SciencePop. Wissenschaftsjournalismus zwischen PR und Forschungskritik

Herausgeber Christian Müller.
Konzept und Redaktion Christian Egger; Lektorat: Christine Maitz


- Graz, Wien: Nausner & Nausner 2004. 273 S.
ISBN 3-901402-36-5 http://www.nnv.at

Die Publikation erschien zur Frankfurter Buchmesse 2004 und beschäftigt sich mit dem sehr komplexen Thema der Wissenschaftsberichterstattung. Sie interessiert alle, die im Bereich der Medien arbeiten, beim Fernsehen genauso wie im Rundfunk und bei der schreibenden Presse, aber vor allem die Wissenschaftler selbst und ihre wissenschaftlichen Einrichtungen und natürlich die BibliothekarInnen, die erfahren wollen, wie Information im 21. Jahrhundert transferiert wird. Heute ist schließlich jeder Wissenschafter und jede wissenschaftliche Einrichtung, sei es Universität, Fachhochschule oder Akademie, aufgerufen, die eigenen Leistungen nicht nur der Fachkollegenschaft, sondern auch den BürgerInnen des Landes bekannt zu machen. Es geht um Anerkennung, Vermarktung und im weiteren Sinn um Erschließung von zusätzlichen Geldquellen oder um die immer wieder kritisch betrachtete Bewertung in Rankinglisten, wo es notwendig ist vorderste Ränge zu besetzen, besser zu sein als die Konkurrenz und dadurch zahlungskräftigere Sponsoren zu gewinnen.

Der Titel des Werkes "SciencePop" soll signalisieren, dass die Wissenschaft populär, das heißt allgemein verständlich, dargestellt werden kann oder muss. Wissenschaftsberichterstatter sind bemüht, schwierigste Themen leicht fassbar, d.h. begreiflich zu machen. Sie wollen nicht Fehler aufdecken wie die Journalisten im Politik- und Wirtschaftsbereich, sondern sie wollen Verständnis für ein schwieriges und interessantes Thema wecken. Die Wissenschaft legitimiert sich heute nicht mehr aus sich selbst heraus, sie braucht die Hinwendung zur Öffentlichkeit. Die Information und mit ihr die Wissenschaft sind vielfach bereits zu Produkten geworden, die auf PR-Aktivitäten angewiesen sind. Eine andere Überlegung ist, ob die Aufgaben des Wissenschaftsjournalismus auch darin bestehen, die Fragen der Öffentlichkeit an den Wissenschaftsbetrieb heranzutragen.

Der vorliegende Band gliedert sich in vier Themenkreise:

A. Empirisches: Die Ausführungen zum Thema "Wissenschaftsjournalismus und seine Rezeption" bestehen aus Analysen des Studienganges "Journalismus und Unternehmenskommunikation" an der Fachhochschule Joanneum, Graz, die auf der Auswertung einer Fragebogen-Aktion basieren, an der 21 JournalistInnen und 577 RezipientInnen teilnahmen. Festzustellen ist, dass LeserInnen auf einen qualitätsvollen Wissenschaftsjournalismus Wert legen. Die Arbeit der Studierenden ist in fünf Kapitel gegliedert:

  1. Aufgabenstellung, Ziel und Methodik: Das erste Unterkapitel beschäftigt sich mit Medienrezeptionsforschung und Wirkungsforschung als boomender Industrie der letzten Jahre, mit den WissenschaftsjournalistInnen als "unbekannten Wesen" sowie mit den Fragen, was Rezipienten wichtig ist und was man unter "Wissenschaft-light" versteht.
  2. Das Publikum: Im zweiten Unterkapitel wird erörtert, wie und warum es in den Medien zu einem Wissenschaftsboom kommt, dass die Skepsis einer Neugier gewichen ist und was man unter einem trendbewussten Publikum versteht. Es wird ferner der Frage nachgegangen, inwiefern das Internet eine Triebfeder für die Wissenschaftsberichterstattung darstellt und wie das Publikum damit umgeht. Aspekte wie "Jung, gebildet und vorwiegend männlich" werden ebenso zur Diskussion gestellt wie die Thematik der Interaktivität des Internets.
  3. Die Produzenten - Wissenschaftsjournalisten: Statisten oder Protagonisten? Die AutorInnen betonen, dass die Welt komplizierter zu werden scheint. Es wird außerdem die Frage aufgeworfen, ob die Arbeit als WissenschaftsjournalistIn Beruf oder Berufung darstellt.
  4. Übereinstimmungen und Divergenzen: Das vierte Unterkapitel befasst sich u.a. mit dem Unterschied in der Gewichtung einzelner Fachbereiche durch JournalistInnen bzw. RezipientInnen. Während die JournalistInnen Themen aus den Naturwissenschaften favorisieren und die Geisteswissenschaften vernachlässigen, besteht bei den LeserInnen durchaus ein Bedarf an vermehrter Information aus den geisteswissenschaftlichen Bereichen.
  5. Angefügt ist im Teil 5 der Fragebogen für JournalistInnen und LeserInnen mit den entsprechenden tabellarischen Auswertungen.

B. Vergangenes, Gegenwärtiges, Zukünftiges: In diesem Kapitel werden von arrivierten WissenschaftsjournalistInnen Themen behandelt, wie "Populärwissenschaft für alle - aus der Frühzeit des Wissenschaftsjournalismus", "Einen Wissenschaftsredakteur können wir uns nicht leisten…". Christian Müller (Vizepräsident des Österreichischen Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten und Initiator der vom Klub jährlich vergebenen Auszeichnung "Wissenschafter des Jahres") zeichnet ein Porträt des Pioniers des österreichischen Wissenschaftsjournalimus Friedrich Katscher. Gerhard Peter Moosleitner widmet sich dem Thema: "Mit Wissenschaften eine interessante Zeitschrift machen und mit Experten zu den Grenzen des Wissens vorstoßen", wobei vieles aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung in diesem Metier einfließt.

Christian Müller führt unter dem Titel "Auf der Suche nach dem Cross-over-Wissenschaftsjournalismus" ein Gespräch mit Josef Broukal, der seit 2002 Nationalratsabgeordneter und Wissenschaftssprecher der SPÖ ist und seit Juni 2003 das Wissenschaftsmagazin "Aha!" auf ATVplus moderiert.

Philipp Steger (Politikwissenschafter und Jurist, seit März 2000 Wissenschafts- und Technologieattaché an der österreichischen Botschaft in Washington) behandelt amerikanische Perspektiven zur Zukunft des Wissenschaftsjournalismus. Er kommt zum Schluss, dass die Forderung von John Wilkes, wir sollen die Menschen zum Lernen verführen, nur scheinbar die einfachste Lösung ist. Allerdings liege in ihr die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus.

Alois Kogler (Universitätslektor für Medienpsychologie, Medienpädagogik und Sportpsychologie, seit 1980 Wissenschaftsjournalist, 1989 Auszeichnung mit dem österreichischen Staatspreis für Wissenschaftspublizistik in Radio und Fernsehen) behandelt das Thema "Lotosblume und Roboter - Wissenschaftsjournalismus zwischen Emotion und Kognition und reflektiert über Medienkultur, gesellschaftliche Veränderung und Möglichkeiten des Wissenschaftsjournalismus, weiters über Nachrichtenwertfaktoren, Vernetzung und Synchronisation.

C. Das Kapitel Theoretisches bringt vorrangig Beiträge von WissenschafterInnen aus dem Bereich der Medienwissenschaften und des Wissenschaftsjournalismus von Universitäten und Hochschulen Deutschlands und der Schweiz. Der bekannte Physiker Erich Gornik stellt die interessante Frage, ob wissenschaftliches Publizieren für Erkenntnisgewinn oder für Ruhm und Ehre des Forschers dient.

D. Das letzte Kapitel stellt alternative Denkansätze vor. Hier kommt Marc Ries zu Wort, der sich mit Fragen von Knowledge Sharing und Verräumlichungsstrategien von Wissen und Netzwerken auseinandersetzt. Die Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. stellt ihren Beitrag unter den Titel: "Einsteins Zunge, zwischen Fake und Verkürzung: Wissenschaftsvermittlung durch Hollywood." Der letzte Beitrag des Bandes ist den aktuellen sozialen Themen Psycho-Talk und Radio-Help gewidmet.

Der vorliegende Sammelband ist für BibliothekarInnen von Interesse, da zukünftige InformationswissenschafterInnen die Auswirkungen des Wissenschaftsjournalismus auf die Welt der neuen Medien beleuchten. Gerade in einer Zeit, in der die Wissenschaftsforschung verstärkt die Frage nach dem Wert von theoretischer und empirischer Kritik von Messmethoden wie Impaktfaktor, Journal Ranking oder Peer Reviewing der wissenschaftlichen Arbeiten stellt, erhält der Wissenschaftsjournalismus eine besondere Bedeutung.


Anschrift der Rezensentin

Hofrätin Dr. Sigrid Reinitzer
Universitätsbibliothek
Karl-Franzens-Universität Graz
Universitätsplatz 3
A-8010 GRAZ
sigrid.reinitzer@uni-graz.at