Die Alisher Navoiy Nationalbibliothek Usbekistans in Taschkent.
Die älteste und größte Bibliothek Mittalasiens wird 135 Jahre.


1. Ein Blick in die Geschichte der Bibliothek
2. Die Anwendung der Informationstechnologien in der Nationalbibliothek Usbekistans
3. Die Informationsdienstleistungen der Nationalbibliothek
4. Die Probleme der Nationalbibliothek

von Ulugbek Fosilovitsch Karimov

1. Ein Blick in die Geschichte der Bibliothek

Die Alischer Navoiy nomidagi Özbekiston Milliy kutubxonasi ist eine der ältesten und größten Bibliotheken nicht nur in Mittelasien sondern auch in der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Zur Zeit arbeiten mehr als 200 Mitarbeiter als Fachpersonal in der Bibliothek.

Die heutige Nationalbibliothek wurde 1870 als Öffentliche Bibliothek Turkestans in Taschkent eröffnet. Sie sammelte große kulturelle Werke in der zaristischen Periode bis 1917 und in der sowjetischen Zeit bis 1991 und nunmehr auch in der Zeit der nationalen Unabhängigkeit der Republik Usbekistans. Der Bestand enthält eine bedeutende Menge von Büchern des 15. bis 18. Jahrhunderts auf den Gebieten Geschichte, Geographie, Philologie und Militärwesen.

In großer Vollständigkeit wurde die Literatur über Mittelasien insgesamt, über Usbekistan und die anderen mittelasiatischen Republiken und die benachbarten Länder gesammelt, insbesondere die Werke der mittelasiatischen Gelehrten, der Enzyklopädisten, der klassischen Dichter und der Schriftsteller Usbekistans.

Am 16. August 1867 hatte sich der zaristische Generalgouverneur Turkestans Konstantin Kaufmann an das Ministerium für Volksbildung in St. Petersburg, an die Akademie der Wissenschaften, an die Öffentliche Bibliothek, an die Geographische Gesellschaft und an den zaristischen militärischen Generalstab gewandt um diese zu bewegen, durch Spenden der Dubletten aus ihren Bibliotheken, soweit diese entbehrlich seien, zur Schaffung einer öffentlichen Bibliothek in Taschkent beizutragen

Im Laufe der darauf folgenden Jahre wurden zahlreiche Buchsendungen nach Taschkent geschickt. Die Universität in Charkov begann, regelmäßig ihre Veröffentlichungen an die neue Bibliothek zu senden. Geschenke kamen auch von Privatpersonen und es wurden Bücher erworben. Bis April 1870 wurden 1200 Titel in 2200 Exemplaren gesammelt. Sie bildeten den Kern der Bibliothek.

Alle gespendeten und erworbenen Bücher wurden von Nikolai Dimitrovski (1844-1910), einem Beamten der Kanzlei des Generalgouverneurs Turkestans, inventarisiert. Im Mai 1870 wurde die Verzeichnung abgeschlossen, durchgesehen und der Beschluss gefasst, die Öffentliche Bibliothek zu eröffnen. Zum Bibliothekar wurde Nikolai Dimitrovski ernannt, der in der Geschichte der Bibliothek eine bedeutende Rolle spielte. Lange Zeit befand sich die Bibliothek somit unter der Leitung der Kanzlei des zaristischen Generalgouverneurs. 1876 waren 4401 Bände vorhanden und ein gezieltes Wachstum der Bestände setzte ein. Heute umfasst der Bestand mehr als 10 Mill. Dokumente, darunter 15.000 ältere und seltene Bücher.

Hierunter sind die Denkmäler des altrussischen und westeuropäischen frühen Buchdrucks, die Ausgaben des 17. bis 19. Jahrhunderts, die ersten und die folgenden lithographischen Ausgaben Turkestans sowie östliche und europäische Handschriften zu finden. Der älteste Wiegendruck stammt aus der Werkstatt von Gutenberg "Die neunte deutsche Bibel" (1483). Die "Bibel von Fjodorov", genannt die "slawische Bibel", wurde 1581 von Ivan Fjodorov gedruckt.

Die Sammlung der Literatur in altslawischen und altrussischen Sprachen enthält heute mehr als 12.500 Bände, die Sammlung der Literatur in arabischer, persischer und altusbekischer Sprache umfasst 552 Bände, darunter 143 Handschriften (28 arabische, 35 persische, 14 altusbekische, 64 altslawische, zwei in anderen Sprachen).

Für die Entwicklung dieses Bestandes an seltener Literatur spielte Ewgeniy Böttger (Deutscher nach seiner Nationalität, geboren 1887 in Taschkent, Studium an der Universität Heidelberg 1906-1909) eine große Rolle. Er leistete für die Entstehung und Entwicklung der Bibliothekswissenschaft einen wichtigen Beitrag. Die Bildung der Abteilung seltene Bücher, deren wissenschaftliche Bearbeitung und bibliografische Beschreibung ist mit seinem Namen verbunden.

Ein wichtiger Teil des Bibliotheksbestandes wurde von dem Bibliographen Vladimir Meshov ausgebaut. Er lebte in St. Petersburg und kaufte dort Bücher mit "asiatischer Thematik" und schickte sie nach Taschkent.

In der Nationalbibliothek gibt es eine einzigartige abgeschlossene Sammlung (594 Bände), die die Bezeichnung "Turkestanische Sammlung der Verfasser und der Artikel über Mittelasien und insbesondere Turkestan" trägt. Im Auftrage des zaristischen General-Gouverneurs Turkmenistans begann der Bibliograph Vladimir Meshov in St. Petersburg die Sammlung zusammenzustellen. Es sollten alle in russischen und ausländischen Zeitschriften enthaltenen Artikel und alle Bücher zusammengestellt werden, die über Mittelasien und die Nachbarstaaten berichten. Die Artikel wurden ausgeschnitten und aufgeklebt. Diese Blätter wurden gebunden und mit gedrucktem Titelblatt versehen. 1868 umfasste der erste Jahrgang vier Bände. Bis 1887 wurde die Sammlung in St. Petersburg angelegt. 1888 war die Sammlung auf 416 Bände angewachsen. Damit war eine einzigartige Enzyklopädie entstanden, die nun über 90% der relevanten Artikel und Buchtitel erfasste. Somit liegt mit der Turkestanischen Sammlung ein einmaliges wertvolles Informationsmittel über Mittelasien vor.

2. Die Anwendung der Informationstechnologien in der Nationalbibliothek Usbekistans

Laut Erlass des Präsidenten der Republik Usbekistan vom 20. Februar 2002 (Nr. 11-3029) "Über die Entwicklung der Organisation der Forschungsarbeit" und dem Beschluss des Ministerkabinetts "Über die Schaffung der Alisher Navoi-Nationalbibliothek" wurde für die Vervollkommnung und die weitere Entwicklung des Bibliothekswesens die Nationalbibliothek bestimmt, weil sie die führende Bibliothek Usbekistans für die angewandten Forschungen in den Bereichen Bibliothekswissenschaft, Bibliographie und Buchwissenschaft sowie für die Anwendung neuer Informationstechnologien im Bibliothekswesen ist.

Durch diesen Erlass hat die Nationalbibliothek die Funktionen

Für die Automatisierung der Bibliothekstechnologien wird das System IRBIS (Integratives Bibliotheks- und Informationssystem) verwendet, das von der russischen GDNTB (Staatliche öffentliche technische Forschungsbibliothek) entwickelt wurde.

Alle Literatur, die seit 1999 in die Nationalbibliothek gekommen ist, wurde in den elektronischen Katalog des IRBIS-Systems eingearbeitet. In der Abteilung Nationalbibliographie stehen zwei PC-Arbeitsplätze für die Schaffung des elektronischen Kataloges zur Verfügung.

Derzeit (01.03.05) umfasst der elektronische Katalog der Nationalbibliothek 14.494 Bücher in usbekischer Sprache, 19.283 Bücher in russischer und in anderen Sprachen sowie mehr als 8000 bibliographische Beschreibungen der wissenschaftlich-technischen Literatur. Außerdem sind über 11.000 Autorreferate von in Usbekistan und anderen Staaten verteidigten Dissertationen enthalten, unter ihnen 695 in usbekischer Sprache. Es gibt 4410 Dissertationen in russischer und 1513 in usbekischer Sprache sowie 37 CD-ROM.

Für die Schaffung des elektronischen Kataloges sind in der Nationalbibliothek fünf miteinander vernetzte PC-Arbeitsplätze eingerichtet. Die Benutzer der Bibliothek haben an PC-Arbeitsplätzen Zugang zum elektronischen Katalog.

Die Periodika werden durch die Auskunfts- und Informationsabteilung in den elektronischen Katalog aufgenommen. Von der Abteilung "analytische Beschreibung" werden gegenwärtig Zeitschriftenbeiträge folgender Gebiete im Katalog verzeichnet: Wirtschaft, Politik, Staat und Recht, Literatur und Literaturwissenschaft. An den zwei PC-Arbeitsplätzen wurden bisher mehr als 10.000 Artikel verzeichnet.

Seit 2001 hatte die Bibliothek dank der Technik, die ihr von der amerikanischen Botschaft in Taschkent zur Verfügung gestellt wurde, die Möglichkeit der elektronischen Aufnahme ihres Unikats "Turkestanische Sammlung". An einer Volltextdatenbank dieser Sammlung haben Forscher vieler Länder seit vielen Jahren großes Interesse. Alle Bände der Sammlung und die dazugehörigen bibliographischen Verzeichnisse sind inzwischen auf mehr als 200.000 Seiten elektronisch aufgenommen worden mit dem Programm PHOTOSHOP 6.0. Mit den bearbeiteten Dateien wurden 84 CD-ROM (je 700 MB) gefüllt, auf jeder CD-ROM sind 7 bis 8 Bände der Turkestanischen Sammlung enthalten. Die Software für die Suche der Artikel im Format jpg 54 GB arbeitet auf der Basis DELPHI. Als Suchstrategien stehen das systematische und das alphabetische Register zur Verfügung.

Die Organisation der Suche nach der Information im systematischen Register beginnt mit den Notizen "das systematische Register" auf dem Hauptmenü. Für die Suche der Artikel und der Verfasser aus den Bänden 1-150 muss man das erste Buch des systematischen Registers wählen, d.h. man muss auf das Symbol mit dem Bild des aufgeschlagenen Buches klicken. Auf diese Weise werden auch die anderen Bände erschlossen.

Das Programm wurde mit verschiedenen Servicemitteln ausgestattet, z.B.:

Der Leser findet die gesuchte Thematik aus dem Inhaltsverzeichnis des Registers durch Blättern.

Die Volltext-Datenbank "Autorreferate" basiert ebenfalls auf dem integrierten Bibliotheks-Informationssystem IRBIS. Dieses System ist mit dem internationalen Kommunikationsformat UNIMARC verknüpft. Derzeit werden für die Bibliotheksbenutzer die Möglichkeiten der Informationssuche weiter verbessert. Die neue Datenbank "Autorreferate" enthält zur Zeit mehr als 255 Autorreferate der 2003 in Usbekistan verteidigten Dissertationen. Das schafft bessere Möglichkeiten für die Forschungsarbeit und beschleunigt eine erfolgreiche Informationssuche.

Zur Zeit wird an der Nationalbibliothek die Volltext-Datenbank der Autorreferate der Dissertationen und anderer Materialien verschiedener Wissenschaftszweige mit der Software der Firma ProQuest geschaffen. Die Speicherung erfolgt auf CD-ROM. So verbessert die Bibliothek ihre Leistungen entsprechend der Forderungen der Benutzer und verschiedener Organisationen, indem sie sowohl das breite Spektrum der traditionellen als auch der elektronischen Dienstleistungen anbieten kann.

Zugleich ist die Digitalisierung der Kostbarkeiten der Bibliothek ein Beitrag zur Erhaltung des originalen Zustands der Texte, der Verringerung des Verschleißes durch oftmalige Benutzung und des Schutzes vor völliger Vernichtung bei extremen Situationen.

3. Die Informationsdienstleistungen der Nationalbibliothek

Seit 2005 bietet die Nationalbibliothek Usbekistans folgende zusätzliche Informationsdienstleistungen:

1. Thematische Auswahl der Informationen der Bücher und Artikel nach den Forderungen der Leser auf traditionellem oder elektronischem Weg

2. Den elektronischen Katalog der Nationalbibliothek

3. Das Kopieren und die elektronische Aufnahme der Artikel der wissenschaftlichen und populären Zeitschriften aus dem Bestand der Bibliothek

4. Die Fernbedienung der Leser über das Internet. Elektronische Übermittlung der Dokumente (Artikel, ausgewählter Informationen, Katalogdaten) per Mail.

5. Zugriff auf die Volltext-Datenbanken der Nationalbibliothek

6. Benutzung des Internet-Medien-Zentrums: Zugriff auf die Ressourcen des Internets; Bereitstellung des Zugangs zu wissenschaftlich-technischen Datenbanken in führenden Ländern der Welt; Zugang zu den Dienstleistungen der Lehr- und Bildungseinrichtungen, deren Datenbasen und CD-ROM-Servern

7. Die annotierende Übersetzung der Informationen aus dem Englischen in das Russische und Usbekische

8. Ausbildungskurse zur Arbeit am PC, Internet, Datenbanken, IRBIS, Erarbeitung von Projekten und Datenbanken

9. Die Autorreferate der Dissertationen der Gelehrten in den entwickelten Ländern der Welt in allen Wissenschaftszweigen (auf Englisch). Die Autoreferate der usbekischen Dissertationen, bereitgestellt im lokalen Netz, auf CD-ROM und auf Anforderung von Lehrkräften, Aspiranten, Studenten per E-Mail versendet.

10. Auswahl der analytischen Informationen aus wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Artikeln aller Bereiche der Wissenschaft und der Technologie aus Datenbanken nach den von den Bibliotheksbenutzern gewählten Schlüsselbegriffen, Autorennamen und anderen Kriterien

11. Informationen über die Verlagsproduktion von Büchern, Zeitschriften, Broschüren, Sammlungen usw.

4. Die Probleme der Nationalbibliothek

Die usbekische Nationalbibliothek ist in vielen Gebäuden, die für den Bibliotheksbetrieb ausgebaut worden sind, untergebracht. Sie besitzt aber kein spezielles Bibliotheksgebäude. Das erschwert die Aufbewahrung der Bestände und vor allem die effektive Versorgung der Benutzer. Der Gesamtkatalog der Nationalbibliothek und der elektronische Katalog befinden sich im Hauptgebäude, die Ausleihe der Bücher erfolgt auch in anderen Gebäuden, was einige Unbequemlichkeiten mit sich bringt.

Im Bestand der Nationalbibliothek werden sehr viele alte, kostbare, einzigartige Dokumente aufbewahrt. Es gibt aber an der Nationalbibliothek kein spezielles Laboratorium zur Restaurierung und Wiederherstellung ihrer Unikate.

Die Nationalbibliothek benötigt die Gründung eines Zentrums für die elektronische Aufnahme der Dokumente.


Literatur

1. Дмитровский Н.В. Двадцати пятилетия. Туркестанской публичной библиотеки.- Турк.вед.-1895. 33,34,37.

2. Государственная библиотека Узбекской ССР. имени Алишера Навои "1870-1970". Отв.ред Д. Таджиева.-Ташкент.-1977, 200 с.

3. Маминова И.З. Научно-исследовательская деятельност национальной библиотеки. Узбекистана им. Алишера Навои: Основные направления и пути развития. Материалы. круглого стола "Инновационная деятельность. библиотек: сотрудничество и взаимодействие". Ташкент, 2003, 22-31 с.

4. Умаров А.А., Мансуров А. Национальное. культурное наследие. Узбекистана в электронном формате. Материалы. междунардного конференции. LIBCOM-2004.- Москва, ГПНТБ.

5. Рахматуллаев М.А. Информационные технологии. в библиотеках. - Ташкент, 2003, 272 с.

6. Рахматуллаев М.А., Умаров А.А., Каримов У., Мухаммадиев А.Ш. Автоматлаштирилган. кутубхона,- Тошкент, 2003, 266 с.


Zu den Autoren

Dr. Ulugbek Karimov ist Dozent an der Taschkenter Staatlichen Hochschule für Kultur

Abdulla Kodiri, Kandidat der technischen Wissenschaften und Leiter der Abteilung Wissenschaftliche und Marketingforschung der Nationalbibliothek

Jalanfotsch Cachasi 127
700164 Taschkent
E-Mail: tdmi@uzsci.net

Die deutsche Bearbeitung besorgte:

Prof. em. Dietmar Kummer, Gastprofessor an der Staatlichen Hochschulefür Kultur in Taschkent, Emeritus der HTWK Leipzig

Stuttgarter Allee 18
D-04209 Leipzig
E-Mail: (Taschkent): kummer@bk.ru
E-Mail: (Leipzig): wagnes@gmx.net