Manchmal kann man die Zukunft sehen

Ein kunterbunter Rundgang über die CeBIT 2005, die diesmal gleichzeitig auch ComInfo war

von Vera Münch

6 270 Aussteller aus 69 Ländern zeigten auf der CeBIT 2005, wie die Digitaltechniken das Arbeiten, das Lernen, das Leben und die Freizeit verändern. Die Atmosphäre war mehr denn je geschäftlich geprägt. Aber Fußball spielen und Autorennen fahren kann man(n) im Digitalzeitalter ja auch im Anzug.

Unterwegs Richtung Zukunft: Der morgendliche Besucherstrom vom Messebahnhof zur CeBIT

Kann man Zukunft eigentlich sehen? Das fragte eine attraktive Frau mit nachdenklichem Gesicht monatelang von riesigen Plakatwänden in ganz Deutschland. Nach der Antwort sollte man auf der CeBIT 2005 in Hannover suchen. Die Messe ist vorbei und die Antwort gefunden. Sie lautet: Ja. Zukunft kann man sehen.

Sie wird klein; sehr klein. Und flach, sehr flach. Dazu hochgradig automatisiert und virtuell erweitert. USB-Memory-Sticks etwa sind auf minimale Abmessungen bis zur Größe eines Daumennagels geschrumpft. Ihr Speichervolumen hat sich dabei vervielfacht. Ultraflache Plasmabildschirme ersetzen klobige Fernsehgeräte und Anzeigetafeln. Das Auto der Zukunft wird seinen Weg alleine finden. Aber nicht nur das: Es wird auch Gefahren erkennen, die unsichtbar 1 000 Meter voraus liegen, und es wird dafür sorgen, dass es beim Einparken keine Beulen mehr gibt. Auf der diesjährigen CeBIT gab es Autos wie noch nie - volldigital ausgestattet natürlich.

Erweiterter Horizont

Das Gesichtsfeld des Menschen wird in der Medizin, der Architektur, der Museumstechnik, der Archäologie und allen weiteren vorstellbaren Einsatzgebieten multimedial erweitert; zum Beispiel in der Grube Messel. Am Rande dieses Weltkulturdenkmals bei Darmstadt sollen bereits im kommenden Sommer Panoramaferngläser aufgestellt werden, die beim Betrachten der Landschaft in das real vor Augen liegende Bild multimedial Informationen einspielen, zum Beispiel, wo welche Fossilien gefunden worden sind, wo Fördertürme standen usw. usf. Das Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung in Darmstadt (IGD) hat es auf der CeBIT schon mal vorgeführt. Ein paar Stände weiter zeigte Wolfgang Draxinger, ein junger Physikstudent, ein System, das den Weg eines Endoskops im Körper des Menschen verfolgt und dem Arzt bei der Orientierung hilft. Draxinger hat das System im Rahmen von "Jugend forscht" so eben 'mal während seines Zivildienstes an einer Urologischen Klinik entwickelt und programmiert. Das kann er nach eigener Aussage, weil er "mit Computern aufgewachsen ist". Er versteht sie offenbar einfach.

Digitaler Wohnen

Entspannung auf der CeBIT: Fußball und Autorennen für Geschäftsleute

Aus dem Lifestyle-Anspruch "schöner wohnen" wird in der neuen Zeit "digitaler wohnen". Die Wohnwelt der Zukunft, vorgestellt im T-Kom-Haus auf dem Messegelände und auf den Ständen aller großen Marktteilnehmer wie etwa Sony, wird ihre Bewohner beim Leben begleiten, etwa, indem sie sich per automatischem "Mood Management" der Stimmung der Menschen anpasst, das Licht dimmt, Entspannungsmusik auflegt..., aber auch so profane Dienstleistungen erbringt wie etwa Einbruchsüberwachung. Die Küchengeräte im Haus von morgen werden per Handy oder Mini-PC aus der Ferne geschaltet; die gewonnene Freizeit im Wohnzimmer virtuell verspielt. Die digitalen Unterhaltungsangebote, ein paar Jahre ausgelagert auf die CeBIT Home, sind wieder zur Frühjahrsmesse zurückgekehrt. Sichtlich zur Freude der jungen Manager, die sich zwischen ihren Geschäftsgesprächen eine Runde Fußball im Business-Outfit gönnten.

Voipen Sie schon?

Erwähnt werden müssen natürlich auch die beiden echten Trends der CeBIT 2005 - obwohl man genau die nicht oder nur sehr schwer sehen konnte, weil sie sich im Cyberspace abspielen: Das Telefonieren und Fernsehen über das Internet, in der Fachsprache Voice over IP (VoiP) und Triple Play. Zwar prognostizierte Willi Berchtold, Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM) in der Eröffnungspressekonferenz der UMTS-Nutzung eine explosionsartige Steigerung von 250 000 Benutzern (2004/2005) auf 2,5 Millionen zum kommenden Jahreswechsel. Auf der CeBIT gab es trotzdem nur sehr wenig UMTS-Endgräte zu sehen. Internet-Telefonie bestimmte die Gespräche über die Zukunft des Telefonierens. 100 000 Menschen nutzen in Deutschland bereits VoiP-Technik zum Telefonieren. Millionen sollen folgen. Entweder, weil sie sich selbst einen derartigen Telefonanschluss einrichten, oder, weil die Telefongesellschaften den Gesprächsverkehr über Internet abwickeln. Der Nutzen liegt bar auf der Hand: VoiP-Telefonieren ist deutlich billiger. (Fragt sich nur, wie lange noch.) Zum "Triple Play", dem Fernsehen über Internet, war leider wenig Konkretes zu erfahren. Angekündigt wurde nur so viel: Es kommt - und alle Netzbetreiber interessieren sich sehr stark dafür.

Chaotische Informations-Zukunft

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Chaotisch wird die Zukunft im Bezug auf die Organisation, die Archivierung und die Bereitstellung von gedruckten und digitalen Informationen. Warum? Weil die Systemanbieter in den letzten Jahren massiv den Inhalt - den "Content" - für ihre Systeme entdeckt haben, darunter aber etwas anderes verstehen als die traditionelle Informationsbranche aus Verlagen, Bibliotheken, Datenbank- und Informationsdienst-Anbietern. Die Softwerker bauen für die Verwaltung "ihres" Content sogenannte

Allein zum Stichwort Content Management Systeme (CMS) lieferte das elektronische Besucher-Informationssystem der CeBIT die stattliche Zahl von 240 Ausstellern. Aber der Vollständigkeit halber muss man der Produktgruppe CMS teilweise auch noch Anwendungssoftware für Produktinformationsmanagement, Wissensmanagement (WiMa) und Knowledge Management (KM) zurechnen. Voilá - versuchen Sie doch einmal, die Angebote zu vergleichen; und vor allen Dingen: zu verstehen!

Was ist Content?

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Hyperwave, ein Technologieführer in diesem Bereich, definiert sein CECM Portfolio so: "Ob branchentypisch oder übergreifend, ob Dokumentenmanagement, eLearning, eConferencing, Web Content Management, Workflow, Wissensmanagement oder eine Kombination aus allem - Hyperwave bietet Unternehmen erprobte und effiziente Lösungen für all ihre Anforderungen bei der Bereitstellung, der Verwaltung und dem gezielten Zugriff auf ihr gesamtes Unternehmenswissen."

Und genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Was alles gehört zum Unternehmenswissen? Was ist Content? Für die meisten Software-Systemanbieter ist es diejenige Information, die in einem Unternehmen erzeugt wird - also eMails, Office-Dokumente, DMS-gescannte Post usw. inklusive der dazugehörigen Ablagesysteme. Wenn die Software-Entwickler über Content Management sprechen, sprechen sie von Intranet- und bestenfalls noch von Extranet-Lösungen für Unternehmen. Über die Einbindung externer Quellen für Fachinformation denken erst die wenigsten nach.

Bangor University entlässt Bibliothekare

Wozu auch? Wozu sollten sie sich Gedanken über Verlagsangebote, Bibliothekskataloge, Dokumentenlieferdienste oder professionelle Fachdatenbanken machen? Informationen kommen ja heute aus dem Internet. Wie sie hineinkommen? Komische Frage. Sie werden eingestellt! Und mit den geeigneten Werkzeugen, so Dr. Jochen Robes als einer der Hauptredner am "Tag des eLearning" der nordmedia auf der CeBIT, könnten Wissensarbeiter sich die Informationen sogar automatisch aus dem Internet saugen lassen; zum Beispiel mit Hilfe personalisierter Auswertungstools für "Webtagebücher", die sogenannten Weblogs, kurz Blogs. Der Assistent zum persönlichen automatischen Info-saugen heißt dann natürlich "myBlog". Weblogs sind damit, so die Darstellung, Teil des persönlichen Informationsmanagements der Wissensarbeiter von heute (wer immer das auch sein mag). Robes zitierte in diesem Zusammenhang auch eine Meldung der englischen Tageszeitung "Guardian" vom 16. Februar 2005. Darin berichtete der Guardian, dass die Bangor Universität in Wales acht von zwölf Bibliothekaren entlassen will, weil die Studierenden ja heute ihre Informationen im Internet finden könnten. Ähnliche Tendenzen werden aus den USA berichtet, wo die Ankündigungen bis zur völligen Schließung von Bibliotheken reichen. Wohlan denn! Auf in die Informationsgesellschaft.

Fürs Archiv ist die Firma zuständig

Neue Modefarbe: Gut die Hälfte der Messestände strahlten in blütenweiß

Über die Themen Erwebung, Bestandspflege, Lizenzverwaltung oder gar Langzeitarchivierung wird in der Softwarewelt wenig bis gar nicht nachgedacht. Dafür sind andere zuständig. Wer, das bleibt entweder offen, oder der Kunde wird als Verantwortlicher genannt. Schließlich waren Firmen ja schon immer fürs Einkaufen, Weitergeben und Aufheben ihrer Akten, ihrer Ordner und ihrer Fachliteratur selbst verantwortlich. Dass es im Digitalzeitalter so nicht mehr geht, wird vornehm verschwiegen bzw. ist so manchen Softwaresystemanbietern selbst nicht klar.

Wenn es der Informationswirtschaft und den Informationsfachleuten in Bibliotheken und Informationsvermittlungsstellen nicht (endlich) gelingt, ihr Dokumentationsfachwissen mit dem Informatik-Wissen der Softwarehersteller und dem Know-how der Bibliothekstechnik-Anbieter zusammenzubringen, ist das Informationschaos programmiert - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn aus jedem System kann bekanntermaßen nur das herauskommen, was hineinfließt und - eine ebenso heikle Sache - auch nur aus den Quellen, die von den Suchalgorithmen angesprochen werden. Auch die großen Systemhäuser sind im Bezug auf die Einbindung externer Informations-Zulieferquellen und die Archivierung noch nicht viel weiter als die kleinen. Das zeigte unter anderem ein Gespräch mit IBM Enterprise Content Management. IBM hat zwar laut Aussage des Standbetreuers "eine Strategie dafür", diese aber, zumindest auf der CeBIT, nicht offiziell vorgestellt. Da darf man wohl hineininterpretierten, ein Andocken externer Quellen an die IBM-ECM-Software-Lösung sei angedacht, aber noch nicht auf dem Markt.

Mikrofilme? Gibt es das noch?

IBM garantiert seinen Unternehmenskunden den Zugriff auf die digital verwalteten Dokumente zumindest für die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Aufbewahrungspflicht; meistens zehn Jahre. Im ersten Jahr bleiben die Daten im Direktzugriff. Später würden sie auf CD-ROM oder Bändern archiviert. Die Nachfrage, auf welchen Bändern, löste Erstaunen aus; die Zusatzerklärung - "Magnetbänder oder Mikrofilmbänder?" - fröhliches Gelächter. Mikrofilme? Gibt es das noch?

IBM hatte seinen Hauptstand wie immer in der Mitte der Halle 1. Am südwestlichen Eingang zu dieser Halle - dem Übergang aus der Halle 2 - hat Zeutschel traditionell seinen Platz. Seit vielen Jahren. Zeutschel, der auf Bibliothekstechnik spezialisierte Anbieter aus Hirschau bei Tübingen, der auf der CeBIT 2005 eine funkelnagelneue Hochleistungsmaschine für die Langzeitarchivierung digitaler Daten präsentierte: Den ArchiveWriter OP 500. Das Gerät macht aus eMails, CAD-Daten, Office-Dokumenten, Scans und Images - ja, genau - Mikrofilme!. Von diesen Mikrofilmen können Vorlagen bis zur Größe von AO später verlustfrei in 300dpi Auflösung wieder hergestellt werden. Eine weitere CeBIT-Neuheit präsentierte Zeutschel mit Hermes Digital. Damit wagen sich die Hirschauer erstmals auf das Feld der elektronischen Dokumentenlieferung. Das Softwaresystem ist speziell für Bibliotheken konzipiert. Es unterstützt alle Vorgänge rund um die elektronische Dokumentenlieferung in der Bibliothek: von der Erfassung eingehender Bestellungen über die Verteilung der Aufträge an verschiedene Scan-Stationen bis hin zur Auslieferung des Dokumentes per eMail an den Bibliothekskunden und zur Berechnung der Gebühren. Hermes Digital kommt im Laufe des Jahres als eigenständiges System auf den Markt, kann aber natürlich mit anderen Zeutschel Geräten kombiniert werden.

ComInfo auf der CeBIT

Zwischen IT und Softwerkern: Die ComInfo auf der CeBIT

Langzeitarchivierung, Einbindung externer Informationsquellen in Intranets, Zugriffsverwaltung, elektronische Dokumentenlieferung vom Zitat bis zum Volltext, Lizenzmanagement, Urheberrechtswahrung, Qualitätssicherung für Inhalte: All das sind Themen, die in der professionellen Informationswirtschaft seit Jahren diskutiert und erforscht werden und für die sie bereits eine große Anzahl von Lösungen entwickelt hat. Doch die Informationsprofis, weder öffentlich geförderte, noch kommerzielle, werden als Branche und Kompetenzträger wahrgenommen. Der Versuch, die Informationswirtschaft und ihre Informationslösungen für Unternehmen einer breiteren Öffentlichkeit darzustellen, war einer der wichtigsten Gründe für die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaft und Informationspraxis (DGI e.V.), ihre Fachmesse ComInfo in diesem Jahr erstmals in die CeBIT einzubinden. Gemeinsam mit der Deutschen Messe AG wurde das "Forum ComInfo" als Kompetenzzentrum für Informationsvermittlung und -verarbeitung eingerichtet.

Der große Erfolg blieb aus. Zwischen 6 270 Ausstellern müssen sich 15 Firmen schon gewaltig etwas einfallen lassen, um wahrgenommen zu werden. Genau so viele weist der Extra-Minikatalog zum ComInfo-Forum aus - neun davon als Aussteller, sechs weitere, die sich mit Vorträgen innerhalb des Forums präsentierten. Auch der Strom der Messebesucher floss nicht automatisch an der ComInfo vorbei, so dass man zufälliges Laufpublikum hätte erreichen können. Dafür lag das Forum zu sehr in einem hinteren Bereich der Halle 3.

Zeitungen und Wirtschaftsinfos online

Mit einem eigenen oder auf gemeinsam von zwei Firmen angemieteten Ausstellungsständen präsentierten sich auf der CeBIT-ComInfo 2005 hauptsächlich die Anbieter von Wirtschaftsinformation. Genios, der Wirtschaftsinformationsdienst des Handelsblatt-Verlages informierte im Schwerpunkt über sein Mittelstandsportal Firmenwissen.de. Lexis-Nexis, der weltweit führende Anbieter von Wirtschafts-, Presse- und Rechtsinformationen nutzte, wie auch das FAZ-Archiv, die Gelegenheit vor allem für Gespräche mit anderen CeBIT-Ausstellern - Leuten aus der Software- und IT-Industrie. GBI, die in München angesiedelte "eBibliothek der deutschen Wirtschaft" stellte in bewährt unaufgeregter Manier ihr Angebot an konzentrierten Wirtschaftsinformationsdiensten wie z.B. Unternehmensdossiers mit verdichteten Daten und Fakten über Mitbewerber oder sogenannte Knowledge Summaries vor. Letztere decken vorgegeben Wirtschaftsthemen (z.B. Basel II o.ä.) auf wenigen Seiten vollständig ab. Sie werden von Fachredakteuren zusammengestellt.

FIZ Technik und TIB schließen Kooperationsvertrag

Engere Zusammenarbeit: FIZ Technik-Geschäftsführer Peter Genth (links) und TIB-Direktor Uwe Rosemann besiegeln neue Kooperation

Das FIZ Technik, Frankfurt, und die Technische Informationsbibliothek Hannover (TIB) nutzten die CeBIT-Cominfo-Bühne, um mit einem öffentlichen Festakt auf dem Messestand einen neuen Kooperationsvertrag zu unterschreiben. FIZ Technik ist Produzent und Anbieter von bibliografischen Datenbanken im Bereich der Technik; die TIB die deutsche zentrale Fachbibliothek für Technik und deren Grundlagenwissenschaften. Peter Genth, Geschäftsführer des FIZ Technik erklärte zur Kooperation: "Bibliotheken und Datenbanken bieten qualifizierte aktuelle und vollständige technisch-wissenschaftliche Informationen an - bereitgestellt über das Internet und mit der Möglichkeit, weitere aktuelle Internet-Quellen einzubinden." Die professionelle Informationsbranche könne Systemkonzepte verkaufen, die alles einbinden. "Genau das wollen und müssen wir tun", so Genth.

Beide Institutionen arbeiten bereits seit über 30 Jahren bei der Datenbankproduktion und der Literaturversorgung zusammen. Ziel des neuen Abkommens ist es laut gemeinsamer Presseinformation, "den digitalen Zugriff auf das nunmehr größte deutsche Informationsuniversum im Bereich Technik zu ermöglichen". FIZ Technik-Kunden und TIB-Kunden können jetzt in einem Arbeitsgang sowohl auf die FIZ-Datenbanken zugreifen als auch Volltexte elektronisch bestellen. Dabei ist es unerheblich, von welcher Seite aus sie das Informationsangebot nutzen, also ob sie über die FIZ Technik-Oberflächen oder einen TIB-Zugang einsteigen. Die Volltexte werden von der TIB ausgeliefert, die Rechnung für die gesamte erbrachte Dienstleistung stellt der jeweilige Vertragspartner des Kunden, also entweder die TIB oder das FIZ Technik.

Vom Online-Literaturzitat zum Volltext

Ein universelles, weitgehend automatisiertes Volltextvermittlungssystem hat das Fachinformationszentrum (FIZ) Karlsruhe mit seinem Service FIZ AutoDoc schon vor einigen Jahren eingerichtet. Die TIB ist als einer der wichtigsten Zulieferer daran angeschlossen. FIZ Karlsruhe trat in Hannover nicht als Aussteller auf, sondern lediglich mit einem Vortrag im Rahmen des ComInfo-Forums. Die DGI hatte diese Präsentationsplattform für ihre Mitglieder eingerichtet. Unter der Überschrift "Wissenschaftlich-technische Information - vom Online-Literaturzitat zum Volltext" stellte Wendelin Detemple vom FIZ Karlsruhe die als "STN Full Text Solution" bezeichnete Beschaffungslösung von STN International vor. FIZ Karlsruhe betreibt diesen weltweiten Datenbankverbund in Europa. Die "STN Full Text Solution" bindet die Volltextbeschaffung in alle Informationsangebote von STN International direkt ein. Das heißt, man kann den Volltext zu einem gefundenen Literaturzitat mit wenigen Mausklicks bestellen, egal, unter welcher Zugangsoberfläche man den Service benutzt. FIZ AutoDoc ist Teil der "STN Full Text Solution", kann aber auch über einen Direktzugang als eigenständiges Bestellsystem benutzt werden. In Unternehmensnetze kann man die Volltextlösung mit der Software STN Easy for Intranets nahtlos einbinden.

1.400 Lehrbuch-Kapitel, zum Leben erweckt

In einer ganz anderen Ecke des riesigen Messegeländes stellte das FIZ CHEMIE Berlin aus, ebenfalls seit Jahrzehnten Mitglied der professionellen Fachinformationsbranche. Zusammen mit dem Institut für Technische Chemie der Universität Leipzig zeigte es am Gemeinschaftsstand des Bundesforschungsministerium (BMBF) in Halle 9 Laborversuche übers Internet. Dabei wurden Versuchaufbauten in Laboren in Leipzig und Oldenburg über das Internet geschaltet. Die Online-Laborversuche sind für zehn Teilnehmer ausgelegt. Einer steuert online, neun schauen zu - von zu Hause aus oder sonst woher. Das System liefert sämtliche Messdaten in Echtzeit auf alle Bildschirme und per Webcam noch laufend die Live-Bilder vom Versuchsaufbau dazu.

Das per Multimedia-Technologie zum Leben erweckte Kapitel aus einem Lehrbuch für technische Chemie ist ein beispielhaftes Ergebnis des BMBF-Leitprojektes "Vernetztes Studium - Chemie" (VS-C). Im Rahmen von VS-C haben 16 Arbeitsgruppen an Chemie-Fakultäten von zwölf Universitäten sowie vier Wissenschaftseinrichtungen gemeinsam 1.400 (!) multimediale, qualitätsgeprüfte Kurse für die webbasierte Chemie-Ausbildung entwickelt. Das FIZ CHEMIE Berlin will daraus unter anderem auch eine breite Produktpalette an chemischen Ausbildungsinhalten für Chemieberufe anbieten. Das Konzept kombiniert ein für Nichtchemiker ausgelegtes, chemieorientiertes Weiterbildungsprogramm mit einer Enzyklopädie und Weiterbildungsplattform als Inhouse-Lösung. Alle VS-C-Kurse sind multimediales Unterrichtsmaterial in neuer Form, das seinen Platz in den Bibliotheken erst noch richtig finden muss.

Bibliotheca.net im Public Sector Parc

Nur ein paar Schritte vom VS-C Exponat entfernt führte Diplombibliothekar Ralph Dummer auf dem Forschungsstand von Rheinland-Pfalz am laufenden Band die "neue Lösung für zeitgemäßes Bibliotheksmanagement" von Bond Bibliothekssysteme aus Böhl-Iggelheim vor: Bibliotheca.net. "Wir erreichen hier eine ganz neue Zielgruppe", berichtete Dummer. Die Nachfrage sei riesig. Vor allem EDV-Leute aus Stadtverwaltungen würden sich sehr für Bibliotheca.net interessieren. Der Funktionsumfang von Bibliotheca.net sei etwas geringer als der von Bibliotheca2000, dem eingeführten Softwaresystem von Bond. So fehlten ihm beispielsweise Edifact- und Periodicamodul. Dafür komme es auf der Benutzerseite ohne jede (Client-)Softwareinstallation aus. "Das heißt", so betonte Dummer, "es läuft wirklich ohne Plug-Ins oder sonstige Softwaretricks unter einem ganz normalen Internetbrowser". Bond hat Bibliotheca.net im Dezember 2004 im Bibliotheksverbund Matzfelder Land erstmals installiert. Die zweite Installation läuft in Rödermark in Hessen.

Cuadra Star als Browserlösung

"Der Trend geht eindeutig zu Browserlösungen, die ohne Client Installation auskommen", berichtete auch Christian Lachnit von Glomas. Das Unternehmen ist seit 1978 auf dem Sektor Bibliothekslösungen tätig; seine Software Cuadra Star seit mehr als 20 Jahren vor allem in Spezialbibliotheken im Einsatz. Zum Kundenkreis gehören zum Beispiel mehrere Landesparlamente, Museen und die Fraunhofer Gesellschaft. Die modular aufgebaute, multimediale Software ist für diese Spezialaufgaben ausgelegt. So kann sie zum Beispiel den Grundriss des Weißen Hauses anzeigen, aus dem man dann das Oval Office wählt, um sich die Bilder anzusehen, die dort an den Wänden hängen. Seit der CeBIT gibt es Cuadra Star, bisher Windows-Client und Browser-basiert, nun auch als reine Browserlösung, erklärte Lachnit.

Exlibris bringt neues Ressourcenmanagement

Exlibris, traditionell ComInfo-Aussteller, war auch auf der CeBIT-ComInfo mit eigenem Standplatz dabei. Dr. Peter Ahrens stellte dort "Verde" als neuestes Produkt für "e-Ressource Management" vor. Die Software wurde von Exlibris gemeinsam mit der ETH Zürich entwickelt. Das Werkzeug unterstützt als eigenständiges System Bibliothekarinnen und Bibliothekare bei der Verwaltung elektronischer Quellen "über den ganzen Lebenszyklus einer e-Ressource" hinweg. Will heißen: Es bietet Funktionalitäten zum Hochladen, Freischalten, Abrechnen und zum Wiederabschalten von Informationsquellen, wenn die Lizenz abgelaufen ist. Verde ist SFX-kompatibel und arbeitet auch sonst mit Austauschformaten, die im Bibliotheksbereich zum Standard geworden sind; z.B. ONIX for Serials.

Branche nimmt Beratungsfunktion nicht wahr

Glasklares Bild: Die flachen Monitore werden immer besser

Zu verstehen, auf welche Fragen es bei der Auswahl einer Bibliothek- oder Unternehmens-Informations- Management-Software wirklich ankommt, um auf diese Weise dann auch herauszufinden, wo die Unterschiede der angebotenen Systeme liegen und welches für die eigenen Anforderungen am besten geeignet ist, wird selbst für Profis immer schwieriger. Dagmar Causley thematisiert in diesem Zusammenhang ein wesentliches Problem: "Die Branche nimmt ihre Beratungsfunktion nicht wahr."

Causley führt mit ihrem Mann Jeremy die LIB-IT GmbH, Pleidelsheim, Anbieter der Bibliotheks- und Archivsoftware LIBERO sowie der Unternehmenslösung FILERO. Um erst einmal für alle Beteiligten deutlich zu machen, was ein System können muss, was es können sollte und was es technisch können kann, hält LIB-IT Workshops ab. "Wir müssen voneinander lernen und zuhören. Wenn wir das schaffen, wird uns der Brückenschlag zwischen den schönen Künsten traditioneller Bibliotheksführung und der nicht mehr verzichtbaren, reinen Technik gelingen."

Deutschland konvertiert sich kaputt

Und noch ein Thema brennt Causley auf der Zunge: "Wir brauchen endlich Industriestandards, sonst konvertieren wir uns im deutschen Bibliothekswesen kaputt", so die engagierte Fachfrau. Allein der Umgang mit den beiden in der Bibliothekswelt weit verbreiteten Speicherformaten MAB (RSWK) und MARC (AACR2) verursache in den Systemen unglaublich viel Arbeit und allzu oft Chaos. LIB-IT hat dafür zwar eine leistungsfähige und eigentlich einfache Lösung gefunden, würde aber trotzdem lieber darauf verzichten können, weil eben jeder Schritt auch Aufwand bedeutet.

Deutschland ist laut Causley ein sehr schönes Beispiel für das aktuelle Informations-Chaos. Nicht das Land Deutschland, sondern der Begriff Deutschland - in den Archiven gespeichert unter Deutschland, Bundesrepublik oder Germany. Geht man tiefer in die Vergangenheit, muss auch noch zwischen Ost und West unterschieden werden. Für Informationsprofis eigentlich eine lange per Thesaurus gelöste Aufgabe. Was aber viele der -zig verschiedenen, heute angebotenen Suchsysteme bei Eingabe von "Deutschland" tatsächlich an die Oberfläche liefern, sei im Vergleich zu einer professionellen Recherche oder eben einem ausgereift automatisierten System doch schon äußerst bemerkenswert. "Wir müssen mit unseren Daten sauberer umgehen", fordert Causley.

FILERO führt alle Daten zusammen

Design oder nicht Sein: Nach den Handy-Abdeckungen kommen jetzt die coolen PC-Gehäuse

Die Geschäftsführerin von LIB-IT weiß, wovon sie spricht. In der Enterpriselösung FILERO führt LIB-IT nicht nur alle Daten zusammen, die in einem Unternehmen anfallen, sondern bündelt dazu auch Fachkompetenz aus den verschiedenen Welten - den Bibliotheken, der Online-Datenbankwelt und der Softwarewelt. Alle Daten heißt bei FILERO tatsächlich alle in einem Unternehmen anfallenden Daten. Das Softwaresystem kann existierende Anwendungen, etwa Dokumenten Management, Archivierung, Management-Informations-Systeme, Kundenstammdatenverwaltung, Produkt- und Wissensdatenbanken oder elektronisch gestützte Arbeitorganisationsabläufe integrieren, externe Quellen andocken und sowohl Intranet-Oberflächen, als auch Internet-Browser füttern. Abgelegt werden alle Daten sauber strukturiert in einer zentralen Datenbank.

Bibliotheca RFID gewinnt Preis

Bibliothekstechnologie, die man, zumindest zum Teil, noch richtig anfassen, fühlen und bestauen kann, baut die Schweizer Firma Bibliotheca RFID Library Systems. Für ihr Ausleihe-Organisationssystem BiblioChip RFID ist sie im Februar 2005 mit dem bedeutendsten Schweizer Technologiepreis, dem Swiss Technology Award, ausgezeichnet worden. Deshalb durfte das Unternehmen auf dem Schweizer Gemeinschaftsstand in Halle 9 ausstellen. Das erst 2001 gegründete Unternehmen ist bereits europäischer Marktführer unter den Anbietern von Bibliothekssystemen, die mit der berührungslos arbeitenden Funktechnologie "Radio Frequenz Identifikation" (RFID) arbeiten. Das Unternehmen hat aber weiterhin ein ehrgeiziges Ziel: Es möchte die Nummer 1 weltweit werden. Angesichts der vielen internationalen Besucher auf dem Messestand, viele aus asiatischen Ländern, schien der hehre Anspruch gar nicht so weit her geholt. Bekannte Bibliotheken wie die Stadtbüchereien in Zürich, Winterthur, Stuttgart, Wien und die Universitätsbibliothek Leuven/Belgien arbeiten bereits mit BiblioChip. Die Universitätsbibliothek Karlsruhe und die Stadtbücherei in Antwerpen sind dabei, es einzusetzen. Mit BiblioChip können Bibliotheksnutzer alle Medien selbständig ausleihen und an Rückgabeautomaten, die auch außerhalb der Bibliothek irgendwo im Stadtgebiet stehen können, rund um die Uhr zurückgeben. Die Ausleihe wirkt ein wenig wie Zauberei: Wenn der Besucher sich per Bibliothekskarte identifiziert hat, kann er alle Medien, die er mitnehmen möchte, als Stapel auf die Selbstverbuchungsstation legen. Das System erkennt trotzdem jedes Buch, jede CD oder DVD einzeln. Die Software zeigt die Titelliste an. Das Benutzerkonto wird automatisch abgeglichen und auf Wunsch kann sich der Bibliothekskunde einen Beleg ausdrucken lassen, auf dem draufsteht, was er ausgeliehen hat und wann er die Sachen zurückgeben muss. Neben den Verbuchungsfunktionen dient das RFID-Etikett in Kombination mit einem Durchgangsleser am Ausgang der Bibliothek auch der Mediensicherung. Wird ein Medium nicht korrekt ausgebucht, ertönt Alarm. Auch bei Inventur und Bestandskontrolle helfen RFID-Etiketten: Ein tragbares Handlesegerät findet verstellte Medien.

Studentenausweis ersetzt Groschengrab

Last but not least noch einmal zurück in die Halle 1, wo Image Access den Aufsichtsscanner-Kopierer Bookeye 3 ausgestellt hatte; übrigens auf dem gleichen Messestand wie immer, aber zum ersten Mal nicht mehr als Untermieter. Das Unternehmen hat den Standanteil von Agfa gekauft - und es nicht bereut. Bereits zur Halbzeit war Geschäftsführer Rüdiger Klepsch mit der Messe sehr zufrieden: "250 Kundenkontakte in drei ein halb Tagen - das ist hervorragend". Nur zehn Prozent davon waren aus Deutschland. "Die CeBIT ist für uns eine Auslandsmesse."

An Bookeye 3 ist die Lampenlösung neu: Der Lichtstreifentaster kommt jetzt ohne UV-Anteil aus und blendet auch deutlich weniger. Das Gerät ist bis zum Format A1 als "Tabletop-Modell", also zum Aufstellen auf einem Tisch, geeignet. Die integrierter Buchwippe kann jetzt Buchhöhen bis 10 cm ausgleichen. Per "Scan2Net"-Technologie können die Daten übrigens auch drahtlos über ein Funknetzwerk (Wireless LAN) übertragen werden. Allerdings, so Klepsch, "kommt Wireless LAN bei großen Datenmengen nicht mehr mit". Neben dem Scanner, der gleichzeitig auch Kopierer ist, zeigte Image Access das Ergebnis seiner neuen Kooperation mit Schomäcker Card Solutions, einem Hersteller für Chipkartenleser und Abrechnungssysteme. Studierende können auf Bookeye hergestellte Kopien künftig über einen Chip auf ihrem Studentenausweis oder mit einer Prepaid-Karte aus dem Automaten bezahlen.

Weniger Besucher, mehr Internationalität

Die Abschlusspressemeldung der Messe AG unterstrich Klepsch' Aussage. Mit 480 000 Besucherinnen und Besuchern kamen rund 9 000 Menschen weniger als 2004. Der Anteil der ausländischen Gäste ist dabei aber um 6 Prozent gestiegen: von 23 auf 29 Prozent. 35 500 Besucher kamen aus der Region Asien/Pazifik, was einem Wachstum von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dieses starke internationale Interesse korrespondiert mit der Ausstellerstruktur der CeBIT 2005. Mit rund 3 300 Unternehmen verbuchte die Messe das beste Auslandsergebnis in ihrer Geschichte. Dieses Ergebnis belege, so die Deutsche Messe AG, dass die CeBIT sowohl auf Aussteller- als auch auf Besucherseite die globalste ITK-Messe weltweit sei.

Übrigens, als kleine Empfehlung für Ihren CeBIT-Besuch 2006: Die Zahl der Messehallen, die mit Ausstellern belegt sind, beträgt insgesamt 25. Ohne gründliche Vorbereitung geht da nichts mehr.


Die nächste CeBIT Hannover findet von Donnerstag, 09. bis Mittwoch, 15. März 2006 statt.


Zur Autorin

Vera Münch ist freie Journalistin und PR-Beraterin

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