Editorial
Bibliotheken in und jenseits der EU

Die Zeitschrift B.I.T.online geht nunmehr mit diesem Heft bereits in ihren 8. Jahrgang. Entwicklungen im Bibliothekswesen unseres Landes aufzuzeigen stand und steht dabei im Vordergrund der Berichterstattung. Aber auch der Blick über den Tellerrand wurde und wird von uns immer wieder gewagt, wenn wir Neuerungen und Tatbestände unserer Nachbarn zeigen: So z.B. über die Schweiz oder wenn in diesem Heft Dr. Sigrid Reinitzer den weltweit gefeierten Tag der Schulbibliotheken und seine Auswirkungen in Österreich schildert.

Aber nicht nur unsere unmittelbaren Nachbarn liegen im Interessenbereich unserer Zeitschrift, sondern ebenso die zahlreicher werdenden Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft, über deren Bibliothekswesen wir wiederholt berichteten. Auch hier war immer wieder Dr. Sigrid Reinitzer als Autorin dabei und auch in dieser Ausgabe stellt sie Kooperationen zwischen Österreich und Slowenien dar.

Aber wir alle wissen oder ahnen es manchmal auch nur, dass es Bibliotheken auch jenseits der EU in entlegenen Ländern gibt. Hin und wieder ist es uns bereits gelungen, Einblicke in das Bibliothekswesen solch ferner Länder zu gewinnen und zu geben; auch in diesem Heft bewegen wir uns weit nach Osten nach Zentralasien und weit nach Westen nach Amerika. Über Usbekistan wissen wir von dessen Kulturstätten an der Seidenstraße wie Buchara oder Samarkand, von dessen Bibliothekswesen haben wir aber meist noch nichts gehört. So überrascht es, wenn wir aus der Berichterstattung von Dr. Karimov in diesem Heft erfahren, dass es in Usbekistan - immerhin ein Land größer als Deutschland - über 50 Universitäten und mehrere tausend Bibliotheken mit einem Bestand von mehr als 100 Millionen Bänden gibt.

Nicht viel anders verhält es sich mit dem südamerikanischen Chile, das flächenmäßig mehr als doppelt so groß ist wie Deutschland, sich über 4500 Kilometer erstreckt und über das wir glauben, gut informiert zu sein. Aber dessen Bibliothekswesen ist für uns ein unbeschriebenes Blatt. Deshalb wird es bestimmt von Interesse sein, wenn der neue Leiter der Bibliothek des Goethe-Instituts in Santiago de Chile, Alexander Schultheis, uns einen Einblick in dieses Land mit seinen mehr als 200 Hochschulen und seine Bibliotheken gibt. Überraschen wird uns auch ein Blick vom Süden nach dem Norden dieses Kontinents, wo in Seattle die größte Stadt des US-amerikanischen Staates Washington am Pazifik mit einer spektakulären Public Library aufwartet, die uns Gernot U. Gabel näher bringt.

Auch der Bericht aus der Zentrale des Goethe-Instituts von einem Workshop in Damaskus für leitende Bibliothekarinnen und Bibliothekare von irakischen Universitätsbibliotheken und der irakischen Nationalbibliothek dürfte von Interesse sein.

Wir versuchen, wenn auch nicht immer spektakulär sondern oftmals nur in kleineren Berichten, den Blick über Deutschland hinaus auf unsere Nachbarländer, die der EU und darüber hinaus zu lenken. Aber nach wie vor beschäftigen wir uns auch mit Problemen im eigenen Land und mit den Fragen der Zukunft für unsere Bibliotheken. So freuen wir uns, dass sich in diesem Heft Jürgen Seefeldt ausführlich mit Zukunftsvisionen für die Bibliothek von morgen beschäftigt, Fragestellungen, die immer wieder, auch von außen, an uns Bibliothekare herangetragen werden. Wird es in 20 oder 30 Jahren noch Bibliotheken in der heutigen Form geben? Wird es bald nur noch die virtuelle Weltbibliothek ohne Bücher und Räume geben? Oder liegt die Zukunft nicht vielmehr in einer Art Hybridbibliothek, die Traditionelles und Modernes vereint? Die Bibliothek wird als Lernort eine wichtige Rolle zu spielen haben, weil sie den Zugang zur allgemeinen Bildung, wie auch Aus- und Weiterbildung darstellt. Allerdings wird ihr Fortbestehen oder ihre Umwandlung davon abhängen, welche finanziellen Ressourcen die Bildungspolitik dafür zur Verfügung stellt. Und damit sind wir auch schon bei dem Heine-Motto des anstehenden Bibliothekartages "Geld ist rund und rollt weg, aber Bildung bleibt", eine Thematik die nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Erhebung von Studiengebühren eine aktuelle Brisanz aufweist. In diesem Sinne wünsche ich unseren Leserinnen und Lesern eine angenehme Lektüre sowie eine erfolgreiche und nachhaltige Tagung.

Ihr Dr. Rolf Fuhlrott
Chefredakteur