Die OmniCard 2005 in Berlin - The world of smart objects

von Clemens Deider

"Nur was sich verändert bleibt bestehen", mit diesen Worten eröffnete Mathias Fluhr, inTIME berlin, den Kongress OmniCard 2005, der vom 12. bis 14. Januar 2005 im Grand Hotel Esplanade in Berlin stattfand. Neues Logo und neuer Slogan zeigen die OmniCard im neuen Gewand und der Kongress wurde offener, noch kommunikativer und inhaltlich intensiver strukturiert. Der neue Slogan "The world of smart objects" berücksichtigt dabei die aktuelle technische Entwicklung; denn heute ist es gut möglich, Chips auf unterschiedlichste Träger, nicht nur Karten, aufzubringen oder sie in verschiedenste Objekte zu implantieren. Um die erweiterte Anwendungsbreite deutlich zu zeigen, wurde OmniCard 2005 neu ausgerichtet. Neben zentralen Foren erweiterte Mathias Fluhr die Zahl der Fachforen mit Workshop-Charakter und dort lag es dann in der Hand der Workshop-Moderatoren, die Teilnehmer durch provokative Gesprächsführung zu lebhaftem Meinungs- und Erfahrungsaustausch anzuregen. In den einzelnen Fachforenblöcken liefen vornehmlich vier Veranstaltungen parallel, so dass die aktive Teilnahme jeweils nur an einer von ihnen möglich war. Das zwang die Teilnehmer zu einer wohlüberlegten Entscheidung. In einem anschließendem großen Forum informierten Berichterstatter der einzelnen Foren über Inhalt und Ergebnis der Workshop-Arbeit. So konnten sich die übrigen KongressteilnehmerInnen ein Bild von dem Geschehen der anderen Wokshops machen und sich in den Kaffeepausen mit den Teilnehmern der parallel veranstalteten Foren austauschen. Die Kommunikation wurde auch durch die zwei abendlichen Open-End-Kontaktbörsen gefördert, bei denen auch für das leibliche Wohl der Teilnehmer gut gesorgt war.

Themenschwerpunkt RFID

Beim Eingangsforum wurde die insgesamt umfangreiche Themenpalette mit dem für Bibliotheken interessanten Thema RFID (Radio Frequency Identification) eröffnet, eine Technologie, die dabei helfen kann, die Lücke zwischen der realen und virtuellen Welt zu schließen. Diese Technik wurde wiederholt bei B.I.T.online in früheren Berichten zur CeBIT bzw. OmniCard angesprochen. Aber auch RFID wird wie der jetzt etablierte Bar-/Strichcode seine Zeit brauchen, bis er in der Gesellschaft und so in Bibliotheken als Selbstverständlichkeit gilt. Der Vorteil der RFID-Etiketten (Tags) liegt darin, dass mit ihrer Hilfe mehrere Objekte, sprich Medien, gleichzeitig im Stapel vollautomatisch erkannt werden können, ohne dass eine Sichtverbindung zwischen Lesegerät und Objekt wie beim Strichcode notwendig ist. Mit sogenannten Tunnelreadern werden in Handel und Industrie ganze Kisten voll mit Waren oder Ersatzteilen über RFID-Tags identifiziert; bei einzelnen Bibliotheken in der Ausleihe als Stapelverbuchung schon bekannt. In ähnlichen Verfahren geben Kleiderständer, Regale usw. Auskunft über Art und Anzahl/Menge ihrer Bestände. Aufwendigere RFID-Tags können größere Datenmengen d.h. Inhalte speichern. Der Einbau von Batterien vergrößert die Reichweite und macht sie zu aktiven Tags. Sensoren lassen sich in RFID-Tags einsetzen, die z.B. die Umgebungstemperatur aufzeichnen. So kontrollieren Tags in einem Weinlager das Klima, melden gegebenenfalls Abweichungen von dem optimalen Temperaturspielraum; ein denkenswerter Ansatz für Archive und Museen. Auskünfte über das Produkt selbst, hier u.a. über die Weinsorte und das Anbaugebiet, sollen den Kunden zum Zugreifen bewegen und auch die Rezepte, die auf dem am Weinregal eingebauten Monitor wiedergegeben werden, sollen zum Kauf anregen. Der Begriff "smart" - aus dem neuen Veranstaltungsslogan "The world of smart objects" - drückt aus, dass der Mensch einen Teil seiner Aufgaben an Dinge und Dienstleistungen abgibt. Fredereck Thiesse, der in Vertretung von Elgar Fleisch (Universität St. Gallen) referierte, erwähnte als Anwendung, dass Waffen oder Kreditkarten nur in Verbindung mit einem entsprechenden Chip am Handgelenk des Schützen bzw. des rechtmäßigen Karteninhabers funktionsfähig sein könnten. Weitere Anwendungsbeispiele können der Kongressdokumentation und dem Katalog (Blaues Buch) entnommen werden. Schon früher sind Beispiele in B.I.T.online erwähnt worden. Dass das Thema RFID-Tags nicht ganz erfolglos an Bibliotheken vorbeigegangen ist, wie der Chefredakteur von B.I.T.online Dr. Rolf Fuhlrott in seinem Editorial in der Ausgabe Nr. 2 von 2004 beklagt, zeigt das Schwerpunktthema dieses Heftes. Dort nennt Dunja Kandel ("RFID Forum Magazin für kontaktlosen Datentransfer", 2004, Ausgabe 2, S. 12 bis 25) für Deutschland 16 Bibliotheken, für Österreich eine Bibliothek (Stadt Wien) und die Schweiz acht Bibliotheken, die in der Hauptsache den Verbuchungsablauf mit RFID-Tags optimieren. In der Schweiz sollen zusätzlich RFID-Cards mit Zahlungsfunktion (Winterthur, Tösser Haus) und Sicherheitsschleusen (Wülflingen, Stadtbibliothek) mit RFID-Tags betrieben werden. Als Vertriebspartner nennt Dunja Kandel für Deutschland und Österreich die ekz/Bibliotheca RFID, die Firma 3M und für die Schweiz allein Bibliotheka RFID.

Im Zusammenhang mit dem Neubau der Universitätsbibliothek der TU Berlin hätte eine Diskussion über den dortigen Einsatz von RFID-Technologie einen guten Beitrag in der Anwendung für eine Bibliothek auch außerhalb des Ausleihprozesses leisten können. So gehen der Direktor und der stellvertretende Direktor der Universitätsbibliothek - Dr. Wolfgang Zick und Andreas Richter - in ihrem Bericht auch auf die Steuerung der Büchertransportbehälter der Buchförderanlage ein (B.I.T.online, 2004, Ausgabe 2, S.103). Ein Workshop mit diesen Anwendungsüberlegungen hätte - wie in den Anfängen des Barcodes - voraussichtlich bei Bibliotheksvertretern mehr Interesse an der OminiCard 2005 geweckt, besonders, weil doch eine ganze Reihe der vorgetragenen und im Blauen Buch von Prof. Elgar Fleisch und Dr. Markus Dierkes (Universität St. Gallen) beschriebenen Anwendungsbeispiele auf Abläufe in Bibliotheken übertragbar sein dürften. Gleiches gilt für den Vortrag von Dr. Uwe Quiede von der Kaufhof Warenhaus AG (Blaues Buch, S. 118 ff.). Dr. Quide lud alle Interessierten, Fachleute und Warenhauskunden, zu einem Besuch des Kaufhofs ein - Gerry Weber Pilots im Innovations Center im RVL Neuss-Norf bei Düsseldorf. Dies ist eine Initiative der METRO Group. Gerade der Einzelhandel hat zu Zeiten der Bar-/Strichcode-Einführung eine ganze Reihe von Anregungen für den Einsatz dieses elektronischen Brückenschlags geliefert; was damals in OmniCard zum Thema gemacht wurde. Für eine bessere Abstimmung fehlt heute vielleicht die zentrale Einrichtung, wie in den 70er Jahren die Arbeitsstelle für Bibliothekstechnik unter Dr. Walter Lingenberg.

Themenschwerpunkt eGovernment

Einen weiteren Themenschwerpunkt bildete eGovernment, die elektronische Abwicklung staatlicher Verwaltungsvorgänge. In Vertretung von Dipl.-Phys. Andreas Reisen (Leiter der Projektgruppe BundOnline 2005) sprach Frau Dr. Stach (Bundesministerium des Innern, BMI) über " eGovernment auf der Zielgraden" (Blaues Buch, S. 376 ff.). Dabei ging es um die Beschreibung des Projektes BundOnline 2005. In ihm entwickelte der Bund "Einer für Alle Dienstleistungen" (EfA) als elektronisches Angebot mit den Basiskomponenten Zahlungsplattform, Content Management System, Formularserver, Datensicherheit und das Portal www.bund.de bzw. www.bundonline2005.de. Bis Ende 2005 sollen 375 Dienstleistungen des Bundes zur Verfügung stehen, im Januar 2005 sind es 338. Als Beispiel stellte Frau Dr. Stach einen Musterprozess und eine Musterarchitektur des elektronischen Antragsverfahrens vor. Bei BundOnline handelt es sich um ein Angebot, das die Akzeptanz von eGovernment bei Unternehmen und Bürgern als wesentliche Voraussetzung verlangt. Damit scheint es noch im Argen zu liegen. So offenbarte sich ein Kongressteilnehmer als einer von drei Berliner Bürgern, die mit ELSTER (elektronische Einkommenssteuererklärung) dem Berliner Finanzamt zusätzliche Mühe bereiten. Diesen Hinweis nahm Dr. Andreas Bovenschulte (Referent beim Senator für Justiz und Verfassung der Freien Hansestadt Bremen) mit seinem Kongressbeitrag "eGovernment in Deutschland: Kein Nutzer - Was nun?" (Blaues Buch, S. 395) auf. Ein ungünstiges Kosten-/Nutzenverhältnis erscheint ihm ursächlich für die mangelhafte Nutzung von eGovernment. Auch fehle eine allgemeine Verbreitung der oft geforderten Signaturkarten für eine elektronische Signatur und die Einsicht für deren Notwendigkeit. Die Stadt Bremen hatte trotz kostenfreiem Angebot der Signaturkarten wenig Resonanz im Land gefunden. Dr. Bovenschulte fordert als Lösung u.a. ökonomische Anreize und sieht da erheblichen politischen Handlungsbedarf. Das beinhalte auch eine Verpflichtung professioneller Anwender zur Nutzung elektronischer Kommunikation; also Kosten für den Anwender senken und Nutzen erhöhen. Es reiche nicht aus, allein die Kosten für den Einstieg zu senken. Denn auf längere Sicht komme es den Anwendern vor allem auf den speziellen Nutzen an. Dieser Verpflichtung des professionellen Anwenders kommt laut dpa/AP/AFP-Meldung vom 15. Januar das Bundesinnenministerium mit dem neuen Euro-Reisepass nach, der aber nicht den alptraumhaften Gebührenvorstellungen der Abgeordneten der Grünen Silke Stokar von über € 130 folgen soll, so der Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal. Die Kosten sollen vielmehr deutlich darunter liegen. Preistreibend wirke sich die geplante Aufnahme biometrischer Merkmale in den Reisepass aus, die Ende 2004 von der EU beschlossen worden war. Danach sollen die Pässe mit digitalisierten Daten für Foto und Fingerabdrücke ausgestattet sein. In Kapitel 7 des Blauen Buches sind weitere Beiträge wiedergegeben, die sich mit diesen Themen auseinandersetzen und Gegenstand einzelner Fachforen/Workshops waren, so

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) war Thema weiterer Fachforen/Workshops und Gegenstand einer offenen Podiumsdiskussion, wo es um die Frage ging, wie weit sich diese eGK als Innovationsmotor für das elektronische Durchdringen der zwischenmenschlichen Kommunikation entwickeln kann. Dazu zählt ebenso der elektronische Zahlungsverkehr wie die Geldkarte, Zahlungsverfahren im Internet und das Thema des Vortrags von Axel Weiß "Elektronischer Zahlungsverkehr innerhalb der EU: Mehr Transparenz - Wettbewerb - Effizienz" (Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V. (DSGV); Blaues Buch, Kapitel 5, S. 290).

In diesem Zusammenhang ist die aktuelle Zeitungsnotiz über einen Modellversuch in Berlin interessant. Ab Februar 2005 können in dafür vorgesehenen Zonen der Parkraumbewirtschaftung Autofahrer per Handy parken. Statt Geld in den Gebührenautomaten zu werfen, wählt der Parkwillige eine gebührenfreie Servicenummer oder versendet eine SMS. Der Parkvorgang wird mit einem zweiten kostenfreien Anruf wieder beendet. Abgerechnet wird im Dreiminutentakt. Die Parkgebühren werden per Bankeinzug am Monatsende vom Konto abgebucht. Den in diesem System registrierten Teilnehmern wird eine Vignette zugeschickt, die hinter die Windschutzscheibe des Fahrzeuges geklebt werden muss. Mit einem Gerät lesen Kontrolleure einen Strichcode auf der Vignette ab, der per Funk überprüft, ob sich der Autofahrer für das Parken per Handy angemeldet hat. Wenn nicht, gibt es ein Knöllchen. Für den Parkraumnutzer hat es den Vorteil, sich nicht auf eine feste Parkzeit festlegen zu müssen.

Wollen so eventuell Bibliotheken ihre beschränkten Parkflächen bewirtschaften? Der Bibliotheksbenutzer ist dann nicht gezwungen, auf den Ablauf seiner bezahlten Parkzeit zu achten. Die münsterländische Stadt Dülmen testet derzeit in einem sechsmonatigen Pilotprojekt das "Echtzeit-Bezahlen" am Parkscheinautomaten auf der Basis der Geldkarte. Hierbei wird die Parkzeit des Innenstadtbesuchers minutengenau abgerechnet Hier bezahlt er nicht wie üblich im Voraus seine Parkgebühr, sondern lässt lediglich den Beginn der Parkzeit auf dem Chip seiner Karte registrieren. Zur Bestätigung erhält der Autofahrer einen Parkschein mit der Ankunftszeit, der im Wagen sichtbar ausgelegt werden muss. Nach der Rückkehr steckt der Autofahrer wieder seine Karte in den Parkscheinautomaten, wobei die Parkdauer minutengenau abgerechnet wird. In Kürze soll nach Information des Informationsdienstes SOURCE auch am Berliner Ostbahnhof ein entsprechender Parkautomat eingerichtet werden.

Bei der Omnicard 2005 ist das Wort Bibliothek nur im Zusammenhang mit RFID in Singapur direkt aufgetaucht und trotzdem sind die offensichtlichen Verbindungen zum Bibliothekswesen nicht zu übersehen. Auch europäische Bibliotheken setzendie RF-Identifikation ein, wickeln Zahlungsvorgänge ab, verlangen rechtsverbindliche Unterschriften für den Internet-/Onlineverkehr, können in das staatliche Verwaltungsgeschehen über eGovernment u.s.w. eingebunden werden. Chipkarten für Studenten als elektronische Ausweise und Geldbörsen sind meist als heterogene, bundesweit nicht interoperable Kommunikationsmittel im Einsatz; oft sind sie nicht einmal innerhalb einer Region einheitlich einsetzbar. Bibliotheken dürfen bei der Initiative BundOnline nicht passiv beiseite stehen, sondern müssen sich aktiv einbringen, um auch so das zentrale Problem Bildung positiv beeinflussen zu können. So muss z.B. in Berlin die Schließung von 15 Stadtteilbibliotheken in den Jahren 2002/2003, weitere werden sicher folgen, kompensiert werden; d.h. die Weitergabe von Wissen, eine essentielle Aufgabe der Bibliotheken, muss gefördert und erleichtert werden, was mit einer durch RFID optimierte Logistik sicher auch im Bibliothekswesen verbessert werden könnte. Das Argument, dass ja alles im Internet zu finden sei, ist zwar faszinierend aber für den in der Wissensrecherche ungeübten Bürger recht zeitaufwendig und oft im Ergebnis unbefriedigend. Zu einem Marketing der Bibliotheken in Richtung Kunden/Benutzer ist ein technisch möglichst einheitliches strukturiertes Bibliotheksnetz in Verbindung mit kommunalen Gegebenheiten - eGovernment - wünschenswert. Dass Bibliotheken generell auch an der Netzwerktechnik Interesse haben sollten, machte der Vortrag von Lutz Martiny (Die Chipkarte im Kontext mobiler Anwendungen in unterschiedlichen Netztechnologien; Blaues Buch, Kapitel 6, Mobile Anwendungsfelder und WLAN: Zugang mit SIM <subscriber identity modul>, S. 326 ff.) deutlich. Eine zentrale Clearingstelle für Bibliotheksbelange, eine zentrale Ansprechstelle für öffentliche, staatliche Einrichtungen und die Wirtschaft, könnte den föderativen Charakter der Bundesrepublik in dem von der Bundesregierung herausgestellten Bereich Kultur und Bildung unterstützen.

OmniCard ist deshalb ein guter Treffpunkt auch für Bibliothekare, um Erfahrungen und Entwicklungen der im Kongress besprochenen Themen auszutauschen und damit eine analoge Anwendung der gewonnenen Erkenntnisse im Bibliothekswesen zu ermöglichen. Anderseits werden Entwickler und Produzenten auf weitere Entwicklungsfelder deutlicher aufmerksam gemacht. RFID ist für diesen Austausch zwischen Bibliotheken, Wirtschaft, öffentliche/staatliche Stellen ein augenfälliges Beispiel.

Wie bei allen vorangegangenen Kongressen ist auch diesmal eine Kongressdokumentation erschienen. Das Blaue Buch OmniCard 2005 Smart Objects: Durch Innovation auf zu neuen Ufern ist über den Veranstalter zu beziehen: In TIME berlin, Plüschowstraße 5 b, D-14167 Berlin, contact@inTIMEberlin.de, www.omnicard.de.

2006 findet die OmniCard vom 18 bis 20 Januar wiederum in Berlin statt. Bibliothekarinnen und Bibliothekare könnten dann über Erfahrungen und Erfolge mit und um RFID zum Nutzen aller Teilnehmer berichten.


Zum Autor

Dipl.-Volksw. Clemens Deider

Fuggerstraße 18
D-10777 Berlin
E-Mail: cdeider@t-online.de