Historical Social Research. Historische Sozialforschung.

An International Journal for the Application of Formal Methods to History Vol. 29 (2004), Hefte 1 und 2

- Köln: Zentrum für Historische Sozialforschung, 2004
ISSN 0172-6404, Zu beziehen über: zhsf@za.uni-koeln.de oder http://www.gesis.org/ZA/

Die Zeitschrift Historical Social Research ist das offizielle Organ der 1975 gegründeten Association for Quantification and Methods in Historical and Social Research (QUANTUM) und der 1980 gegründeten International Commission of the Application of Quantitative Methods in History (INTERQUANT).

Die Beiträge beschäftigen sich vorwiegend mit wissenschaftsmetrischen Methoden in den Geschichts- und Sozialwissenschaften, in gleicher Weise, wie die Bibliometrie bzw. Informetrie derartige Methoden in der Bibliotheks- und Informationswissenschaft anwendet

Die ersten beiden Hefte des Jahrganges 2004 sind für die bibliotheks- und informationswissenschaftliche Forschung von besonderem Interesse. Das erste Heft ist als Sonderheft Elektronisches Publizieren & Open Access deklariert, das zweite Heft ist ein Themenheft Focus: Historical information science

Die Autoren der 16 Beiträge des Sonderheftes Elektronisches Publizieren & Open Access (bis auf einen Beitrag, der in englischer Sprache veröffentlicht wird, sind alle Beiträge in deutscher Sprache abgefasst) präsentieren eine Bestandsaufnahme zur Anwendung neuer Medien in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften.

Einleitend geben Heike Andermann und Andreas Degkwitz in dem mit 50 Seiten umfangreichsten Beitrag einen sehr detaillierten Überblick über "Neue Ansätze in der wissenschaftlichen Informationsversorgung"1. Im Mittelpunkt stehen die Initiativen und Unternehmungen auf dem Gebiet des elektronischen Publizierens mit Beispielen zum freien Zugang zur wissenschaftlichen Information auf der Basis eines neuen Geschäftsmodells (z.B. BioMed Central, New Journal of Physics, German Medical Science), zu verlagsunabhängigen Publikationsinfrastrukturen (z.B. Peer-to-Peer Kommunikation in der Wissenschaft, elektronische Archive) und zu neuen Kooperationsformen zwischen den Akteuren in der Wertschöpfungskette (z.B. BioOne, FIGAOR, EMS Publishing House).

Weitere Themen sind u.a. der Open Access als Prinzip wissenschaftlicher Publikation, die Online-Zeitschrift aus der Sicht eines geisteswissenschaftlichen Verlags, die "Virtual Library Frühe Neuzeit", das verteilte Bildarchiv für Forschung und Lehre "prometheus", der Volltextserver "PsyDok" und das Open Access-Journal "Forum Qualitative Sozialforschung"

Das Heft ist eine gute ergänzende Lektüre für Bibliothekare und Informationsfachleute und, da sich erfreulicherweise auch zahlreiche Mitarbeiter aus Bibliotheken beteiligen, ein gutes Beispiel für die Wirkungsgeschichte von Bibliotheken

Im Mittelpunkt des Heftes Focus: Historical information science steht der 129 Seiten umfassende Beitrag Past, present and future of Historical Information Science von Onno Boonstra, Leen Breure und Peter Doorn. Der Fortschrittsbericht behandelt die Entwicklungen der Historical Information Science in den letzten zwei Jahrzehnten.

Ein kurzes erstes Kapitel dient der Einführung in den Gegenstand.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Begriffsbestimmungen, insbesondere der Entstehung der Historical Information Science aus den Beziehungen von "e-science, e-humanities and e-history" und verschiedenen Definitionen und Benennungen (z.B. "historische informatiekunde" in den Niederlanden und "Historische Fachinformatik" in Deutschland).

Das dritte Kapitel geht der Geschichte der Historical Information Science nach. Im Mittelpunkt stehen die Schwerpunkte der Forschungstätigkeit wie die Bedeutung der Datenbanken für den Historiker, die statistischen Methoden in der geschichtswissenschaftlichen Forschung und die Nutzung von Bildern als Beweismittel

Das kurze vierte Kapitel ist ausschließlich dem unbefriedigenden Stand der Anwendung der wissenschaftsmetrischen Methoden gewidmet

Das abschließende fünfte Kapitel zeigt Entwicklungstendenzen auf. Die Verfasser teilen ihre Empfehlungen in (1) die optimale Infrastruktur der Historical Information Science (Stakeholder communities, patterns of co-operation, project models) und (2) die Arbeitsfelder "Creation" (Generic modelling of historical cultural sources, ontologies for historical cultural research, data models for metadata), "Enrichment" (z.B. embedding of historical cultural knowledge and insight so as to enrich information systems), "Editing" (z.B. Architecture of digital publication), "Retrieval" (z.B. text mining, automatic tagging and content analysis, user profiles during searches), "Analysis" (z.B. analysis of numerical data) sowie "Presentation" (z.B. Dynamic generation and presentation of historical information, modelling of historical cultural information systems).

Dieses Heft bietet eine vorzügliche Zusammenfassung zu den wichtigsten Aufgabengebieten der Historical Information Science und ist allen Bibliothekaren und Informationsfachleuten sehr zu empfehlen, die Historiker, Soziologen und Kulturwissenschaftler zu ihren Klienten zählen


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de


Anmerkung

1. Dies ist eine überarbeitete Fassung eines Beitrages, der in Bibliothek. Forschung und Praxis (2004) 1, S. 33-57 erschienen ist.