Das Buch und sein Haus - ein Digitalisierungsprojekt
am Institut für Bibliothekswissenschaft1


Abstracts

1. Zum Projekt
2. Zur inhaltlichen Struktur der Sammlung
3. Der Weg zur digitalen Bildersammlung
4. "Das Buch und sein Haus" im Web
5. Ausblick


von Engelbert Plassmann und Philipp Mayr

1. Zum Projekt

"Das Buch und sein Haus"2 ist - wie der Untertitel sagt - ein Projekt, nicht mehr und nicht weniger. Es ist ein Werkstattbericht, von dem der Bildautor, der Textautor und der Informatiker annehmen, dass er jetzt erstattet werden kann, weil die Arbeit am Projekt weit genug gediehen ist, um präsentiert werden zu können. Wer interessiert ist, mag den Fortgang der Arbeit verfolgen; www.bibliotheksbauten.de bietet die Gelegenheit dazu, Anregungen sind jederzeit willkommen.

Das Bild auf der Startseite stellt den herrlichen, lichtdurchfluteten Saal der Klosterbibliothek Ottobeuren dar, ein Juwel des Bibliotheksbaus im 18. Jahrhundert (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Startseite des Projekts "Das Buch und sein Haus"

In der Präsentation sollen die wichtigen Epochen des Bibliotheksbaus in Mitteleuropa in den letzten Jahrhunderten, d.h. vom späten Mittelalter bis zur Gegenwart, in anschaulichen Bildern dokumentiert werden; knappe Erläuterungen sollen dazu helfen, den ersten Einstieg ins Thema zu finden.

Unter Mitteleuropa wird hier zunächst das heutige Deutschland verstanden, darüber hinaus die nahe liegenden Gebiete der Nachbarstaaten: Dänemark, Schweden, Litauen, Polen, Tschechien, Österreich, Italien (Südtirol), die Schweiz, Frankreich (das Elsass), Belgien und die Niederlande. In der augenblicklichen Fassung der Präsentation sind noch nicht alle heutigen Staaten Mitteleuropas vertreten; doch ist eine kontinuierliche Erweiterung der Präsentation geplant, so dass nach und nach der gesamte mitteleuropäische Kulturraum in typischen Beispielen repräsentiert wird. Die mühevolle Arbeit des Einscannens schreitet nicht so rasch voran, wie man es gerne hätte.

Die Fotos von Christoph Seelbach3 sind zum großen Teil auf Exkursionen mit Studierenden der Universität zu Köln (Lehrstuhl Kaegbein), der Fachhochschule Köln und der Humboldt-Universität zu Berlin in den zurückliegenden 15 Jahren entstanden. Auf Abbildung 2 ist eine Studentengruppe der HU in der ehemaligen Klosterbibliothek Ochsenhausen zu sehen.

Abbildung 2: Exkursion Ochsenhausen

Auf Abbildung 3 sieht man einige Studenten in der Prädikantenbibliothek Isny, einer der ältesten Bibliotheken Deutschlands, deren Bestände mehr als 500 Jahre an ein und demselben Ort überdauert haben.

Abbildung 3: Exkursion Isny

Sicherlich waren die Reiserouten für die konsequente Erfassung der signifikanten Bibliotheken bestimmter Epochen nicht immer optimal; denn die Routen mussten auch nach anderen Gesichtspunkten zusammengestellt werden als solchen der Wissenschaftssystematik; praktische Überlegungen (einschließlich der Geographie der zur Verfügung stehenden Jugendherbergen) spielten immer eine Rolle. Gleichwohl sind im Laufe der Zeit viele für die jeweiligen Epochen typische Bibliotheken besucht worden; mit den dort von Christoph Seelbach gemachten Aufnahmen ist die Sammlung in die verschiedenen Richtungen gewachsen. So ist sie im Lauf der Zeit vollständiger und - trotz ihrer Vorläufigkeit - schon jetzt bis zu einem gewissen Grade aussagekräftig geworden.

Die Bilder der einzelnen Bibliotheken werden (demnächst) durch kurze Texte erläutert, welche die wichtigsten Fakten enthalten, damit auch ein eiliger Nutzer, der gewisse Vorkenntnisse hat, mit den Bildern etwas anfangen kann. Es werden außerdem knappe Literaturangaben geboten (nach Möglichkeit neueste und zusammenfassende Titel mit weiterführender Literatur), die dem speziell interessierten Nutzer ein tieferes Eindringen erleichtern.

Die Sammlung wird, so ist zu hoffen, Bibliothekare, Kunsthistoriker, Theologen (Klosterbibliotheken!), Architekten und Städtebauer interessieren. Im bibliothekarischen Studium wird sie in den Fächern Bibliotheksbau und -ausstattung, Bibliothekstypologie sowie Bibliotheksgeschichte gut einsetzbar sein. Wie zu hören ist, macht man an einer Fachhochschule schon jetzt Gebrauch davon.

Ein aufrichtiges Wort des Dankes richtet sich an die Bibliotheken des In- und Auslandes, die es großzügig gestattet haben, Innenaufnahmen zu machen. Allen Kollegen ist zugesagt worden, dass die Aufnahmen allein für Forschung und Bildung, für Lehre und Studium genutzt und alle weiteren Interessenten auf diese Zweckbestimmung hingewiesen werden sollen. - So steht die Präsentation jedem Interessierten zur privaten bzw. wissenschaftlichen Nutzung offen, wirtschaftliche Nutzung hingegen ist ausgeschlossen. Die Bilder dürfen nicht kommerziell genutzt werden; das Copyright des Bildautors und das Recht der Bibliotheksträger an den Innenaufnahmen sind unbedingt zu respektieren.

Der Betrachter der Bilder und der Leser der begleitenden Texte möge auch daran denken, dass die ihm zur Verfügung stehende und ihn vielleicht erfreuende Zusammenstellung aus der Lehre an verschiedenen Hochschulen erwachsen ist. Wo Exkursionen zu auswärtigen Bibliotheken auf dem Lehrplan stehen, können die Studierenden wie die Lehrenden Einsichten gewinnen, die allein aus Büchern und aus virtuellen Informationsquellen nicht ohne weiteres gewonnen werden können. Man erlebt ein "enrichment", wie man heute gern sagt.

In diesem Sinne sei auch den früheren und jetzigen Studentinnen und Studenten der schon genannten Hochschulen für das Interesse gedankt, das sie den Exkursionen entgegen gebracht und mit dem sie die Exkursionen mitgemacht haben. Sie haben dadurch auch dem Dozenten immer wieder neuen Schwung gegeben. "Docendo discimus" lautet eine alte Maxime der europäischen Hochschultradition. Das konnte der Dozent gerade auf den Exkursionen dankbar erfahren; für ihn ist es eine über 30 Jahre sich erstreckende Erfahrung. Einige weitere Exkursionen mit Studierenden der Humboldt-Universität sind noch geplant.

2. Zur inhaltlichen Struktur der Sammlung

Bibliotheksbau ist zu allen Zeiten von den Umständen der Politik und von der Entwicklung der Ökonomie wie der Bautechnik abhängig gewesen, er ist eingefügt in die Architekturgeschichte, in die Entwicklung der Mentalität wie speziell des künstlerischen Geschmacks; darüber hinaus spielen für ihn Faktoren eine Rolle, die der Wissenschafts- und Bildungsgeschichte zugehören. Da die Entwicklungen sich z.T. eng mit einander verschränken, ist es nicht immer leicht, Epochen zu bilden; wohl wird es leicht sein, die einzelnen Epochen-Abgrenzungen zu kritisieren. Trotzdem sind die inzwischen eingescannten und ins Internet gestellten 99 Bibliotheken verschiedenen Epochen zugeordnet worden, weil diese Zuordnungen letztlich doch dem Verständnis dienen; eine größere Anzahl weiterer Bibliotheken wird folgen.

Tabelle 1: Inhaltliche Gliederung der Sammlung

Gruppe Beschreibung
1. Spätmittelalter Spätmittelalterliche Bibliotheksräume sind in Deutschland wie in ganz Mitteleuropa nicht in großer Zahl erhalten. Hervorragende bis heute gut erhaltene Beispiele sind die Bibliotheken in Bernkastel-Kues und in Isny.
2. Renaissance Humanismus und Renaissance haben auch in ganz Mitteleuropa bedeutende Büchersammlungen hervorgebracht, doch gibt es kaum noch Bibliotheksräume aus dieser Zeit, die heute noch eine Anschauung von diesen Sammlungen vermitteln könnten. In Helmstedt ist wenigstens das alte Universitätsgebäude, in dem sich die Bibliothek befand, vollständig erhalten und gut renoviert.
3. Pietismus Mit der am Ende des 17. Jahrhunderts einsetzenden Bewegung des Pietismus ist die Entstehung einer bedeutenden Bibliothek verbunden, die sich bis heute erhalten hat und erst vor kurzem gut renoviert worden ist: die Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale. Ihr einfaches äußeres Erscheinungsbild und ihre praktische Einrichtung stehen in bemerkenswertem Gegensatz zu den prunkvollen Saalbibliotheken des 18. Jahrhunderts.
4. Barock und Rokoko In der Zeit des Barock und des Rokoko sind in ganz Mitteleuropa an Fürstenhöfen, in Klöstern und in Bildungsstätten (Jesuitenkollegien) umfangreiche Büchersammlungen aufgebaut und in großzügigen, mitunter prachtvoll ausgestatteten Bibliothekssälen aufgestellt worden. Von den zahlreichen, z.T. heute noch intakten Bibliotheken kann hier nur eine Auswahl geboten werden.
5. Frühklassizismus Gegen Ende des 18. Jahrhunderts ließ die intensive Bautätigkeit von Fürsten und Prälaten spürbar nach. Aus dieser Zeit sind ungleich weniger Bibliotheksräume erhalten als aus den vorangegangenen Jahrzehnten. Doch sind die hier vorgestellten Säle in Amorbach und Ochsenhausen Zeugen einer großen, ungebrochen fortgeführten Buch- und Bibliothekskultur.
6. Klassizismus Die große Bibliothek des Klassizismus.
7. Neogotik, Neobarock, Neoklassizismus Die rege Bautätigkeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit stürmischer Industrialisierung Europas, war durch eklektizistische Baustile wie Neogotik, Neoklassizismus und Neobarock geprägt. Diese, im Deutschen Reich als Wilhelminische Zeit bezeichnete Epoche hat große, bis heute genutzte Bibliotheksbauten hervorgebracht.
8. Vor dem ersten Weltkrieg Die lebhafte Bautätigkeit der "Wilhelminischen Zeit" setzte sich bis zum Ersten Weltkrieg fort, doch fand in den letzten Jahren vor dem Krieg eine deutliche Wende zu einfacheren Bauformen statt; in der Ausgestaltung einzelner Neubauten machte sich gleichzeitig der Jugendstil bemerkbar.
9. Das 20. Jahrhundert Der Erste Weltkrieg und die ihm folgende ökonomische Notlage Mitteleuropas, später die Auswirkungen der NS-Diktatur, der Zweite Weltkrieg und seine Folgen haben 40 Jahre lang nur wenige neue Bibliotheksgebäude entstehen lassen. Seit dem Ende der 1950er Jahre begann jedoch eine rege Bautätigkeit, die sich bis zur Gegenwart fortsetzt.
10. Umnutzungen, Umbauten, Erweiterungen Seit dem Zweiten Weltkrieg sind in zahlreichen Fällen ältere Gebäude, die ursprünglich eine andere Zweckbestimmung hatten, zu Bibliotheken umgebaut ("umgenutzt") worden; in anderen Fällen sind ältere Bibliotheksgebäude in einer Weise erweitert worden, dass etwas durchaus Neues entstanden ist. Aus der Fülle von Beispielen für diese lebendigen Formen der Entwicklung von Bibliothekskultur können hier zunächst nur wenige präsentiert werden.
11. Gegenwart Nach dem Wegfall der trennenden Grenzen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Mitteleuropa geteilt hatten, und mit dem Beginn einer günstigen ökonomischen Entwicklung in seinem östlichen Teil sind zahlreiche, z.T. hoch interessante Bibliotheksbauten errichtet worden. In ihrer Ausstattung gleichermaßen auf die Nutzung der gedruckten wie der elektronischen Medien eingestellt, sind viele von ihnen authentische Zeugen der kontinuierlich fortschreitenden Entwicklung europäischer Informationskultur.
12. Die gedachte Bibliothek, die dargestellte Bibliothek Immer wieder sind im Lauf der Zeit Bücher, Büchersammlungen, Bibliotheken Gegenstand künstlerischer Darstellung gewesen. Auch die nur gedachte, die dargestellte Bibliothek hat - wie das einzelne, vom Künstler hervorgehobene Buch - in der Präsentation Das Buch & sein Haus einen genuinen Platz. Einige Beispiele sollen das belegen.
13. Rara, Unica, Curiosa Einige seltsame Ausprägungen von Bibliotheksbau und -ausstattung zeigen, dass sich auch hier gelegentlich kuriose Ideen bemerkbar machen; solche Ideen zeigen umso mehr, in welchem Maße sonst rationale Gedanken und der Wille zu ihrer künstlerischen Verwirklichung den Bibliotheksbau bestimmt haben und bestimmen. In diesem Sinne ist das Album 13 vielleicht mehr als die "Asylstelle", auf die ein Bibliothekar nur ungern verzichtet.

Die ersten drei der 13 Gruppen in Tabelle 1, die hier unterschieden werden, enthalten nur wenige Beispiele; viel mehr dürften es freilich auch in Zukunft nicht werden. Es sind zwei Bibliotheken des späten Mittelalters, Bernkastel-Kues und Isny, es ist ein Beispiel für die Zeit der Renaissance, das schön renovierte Juleum in Helmstedt; schließlich die nach der Wende vorzüglich renovierte Hauptbibliothek der Franckeschen Stiftungen zu Halle an der Saale; in Abbildung 4 ein Bild vor der Renovierung.

Abbildung 4: Halle Franckesche Stiftungen (Pietismus)

Den bewundernswerten Leistungen im mitteleuropäischen Bibliotheksbau des 18. Jahrhunderts entsprechend, sind die beiden folgenden Epochen Barock und Rokoko sowie Frühklassizismus eine Fundgrube für Anregungen aller Art; die beiden Abschnitte werden übrigens bald um bedeutende weitere Bibliotheken bereichert; die schon länger vorliegenden Aufnahmen aus Tschenstochau, Prag und einigen weiteren Bibliotheksorten werden demnächst eingescannt und in die Präsentation aufgenommen. So kann man sich z.B. die Klosterbibliothek Metten besehen, zu der eine Exkursion vom Regensburger Bibliothekartag 1981 führte oder einen Blick auf die schwer geprüfte Bibliothek in Weimar werfen (Abbildung 5).

Abbildung 5: Weimar (Barock und Rokoko)

In der Zeit des Klassizismus entstand die großartige Königliche Hof- und Staatsbibliothek in München, die heutige Bayerische Staatsbibliothek, die - vom Bombenkrieg schwer getroffen - wenigstens von außen ihr altes Aussehen zurückerhalten hat (Abbildung 6).

Abbildung 6: München BSB (Klassizismus)

Weitaus mehr Beispiele für bedeutende Bibliotheksbauten gibt es aus der wilhelminischen Zeit, so etwa die Bibliotheca Albertina in Leipzig, hier 1995 in restauro, und die im Stile der Neorenaissance und des Neobarock errichteten Prestigebauten im früheren Preußen wie die Kaiser Wilhelm-Bibliothek in Posen (die heutige Biblioteka Uniwersytetu w Poznanie), aber auch die Kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek Straßburg im Elsass (die heutige Bibliothèque Nationale et Universitaire des Strasbourg) und besonders die Königliche Bibliothek zu Berlin, die heutige Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz - Haus 1 mit ihrem stimmungsvollen Innenhof und mit Bauformen, die deutlich an Posen und Straßburg erinnern.

Übrigens stand man in Bayern nicht dahinter zurück: Die Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, die man im Jahre 2002 während des dortigen Bibliothekartages besichtigen konnte, scheint ein weiteres Musterbeispiel zu sein (Abbildung 7).

Abbildung 7: Augsburg SuStB (Neogotik, Neobarock und Neoklassizismus)

Gegen Ende der wilhelminischen Zeit, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, setzte sich eine einfachere Bauweise durch, auch machte sich in der Ausstattung schon der Jugendstil bemerkbar. Gute Beispiele dafür sind die UB Tübingen (Abbildung 8) und die Deutsche Bücherei in Leipzig, aber auch die Öffentliche Bibliothek der Stadt Warschau.

Abbildung 8: Tübingen UB (Zeit vor dem ersten Weltkrieg)

Das 20. Jahrhundert hat - jedenfalls in Deutschland - nur in seinem zweiten Teil eine größere Anzahl von Bibliotheksbauten gebracht. In den 40 Jahren vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis in die Nachkriegszeit der 50er-Jahre sind wenige Bibliotheken gebaut worden; die politischen und wirtschaftlichen Umstände gestatteten es nicht anders. Von den späteren 50er-Jahren bis in die späteren 80er-Jahre ist jedoch sehr viel geschehen, wir zehren bis heute davon.

Das reicht vom Neubau für den westlichen Teil der Staatsbibliothek zu Berlin über die Stadtbibliothek Deggendorf und die Stadtbibliotheken Gütersloh und Gladbeck bis zur Deutschen Zentralbibliothek für Medizinin Köln und zur Stadtbibliothek Münster. Viele weitere Beispiele, die wir jetzt nicht betrachten können, ließen sich anführen. Auch im sowjetischen Machtbereich ist in dieser Zeit viel geleistet worden, man betrachte die polnische Nationalbibliothek in Warschau und die litauische Nationalbibliothek in Vilnius (Abbildung 9).

Abbildung 9: Vilnius NB (20. Jahrhundert)

Eine Fülle hochinteressanter Lösungen bietet der Abschnitt Umbauten, Umnutzungen, Erweiterungen. Dieser Abschnitt kann nur insofern als "Epoche" bezeichnet werden, als die meisten - nicht alle - Umnutzungen, Umbauten und Erweiterungen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg vorgenommen worden sind. Gelungene Lösungen finden sich vor allem in den Innenstädten, in denen neue Domizilien für kommunale Öffentliche Bibliotheken eingerichtet worden sind: die Stadtbibliothek Colmar im Elsass in einem historischen Stiftsgebäude, die StB Frankfurt an der Oder in einem früheren Teppichgeschäft, die Stadtbücherei Lörrach in einem ehemaligen Kaufhaus und zahlreiche weitere Beispiele.

Ebenso gelungene Lösungen für Wissenschaftliche Bibliotheken, hier einer der Lesesäle der Bibliothek der Katholischen Universität Eichstätt in der früheren Reithalle, ein anderer in einem Anbau an den "Ulmer Hof", eine ehemalige Domherrenresidenz (Abb. 10), schließlich die Bibliothek der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt in Ingolstadt in der Hauskapelle des früheren Hauses der Steyler Missionsgesellschaft sowie als letztes hier zu sehendes Beispiel die Bibliothek der Universitas Viadrina in Frankfurt an der Oder in einem ausgedehnten früheren preußischen Verwaltungsgebäude.

Abbildung 10: Eichstätt Ulmer Hof + WIWI (Umnutzungen, Umbauten, Erweiterungen)

Dankbar darf man feststellen, dass der Bibliotheksbau der öffentlichen Hand in der Gegenwart nicht zum Erliegen gekommen ist und dass der Irrglaube, im digitalen Zeitalter brauche man keine gebauten Orte der Information und Kommunikation mehr, sich nicht durchgesetzt hat. Viele Beispiele vor allem aus den östlichen Bundesländern lassen sich anführen: die Bibliothek der FH Eberswalde, die Universitätsbibliotheken Erfurt (Abbildung 11), Jena, Magdeburg, Cottbus, die neue Sächsische Landesbibliothek in Dresden, die Rekonstruktion der UB Leipzig und der ULB Halle - blühende Bibliothekslandschaften, möchte man sagen. Beispiele aus der alten Bundesrepublik sind der Neubau der Kath. Univ. Eichstätt, die Deutsche Bibliothek in Frankfurt am Main und die FHB Ingolstadt.

Abbildung 11: Erfurt (Gegenwart)

In den beiden letzten Gruppen finden sich keine Epochen, vielmehr Bilder ganz eigener Art aus verschiedenen Zeiten: "Die gedachte Bibliothek, die dargestellte Bibliothek" und "Rara, Unica, Curiosa". In der ersteren finden sich künstlerisch gestaltete, gemalte Bibliotheken in Bibliotheksräumen, ein mitunter skurriler, doppelbödiger Eindruck, der eigenartige Empfindungen weckt (Abbildung 12). - "Rara, Unica, Curiosa" ist jene "Asylstelle", auf welche die Bibliothekare ja immer wieder angewiesen sind und in die manchmal die interessantesten Sachen gesteckt werden. Das kann man sich demnächst zu Hause ansehen, wenn man www.bibliotheksbauten.de anklickt.

Abbildung 12: Rottenbuch

Nachdem im ersten Teil die Konzeption und inhaltliche Struktur der Sammlung beschrieben wurde, soll sich der zweite Teil dem Prozess der Erstellung einer digitalen Bildersammlung für die Nutzung im World Wide Web widmen. Den Abschluss bildet eine kurze Bestandsaufnahme der aktuellen Sammlung.

3. Der Weg zur digitalen Bildersammlung

Im folgenden Kapitel wird der Weg eines analogen Dias zu einem im Web publizierten digitalen Bild nachvollzogen. Der Ablauf der Digitalisierung und anschließenden Publikation einer umfangreichen Bilderkollektion wird in sehr verkürzter Form dargestellt. Die einzelnen Schritte zur Erstellung und Präsentation der digitalen Bildersammlung im Web werden als Prozess dargestellt, der an die Gegebenheiten der Sammlung "Das Buch und sein Haus" und die hier eingesetzte Software Gallery angepasst ist. Innerhalb des Projekts haben sich folgende zentrale Schritte herausgestellt (Abbildung 13):

Abbildung 13: einfacher Prozess zur Erstellung einer Bildergalerie

  1. Auswahl aussagekräftiger Bilder aus einer meist deutlich umfangreicheren Kollektion von Bildern. Dies ist ein wichtiger nur intellektuell zu bewältigender Schritt, in dem z.B. ästhetische oder didaktische Gesichtspunkte eine Rolle spielen.

  2. Scannen der analogen Bilder (Dias). Der Scan-Vorgang kann heute mit günstigen handelsüblichen Flachbrettscannern z.B. mit einer geeigneten Dia-Auflage durchgeführt werden und erfordert relativ wenig Erfahrung. Um die Bilder zu einem späteren Zeitpunkt weiterzubearbeiten ist es ratsam, die Bilder hochaufgelöst (mind. 300 dpi) zu scannen und vorerst in ihrem Ursprungsformat / Rohformat (z.B. tif) zu belassen. Bei digital fotografierten Fotos fällt der Schritt der Digitalisierung (Scan-Vorgang) natürlich weg. Dies bedeutet für den Gesamtprozess aber häufig nur eine relativ geringe Zeitersparnis, da auch digitale Bilder in vielen Fällen nachbearbeitet werden müssen.

  3. Bearbeitung, Benennen und Ordnen der Rohscans. Nach dem Scan-Vorgang liegen die Rohscans in einem unkomprimierten Dateiformat vor. Die Nachbearbeitung der Rohscans stellt einen sehr wichtigen Schritt dar, da die eingescannten Bilder in der Regel nicht ohne Nachbearbeitung übernommen werden können. Neben der Entfernung von Scan-Artefakten und Helligkeitsproblemen aus dem Bild fällt eine Reihe von Bildbearbeitungsarbeiten an, für die der Bearbeiter erweiterte Bearbeitungsfähigkeiten und die nötige Software (z.B. Adobe Photoshop) benötigt. Idealerweise werden die Rohscans für die weitere Bearbeitung und den Import in eine menschenlesbare Benennung gebracht. Hier sind beispielsweise die Bilder der einzelnen Bibliotheken durchnummeriert worden.

  4. Konvertierung der Bilder in ein webtaugliches Dateiformat (z.B. Jpeg, Png). Die Konvertierung der bearbeiteten Rohscans lässt sich relativ leicht automatisieren, da alle Bilder in das gleiche Format konvertiert werden. Die Konvertierung der Rohscans kann über ein separates Programm erfolgen oder ggf. während des Imports automatisch durch die eingesetzte Software durchgeführt werden.

  5. Importieren der Bilder in das System. Während des Imports werden die Bilder wahlweise komprimiert und von jedem Bild werden unterschiedliche Bildversionen erstellt. Die in diesem Projekt eingesetzte Bildergalerie-Software Gallery erstellt pro Bild drei Ansichten. Eine Kleinansicht bzw. Thumbnail, eine größere Ansicht und eine Detailansicht. Die Größe und der Kompressionsgrad der drei Bildversionen lässt sich beim Import bzw. zu einem späteren Zeitpunkt frei parametrisieren. Nach dem erfolgreichen Import der Bilder werden diese in eine Webseitenstruktur eingebettet und automatisch untereinander verlinkt. Diese Webseitenstruktur wird über einen ebenfalls automatisch generierten Navigationsbereich für das Browsing nutzbar. Neue Bilderkollektionen lassen sich per Import in eine einmal existente Galeriestruktur jederzeit integrieren. Ergebnis dieses Schrittes ist eine integrierte Bildersammlung innerhalb derer jedes einzelne Bild bzw. dessen unterschiedliche Versionen eindeutig adressierbar und von außen abrufbar sind. Nach dem erfolgreichen Import kann eine Kollektion als publiziert angesehen werden und damit kann zeitgleich die Indexierung durch Internet-Suchmaschinen erfolgen.

  6. Beschreibung, Umstrukturierung, Bearbeitung und Pflege der Kollektion. Im Anschluss an den Import kann die inhaltliche Beschreibung der Bilder erfolgen. Die nötigen Beschreibungselemente lassen sich über die Software zentral definieren. Denkbar ist sicher auch, während des Imports beschreibende Merkmale in strukturierter Form mit den Bildern zu importieren. Umstrukturierungen, z.B. Verschieben einer Kollektion oder eines Bildes und weitere Bearbeitung sowie Pflege einer Kollektion sind jederzeit ohne großen Aufwand online möglich.

4. "Das Buch und sein Haus" im Web

Die Sammlung "Das Buch und sein Haus" beinhaltet zur Zeit (07.07.2005) 1.130 Bilder, die sich auf 99 Bibliotheken und 13 Gruppen / Epochen verteilen. Die Bildersammlung besteht aus einer Übersichtsseite, von der die Besucher durch die drei Ebenen (Epochen, Bibliotheken, Bilder) der Sammlung browsen können. Alternativ kann der Besucher alle Seiten der Sammlung in ihrem Volltext durchsuchen und per Klick in die entsprechende Ebene wechseln.

  1. Epochen. Engelbert Plassmann hat die Sammlung in die oben genannten Epochen / Gruppen eingeteilt (Tabelle 1). Jeder Gruppe kann eine kurze Beschreibung vorangestellt werden, in der einführende Informationen zu der Kollektion gegeben werden. Unterhalb dieser Beschreibung finden sich die eingeordneten Bibliotheken. Über einen Klick auf das Thumbnail oder den Namen der Bibliothek wechselt der Benutzer in die nächste Ebene - in die jeweilige Bibliothek.

  2. Bibliotheken. Die Übersichtsseite einer Bibliothek bietet neben einer Beschreibung (z.B. Historie, Bibliotheksanschrift und Web-Adresse) die einzelnen Bilder der Bibliothek in der Thumbnail-Darstellung. Über einen Klick auf das Thumbnail eines konkreten Bildes wechselt der Benutzer in die nächste Ebene - die Ebene der Großansichten.

  3. Bilder. Jedes Bild innerhalb der Sammlung existiert in einer Großdarstellung sowie einer Detaildarstellung. Zunächst wird die Großansicht der Bibliothek geladen, die in der Regel auf eine Bildschirmseite passen sollte und bzgl. ihrer Dateigröße optimiert ist. Per Klick kann die Detailansicht geladen werden, die deutlich größer ist. Zu jedem Bild soll es künftig eine formale und eine inhaltliche Beschreibung geben.

Die drei Ebenen sind über eine beim Import automatisch erstellte Navigationsleiste (über Linkverknüpfungen) verbunden (vgl. Schritt 5 oben). Bei der Auswahl der Software wurde insbesondere darauf Wert gelegt, dass die Inhalte bzw. Linkverknüpfungen der Sammlung durch die Indexierungsroboter der großen Suchmaschinen abgerufen werden können. Für eine Webpräsentation ist das einer der entscheidenden Faktoren, um Sichtbarkeit im WWW zu erzielen.

Abschließend soll noch kurz auf die zugrundeliegende Software eingegangen werden:

Die Sammlung "Das Buch und sein Haus" wurde mit Hilfe der freien Open Source Bildergalerie-Software Gallery4 erstellt. Gallery basiert auf erweiterbaren PHP-Modulen sowie einem serverseitigen Bildverarbeitungsprogramm (z.B. NetPBM oder ImageMagick) und ist über ein Web-Interface konfigurier- und administrierbar. Gallery ist für eine Reihe unterschiedlicher Server-Plattformen einsetzbar, wird laufend weiterentwickelt und verfügt über viele interessante Software-Features (z.B. definierbare Metadatenfelder, Bilder-Slideshows, öffentliche Kommentierfunktion, RSS, unterschiedliche Sprachversionen usw.).

5. Ausblick

Aktuell befinden sich in nahezu allen Ebenen nur relativ wenige beschreibende Merkmale. Diese inhaltliche Erschließung wird nach und nach ergänzt und komplettiert; das Projekt ist, wie oben betont wurde, noch längst nicht abgeschlossen. Außerdem sollen weitere Bibliotheken in die Sammlung aufgenommen werden. Etliche sind bereits fotografiert, müssen aber zunächst den oben beschriebenen Digitalisierungsprozess durchlaufen.

Weitere Bibliotheken stehen auf der Wunschliste: z.B. die Bibliothek der Techn. Univ. Cottbus, die Sächsische Landesbibliothek - Staats- u. Univ.-Bibliothek Dresden, die UB Magdeburg, die Landesbibliothek Eutin, die ehemalige Klosterbibliothek Füssen, die Bibliothek der FH Konstanz, die Stadtbibliothek Lübeck, die Ratsbücherei Lüneburg, die Stadtbibliothek Spandau (Berlin) u.a.m.

Weiterhin ist geplant, die Sammlung "Das Buch und sein Haus" auf einem Webserver an der HTWK Leipzig (Fachbereich Buch und Museum) in englischer Sprache zugänglich zu machen. Nach einer gewissen Zeit soll dann das Nutzungs- und Zugriffsverhalten dieser zwei strukturell und inhaltlich identischen aber sprachlich verschiedenen Systeme über eine Logfile-Analyse untersucht werden. Davon kann man sich neue informationswissenschaftliche Erkenntnisse versprechen.

Der weitere Aufbau dieser Präsentation wird noch einige Zeit und viel Geduld brauchen; die Autoren hatten bisher schon z.T. unerwartete Schwierigkeiten zu überwinden. Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass bisher keinerlei Drittmittel für das Projekt in Anspruch genommen worden und auch künftig keine zu erwarten sind. - Der nun erreichte Stand der Arbeit am Projekt sollte aber den Fachkollegen und einem weiteren Publikum nicht länger vorenthalten werden, zumal es anderswo keine entsprechenden Initiativen zu geben scheint.


Zu den Autoren

Prof. em. Dr.iur. Engelbert Plassmann

Institut für Bibliothekswissenschaft
Humboldt-Universität zu Berlin
Dorotheenstraße 26
D-10117 Berlin

Priv.: Robert-Koch-Straße 16
D-44801 Bochum
Tel.: +49 (234) 701065
Fax: +49 (234) 7089473
E-Mail: plassmannbo@cityweb.de
URL: http://www.ib.hu-berlin.de/~eplass

Philipp Mayr, M.A. ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am

Informationszentrum Sozialwissenschaften
Lennéstraße 30
D-53113 Bonn

Priv.: Steubenring 17
D-53175 Bonn
Tel.: +49 (228) 3089540
E-Mail: philippmayr@web.de
URL: http://www.ib.hu-berlin.de/~mayr


Anmerkungen

1. Der vorliegende Artikel entspricht der überarbeiteten und leicht veränderten Fassung des gleichnamigen Vortrags auf dem 97. Deutschen Bibliothekartag in Düsseldorf am 18. März 2005. Auf Wunsch der Redaktion haben die Autoren für die Veröffentlichung die Form des mündlichen Vortrags aufgegeben.

2. So der Titel eines repräsentativen Buches zum Bibliotheksbau (Das Buch und sein Haus : [Gerhard Liebers gewidmet zur Vollendung d. 65. Lebensjahres am 23. Mai 1979] / hrsg. von Rolf Fuhlrott u. Betram Haller. - Wiesbaden : Reichert, 1979)

3. Christoph Seelbach siehe http://www.seelbach-fotografie.de

4. Alle Informationen zu der Bildergalerie-Software Gallery, aber auch den weiteren notwendigen Softwarekomponenten, finden Sie auf folgender Seite http://gallery.sourceforge.net.