von Ulugbeck Fosilovitsch Karimov

An Usbekistan denkt man hierzulande, wenn von der Seidenstraße gesprochen wird mit ihren historisch und kulturell bedeutsamen Stätten wie Buchara, Samarkand oder Taschkent. Hinter einem Vorhang der Verborgenheit allerdings liegt für uns Mitteleuropäer vielfach noch das Wissen über die Lage, Land und Leute, das Bildungswesen, Wirtschaft und Wissenschaft. Usbekistan liegt inmitten der heute selbständigen zentralasiatischen Staaten zwischen Kasachstan im Norden und Turkmenistan und Afghanistan im Süden, sowie Kirgistan und Tadschikistan im Osten. Das Land erstreckt sich von der afghanischen Nordgrenze bis hin an den Aralsee im Nordwesten über 1500 Kilometer und ist flächenmäßig größer als Deutschland.

Andererseits weiß man, dass Usbekistan bis in jüngste Vergangenheit zum Großreich der Sowjetunion gehörte und nach deren Auflösung 1991 die Unabhängigkeit erlangte und sodann der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) beitrat. Seitdem befindet sich das Land mit seinen ca. 26 Millionen Einwohnern, die fast zu 90% dem Islam angehören, in einem politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozess. In dieser Umbruch- und Aufbauphase nimmt das Bildungswesen eine zentrale Bedeutung ein. Es herrscht Schulpflicht für die Jugend des Landes, wobei das Durchschnittsalter aller Einwohner erstaunlich niedrig bei knapp 24 Jahren liegt. 56 Universitäten und Hochschulen ermöglichen eine höhere Ausbildung, wodurch das Land möglichst schnell von einem Agrar- zu einem Industrieland geführt werden soll.

Deutschland unterstützt die Bestrebungen des Aus- und Fortbildungswesens vielfältig. Es gibt bereits 22 Kooperationsverträge mit deutschen Hochschulen. Auch das Bibliothekswesen mit seinen ca. 17 000 Bibliotheken und ungefähr 140 Mio. Bänden will sich an westlichen Standards orientieren. Einen ersten Überblick darüber versucht Dozent Dr. Karimov von der Staatlichen Hochschule für Kultur in Taschkent nachfolgend zu geben.

Zur Zeit werden in Usbekistan ca. 17 000 öffentliche und wissenschaftliche Bibliotheken gezählt: 5009 Bibliotheken des Bereichs des Ministeriums für Kultur mit 60 Mio. Bänden, 9650 Bibliotheken des Bereichs des Ministeriums für Volksbildung mit 41 Mio. Bänden, 64 Bibliotheken im Bereich des Ministeriums für Hochschulbildung mit 12 Mio. Bänden, 881 Bibliotheken des Zentrums für spezielle und Berufsausbildung mit 5 Mio. Bänden.

Hauptbibliothek Usbekistans ist die "Alischer Navoi" Nationalbibliothek. Sie besitzt 10 Mio. Bände, darunter auch einen Bestand sehr seltener und kostbarer Titel. Die Bibliothek der Nationaluniversität der Republik Usbekistan ist eine bedeutende wissenschaftliche Bibliothek des Landes.

Der gesamte Bestand der Bibliotheken Usbekistans umfasst mehr als 140 Mio. Bücher und andere Informationsträger. In den usbekischen Bibliotheken sind mehr als 23 000 Mitarbeiter beschäftigt, 26% haben eine Hochschulausbildung, 47% eine mittlere Ausbildung.

Die Republik Usbekistan strebt nach weiterer Integration in die internationale Gesellschaft. Es werden Versuche unternommen, um in den weltweiten Informationsraum einzutreten. In der letzten Zeit entwickelte sich in Usbekistan die Informationstechnologie dynamisch. Sie wird in allen Bereichen der Gesellschaft, darunter auf dem Gebiet des Bibliothekswesens, praktisch verwendet. Dazu trugen folgende Schritte bei:

• Die Vorbereitung eines Gesetzes der Republik Usbekistan "Über das Bibliothekswesen" ist abgeschlossen und wurde dem Parlament (Olij Majlis) zur Beratung und Beschlussfassung übergeben.
• Auf der Basis eines Gesetzentwurfs wurden "Konzeption und Programm der Entwicklung des Bibliothekswesens der Republik Usbekistan 2003 bis 2010" erarbeitet und vorgelegt.
• Für die Ausbildung der Bibliothekare wurden an der Taschkenter Hochschule für Kultur neue Ausbildungsprogramme unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Forderungen eingeführt.
• Es wurden der Bibliotheksverband Usbekistans und weitere 32 verschiedene Verbände in allen Bezirken Usbekistans geschaffen. Sie vereinigen die Einrichtungen und Fachleute des Bibliotheks- und Informationswesens und veranlassen Entwicklungsprojekte und Konferenzen. Auf der Homepage des Verbandes (http://ula.uzsi.net) findet man das umfassendste und aktuellste Bibliothekenverzeichnis Usbekistans in russischer, englischer und usbekischer Sprache.
• Es wurde die "Alisher Navoi" Nationalbibliothek Usbekistans formiert mit den Funktionen eines koordinierenden methodischen Zentrums sowie des Zentrums der staatlich-bibliographischen Erfassung der usbekischen Buchproduktion.
• In den bedeutendsten 25 Bibliotheken Usbekistans wurde intern "IRBIS" (Russland) für die Automatisierung der Bibliotheksfunktionen eingeführt, das den internationalen Anforderungen hinsichtlich Darbietung und Vermittlung bibliographischer Informationen entspricht.
• In der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften Usbekistans wurde eine automatisierte Modellbibliothek mit Computerlehrraum geschaffen.
• In den Hochschulbibliotheken wird intensive Arbeit geleistet zur Bildung "Elektronischer Bibliotheken" (elektronische Lehrbücher, elektronische Zeitschriften, Internetanschlüsse mit Zugang zu den Datenbanken weltweiter Forschungsressourcen).
• 84 Bibliotheken Usbekistans wurden Mitglied des "eIFL Central Asia"-Konsortiums zum freien Zugang zu elektronischen Ressourcen für Wissenschaft und Forschung vieler Länder.
• Die internationalen Konferenzen "Internet und Bibliotheksinformationsressourcen in Wissenschaft, Kultur, Bildung und Business" 2000 in Samarkand, 2002 in Buchara und 2004 in Taschkent haben bereits Tradition. Informationen dazu unter http://bilimdon.uz.

Einige Bibliotheken begannen Zugänge zu ihren elektronischen Katalogen zu schaffen, z.B. Bibliotheken der Akademie der Wissenschaft. Zugänglich sind die bibliographischen Beschreibungen der Bücher, Dissertationen usw. in der usbekischen, russischen und weiteren Sprachen (E-Mail: acadlib@acadlib.uzsci.net). Die im elektronischen Katalog der Nationalbibliothek enthaltenen Informationsressourcen sind erreichbar über http://bilimdob.uz. Der elektronische Katalog der Bibliothek der Technischen Universität enthält z.Zt. ca.17 000 Angaben, d.h. die Literatur seit 1977, z.B. Monographien, Lehrbücher, Handbücher, Konzepte der Lektionen, Dissertationen, Sammlungen wissenschaftlicher Arbeiten, Konferenzmaterialien, Gesetze und weitere normative Literatur, CD-ROM. Seit 1999 gibt es ein elektronisches Zeitschriftenverzeichnis der Bibliothek, das unter http://bilimdon.uz erreichbar ist. Der elektronische Katalog der Universität für Informationstechnologie in Taschkent enthält z.Zt. 11 000 Nachweise der Literatur seit 1991 sowie die Bücher der technischen und Naturwissenschaften und der Sprachwissenschaft ab 1980.

Ungeachtet der in den Bibliotheken der Republik Usbekistan durchgeführten Arbeiten gibt es noch eine Reihe Mängel und Aufgaben, von denen man folgende nennen kann:

• wegen der geringen Mittelausstattung der Bibliotheken ermöglicht die EDV-Ausstattung den operativen Zugriff auf die weltumfassenden Informationsreserven nicht genügend
• die Formate der Speicherung und Vermittlung der bibliographischen Informationen sind veraltet und entsprechen den gegenwärtigen internationalen Anforderungen nicht mehr
• in den höheren und mittleren Lehreinrichtungen wird den neuen Informationstechnologien in den Studienplänen nicht immer die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt
• es fehlt die gesetzliche Basis der bibliothekarischen Arbeit, insbesondere hinsichtlich der neuen Informationstechnologien und der internationalen bibliographischen Formate
• es fehlen nationale Katalogisierungsregeln
• es wird nicht an einem nationalen MARC-Format gearbeitet
• es ist die dringende Notwendigkeit eines nationalen elektronischen Katalogverbundes aller Bibliotheken zur Verbesserung des nationalen und internationalen Informationsaustauschs herangereift
• das in Usbekistan entwickelte automatisierte Bibliothekssystem "ABC" kann durchaus mit ausländischen Entwicklungen konkurrieren
• in Usbekistan gibt es keine Produktion von Informationstechnik
• eine Vermarktung von usbekischen Informationsressourcen findet nicht statt.

Zur Beseitigung dieser und anderer Mängel gibt es beim Ministerium für Hochschulbildung eine Arbeitsgruppe, an der auch der Autor dieses Beitrags beteiligt ist. In dieser Arbeitsgruppe wird ein staatliches Programm zur Automatisierung der Bibliotheken für die Jahre 2004 bis 2008 ausgearbeitet.

Zum Autor

Prof.cDr.c Ulugbeck Fosilovitsch Karimov ist Dozent an der Staatlichen Hochschule für Kultur "Abdulla Kodiri"

Jalanfotsch Cachasi 127
700164 Taschkent
E-Mail: tdmi@uzsci.net

Die Übersetzung besorgte:
Dr. Abdulla Alimov
Leiter der Abteilung Sprachen an der Staatlichen Hochschule für Kultur
E-Mail: a.alimov@mail.ru

Die deutsche Bearbeitung besorgte:
Prof. em. Dietmar Kummer
Stuttgarter Allee 18
D-04209 Leipzig
E-Mail: dkummer@bum.htwk-leipzig.de