"Die Inscheniers können doch alles"


Abstract

1. Der Ingenieur als literarisches Motiv
2. Soziale Herkunft und Persönlichkeit
3. Tüftler und Visionäre
4. Internationalität
5. Politische Abstinenz
6. Emotionale Resistenz
7. Technik und Natur
8. Homo faber
9. homo faber gegen homo politicus?
10. Literatur


von Georg Ruppelt

1. Der Ingenieur als literarisches Motiv

"Homo Faber", so definiert der Brockhaus aus dem Jahr 2000, ist "der Mensch als Verfertiger, typologische Charakterisierung des Menschen durch die philosophische Anthropologie; hebt den Umstand hervor, dass der Mensch seine Existenz nur in aktiver Auseinandersetzung mit der Natur sichern kann. Organisch und instinktmäßig nicht zur Lebensbewältigung in einer bestimmten Umwelt ausgerüstet, muss der Mensch die ihn umgebende Natur durch Werkzeuge und unter Nutzung seiner technisch-praktischen Intelligenz gestalten."

Homo Faber, so lautet auch der Titel des berühmten, 1957 erschienenen Romans von Max Frisch. Dieser Roman stellt einen Höhe- wie einen Wendepunkt in der Reihe der Literaturwerke dar, die den Ingenieurberuf zum zentralen Motiv gewählt haben.

Seit über einem Jahrhundert spielen Ingenieure in der Science Fiction, dieser in Deutschland früher utopisch-technische Literatur genannten Gattung, eine wichtige Rolle. Doch auch in der "normalen", der so genannten Mainstream-Literatur, gibt es eine Fülle von Romanen, in denen ein Ingenieur der zentrale Held ist. Einige von ihnen sind durchaus literarisch anspruchsvoll, so etwa Texte von Heinrich Seidel, Kurt Lasswitz, Franz Kafka, Alfred Döblin oder John Knittel.

Doch auch die so genannte Trivialliteratur vermag die großen oder kleinen Probleme, die spektakulären Ereignisse widerzuspiegeln, die die Welt in früherer Zeit bewegten. Das 19. Jahrhundert ist die Zeit, in der Straßen- und Wegebau in unwegsamem Gelände vorangetrieben, Wasserwege und Kanäle eingerichtet, Tunnel durchstochen und Stauseen angelegt wurden, und zwar in allen Erdteilen. So begegnen uns folgerichtig manche Themen immer und immer wieder.

2. Soziale Herkunft und Persönlichkeit

Wer wurde Ingenieur? Zuerst einmal und in aller Ausschließlichkeit: Männer. In keinem der für diesen Essay ausgewerteten Romane und Erzählungen kommt eine Frau in die Nähe einer Berufsausübung als Technikerin oder Ingenieurin. Frauen tauchen auf als Ehegattin, als Tochter eines Fabrikanten, als kapriziöse Millionärin oder als Kind eines technikfeindlichen Bergbauern. Alle heiraten am Schluss des Romans den Ingenieur, bleiben als Witwe zurück oder finden selbst durch dramatische Schicksalsschläge und gelegentlich nicht ohne Verschulden des Ingenieurs den Tod.

Bemerkenswert wegen ihrer Ausschließlichkeit ist die Beschreibung der sozialen Herkunft des Ingenieur-Helden. Nie stammt er aus dem Bildungsbürgertum oder ist Abkomme von Industriemagnaten, und nie ist er adlig. Hans Castorp aus Thomas Manns Zauberberg stammt zwar aus einer Hamburger Patrizierfamilie, ist aber sehr früh Waise geworden, hat so den Familienbetrieb nicht übernehmen können und gehört damit auch nur bedingt in die oberste bürgerliche Gesellschaftsschicht der Freien und Hansestadt. Und Robert Musils Mann ohne Eigenschaften ist eher Mathematiker denn Ingenieur. Dagegen wird in den Romanen häufig eine schwierige Kindheit geschildert, eine Herkunft aus dem Arbeiter- oder Handwerkermilieu, und die Karriere wird hart erarbeitet.

Einige Beispiele:

"Er hatte in Hannover, wo wir zusammen das Polytechnikum besuchten, eine ganz geringe Unterstützung von Hause und erwarb sich das Notdürftige durch schlecht bezahlte Privatstunden [...]." (Seidel, S. 3/4)

"Da er aus einer einfachen Arbeiterfamilie aus dem Aargau stammte, hatte er die Begünstigung durch soziale Vorteile nie kennen gelernt. Mit seinem Vorwärtskommen hatte sich auch sein Wissen erweitert. Die harte Schule, durch die alle Männer mit hervorragenden Anlagen notwendigerweise hindurch müssen, war auch ihm nicht erspart geblieben." (Knittel, S. 284)

"Sein Vater hatte Steine gegraben [...] und neun Kinder gezeugt, um mit steinhart gewordenen Fäusten, verbogenem Rücken und einem ausgeschossenen Auge zwischen zwei groben, hundertmal geflickten Leinentüchern zu sterben und vier Kindern und der Frau in den Tod zu folgen. [...] Er aber war vom Pflasterhauer zum Vorarbeiter vom Vorarbeiter zum Werkführer gestiegen, hatte den Weg aus dem Steinbruch von Alt-Runs zum eigenen Erwerb gefunden, hatte angefangen Karrenwege und Bachwehren zu bauen, Gleise gestreckt, Städte gepflastert und [...] das alte Heilbad zu Runs neu aufgebaut." (Stegemann, Bantiger, S. 8-12)

Wie sehen sie nun aus, diese Männer, die sich hart haben durchbeißen müssen, denen nichts geschenkt wurde und die eine erfolgreiche Karriere hinter sich haben oder noch im Aufstieg auf der Karriereleiter begriffen sind? Es sind in der Regel beeindruckende Persönlichkeiten, die viele Abenteuer zu bestehen haben, Kämpfe gewöhnt sind und befehlen können: "Die Gewohnheit, zu befehlen und alles zu überschauen, hat den etwas vornüber gebückten Körper aufgerichtet." (v. Hillern, S. 148)

"Bleich vor Erregung [...] stand Erni Baldwin oben, gleichsam auf dem Sockel des gewaltigen Monumentes, das er sich selber errichtet, das schöne Haupt im Sturm, und erlebte den höchsten Augenblick seines Lebens." (Siegfried, S. 10, 143)

Der Dr. ing. Eduard Randolf bei Otto Streißler (S. 2/3) wird so beschrieben: "Ein hochgewachsener schlanker Herr, mit länglichem intelligentem Gesichte, hoher Denkerstirne, tiefliegenden scharfgeschlitzten, dunklen Augen, etwas vorstehenden Backenknochen, die dem Gesicht einen Ausdruck von Energie gaben; im ganzen Wesen nicht das, was man einen ,schönen Mann' nennt, aber jedenfalls eine anziehende, interessante Erscheinung."

Sie machen schon etwas her, diese virilen Männer mit dem Beruf des Ingenieurs. In zahlreichen Romanen werden sie überdies nicht nur als beruflich erfolgreich dargestellt, sondern auch als große Abenteurer, die viele Kämpfe zu bestehen haben. Mut in gefährlichen Situationen zeichnet sie aus. Und gefährliche Situationen gibt es in den Romanen zuhauf. Kaum einer kommt ohne ein Zugunglück, einen Dammbruch, einen Brücken- oder Tunneleinsturz, eine falsch berechnete Sprengung, Sabotage durch fehlgeleitete Arbeiter, technikfeindliche Hinterwäldler oder einen Börsenkrach aus.

Im Wesentlichen lassen sich zwei Typen von Ingenieuren in der Literatur dingfest machen. Da ist zum Einen der liebevolle Bastler und Tüftler, der kleinbürgerliche Erfinder und sich mit wenigem zufrieden gebende Konstrukteur, und da ist zum anderen der weitgreifende Visionär und Gestalter, der die Welt verändern will.

3. Tüftler und Visionäre

Heinrich Seidel, selbst Ingenieur und Miterbauer der Halle des Anhalter Bahnhofs in Berlin, hat Ende des 19. Jahrhunderts dem Typ des Tüftlers mit seinen Erzählungen von Leberecht Hühnchen ein Denkmal gesetzt. In anderen Romanen werden manche Tüftler-Ingenieure aber durchaus weniger sympathisch gezeichnet, etwa wenn die Rede von "Maschinenknechten" ist, wenn es uninspirierte Kleinbürger mit Ingenieurberuf sind oder auch "Reißbretthelden".

Auch Daniel Düsentrieb in den berühmten Geschichten von Carl Barks (1901 - 2000) und seiner mindestens kongenialen deutschen Übersetzerin Dr. Erika Fuchs (1907 - 2005) aus dem Disney'schen Entenhausen-Kosmos ist ein sympathischer kleinbürgerlicher Tüftler und Erfinder von Dingen, die man entweder nicht braucht oder die so gut sind, dass sie wiederum kaum verwendet werden können. Sein Wahlspruch, "dem Ingeniör ist nichts zu schwör", gehört mittlerweile fast zu den klassischen Redensarten.

Freilich, Carl Barks beziehungsweise Erika Fuchs waren nicht die Urheber dieses Satzes über den Ingenieur. 1871 beschrieb Heinrich Seidel in seinem Ingenieurlied eine ganz andere Art von Ingenieur - den Ingenieur, der die Welt verändern will, Visionen hat und von seinem Werk besessen ist.

Ingenieurlied

Dem Ingenieur ist nichts zu schwere,
Er lacht und spricht: "Wenn dieses nicht, so geht doch das!"
Er überbrückt die Flüsse und Meere,
Die Berge unverfroren zu durchbohren, ist ihm Spaß.
Er türmt die Bögen in die Luft,
Er wühlt als Maulwurf in der Gruft,
Kein Hindernis ist ihm zu groß,
   Er geht drauf los!

Was heut sich regt mit hunderttausend Rädern,
In Lüften schwebt,
In Grüften gräbt und stampft und dampft und glüht,
Was sich bewegt mit Riemen und mit Federn,
Und Lasten hebt, ohn' Rasten webt und locht und pocht und sprüht,
Was durch die Länder donnernd saust
Und durch die fernen Meere braust,
Das alles schafft und noch viel mehr
   Der Ingenieur! (Duddeck, S. 5)

Schon sehr frühe Texte beschreiben bewundernd das Ingenium des Ingenieurs. So heißt es bei Jakob Leupold um 1700:

"Was vor alten Zeiten diese Mechanici waren, das sind heutzutage unsere Ingenieurs, welchen nicht nur allein zukömmt, eine Festung aufzureißen und dann zu erbauen, sondern auch nach mechanischen Fundamenten allerlei Maschinen anzugeben [...]. Ingleichen mancherlei compendieuse Maschinen zu erfinden, die Arbeit zu erleichtern und was öfters unmöglich scheinet, dennoch möglich zu machen." (Technik im Zitat, S. 128)

Alleskönner sind die Ingenieure in den Augen der einfachen Leute in Europa: "Die Inscheniers können doch alles." (Federer, S. 63). "Diese Pläne führt jetzt unser Ingenieur aus; Hindernisse stellen sich ihm in den Weg, ihr glaubt es nicht, aber mit allen wird er fertig. Und habt ihr nicht gemerkt, wie ruhig und sicher alles bei ihm geht?" (Bolt, S. 88)

Seine letzte Steigerung erreicht diese Verehrung des Ingenieurberufs beziehungsweise einzelner Ingenieure dann, wenn es etwa in einem Roman von 1924 heißt: "Ihnen, Meister, wird es gelingen. Denn Sie sind uns von Gott gesandt!" (Eichacker, S. 43). Ein der Science Fiction zuzurechnender expressionistischer Roman heißt Ein Messias. Damit ist ein genialer Erfinder und Ingenieur gemeint ist, dessen Taten religionsstiftend wirken. (Betsch)

Auch in der Gegenwart immer wieder aufgelegt und überaus lesenswert ist der berühmte Weltbestseller Der Tunnel von Bernhard Kellermann, erschienen 1913. Der Ingenieur Mac Allan, ein Bergarbeitersohn, verfolgt 26 Jahre lang zunächst die Idee und dann die Tat, einen Tunnel von Amerika nach Europa, von Kontinent zu Kontinent, mit Zwischenstationen unterhalb der atlantischen Inseln zu bauen. Wie getrieben von anderen Mächten gelingt dies Mac Allan trotz schwerster Rückschläge, trotz des Todes von 9.000 Arbeitern, die bei Katastrophen oder Unfällen während des Tunnelbaus sterben, und trotz des Verlustes seiner Familie, deren Tod letztendlich auch durch den Tunnelbau herbeigeführt wird.

Eine Textprobe aus diesem atemlosen Roman zeigt den genialen Ingenieur als Getriebenen und als Antreiber. Nach schwersten Katastrophen, auch persönlicher Art, wird der Tunnelbau fortgesetzt: "Der Tunnel holte tief Atem. Wie eine Riesenpumpe begann er Menschenleiber einzusaugen und auszuspeien und am sechsten Tage schon arbeitete er mit seiner alten Geschwindigkeit. In den Stollen donnerten die Bohrmaschinen, die glühenden, wütenden Nashörner aus Allanit [ein Werkstoff, den Mac Allan entdeckt hat] rasten wie früher trillernd und heulend ins Gestein. Die Stollen tobten, lachten und delirierten. Die schweißtriefenden Menschenhaufen wälzten sich wieder im gleißenden Licht der Scheinwerfer vor und zurück. Als sei nie etwas geschehen. Streik, Katastrophe - alles war vergessen! Allan peitschte zu dem alten Höllentempo an und auch er dachte nicht mehr daran, dass es einst anders gewesen war." (S. 367)

Der begabte, aus kleinsten Verhältnissen aufgestiegene Ingenieur Dierk Folkers sagt über sein Lebensziel, nämlich in seiner ostfriesischen Heimat ein Torfkraftwerk zu erbauen: "Dies Werk ist mein Evangelium, [...] ich hab' mein ganzes Leben darauf gesetzt." (Hinrichs, S. 191) Und in einem anderen Roman heißt es : "Und Tag für Tag, ein paar Jahre lang arbeitete er [...] - ein Einsiedler, ein Versunkener, ein Besessener, der mit dem gewaltigsten aller technischen Pläne, die je die Welt bewegt hatten, zäh und verbissen und oft bis zur Grenze menschlichen Könnens rang [...]." (Güntsche, S.10)

Über die Erfinder und Erbauer jener fliegenden Kisten, denen wir heute die internationale Luftfahrt zu verdanken haben, schrieb Frank Thieß 1931:

"Es entstand jene Klasse von heroischen Ingenieuren, die mit dem Geiste des großen Sportsmanns und der Zähigkeit des Forschers ausgerüstet, die Maschine zum Werkzeug eines phantastischen Willens machten. [...] Da waren wieder Männer, deren Geist und Willen sich furchtlos im Angesicht des Todes entzündeten." (S. 105)

Die Arbeitsleistung mancher Ingenieure in den Romanen ist übermenschlich, das Arbeitsethos hoch. Kellermanns Überingenieur arbeitet oft 20 Stunden nacheinander und "er arbeitete lautlos und gleichmäßig wie eine gut geölte Maschine." (S. 98/99) "Arbeit ist die Religion unserer Zeit", heißt es an einer anderen Stelle des Romans.

In einem Roman von 1936 können wir lesen: "Arbeit war nicht nur Essen, Ruhm, Reichtum oder irgendeine Form von Glück. Der Drang nach Arbeit galt nicht irgendeinem dieser begrenzten Zwecke allein, noch allen zusammen: Arbeit war das Leben selber.[...] Und weil das Wesen der Arbeit etwas so Heiliges war, durfte sie keinem willigen Menschen fehlen." (Reist, S. 112/113)

Nicht untypisch für diese Art Romane ist das Leben des Ingenieurs Horstmann: "Ohne Stillstand ohne Stocken, ohne Rücksicht war er gewachsen, höher und höher gestiegen, vom willenlosen Bauernjungen bis zum ringenden Arbeiter, der seine Bildung dem Schlaf der Nächte abkaufte, vom kleinen, unterdrückten Ingenieur zum großen Unternehmer - ein Riese in seiner Arbeit. [...] Diese Arbeit hatte sein Leben ausgefüllt, und darüber war er 50 Jahre alt geworden." (Hegeler, S. 40)

4. Internationalität

In einer Vielzahl Romane sticht ein Aspekt hervor, den man sonst in der trüben und manchmal braunen Brühe so genannter Heimatliteratur selten findet. Die Mehrzahl der Texte betont sehr deutlich, dass der Ingenieurberuf ein weltoffener sein müsse.

Max Eyth, den ebenso erfolgreichen Ingenieur wie Schriftsteller, führte sein Beruf als Ingenieur und Kaufmann in nahezu alle Erdteile; bezeichnenderweise heißt eine seiner umfangreicheren Schriften Wanderbuch eines Ingenieurs. In allen Romanen, die einen erfolgreichen Ingenieur als Haupt- oder Nebenperson behandeln, ist der Ingenieur, bevor er erfolgreich wurde unterwegs gewesen, und zwar immer im Ausland. Dies gilt sowohl für Romane von deutschen wie von österreichischen und vor allem von Schweizer Schriftstellern.

Als erfolgreicher Ingenieur kehrt der aus armen Verhältnissen stammende Markus Brechbühl in dem Roman Wärterhaus Elf. Roman über die Lötschbergbahn zurück. Der Titel lässt zu Recht auf eine Heimatgeschichte schließen. Anfangs aber kommt die Welt in den Winkel: "Der Markus! Der Markus ist wieder da! [...] Der Stolz der Familie. Hat sich aus eigener Kraft zum Ingenieur hinaufgeschafft. Und schließlich der gute Posten in ... auf ... Philippinen, ja so war's. Marton erinnert sich jetzt unbestimmt, dass er einmal gewusst hat, wo das sei [...] weit, sehr weit weg! Ein Land, wo es Tiger, Löwen, Indianer, Mohren, Chinesen - weißgott was es noch alles gibt!" (Renker, S. 19)

Nach Ausweis all dieser Texte ist das Ingenieurwesen zumindest seit dem 19. Jahrhundert grenzüberschreitend gewesen; die so genannte Globalisierung ist für diesen Beruf durchaus keine Erfindung unserer Zeit.

Während auf der einen Seite die Weltoffenheit, die Neugier auf Fremdes und das Interesse an Neuem viele Ingenieurcharaktere in der Literatur auszeichnen, wird auf der anderen Seite betont, dass die Zurückhaltung gegenüber der Politik den wahren Ingenieur ziere.

5. Politische Abstinenz

Mit Politik wollen die Ingenieure in den Romanen eigentlich nichts zu tun haben. Es ist nicht gerade ein "garstig Lied", das politische Lied, aber es ist eines, das in der Regel jenseits der Interessen des Ingenieurs liegt. Politik ist düster, sie ist nicht zählbar, wiegbar oder messbar, sie bedeutet heute dies und morgen das, und sie steht nicht dauerhaft im Einklang mit den Naturgesetzen. Arbeiten möchte der Ingenieur, gutes Geld verdienen, reisen, Abenteuer erleben: ja, aber Politiker werden, nein, das möchte er nicht.

In einer Kurzgeschichte von 1942 befinden sich junge deutsche Ingenieure in einem harten Konkurrenzkampf beim Bau eines großen Kraftwerkes in Guatemala. Die Mittel, mit denen die Deutschen kämpfen, sind fair, die der Amerikaner höchst unfair. Dennoch bleiben die Deutschen bei ihrer Arbeitsweise, denn: "Techniker gehören zusammen, über alle Einzelinteressen hinaus dienen sie doch einem gemeinsamen hohen Zweck, sind Pfadfinder und Führer auf dem Weg der Menschheit zur Vollendung." An einer anderen Stelle dieser Novelle, die kräftig braun eingefärbt ist, wird es noch ingenieurmäßig idealistischer:

"Wir bekennen uns zu einer unpolitischen Internationale der Techniker - vielleicht geht von ihr eine vernünftige Neuordnung der Welt aus." (Mayer, Arbeit, S. 423, S. 431)

Ähnlich klingt es in dem Roman des Schweizer Bestseller-Autors John Knittel Amadeus. Zwei der sympathischen Ingenieur-Helden des Romans funken geistig auf einer Wellenlänge: "Sie hatten die gleichen politischen Ansichten, soweit Ingenieure solche überhaupt haben konnten. Sie bestanden hauptsächlich in einer fast religiösen Überzeugung, dass das 20. Jahrhundert den Triumph der Technik und damit die Spitzenstellung des Ingenieurs herbeiführen würde." (S. 284/285)

6. Emotionale Resistenz

Politik also findet bei literarischen Ingenieuren wenig Beachtung, aber durchaus Verachtung. Politik ist nicht berechenbar für den Ingenieur und damit verdächtig. Ganz anders dagegen die Zahlen, die Mathematik. Der Ingenieur Thomas Torsten bewegt sich in einem Roman von 1937 lieber auf sicherem Boden:

"Das Gitterwerk der Zahlen und Berechnungen schützte ihn. Es waren feste Werte, die keiner Frage unterlagen, Begriffe in beruhigend verlässlicher Einmaligkeit. Es bereitete ihm eine Art ingrimmiger Genugtuung, die Zugfestigkeit einer Eisenkonstruktion, die zulässige Höchstzahl von Umdrehungen, die Winkeleinwirkung eines Kolbenhubes zu berechnen, um am Schluss der langen Formen festzustellen: So und nicht anders. Es gab in diesem Bereich keine Frage und keinen Zweifel. Die Formeln mussten aufgehen und die Unbekannten sich schließlich in klar bestimmter Größe stellen.

Es war eine verlässliche Welt. Maß und Verhältnisse bestimmten sie. Sie forderte nichts als einen nüchternen Sinn. Sie enttäuschte nie, denn sie barg keine Rätsel." (Ahlers, S. 74/75)

Freilich führt in diesen wie in vielen anderen Romanen die Negierung von Gefühlen, die Abwendung von allem, was nicht messbar ist, zu Konflikten oder Katastrophen im so genannten zwischenmenschlichen Bereich: "Er war froh, als die Zeremonien des Trautages vorbei waren und er wieder zwischen den Instrumenten und Projekten seines Bureaus saß. Das war seine Leidenschaft, messen, rechnen, zählen, Winkel und Kreise zeichnen. Sie merkte, dies - die Geometrie!

Jetzt verstand sie ihn. Eine Hausfrau wollte er, eine schmucke, treue, ihm wie ein Hündchen ergebene, eine Angehörige zur Pflege und Ordnung des Hauses, zur Gesellschaft am Tische etwa, eine Gattin zu Gesundheit und Genüge seines Leibes, eine Frau Manuß in den seltenen, nicht zu umgehenden Besuchen. Aber mehr wollte er nicht. Doch sie wollte mehr, viel mehr!" (Federer, 1911, S. 18)

Noch deutlicher wird die Abneigung gegenüber Gefühlen, vor allem gegenüber der Liebe, in einem 1925 erschienenen Roman. Hier philosophiert der Ingenieur und Unternehmer:

"'Alles, was mit dem sogenannten Gefühl, diesem gewaltigen, seelischen Faktor, zusammenhängt, alles was hier, hier, hier aus dem schlagenden Herzen kommt, hat in seinem tiefsten Kern etwas Verbrecherisches an sich. Das ist vielleicht schwer zu erklären und die eigentliche Ursache aller Kämpfe. Und so haftet auch der Liebe ein unsichtbarer Urkeim, ein Bazillus des Verbrechens an, [...] Wenn es keine Liebe mehr gibt, dann wird der Mensch vollkommen sein. Dann kann er aussterben.'" (Betsch, Der blinde Tod, S. 26/27)

In einem Gespräch zwischen dem leitenden Ingenieur eines Talsperrenbaus und einem ungebildeten, aber sehr klugen einheimischen Mädchen - er Atheist, sie gläubige Christin - geht es um Gott, um die Welt und um die Liebe: "'Wer nicht mit dir ist, ist gegen dich.' [...] Wendelin nickte: ,Ja, ich merke, ich habe persönliche Feinde, weil ich, genau wie jeder andere, der einen Auftrag hat, unpersönlich werden muss, nicht nach dem Belieben und Gelüsten eines Einzelnen, sondern nach dem Großen und Ganzen zu fragen habe!'" (Andres, S. 74)

Beziehungskonflikte, wie wir heute sagen würden, plagen auch den leitenden Ingenieur, der den Hindenburgdamm nach Sylt baut. Zunächst kommt er wegen der vielen Arbeit nicht dazu, überhaupt eine Beziehung anzuknüpfen. Nachdem dieses jedoch wider Erwarten gelungen ist, findet folgendes Gespräch statt: Sie: "'Sage mir nur noch das eine: War es eine andere?' und errötete tief über der eigenen Frage. ,Eine andere?' wiederholte er verständnislos. ,Ach - Frau, meinst du? Nein, Elisabeth, es war keine andere Frau und ist auch heute nicht. Heute ist's in Wahrheit nur meine Arbeit, aber sie frisst mich mit Haut und Haaren, diese Geliebte - '" (Boie, S. 262/63)

7. Technik und Natur

Soziale und Beziehungsprobleme sind in der Literatur über Ingenieure nicht selten. Freilich gilt dies für schätzungsweise 95 Prozent aller je geschriebenen Romane überhaupt. Eine andere Problematik taucht allerdings schon im 19. Jahrhundert in den einschlägigen Romanen auf, die nicht individuelle Konflikte zum Gegenstand haben, sondern eine vielleicht existentielle Frage der Menschheit überhaupt aufwerfen.

Damit aber sind wir im Zentrum nahezu aller Ingenieur-Romane angelangt, die ein Minimum an literarischen Wert beanspruchen dürfen. In einem Roman über den Erbauer des Suezkanals, Ferdinand von Lesseps, findet sich ein Kapitel, das Sieg über die Natur heißt. Und genau darum geht es in vielen oder im Prinzip in allen einschlägigen Texten, nämlich um den Kampf, ja, um den Krieg gegen die Natur. (Eckstein, S. 142). In demselben Roman wird die Leistung der Ingenieure von einem General weitaus höher bewertet als etwa die von Soldaten, die Begründung lautet, "denn ihnen [den französischen Ingenieuren] ist es gelungen, die Materie zu überwinden, indes wir bloß Menschen zu überwinden vermögen."

Der Kampf, der Krieg der Ingenieure mit der Materie, mit der Natur ist dramatisch und häufig gibt es Verluste oder einzelne Schlachten gehen verloren. In der Mehrzahl der Romane aber siegt letztendlich der Mensch mit seiner Technik gegen die Naturgewalten. Freilich wird in einigen durch Katastrophen, Dammbrüche, Brückeneinstürze und manch anderes auch die zeitweilige Ohnmacht des Menschen und seiner Künste vor Augen geführt.

Der Ingenieur muss allerdings, so der Schriftsteller, Unternehmer und Ingenieur Max Eyth, die Natur mit ihren eigenen Waffen bekämpfen, das heißt, er hat sich strikt an die Naturgesetze zu halten:

"Kein Beruf ist in ähnlichem Grade gezwungen, in Übereinstimmung mit den Gesetzen der Natur, mit der Wirklichkeit zu bleiben, wie der unsere. In keinem Beruf ist die Unwahrheit, die Lüge so sicher, bestraft zu werden, wie bei uns. Ein Arzt kann Tausende zu Tode kurieren und in Ehren begraben werden, ein Gelehrter mag die größten Irrtümer durch ein Menschenalter siegreich verhehlen, ehe sie als solche erkannt werden, ein Jurist kann sich einen glänzenden Namen erwerben in der Verteidigung des Unrechts. Einen Ingenieur, der sich gegen die Wahrheiten der Festigkeitslehre versündigt, zermalmt sein eigener Frevel, ehe er halb begangen ist. Selbst ein technisches Wagnis, das ein moralisch Schuldloser auf falscher Grundlage aufbaut, bricht so sicher in sich zusammen, dass es keine poetische Gerechtigkeit schöner und glatter fertig brächte. Wir sind unerbittlich an die großen ewigen Gesetze der Natur gebunden und müssen wahr sein, ob wir wollen oder nicht." (Technik im Zitat, S. 124/125)

Aber es sind nicht nur die Unbilden der Natur, die den schaffenden Ingenieur in seiner Arbeit beeinträchtigen können. In einigen Romanen sind es auch Menschen, die sich gegen die Veränderung ihrer Umwelt wehren. So stellen sich etwa in Romanen, die in den Bergen spielen, Bergbauern gegen den "Mord am Berg" (Betsch, Menschen, S. 58). Der Ingenieur, der den Berg, wie er selbst feststellt, "mordet", wird in der Bergeseinsamkeit selbst nachdenklich: "War es nötig, dass solche Hundearbeit geleistet wurde, nur damit später die Allzuvielen die Berggipfel bevölkern konnten? Musste wirklich soviel Schweiß fließen, um einem Berg das Jahrtausende alte Vorrecht seiner Einsamkeit zu nehmen? War es nötig, dass die höchsten Zinnen besudelt wurden?" (S. 22)

Gelegentlich wird in den Texten auch eine gewisse Blut- und Bodenmystik spürbar, etwa wenn es um die Verteidigung von Bauernland geht, auf dem nach Kohle gegraben werden soll. Hier steht Stadt gegen Land, der "pomadisierte" Ingenieur gegen den kernigen und grundständigen Bauern, der noch auf dem Totenbett den interessanten Reim "Städter - Verräter" hervorzupressen in der Lage ist. (Roselieb, S. 65)

Dem klugen Ingenieur freilich gelingt es auch schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts im Einklang mit der Natur und auch im Einklang mit Naturschützern sein Werk zu vollenden. Ein genialer Ingenieur und Werkführer, der sich selbst allerdings nur als der "Ingner" bezeichnet, weil ihn der fremd klingende Laut in Ingenieur stört, legt Wert darauf, dass seine Kraftwerke sich der Landschaft anpassen. Auch Kleinigkeiten werden bedacht. So sind Schutzvorrichtungen für Porzellanisolatoren so eingebaut, dass sie, entsprechend auch der Forderung des Naturschutzvereins, "nicht den landschaftlich reizvollen Felsen" verunstalten. (Lerche, S. 73)

Die grüne Bewegung aus dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts hat eine längere Ahnenreihe, als mancher vielleicht denkt. Jedenfalls besitzen die Kategorien der Technikkritik in Deutschland eine über 100-jährige Tradition. "Um 1900 formiert sich unter deutschen Intellektuellen eine Interpretationsgemeinschaft der Modernität, die von den Denkformen der deutschen Bildungstradition geprägt ist. Die Modernisierung erscheint ihnen als Bruch, als Negation des kulturellen Erbes, damit als Gefahr für den Menschen. Mit tragischer Notwendigkeit vernichte sie die Werte des Humanen, die allenfalls in Gegenwelten - der Natur, dem Weiblichen, der Poesie und den Künsten - noch Zuflucht fänden." (Kommentar von Walter Schmitz in: Frisch, S. 231)

Die hier angedeutete Diskussion hat bereits 1939 in dem Roman Amadeus von John Knittel in aller Deutlichkeit Eingang in die Literatur gefunden. Der Ingenieur Amadeus unterhält sich darin mit einer befreundeten Dame:

"Aber, Amadeus, wollen sie denn die ganze Welt der Technik ausliefern?"

"Die Technik hat ja schon längst die Welt erobert."

"Aber ist denn diese Eroberung der Natur nicht das Allerschrecklichste in der Entwicklung unserer Zeit? Sie bringt ja alles Verfeinerte und Geistige zum schwinden."

"Vielleicht sieht es nur im Licht der Zeit, in der wir leben, seicht und ungeistig aus. [...]

Der Fortschritt der Technik wird für alles Elend des modernen Lebens verantwortlich gemacht", sagte er. "Aber das ist vollkommen unrecht. Irgendetwas in dem menschlichen Verstand ist in Unordnung geraten. Die Leute denken in falschen Werten. Mag sein, dass Techniker und Ingenieure in falschen Anschauungen befangen sind.

Eine Menge von ihnen sind von der Idee, schnell reich zu werden, beherrscht. Sie sind nicht sozial genug in ihren Zukunftsideen. Steigerung der menschlichen Kraft, Schnelligkeit des Ortswechsels dürften niemals den Abstieg der Geistigkeit nach sich ziehen. Im Gegenteil. Sie müssten nur mehr Muße schaffen. [...] Die Welt befindet sich in einem Zustand des Überganges. Sie kämpft wie eine Mutter, um ihr neues Kind ans Licht zu bringen: die Zivilisation. Ich kann nicht einsehen, wieso die großen Ideen der Technik sich gegen die Künste wenden sollten. Im Gegenteil: die neue Zivilisation, die mechanisierte Zivilisation wird den ganzen Reichtum der heutigen Kultur erben, und eine neue Kunst wird sie bereichern. Glauben sie nicht, dass es ohne Kunst und Musik geht! Kunst ist nichts als kristallisierte Kultur. Sie ist der treibende Geist, durch den der Chefingenieur da droben alles geschaffen hat." (S. 121/122)

Der Roman von John Knittel erschien rund 18 Jahre vor dem seines Landsmannes Max Frisch. Dazwischen aber veränderte sich die Menschenwelt bzw. wurde mit bis dahin nicht gekannter Gewalt zerstörerisch verändert.

8. Homo faber

Man könnte den Roman Homo faber von Max Frisch als Höhepunkt der Ingenieur-Literatur bezeichnen. Doch das griffe zu kurz. Von seiner literarischen Qualität her gesehen, von der Weite seines Horizonts und von der seismographischen Erfassung und Widerspiegelung der Welt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts trennen ihn Welten von allen hier zitierten Romanen.

In Homo faber sind alle bisher angesprochenen Elemente der Ingenieur-Literatur gleichsam fokussiert. Die Weltläufigkeit des Ingenieurberufes, das Reisen zwischen den Kontinenten gehört in den Motivkreis des Ingenieur-Romans (Walter Faber ist im Auftrag der Unesco unterwegs) ebenso wie sein zunächst ganz bewusst eingenommener Standpunkt, "dass der Beruf des Technikers, der mit den Tatsachen fertig wird, immer ein männlicher Beruf" ist.

Völlig absurd ist für ihn die Vorstellung, dass ein Mann, noch dazu ein Mathematiker, seine Gefühle offenbart. In einem Traum sieht er seinen geschätzten Lehrer an der ETH Zürich, Professor O., "vollkommen sentimental, er weinte immerfort, obschon er Mathematiker ist, beziehungsweise Professor für Elektrodynamik".

Walter Faber, verteidigt seine Sichtweise der Dinge eloquent: "Wir leben technisch, der Mensch als Beherrscher der Natur, der Mensch als Ingenieur, und wer dagegen redet, der soll auch keine Brücke benutzen, die nicht die Natur gebaut hat!"

Faber betont den Wert der Arbeit, ja er definiert sich selbst durch Arbeit. Und er hat offenbar Probleme mit Frauen, er weist sie zurück und möchte allein sein. Walter Faber lobt die wesentlich bessere Konstruktion einer Maschine, eines Roboters gegenüber den Empfindungen und Ahnungen, mit denen Menschen geplagt sind. Faber lehnt alles Kreatürliche ab. Ihm geht die "Fortpflanzerei" auf die Nerven, und die Art wie "Mann und Weib sich paaren", kommt ihm "absurd" vor. Dies sind Ansichten und Ausführungen, die uns ähnlich auch in der Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts begegnen.

Doch die Blindheit Walter Fabers gegenüber dem Leben ist nicht durchgängig. Der Bericht lässt zunächst untergründig, dann immer offensichtlicher seine Zweifel und sein Schuldbewusstsein erkennen. Faber verändert sich, er erkennt, wird sehend.

Die vielen unwahrscheinlichen Zufälle und Ereignisse des Romans demonstrieren die Fragwürdigkeit seiner Anschauungen. Sein rein technisches Denken und sein daraus abgeleitetes Handeln sind letztendlich verantwortungslos, schuldhaft und führen in den Untergang. Die Realität des Lebens lässt sich eben nicht mit reiner Rationalität steuern; vergeblich, ja hypertroph ist der Versuch, alles im Griff haben zu wollen.

Frisch, selbst ein ehemaliger aktiver Architekt, kritisiert mit seinem Roman den individuellen Menschen, der die Denkmuster technischen Handelns in ganz unzulässiger Weise auf Menschen und ihre Beziehungen zueinander anwendet. Er kritisiert aber auch die gesellschaftlichen Folgen solcher Denkweisen und steht mit dieser Kritik, freilich auf einer höheren Ebene als die übrigen hier herangezogenen Romane, durchaus in der Tradition des zivilisations- und technikkritischen Skeptizismus, wie er seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts vornehmlich in politisch nach rechts orientierten Geisteshaltungen gegenüber der technischen Entwicklung zu finden war.

9. homo faber gegen homo politicus?

Hochstimmung hatte die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert geprägt. Der europäisch orientierte Teil der Welt schaute auch noch in den ersten Jahren des neuen Säkulums voller Optimismus in die Zukunft. Wissenschaft und Technik würden die Menschheit, so glaubte man, in eine Wunderwelt führen. "Es gibt kein Unmöglich mehr", hieß es 1914 in der populärwissenschaftlichen Zeitschrift Das neue Universum, "die Technik überwindet jede Schwierigkeit".

In der Tat wurde es ein Jahrhundert, in dessen zweiter Hälfte die Menschen in der Lage waren, den Erdball zu verlassen, gar den Mond zu betreten; ein Jahrhundert, gegen dessen Ende die Menschheit die wesentlichen Teile der Schöpfungsrezeptur entschlüsselt hatte. Menschen, Göttern gleich! Doch es wurde ein janusköpfiges Jahrhundert. Wer aus dem hoffnungsfrohen Menschengewimmel zu Beginn des 20. Jahrhunderts konnte ahnen, dass sich große Teile der Welt in diesem so optimistisch begrüßten Jahrhundert in Menschenschlachthäuser verwandeln würden? Wer konnte ahnen, dass viele Tausende, die den Jahrhundertwechsel damals fröhlich feierten, zu den Opfern gehören würden? Wer konnte ahnen, dass Wissenschaft und Technik in die Lage kommen würden, mit einem Schlag alles Leben auf unserem Planeten auszulöschen? Doch wer besitzt schon ein Sinnesorgan für Kenntnis der Zukunft? Nicht die Ingenieure und auch nicht die Schriftsteller.

Die Euphorie hinsichtlich des technischen Fortschritts verkehrte sich, jedenfalls in Deutschland, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in ihr Gegenteil. Weite Teile der Bevölkerung begegnen technischen Neuerungen mit Misstrauen und Ablehnung. Man könnte denken, dass oft nur die wirklichen oder "gefühlten" Bedrohungen durch die Technik die öffentliche Diskussion bestimmen. Von den ungeheuren Verbesserungen für das Menschengeschlecht wie für den einzelnen Menschen, die der Technik, die den Ingenieuren zu verdanken sind, ist weniger zu vernehmen. Von der früher wohl vorhandenen Arroganz der exakten Wissenschaftler und Techniker ist nicht mehr viel zu bemerken, wohl aber bemerkt man eine zunehmende allgemeine Ignoranz in technischen Dingen.

Heinz Duddeck schrieb 1985 über die zunehmende Technikfeindlichkeit der Gesellschaft und die Verantwortung des Ingenieurs in ihr:

"Ist [...] wirklich der Ingenieur der Schuldige? Sind daran vielleicht nicht vielmehr alle beteiligt, auch die da, die mit 'Haltet-den-Dieb'-Rufen sich Alibis verschaffen wollen? Wenn ein neues Bauwerk freigegeben wird, finden sich in der ersten Reihe der Honoratioren diejenigen, die die Gesellschaft vertreten und schon gar nicht die Ingenieure, die brav gebaut haben, was der homo politicus entschied." (S. 7)

Also homo faber gegen homo politicus? Gespräche und Begegnungen der Geisteswissenschaften mit den technischen und Naturwissenschaften können gewiss dazu beitragen, dass der homo sapiens sapiens im eigentlichen Sinne und ganzheitlich wahrgenommen wird. Unsere Öffentlichen, besonders aber unsere wissenschaftlichen Bibliotheken sind die geeigneten Orte für solche Begegnungen. Man kann an Ausstellungen, Vorträge, Symposien oder auch an ganz informelle Gesprächsrunden bei Kaffee oder Wein denken. Die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover hat in den letzten Jahren mit Veranstaltungen dieser Art die allerbesten Erfahrungen sammeln können. Wenn man will, wäre dergleichen übrigens auch als innerbetriebliche Fortbildung auf hohem Niveau in angenehmer Atmosphäre zu begreifen …

Es ist eine Binsenweisheit, die freilich schwer zu vermitteln ist, dass zum Menschsein der Kopf und das Herz, der Fortschritt und das Bewahren, die Hard- und die Software gehören.

"Erst wenn wir in unseren Herzen und in unserem Geist klar sind - erst dann werden wir den Mut finden, die Furcht, von der die Welt heimgesucht wird, zu überwinden." (Albert Einstein, Technik im Zitat, S.64)

10. Literatur

Ahlers, Rudolf: Thomas Torsten. Roman. 15. - 19. Tsd. Braunschweig, Berlin, Hamburg: Westermann 1944. (Zuerst erschienen 1937.)

Andres, Stefan: Die unsichtbare Mauer. Roman. Berlin: Büchergilde Gutenberg, o. J. (Zuerst erschienen 1934.)

Barks, Carl: Ohne Titel]. In: Micky Maus. H. 11. Nr. 2, Panel 7/4. Nachdruck unter dem Titel "Die Quizsendung". In: Die tollsten Geschichten von Donald Duck. Stuttgart 1967. H.9, Nr. 5. Und in: Werkausgabe: Barks Library. Stuttgart 1996. Bd. 23, Nr.3.

Betsch, Roland: Der blinde Tod. Roman. Leipzig: Keil 1925.

Betsch, Roland: Menschen im Föhn. Roman. Breslau: Korn 1929.

Betsch, Roland: Ein Messias. Berlin: Fleischel 1920.

Börnsen, Heinrich: Zweitakt, Viertakt und Turbinen. Erlebnisse eines Schiffs- und Garantie-Ingenieurs. Berlin: Junge Generation Verlag 1937.

Böttcher, Helmuth Maximilian: Um die Atlantikwerft. Ein Industrieroman. Berlin, Wien, Leipzig: Zsolnay 1941.

Boie, Margarete: Dammbau. Roman aus der Gegenwart. Stuttgart: Steinkopf 1930.

Bolt, Niklaus: Svizzero! Die Geschichte einer Jugend. Mit 20 Zeichnungen von Klaus Brunner. Neuausg. Basel: Reinhardt, 1979. (Zuerst erschienen 1912.)

Brasser, Carl August: Ein seltsamer Mann. Roman. Düsseldorf: Plaut 1935.

Breidbach-Bernau, Hans: Die neue Straße. Roman. Amsterdam: Querido Verlag 1950.

Brinkmann, Ludwig: Aus meiner Bergwerkszeit. Roman. Bd. 1: Silber; Bd. 2: Blei. Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1921-1922.

Daniek, Edmund: Die stählerne Straße. Wien: Wiener Volksbuchverlag 1950.

Dey, Martin: Hinnerk, der Ingenieur. Eine Erzählung. Köln: Volker-Verlag 1939.

Döblin, Alfred: Wadzeks Kampf mit der Dampfturbine. Roman. Berlin: S. Fischer 1918.

Dominik, Hans: Hochströme. Roman aus der Elektrizitäts-Industrie. Berlin: Duncker 1919.

Duddeck, Heinz: Der Ingenieur — kein homo faber. Wolfenbüttel: Herzog August Bibliothek 1986. (Wolfenbütteler Hefte; 14.)

Eckstein, Percy: Ferdinand von Lesseps. Der Mann, der die Meere verband. Wien: Büchergilde Gutenberg (Lizenzausg. d. Luckmann Verlages) 1947.

Eggers, A.: Der Ingenieurstand in der deutschen Literatur. In: Die Braunschweiger G. N. C.- Monatsschrift. 14. 1927. S. 142 - 146.

Eichacker, Reinhold: Die Fahrt ins Nichts. Roman. Wissenschaftliche Idee von Max Valier. München, Leipzig: Universal-Verlag 1924.

Eschelbach, Hans: Sonnensehnsucht. Roman. Bonn: Veritas Verlag 1918.

Enskat, Fritz E. W.: Der weiße Feind. Roman. Reutlingen: Enßlin & Laiblin 1937.

Eyth, Max: Hinter Pflug und Schraubstock. Skizzen aus dem Taschenbuch eines Ingenieurs. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1899.

Eyth, Max: Der Kampf und die Cheops-Pyramide. Eine Geschichte und Geschichten aus dem Leben eines Ingenieurs. Heidelberg: Winter 1902.

Eyth, Max: Wanderbuch eines Ingenieurs. In Briefen. 2 Bde. Heidelberg 1871 - 75.

Federer, Heinrich: Berge und Menschen. Buchschmuck von Paul Hosch. Berlin: Grote 1911. (Grote'sche Sammlung von Werken zeitgenössischer Schriftsteller. 103. Bd.)

Finding, Karl: Wenn Irland dich ruft. Roman eines Fliegers. Köln: Bachem 1918.

Franck, Hans: Fort damit! Novelle. Leipzig: Reclam 1933.

Frank, Emil: Im Ringen um das Luftmeer. Ein Fliegerroman. Köln: Bachem 1914.

Frieberger, Kurt: Bahnbrecher. Ein Roman um den Semmering. Wien: Österreichische Buchgemeinschaft 1951. (Zuerst erschienen 1946.)

Frisch, Max: Homo faber. Ein Bericht. Mit einem Kommentar von Walter Schmitz. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998. (Zuerst erschienen 1957.)

Fritzsche, Herbert: Die Vier vom Brandhof. Die Geschichte einer Siedlung. Stuttgart: Loewe 1938.

Gerstner, Hermann: Die Straße ins Waldland. Roman. München: Eher 1938.

Grabein, Paul: Dämonen der Tiefe. Roman. 5. - 9. Tsd. Leipzig, Zürich: Grethlein 1910. (Zuerst erschienen 1909.)

Güntsche, Georg: Panropa. Roman. Köln: Gilde-Verlag 1930.

Haensel, Carl: Die letzten Hunde Dschingis Khans. Ein Roman aus der Türkei. Heidelberg: Sauer 1964. (Zuerst erschienen 1929.)

Heer, Jakob Christoph: An heiligen Wassern. Roman aus dem schweizerischen Hochgebirge. Berlin: Knaur o. J. (Zuerst erscheinen 1898.)

Hegeler, Wilhelm: Ingenieur Horstmann. Roman. Berlin: Fontane 1900.

Herzog, Siegfried: Aus den Erinnerungen eines alten Ingenieurs. Wien: Saturn-Verlag 1936.

Hillern, Wilhelmine von: Der Gewaltigste. Roman. 3. Aufl. Stuttgart: Cotta 1901.

Hinrichs, August: Das Licht der Heimat. Roman. Bremen: Döll 1954. (Zuerst erschienen 1920.)

Kafka, Franz: Ein Besuch im Bergwerk. In F. K.: Ein Landarzt. Kleine Erzählungen. München: K. Wolff 1919. S. 75 - 87.

Kellermann, Bernhard: Der Tunnel. Roman. Frankfurt a. M.: Fischer 1999. (Zuerst erschienen 1913.)

Kiesel, Otto Erich: Der Golfstrom. Roman. Braunschweig: Westermann 1923.

Knittel, John: Amadeus. Roman. Berlin: Krüger o. J. (Zuerst erschienen 1939.)

Kramer, Walter: Gestaute Flut. Roman. Stuttgart. Deutsche Verlags-Anstalt 1941.

Kröger, Theodor: Vom Willen gemeißelt. Ein Roman um die Erbauung der Großglockner-Hochalpenstraße. Salzburg: Rabenstein-Verlag 1951.

Lerche, Julius: Der Ingner. In J. L.: Arbeiter unter Tarnkappen. Ein Buch von Werkleuten und ihrem Schaffen. 2. Aufl. Stuttgart: Thienemann 1919. S. 69 - 82.

Mayer, Anton: Die dunklen Ströme. Roman. Berlin: Horen-Verlag 1928.

Mayer, Theodor Heinrich: Arbeit in Übersee. In Th. H. M.: Vom Gedanken zur Tat. Novellen. München: Braun & Schneider 1942. S. 412 - 447.

Mayer, Theodor Heinrich: Konstrukteur Pacher. In: Th. H. M.: Von Maschinen und Menschen. Novellen. Leipzig: Staackmann 1915. S. 7 - 32.

Michels, Josef: Die Schmiede Gottes. Roman. Düsseldorf: Bastion-Verlag 1948.

Molo, Walter von: Wie sie das Leben zwangen. Berlin: Deutsche Buch-Gemeinschaft 1926. (Zuerst erschienen 1906.)

Molo, Walter von: Wir Weibgesellen. 2. Aufl. Berlin, Leipzig. Schuster & Loeffler 1911.

Moshage, Julius: Mit Zirkel und Hammer durch die Welt. Bilder und Geschichten aus dem Leben eines Montage-Ingenieurs daheim und unter dem Äquator. Reutlingen: Enßlin & Laiblin 1937.

Negrelli-Moldelbe, Nikolaus: Die Lüge von Suez. Der Lebenskampf des deutschen Ingenieurs Alois von Negrelli. Darmstadt, Berlin: Vorwerk-Verlag 1940.

Platz, Wilhelm: Aus Herrn Selberts neuem Notizbuch. Erinnerungen eines Ingenieurs. Leipzig: Feuer-Verlag 1923.

Reist, Werner: Menschen und Maschinen. Roman. Zürich, Leipzig: Orell Füßli 1936.

Renker, Gustav: Heilige Berge. Ein Alpenroman. Heidelberg: Keyser 1950. (Zuerst erschienen 1921.)

Renker, Gustav. Wärterhaus Elf. Roman um die Lötschbergbahn. Basel: Reinhardt 1950.

Richter, Hans: Der Hüttenkönig. Roman. Leipzig: Keil 1924.

Richter, Hans: Turmstadt. Roman. Berlin: Keil 1926.

Roselieb, Hans [d. i. Firmin Coar]: Die Mahd. Novelle. Freiburg i. B.: Herder 1923.

Seidel, Heinrich: Leberecht Hühnchen. Neue wohlfeile Ausgabe. Stuttgart: Cotta. 1925. (Gesammelte Werke; Bd. 1. — Zuerst erschienen 1890-92.)

Schrott-Fiechtl, Hans: Ich zwing's. Tiroler Roman. Köln: Bachem 1907.

Stegemann, Hermann: Die Bantiger. Roman. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1924.

Stegemann, Hermann: Kreisende Becher. Roman. 2. Aufl. Berlin: Fleischel 1910.

Streißler, Friedrich: Das Radium als Ehestifter. (Liebeslist eines Ingenieurs.) Odorigen und Odorinal. Zwei Novellen. Jena: Costenoble 1912.

Taut, Franz [d. i. Franz von Tautphoeus]: Die nordwestliche Union. Roman. Berlin: Büchergilde Gutenberg o. J. (Zuerst erschienen 1938.)

Technik im Zitat. (Hrsg.) Peter Hoßfeld und Michael Strich. Leipzig: Offizin Andersen Nexö 1988.

Thieß, Frank: Der Zentaur. Roman. Stuttgart: Engelhorn 1931.

Urbat, Georg: Wie Alexander Huene Neuland suchte. Roman. Leipzig: Janke 1935.

Wanderer, Walter: Mit Meißel und Bohrer. Sozialer Roman. Regenburg: Manz 1929.

Wehrlin, Robert: Der Fabrikant. Ein schweizerischer Zeitroman. Stuttgart: Engelhorn 1912.

Weinberg, Josef: Der Schultheiß von Justingen. Roman nach technischen Motiven. Stuttgart: Arnholdt 1937.

Wellmann, Fritz: Ingenieure gezaust und gezeichnet. Gezaust von Fritz Wellmann, gezeichnet von Konrad Wiesner. 3. Aufl. Düsseldorf: Marklein 1954. (Zuerst erschienen 1951.)

Wiedmann, Hanns: Fieber am Pangani. Roman. München: Arbeitsgemeinschaft für Zeitgeschichte 1938.

Wolff, Johanna: Hans Peter Kromm, der Lebendige. Eine Geschichte von Ufer zu Ufer. Berlin: Schuster & Löffler 1921.

Wrobbel, Gustav: Weltfahrt eines Schiffbauers. Erinnerungen aus sechs Jahrzehnten. Hamburg: Krüger 1951.

Zahn, Ernst: Die Welt im Spiegel. Roman. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt 1951.

Zickel, Reinhold: Strom. Roman. Berlin: A. Groß 1940.


Zum Autor

Dr. Georg Ruppelt ist Direktor der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek

Niedersächsische Landesbibliothek
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