Alternative Berufsfelder

Eine Start-Up-Veranstaltung beim Bibliothekartag 2005

von Karin Holste-Flinspach

Wie seit vielen Jahren üblich, organisierte auch 2005 auf dem Bibliothekartag in Düsseldorf die Kommission für Aus- und Fortbildung des BIB ihre Start-Up-Veranstaltung. Mit Angela Gutjahr-Zipfel (BIBLIOSERV, Karlsruhe): Bibliothekarin ohne Bibliothek - Bericht aus 17 Jahren Tätigkeit als freiberufliche Bibliothekarin; Birte Gerber: Information Research in Banken - ein Erfahrungsbericht und Ilona Munique (WEGA-Team, Stuttgart): Bin ich bereit für ein eigenes Unternehmen? - zeigten die drei Kolleginnen berufliche Perspektiven abseits einer Tätigkeit im mainstream einer Anstellung im öffentlichen Dienst, in wissenschaftlichen oder Stadtbibliotheken, auf.

Mit Angela Gutjahr-Zipfel und Ilona Munique berichteten zwei Kolleginnen über ihren Weg in die Selbstständigkeit. Beide waren nach einer bibliothekarischen bzw. Assistentenausbildung zunächst ganz konventionell in Bibliotheken tätig und arbeiten nunmehr als Unternehmerinnen für Bibliotheken, wenn auch mit einem vollkommen unterschiedlichen Dienstleistungsangebot.

Den Anstoß zur Selbstständigkeit gab bei Angela Gutjahr-Zipfel ein familiär bedingter Umzug nach Baden-Württemberg, in dessen Folge sie zunächst eine Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte in einer medizinischen Firmenbibliothek annahm. Bitten um Mehrarbeit für einzelne Mitarbeiter brachten sie auf die Idee zur Gründung eines bibliothekarischen Dienstleistungsunternehmens. Über die Projektzentrale zur Schaffung von Arbeitsplätzen (PROSA), einem Pilotprojekt des Sozialministeriums Baden-Württemberg, mit einem finanziellen Zuschuss für Anschaffungen und erste Werbemaßnahmen versehen und der Teilnahme an verschiedenen Kursen zum Erwerb kaufmännischer Grundkenntnisse, wurde im April 1988 BIBLIOSERV offiziell gegründet. Zu bereits wartenden Kunden - Wissenschaftlern, Firmen mit eigenen Bibliotheken, staatlichen Einrichtungen und Privatleuten - kamen durch Presseberichte, Werbung und Mundpropaganda weitere hinzu, so dass eine zweite Person zur Arbeitserledigung erforderlich wurde, eine Kollegin, mit der BIBLIOSERV inzwischen partnerschaftlich geleitet wird. Zeitweise werden zudem weitere Bibliotheksfachkräfte beschäftigt, auch Praktikantinnen und Praktikanten.

Das Angebot von BIBLIOSERV kann als Abwandlung des amerikanischen "rent-a-car" in "rent-a-librarian" beschrieben werden, je nach Kunde sind es unterschiedliche Dienstleistungen, aber in erster Linie: Beschaffung (Kauf, Ausleihe) von (auch grauer) Literatur überwiegend über Buchhandel und Bibliotheken, zusätzliches Anbieten von Literatur zu Themen, an denen der Kunde arbeitet, und Literaturverwaltung (Bestellung, Abonnement-Überwachung, Einarbeitung, Buchbinderaktionen, Katalogführung, Ordnung). Des weiteren werden bei Karlsruher Kunden Ergänzungslieferungen in Loseblattsammlungen eingelegt, Bibliotheksumzüge geplant und organisiert, Benutzungsführer erstellt, Systematiken erarbeitet oder Ausleihverfahren ausgewählt. Bei sämtlichen Bestellungen und Kopien tritt BIBLIOSERV nicht im eigenen Namen auf, sondern im Namen und auf Haftung des jeweiligen Kunden/Benutzers, die i.d.R. Benutzer der Universitätsbibliothek Karlsruhe sind mit einem eigenen Benutzerausweis, der BIBLIOSERV für die jeweilige Dauer der Vertragslaufzeit überlassen wird.

Ilona Munique war zunächst als gelernte Bibliotheksassistentin bis 1996 in Bibliotheken tätig, erlernte einen 2. Beruf als DTP-Fachfrau (Desktop Publishing) und ist seitdem als selbstständige Unternehmerin und Trainerin sowie Moderatorin tätig und auch ehrenamtlich im Berufsverband engagiert. Zu ihrem Angebot zählen Werbeberatung von der Planung und Konzeption bis zur Umsetzung des Corporate Design, sei es für Logos oder für die Gestaltung des Jahresberichts. Fortbildungsseminare werden als offene Angebote oder InhouseSeminare deutschlandweit, aber auch in Südtirol bis hin zur Ukraine, angeboten. Das Themenspektrum reicht von Bibliotheksorganisation und -management, Personalentwicklung und -kommunikation bis hin zu Öffentlichkeitsarbeit und Werbung. Das WEGA-Team versteht sich dabei nicht als Firma, sondern als Zusammenschluss von Selbstständigen mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten.

Vor- und Nachteile der Selbstständigkeit

Was sind nun mögliche Vor-, was Nachteile einer Selbständigkeit? Beginnend mit der Arbeitszeit sollten sich eventuelle Aspirantinnen und Aspiranten für eine Selbstständigkeit darüber klar sein, dass zunächst alle arbeitsfreien Tage, egal ob Urlaub, Krankheit oder der Besuch von Fortbildungsveranstaltungen, zu erwirtschaften sind oder als finanzielles Minus gebucht werden müssen. Des weiteren muss zeitweise selbst außerhalb der gängigen Arbeitszeiten an Wochenenden oder Feiertagen bei Eilaufträgen u.ä. gearbeitet werden. Es wird grundsätzlich anders gearbeitet als wie ein "gewöhnlicher" Arbeitnehmer, so muss beispielsweise die Erreichbarkeit durchgängig gesichert sein, per Mail, FAX, Anrufbeantworter - und für alle Abwesenheitszeiten müssen Lösungen gefunden werden. Bei Alleinbetrieb muss selbst Urlaub sorgfältigst vorbereitet werden mit einer Vertretungslösung für dringende Fälle. Zudem ist eine robuste Gesundheit unerlässlich, um krankheitsbedingte Ausfälle möglichst gering zu halten. Ein Minuspunkt selbstständiger Arbeit ist sicherlich, dass ohne Tätigkeit keine Einnahmen erzielt werden, aber trotzdem Ausgaben wie laufende Kosten z.B. für Büroräume anfallen.

Damit wären wir bei den Finanzen: Die Stundensätze als Bruttoeinnahmen werden durch Krankheits- und Altersvorsorge, Steuern, laufende Bürokosten neben der Miete wie Telefon, FAX, Strom; Werbemaßnahmen, Anschaffungen aller Art, Fahrtkosten u.ä. gemindert. Hinzu kommen ggf. Kosten für Mitarbeiter, auch Reinigungskräfte. Alles in allem erhebliche finanzielle Risiken, vor allem für Alleinverdiener. Aber auch Frauen, die dies als eine optimale Lösung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sehen, sollte klar sein, dass es sich bei der Selbstständigkeit um Arbeit, nicht um ein Hobby, handelt. Wer sich dadurch nicht abschrecken lässt, eine vermutlich tragfähige Geschäftsidee hat - und sei es, um eine Alternative zur Arbeitslosigkeit zu finden, dem seien die Existenzgründungsberatungen bei den Industrie- und Handelskammern empfohlen.

Zwischen diesen Einblicken in die Arbeit freiberuflicher Bibliothekare stellte Birte Gerber ihre Erfahrungen im Information Research in Banken vor.

Birte Gerber konnte bereits während ihres Studiums des Bibliotheks- und Informationsmanagements an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg als Praktikantin Erfahrung im Info-Center einer Bank sammeln, wo sie auch am Ende des Studiums als Aushilfskraft arbeitete sowie ihre Diplomarbeit schrieb. Jetzt ist sie als Bibliothekarin in einer Bank im Rhein-Main-Gebiet tätig. Sie gab als Referentin zunächst ein paar Hintergrundinformationen zur Bedeutung von Information Research in Banken und stellte ihr abwechselungsreiches Arbeitsgebiet vor.

Neben der morgentlichen Auswertung von Pressenachrichtungen nimmt die Recherche - beginnend mit dem Kundengespräch, über die Auswahl geeigneter Datenbanken, der eigentlichen Recherche, der Aufbereitung und Selektierung der Ergebnisse den größten Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Anschaulich power-point-gestützt wurden Beispielrecherchen nach Branchen, Ländern, Personen und Unternehmen vorgeführt. Die Suche nach Literatur ist dabei eher selten, auch stellt das Buch in diesem Bereich die am wenigsten genutzte Quelle dar.

In einer Zeit, in der aktuelle und präzise Informationen nicht nur in Banken, auch beispielsweise in Unternehmensberatungsagenturen oder Rechtsanwaltskanzleien immer wichtiger werden, kann die Tätigkeit als Information Researcher zu einer interessanten Alternative für Berufsanfänger werden, sofern neben dem im Studium erworbenen Wissen und Fertigkeiten Englisch in Schrift und Wort beherrscht wird und zumindest grundlegende Betriebswirtschaftskenntnisse vorhanden sind und bei letzteren die Bereitschaft zum Ausbau dieser Kenntnisse besteht. Jedoch sollte auch hier von der Vorstellung eines geregelten Achtstundenarbeitstages Abstand genommen werden.

"Alternative Berufsfelder" war somit ein Themenkomplex, der nicht nur lebhaft vorgetragen und mit zahlreichen Beispielen belegt wurde, sondern der auch auf offensichtlich großes Interesse stieß. Die Zuhörer waren bis zum zeitlich überzogenen Ende gefesselt und die vorgesehenen über 100 Plätze des Hörsaals reichten bei weitem nicht aus und so wurden auch die Treppen zum Sitzen zweckentfremdet.


Zur Autorin

Karin Holste-Flinspach


Stauffenbergschule
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