BRICKS - dezentralisiertes Netz für integrierten Zugriff auf digitale Kulturgüter

Die Bewahrung nationalen und internationalen Kulturbesitzes wird durch die Digitalisierung von Werken und Werksverzeichnissen nicht automatisch sicherer. Was mit dem verheerenden Großbrand in der (konventionellen) Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar im Herbst 2004 eine punktuelle Katastrophe war, könnte bei falsch konzipierter digitaler Archivierung zum Flächenbrand werden.

Damit sich solche Katastrophen in der digitalen Welt nicht ereignen, hat die EU im Januar 2004 das Projekt "BRICKS" gestartet: "Building Ressources for Integrated Cultural Knowledge Services". Digitaler Kulturbesitz, gleich ob ursprünglich analog entstanden oder von vornherein digital konzipiert, soll in einem öffentlichen Netzwerk vereint werden. Zwar lässt sich nicht grundsätzlich verhindern, dass ein Rechner mit digitalen Informationen verbrennt oder auf andere Weise ausfällt. Was aber verhindert werden kann, ist der Flächenbrand. Ein Zwischenfall soll nicht die gesamte Infrastruktur beeinflussen und damit den Zugriff auf andere Bibliotheken oder auch Kopien der ausgefallenen Bibliothek beeinträchtigen. Deutscher Projektteilnehmer bei BRICKS ist das Fraunhofer-Institut für Integrierte Publikations- und Informationssysteme IPSI (www.ipsi.fraunhofer.de).

Das Darmstädter Institut übernimmt den technischen Aufbau von BRICKS und stellt so die Infrastruktur bereit. Eine Kernaufgabe ist es, eine dezentralisierte Datenbank zur Speicherung von Metainformationen und Verwaltungsdaten, die in herkömmlichen System zentral abgelegt würden, zu entwickeln. Metainformationen sind Informationen über die enthaltenen Informationsangebote. "Dezentralisierte Datenbanken sind verteilten Datenbanken zwar ähnlich, sie verfügen allerdings über keine zentrale Koordination. Dennoch müssen sie hochskalierbar und sehr zuverlässig sein.", so Thomas Risse, Leiter der Abteilung Intelligente Informations-Umgebungen (i-Info) beim IPSI (http://www.ipsi.de/i-info).

Über den Projektstand von BRICKS informieren die Projektpartner bei der Moskauer Konferenz EVA 2005 (Electronic Imaging, the Visual Arts & Beyond) am 19. November in einem Workshop (http://www.brickscommunity.org/bkfevents_index).

Risse und sein Mitarbeiter Predrag Knezevic planen einen Überblick über die bisherige Umsetzung des Projekts und entwerfen Szenarien zur möglichen Nutzung eines digitalen Archivs. Zum Abschluss des Projekts soll jeder Anwender verschiedene Wissensquellen integriert abfragen können, beispielsweise zur Erfassung aller französischen Werke der Renaissance in europäischen Museen. Ein weiteres Szenario besteht darin, die Geschichte historischer Dokumente nachzuvollziehen. Derzeit sind solche und ähnliche Recherchen lediglich durch die gezielte Abfrage von einzelnen Archiven oder Suchmaschinen möglich.

Die Infrastruktur, die das Fraunhofer IPSI dazu entwickelt, baut auf dem Internet auf. Man verzichtet für das BRICKS-Netzwerk auf einen zentralen Server, der bei einem Brand ebenso zerstört werden könnte, wie jede "normale" Bibliothek. Stattdessen erfolgt die Vernetzung "peer-to-peer", d.h. jedes Mitglied des Netzwerkes stellt einen gleichberechtigten Knotenpunkt dar. Vorgabe ist es, alle Kosten niedrig zu halten, damit BRICKS für die späteren Anwender finanzierbar bleibt. Darüber hinaus soll die Teilnahme flexibel sein. Gleichzeitig können Anbieter kultureller oder anderer Güter die Datenbank zur Veröffentlichung ihres Angebots nutzen.

"Was wir letztlich bereitstellen, ist ein verteiltes, extrem zuverlässiges und kostengünstiges Bibliotheksnetzwerk, das den Zugriff auf alle digitalen Bibliotheken, Museen und vergleichbare Institutionen garantiert, solange sie online sind", erläutert Risse. "Gleichzeitig versteckt BRICKS gegenüber dem Benutzer die Heterogenität der Informationsquellen und erleichtert so den Umgang mit den Inhalten."

michael.kip@fraunhofer.de