23 Bibliothekaren, in ihrer dienstlichen Umgebung fotografiert von dem international bekannten Porträtfotografen Bert Nienhuis. Mit der Vorstellung dieser oft unsichtbar in der Öffentlichkeit agierenden Personen, die für das reibungslose Funktionieren einer Bibliothek verantwortlich sind, hat Nienhuis sein großes Können erneut unter Beweis gestellt.

Zu verdanken haben wir dies alles auch dem Huis Marseille in Amsterdam (die Präsentation der Ausstellung), Els Barents und Saskia Asser (die gekonnte Zusammenstellung der Fotos), dem Verlag De Bataafsceh Leeuw in Amsterdam (die Publizierung des makellosen Katalogs) sowie Frans A. Jannsen (sein wunderschöner Essay "The one-eyed queen in the library"). Vervollständigt werden Texte und Fotos durch ausführliche Angaben zu den "fotografierten Bibliotheken" und durch das Gedicht "In de bibliotheek van een liefhebber" von P.A. de Génestet (1829-1861), dem auch der Titel der vorliegenden Veröffentlichung Hier groeien boeken uit de grond entnommen wurde

Ein Ausstellungskatalog nicht nur für Liebhaber von Bibliotheken, Büchern und künstlerischen Fotografien, sondern auch für Leiter von Bibliotheken, die die Absicht haben, das Interieur ihrer Einrichtung Lesern, Mäzenen und Sponsoren nahe zu bringen.

Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de

Anmerkungen

1. Höfer, Candida: Leseräume. Basel: Kunsthalle, 1999. XV S., 30 ungez. Bl. (Katalog 27/1999) - Die Zitate finden sich am Ende des nicht mit Seitenzahlen versehenen Essays von Michael Oppitz.

2. z.B. in: Bibliotheken führen und entwickeln: Festschrift für Jürgen Hering zum 65. Geburtstag. München, 2002. S. 39-40.