Die lernende Bibliothek - La biblioteca apprende

2. Internationale Konferenz 2005 in Augsburg

von Sigrid Reinitzer

Die Bibliotheksvereinigungen von Deutschland (VdB - Verein deutscher Bibliothekare und BIB - Berufsverband Information Bibliothek), von Österreich (VÖB - Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare und BVÖ - Büchereiverband Österreich), von Italien (AIB - Assoziazione Italiana Biblioteche und Südtirol - Bibliotheks Verband Südtirol) sowie der Schweiz (BBS - Verband der Bibliotheken und der Bibliothekarinnen/Bibliothekar der Schweiz) haben auf Grund eines Kooperationsvertrags, der am österreichischen Bibliothekartag 2002 in Klagenfurt von allen teilnehmenden Institutionen unterzeichnet wurde, zum zweiten Mal "Die lernende Bibliothek" in den Mittelpunkt ihrer Fortbildungsveranstaltung gestellt, diesmal an der Universität Augsburg vom 4. bis 7. Oktober 2005. 17 Themen, gegliedert in drei Sektionen, wurden den ca. 120 fachkundigen TeilnehmerInnen bei der Tagung vorgestellt. Anschließend gab es jeweils auch Zeit für interessante Diskussionen. Die Referate wurden auch bei dieser 2. Fachkonferenz, wie das erste Mal in Bozen (2003), in deutscher und italienischer Sprache gehalten und simultan jeweils in die andere Sprache übersetzt. Bei der Konferenz in Bozen war die Fortbildung der BibliothekarInnen Themenschwerpunkt der Lernenden Bibliothek.

1. Dienstag, 4.10.2005; 18.30 bis 20.30 Uhr

Eröffnung

Eröffnet wurde die Konferenz mit Begrüßungsworten der Veranstalter und der VertreterInnen der Bibliotheksverbände (Susanne Riedel, BIB; Harald Weigel, VÖB und BVÖ; Ulrich Hohoff, VdB und Bibliotheksdirektor der UB-Augsburg). Betont wurden die Funktionen der Bibliotheken als Lehr- und Lernort, als Stätte der kulturellen Bildung und Einrichtung, in der die Sprachgrenzen überwunden werden. Bibliotheken dienen seit alters her als Schaltstellen der Bildung und auch heute haben Bildungsthemen Konjunktur. Bibliotheken bieten ein zinsenspendendes Kapital, sie sind Orte für Wissensvermehrung und Wissensaustausch und sie sind Treffpunkte der Sozialisation.

Der Prorektor der Universität Augsburg (zuständig für den Bereich Lehre und Studierende) und Professor für Schulpädagogik, Dr. Dr. Werner Wiater, betonte in seinem Grußwort, dass die lernende Bibliothek analog zur lernenden betrieblichen Organisation durch die stetige Fort- und Weiterbildung aller Mitarbeiter eine kontinuierliche Veränderung erfährt. Diese Institutionen sind Träger des Wissens, sie werden durch Inter- und Intranet stetig den aktuellen Erfordernissen angepasst, wodurch alle Mitarbeiter wiederum jederzeit die Möglichkeit zur Fortbildung mittels E-Learning erhalten.

Der Eröffnungsvortrag stand unter dem Thema "Lernende Bibliothek? Bildende Bibliothek? - Ansprüche und Möglichkeiten in der Zukunft" und wurde von Dr. Thomas Bürger, Generaldirektor der SULB Dresden, gehalten.

Der Festredner zeigte an mehreren Beispielen von Dichtern und Literaten der letzten Jahrhunderte deren individuellen Zugang zu Büchern und Bibliotheken auf. "In der Bibliothek ist" - so Bürger - "das Wissen gespeichert. Genauer: es sind fremde Erfahrungen festgehalten, die man aktualisieren und sich aneignen und damit zu eigenem Wissen generieren kann. Angesichts der Vielzahl, Gegenläufigkeit und Unverständlichkeit vieler der niedergeschriebenen Erfahrungen kommt es darauf an, Grundelemente der Erfahrungen aus der Überlieferung zu gewinnen, die dem Lesenden und Lernenden helfen, sich Orientierungen zu verschaffen. Die Informationen und Erfahrungen sind Grundlagen, aus denen Kenntnisse und Orientierungen abgeleitet und zu Bildung und Wissen verdichtet werden können. Dabei spielen Auswahl und Zufall eine nicht zu unterschätzende Rolle."

Thomas Bürger betonte, dass Schulen, Hochschulen, Universitäten mit ihren Bibliotheken aufeinander zugehen müssen. In allen Institutionen soll man sich wirklich Zeit für kreatives Denken nehmen. Die klassische Bibliothek muss sich um die Erschließung ihrer Quellen bemühen, daran sollen sich auch Schüler und Studierende, evtl. im Rahmen von Projekten, beteiligen.

2. Mittwoch, 5.10.2005; 9.00 bis 12.30 Uhr

Sektion 1: Die Ausbildung für die lernende Bibliothek

Teil A: Moderation: Dr. Daniela Lülfing (VDB; SBB, Berlin); 9.00 - 12.30 Uhr

Lülfing skizzierte, dass das deutsche Hochschulrahmengesetz (HRG vom 19.1.1999, mit Änderung vom 8.8.2002) den Bolognaprozess berücksichtigt: Studiengänge an Hochschulen werden mit Bachelor- und Mastergrad abgeschlossen, wobei die Regelstudienzeit ein bis maximal zwei Jahre beträgt.

Die Umstellung auf die BA- und MA-Ausbildung in Deutschland. Prof. Dr. Ute Krauss-Leichert (HAW, Hamburg), verlesen von Dr. Marion Grabka.

Die zentralen Kapitel des Vortrags umfassten sechs Punkte: Politische Rahmenbedingungen; BA-Studiengang; MA-Studiengang; Kreditpunkte; Qualitätssicherung und Zertifizierung; Aktuelle Situation in Deutschland. Wichtige Akzente des HRG sind:

Effizient, praxisnah und up to date - Das erneuerte verwaltungsinterne Studium in München. Christoph Ackermann (Bibliothek der FH Nürnberg)

Ackermann berichtete, dass es in Bayern derzeit bei der verwaltungsinternen Ausbildung bleibt. Der Fachbereich Archiv- und Bibliothekswesen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern und die Bayerische Bibliotheksschule haben einiges gemeinsam:

Unterrichtet werden sieben Fächergruppen statt 20 Einzelfächer sowie Wahlfächer:

Strukturen des Bibliotheks- und Informationswesens; Medienbearbeitung; Bibliothekarische Dienstleistungen; Informationstechnik; Bibliotheksmanagement und bibliotheksrelevantes Recht; Fremdsprachen; Arbeitstechniken in Studium und Beruf.

Als Perspektiven nannte der Referent abschließend vier sehr unterschiedliche Aspekte:

ZAPO (=Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den Bibliotheksdienst bei den wissenschaftlichen Bibliotheken in Bayern); Bolognaprozess; Weiterqualifizierung und evtl. Aufstieg; Personelle Situation im Fachbereich.

Der neue Lehrberuf "Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistentin".

Heidi Zotter-Straka (UB Graz)

Die Referentin war in Österreich Ausbildungsleiterin seit den früheren Universitätsorganisationsordnungen der Jahre 1975ff und 1993. Das Universitätsgesetz 2002 brachte wesentliche Veränderungen. Die Bibliotheken waren Bestandteile der Universitäten geworden. Im UG 2002 ist aber festgehalten: "Für das Bibliothekspersonal aller Universitäten ist eine einheitliche Ausbildung aus dem Bereich Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen vorzusehen." Daher waren, wie Heidi Zotter-Straka ausführte, neue Ausbildungen für verschiedene Tätigkeitsebenen zu etablieren und diese analog zu früheren Benennungen zu differenzieren. Die Entwicklungsarbeit leistete jene Arbeitsgruppe (mit Gabriele Pum und Maria Seißl), die schon bisher die bibliothekarische Ausbildung geplant und entwickelt und laufend inhaltlich und formal reformiert hatte. Für den höher qualifizierten Tätigkeitsbereich wurde die Errichtung eines Universitätslehrganges "Library and Informations Studies MSc" ins Auge gefasst - und für den Tätigkeitsbereich mittlerer Qualifikation war der Weg frei für einen neuen Lehrberuf "Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent / -assistentin". Die Verordnung für diesen neuen Lehrberuf wurde am 1. Dezember 2004 veröffentlicht und lautet: Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, mit der Ausbildungsvorschrift für den Lehrberuf Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistent/ Archiv-, Bibliotheks- und Informationsassistentin. Diese Ausbildung dauert 3 Jahre und ist eine Spezialisierung im Rahmen der administrativen Lehrberufe. Sie wird im dualen System durchgeführt, d.h. im Ausbildungsbetrieb und in der Berufsschule.

Zotter-Straka äußerte abschließend die Überzeugung, dass einige Archive, Bibliotheken und Informationseinrichtungen großes Interesse daran haben werden, selbst Ausbildungsbetrieb zu werden und sich damit die Chance eröffnen, für ihren eigenen zukünftigen Stellenbedarf auszubilden.

Das erste Jahr Universitätslehrgang "Library and Information Studies Msc" an der Universität Wien in Kooperation mit der Österreichischen Nationalbibliothek. Dr. Gabriele Pum (ÖNB Wien), Mag. Maria Seissl (UB Wien). Das Referat wurde von Gabriele Pum gehalten, wobei sie von unmittelbaren Erfahrungen an der UB-Wien und der ÖNB berichtete:

Der Universitätslehrgang wurde am 24. Juni 2004 an der Universität Wien eingerichtet und wird in Kooperation mit der Österreichischen Nationalbibliothek durchgeführt. Die ersten Grundlehrgänge starteten im Herbst 2004. Am 1. Juni 2005 wurde der Lehrgang an der Universität Innsbruck errichtet; Graz und Salzburg werden in absehbarer Zeit folgen. Zugangsbedingungen und Curricula orientieren sich an international vergleichbaren Studiengängen, die internationale Vergleichbarkeit wird mittels Zuordnung von ECTS-Punkten gemessen.

Zusammenfassend betonte Gabriele Pum, dass es in den Jahren 2004 und 2005 gelungen ist, einen praxisorientierten interuniversitären Universitätslehrgang in der Wissenschaftswelt zu etablieren, der weiterhin eine gemeinsame einheitliche Ausbildung der wissenschaftlichen Bibliothekarinnen und Bibliothekare Österreichs gewährleistet. Gleichzeitig wurden große Schritte in Richtung Internationalisierung und Positionierung im europäischen Ausbildungswesen gesetzt.

3. Mittwoch, 5.10.2005; 14.00 bis 17.30 Uhr

Teil B: Moderation: Dr. Marion Grabka (VDB; HLHB, Darmstadt)

Ausbildungen in der Schweiz. Erwartungen der Bibliotheken und Planungen im Rahmen von Bologna. Prof. Dr. Robert Barth (HTW, Chur)

Herr Prof. Barth ist seit kurzem im Dienste der Fachhochschule Chur als Dozent für Bibliothekswissenschaft und Leiter der Vertiefungsrichtung Bibliothekswissenschaft tätig.

Seit 1998 kennt die Schweiz drei Niveaus für die Grundausbildung:

Von der Möglichkeit, nach der Berufslehre via Berufsmatura an die Fachhochschule zu gelangen, machen im Moment sehr wenige I&D-Assistenten Gebrauch.

In der schweizerischen Fachhochschullandschaft, die einen Bachelor-Abschluss anbietet, sind die I&D Ausbildungsstellen im extremen Westen (Genf) und Osten (Chur) angesiedelt, was - abgesehen von der Sprachbarriere - die Zusammenarbeit schwer macht.

Da die Schweiz erst vor wenigen Jahren Fachhochschulen aufgebaut hat, gab es bislang noch keine Master-Studiengänge. Die Fachhochschulen von Chur und Genf sowie die Universität haben hier aber bereits ein gewisses Interesse gezeigt. Die Fachhochschulen sollen, so meint Robert Barth, als Impulsgeberinnen für die bibliothekarische Szene dienen. Sie sollen Entwicklungen im Ausland mit Pioniercharakter beobachten, aufnehmen und in der Schweiz vermitteln. "Hauptprodukt" der Fachhochschulen sind und bleiben die Absolventen und Absolventinnen selber, die wichtige Repräsentanten der (Wissens)Gesellschaft sein werden.

Qualitätssicherung der Bibliothekarsausbildung in Europa.

Prof. Anna Maria Tammaro (Universität Parma)

Frau Prof. Tammaro betonte die internationale Sicht der Ausbildung der BibliothekarInnen und zeigte, dass der Bolognaprozess in Europa eine große Chance für die Qualität der Ausbildung darstellt. Der Bolognaprozess wurde im Rahmen der Ausbildung der BibliothekarInnen auch in der IFLA diskutiert. Die Ausbildung ist ein Produkt, das für den Markt erbracht wird. Der Bolognaprozess hat die Mobilität der Studierenden gefördert. Die Ausbildung soll nicht nur europaweit, sondern weltweit als Dienstleistung angeboten werden. Auf diese Weise wird der Qualitätsprozess und zugleich die Transparenz gesteigert, wodurch das gegenseitige Vertrauen gestärkt wird. Die gelehrten Disziplinen müssen wechselseitig Anerkennung finden, der "Learning Outcome" muss Qualität, Profile und Kompetenz aufzeigen. Bewertet werden nicht die Fächer, sondern die Studierenden, die sich selbst darstellen. Der Student ist für seinen Lernerfolg selbst verantwortlich, der Dozent ist seiner Rolle nach der Förderer im Ausbildungsprozess. Zusätzlich soll der Dozent der erste sein, der bewertet werden will. Es besteht eine gewisse Furcht, dass der Bolognaprozess als Minimalstandard bzw. von den anderen als Maximalstandard gesehen wird und bald eine Nivellierung nach unten eintritt. Um die Qualität zu sichern müssen eigene Evaluierungsbeauftragte auf internationaler Ebene eingesetzt werden. Auch die Fachleute der Berufsverbände sollen in die Zertifizierung und Evaluierung zur Qualitätssicherung der Ausbildung eingebunden werden. Das Projekt "CertiDoc" wird von der EU im Rahmen des Leonardo da Vinci Programms unterstützt und strebt eine europaweite Zertifizierung von Informationsspezialisten an. 2003 wurde von der IFLA eine weltweite Umfrage zur Thematik der Akkreditierung von Informationseinrichtungen durchgeführt, wobei die Studierenden im hohen Maße eingebunden waren. Wichtig ist der "Learning Outcome", der mit den Universitäten und der Wirtschaft abgesprochen sein muss. Die Studierenden müssen an ihrer persönlichen Mobilität Interesse haben und gemeinsame Profile entwickeln. Allerdings beteiligen sich die Studierenden in Italien derzeit nicht an der Umsetzung von globalen oder europäischen Mobilitätsprogrammen. Für eine Akkreditierung müssen Qualitätsindikatoren aufgestellt werden, besonders unter dem Aspekt, dass der Wettbewerb durch das WTO-Abkommen GATS angeregt wird. Hier sind die bibliothekarischen Berufsverbände aufgerufen, die konkreten Berufsaussichten ihrer Mitglieder verstärkt wahrzunehmen und zu unterstützen.

Informationskompetenzen und Zertifizierung für die Aus- und Weiterbildung.

Prof. Dr. Marc Rittberger (Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung) http://www.certidoc.net

Rittberger behandelte die Themenbereiche Handbuch für Informationskompetenz; Euroguide; SoftSkills; Zielgruppen; Zertifizierung. Die Zertifizierung erfolgt für Personen, die im Berufsleben stehen. Diese Zertifizierung erfolgt auf Basis des Euroguides, der 2004 in französischer Sprache erschien. Derzeit ist die Übersetzung ins Deutsche und Englische in Arbeit.

Der Referent rundete seinen Beitrag mit einem Ausblick zur Thematik der Aus- und Weiterbildung ab und benannte vier Arbeitsfelder:

In der folgenden Publikums- und Podiumsdiskussion wurden vor allem Fragen der individuellen Zertifizierung abgehandelt. Weiters wurde der Zusammenhang zwischen Akkreditierung und Zertifizierung aufgezeigt. In den USA hat man die Akkreditierung und ihre besonderen Merkmale in den Vordergrund gestellt, in Europa hat man der Zertifizierung von Einzelpersonen mehr Bedeutung zugewiesen, um diesen Personen die Notwendigkeit der kontinuierlichen Weiterbildung zu zeigen. Für die individuelle Weiterbildung muss auch eine Anerkennung erfolgen. In Frankreich unterziehen sich viel mehr Informationsspezialisten der Zertifizierung, da die Weiterbildung verpflichtend ist. Somit besteht in Frankreich ein verstärkter Anreiz für das Lebenslange Lernen (LLL). In Deutschland und der Schweiz hat man vereinzelt mit der Zertifizierung begonnen. Die Akkreditierung wird an Institutionen durchgeführt, Master-Lehrgänge werden noch nicht akkreditiert, sie werden alle paar Jahre evaluiert.

Marion Grabka, Moderatorin des Nachmittags, betonte, dass sich die bibliothekarischen Berufs- und Personalverbände vermehrt mit der Aus- und Weiterbildung und deren Zertifizierung beschäftigen müssen.

4. Donnerstag, 6.10.2005; 8.00 bis 12.30, 14.00 bis 17.30 Uhr

Sektion 2: Die Mitarbeiter der lernenden Bibliothek

Moderation: Susanne Riedel (BIB; UB-Bielefeld)

Personalplanung und Personalbeurteilung.

Dr. Ulrich Hohoff (UB Augsburg).

Folgende vier Themenabschnitte wurden vorgestellt:

Planung des Personalbedarfs; Deckung des Personalbedarfs; Personaleinsatz und Personalentwicklung.

Der Bibliotheksplan 1973 sieht den Personalbedarf für wissenschaftliche Bibliotheken nach folgenden sechs Kriterien vor: Zugangsabhängigkeit; Nutzerabhängigkeit; Öffnungszeitabhängigkeit für Information und Aufsicht; Technischer Dienst; Wissenschaftlicher Dienst; zentrale Verwaltung.

Heute gibt es in vielen Bereichen Teilzeitarbeit und sogenannte Projektstellen, die zeitlich befristet zugeteilt werden. Wertvolle Zeiten bleiben ungenützt, da alle Stellen ausgeschrieben und gemeinsam mit dem Personalrat besetzt werden. Ein Mitarbeiter arbeitet im Jahr etwa 92.000 Minuten.

Ein wichtiger Aspekt für die Personalentwicklung ist, so zeigt Hohoff auf, die Aus- und Weiterbildung, die Qualifizierung, das laufende Training der Führungskräfte, die Leistungsbeurteilungen und die stetigen Veränderungen der Arbeitsstrukturen durch die Veränderung der Strukturen der Bibliothek. In jedem öffentlichen Betrieb ist mit Sicherheit die Personalplanung der Arbeitsbereich, der sich im Laufe der Jahre am wenigsten entwickelt hat, wahrscheinlich weil sie in alle Abteilungen und Teilbereiche mit hinein spielt. Das gilt nicht nur für die Bibliotheken und den öffentlichen Dienst, sondern auch in gleicher Weise für die Wirtschaft. Hier müssten die Berufsverbände aktiv werden und entsprechende Kriterien für den Personalbedarf in wissenschaftlichen und öffentlichen Bibliotheken entwickeln, wobei die unterschiedlichen Rahmenbedingungen der einzelnen Institutionen ebenfalls aufgezeigt werden müssen. Dabei wäre ein Vergleich mit anderen europäischen und außereuropäischen Ländern wichtig.

Diese Thematik sollte bei einer nächsten Tagung im Rahmen der "Lernenden Bibliothek" aufgegriffen und länderübergreifend bearbeitet werden.

Zielvereinbarungen — ein Steuerungselement?

Per Knudsen (UB Mannheim)

Knudsen zeigte auf, dass Führungsaufgaben in vielen Bibliotheken nicht definiert werden, nebenher laufen oder gar nicht wahrgenommen werden und vielerorts selbst die einfachsten Regeln des menschlichen Miteinanders nicht eingehalten werden. Eine konsequente Ergebnisorientierung muss beachtet werden:

Identifikation mit vereinbarten Zielen; eindeutiger Bezug zu übergeordneten Zielen; Klarheit in der Aufgabenstellung; Optimierung der Steuerungsprozesse; eigenverantwortliches, selbständiges Handeln; bessere Kommunikation zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern.

Bei den Zielen unterscheidet man wiederum:

Fachliche Ziele; die Zusammenarbeit betreffende Ziele und individuelle Entwicklungs-/ Qualifizierungsziele.

Die Ziele geben den Mitarbeitern Orientierung, Freiräume und Motivation.

Die Zielvereinbarung dient der systematischen Arbeitsplanung, der Verständigung über erwartete Ergebnisse, der Überprüfung und Weiterentwicklung der Aufgaben und der persönlichen Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu mehr Selbständigkeit.

Führen mit Zielvereinbarungen funktioniert nur dann, wenn sich alle an drei einfache Regeln halten:

Teaching Library — Sind die Bibliotheken fit für die Lehre?

Dr. Wilfried Sühl-Strohmenger (UB Freiburg/Br.)

Wir wissen, dass die Teaching Library den Studierenden und allen anderen Bibliotheksnutzern Kurse anbietet, in denen erlernt wird, wie man umfassend und effizient nach Literatur und Informationen recherchiert, die gefundenen Quellen beurteilt und in eigene wissenschaftliche Arbeiten umsetzt.

Die TL geht deutlich über die herkömmlichen Bibliothekseinführungen und Nutzerschulungen hinaus. Die TL bietet nicht die einmalige, punktuelle Einweisung in die Benutzung der Bibliothek an, sondern modular aufgebaute Lehrveranstaltungen bzw. reguläre Semesterkurse. Häufig werden diese Kurse noch durch virtuelle Lernangebote unterstützt, die auf grundlegende und längerfristig wirksame Kompetenzen beim Umgang mit wissenschaftlichen Medien und Informationen abzielen. Der Inhalt der Kurse wird nicht vom Bibliothekar allein festgelegt, sondern von ihm gemeinsam mit den Studienanfängern bzw. den Fortgeschrittenen des jeweiligen Fachgebiets. Besonders wichtig ist die pädagogisch-didaktische Ebene bei der Wissensvermittlung. Der Bibliothekar bemüht sich, sein Fachwissen zu vermitteln, er weiß aber nicht, wie dieses bei den Studierenden oder den Fachleuten ankommt. Die TL verlangt nach einer professionellen Qualifizierung des mit Lehraufgaben befassten Bibliothekspersonals. Im Anschluss an die Kurse ist die Durchführung einer Evaluation zur Überprüfung der Wirkung von Lehrveranstaltungen und des Lernerfolgs vorzusehen. Das Lehrangebot der Bibliothek muss an der Universität etabliert sein, wofür eigene Marketingstrategien vorzusehen sind.

Veränderungen des bibliothekarischen Berufes: die Qualitätsorientierung der italienischen Bibliotheken im Gebiet Alto-Adige (Südtirol).

Dr. Patricia Caleffi (Bolzano/Bozen)

Die UNESCO und die IFLA haben für die öffentlichen Bibliotheken Richtlinien geschaffen, die für das italienische Bibliothekssystem auch im Gebiet von Südtirol eine wichtige Grundlage darstellen. Bibliotheken sind die Basis für Fort- und Weiterbildung, die Bibliothekare sind das Humankapital. Die Bibliothekare müssen in den Bibliotheken immer komplexere Aufgaben erfüllen, daher müssen sie eine stetige Aus- und Weiterbildung erhalten, damit sie ihre technischen Fähigkeiten sowie die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten weiterentwickeln können. Der qualifizierte Bibliothekar muss große Sammlungen verwalten, Öffentlichkeitsarbeit leisten, Kooperation mit Kollegen im Haus und in anderen Bibliotheken pflegen, mitwirken bei der Landeskartierung der bibliothekarischen Sammlungen, die Online-Kataloge allen Interessenten an Schulen bereitstellen (insgesamt sind 56 Schulen an diesen Bibliotheksverbund angeschlossen). Benützer sollen über die Online-Kataloge leicht herausfinden, in welchen Bibliotheken sie Bücher bekommen können. Wichtig ist, dass der Gesamtbestand der 1200 italienischen Verlagshäuser kooperativ an den Bibliotheken bereitgestellt wird und dass die einzelnen Werke leicht zu finden und zu entlehnen sind. Die italienischen Verlagshäuser bieten ihre Buchproduktion den einzelnen Bibliotheken mit unterschiedlichem Preisnachlass zum Kauf an. Auf Belletristik gibt es 25%, auf Fachbücher und e-Medien 50% Preisnachlass. Es wurde ein eigener Entwicklungsplan für öffentliche und Schulbibliotheken entwickelt, der die allgemeine Leseförderung in den Mittelpunkt stellt.

Das Fort- und Weiterbildungsangebot für Mitarbeiter/innen an Öffentlichen Bibliotheken 2002-2005. Entwicklung und Ausblick.

Ilona Munique (Das Wega-Team, Stuttgart)

Für eine qualifizierte Fort- und Weiterbildung an öffentlichen Bibliotheken wurde vom Wega-Team eine Umfrage gestartet, die sich an folgende 56 Institutionen richtete: Staatliche Fachstellen und Büchereizentralen (18); Kirchliche Fachstellen, evangelische und katholische (21); Bibliotheksverbände, BIB und DBV (14); Arbeitskreise für Information, AKIs; Öffentliche Bibliotheken; Kommunale Anbieter; Sonstige (3).

Die Datenerhebung gliederte sich in folgende vier Befragungsteile: (1)Themen der angebotenen Veranstaltungen mit Abfrage der Rahmenbedingungen und des Ressourceneinsatzes. (2) Organisation der Veranstaltungen. (3) Evaluierung der Veranstaltungen. (4) Abschließende Fragen zur Umfrage selbst und ihrer möglichen Fortsetzung.

76% der teilnehmenden Bibliotheken wollen für ihr Weiterbildungsangebot Leitlinien, Grundsätze und Standards. Nach einem Weiterbildungsangebot werden von 56% der staatlichen Bibliotheken Evaluierungsbögen ausgeteilt, die anderen tun dies nur fallweise, möchten hierfür aber Muster erhalten. 45% der Stellen wollen die Nachhaltigkeit ihrer Weiterbildungsangebote nach sechs bzw. zwölf Monaten prüfen. 94% der teilnehmenden Bibliotheken waren an den Ergebnissen der Umfrage interessiert. Das Interesse der öffentlichen Bibliotheken an einem Angebot von Fort- und Weiterbildung ist im Zeitraum 2000-2005 im Wachsen begriffen. Das Ergebnis der Umfrage wird 2006 in einer Publikation erscheinen. Die Arbeit wird auch in den Folgejahren fortgeführt. Wichtige Links:

http://www.wegateam.de ; http://www.wissenbringtweiter.de

Sektion 3: Die Dienstleistungen der lernenden Bibliothek weiterentwickeln. Moderation: Dr. Harald Weigel (VÖB, VLB-Bregenz)

Neue Dienstleistungen als Ergebnis strategischer Zielvorgaben am Beispiel der Technischen Informationsbibliothek (TIB): subito und vascoda.

Uwe Rosemann (TIB/UB Hannover)

Die TIB-Hannover sieht ihre Kernaufgabe in der Volltextversorgung. Sie hat einen Bestand von 6,9 Mio. Medieneinheiten und 18.000 lfde. Zeitschriften. Die Kernkompetenzen sind Erwerbung, Erschließung, Bereitstellung und Archivierung.

Im Mission-Statement hält die TIB-Hannover folgende vier Akzente fest:

Die Dienstleistung und ihre heutige Nutzung sind die Dokumentlieferung im Rahmen des nationalen und internationalen Leihverkehrs, wobei täglich über die Online-Funktion TIBORDER durchschnittlich fast 2000 Bestellungen abgearbeitet werden. Die Anfragen kommen aus Universitäten, der Wirtschaft, Technik, Wissenschaftseinrichtungen der Chemie und Physik.

Die Vision für 2008 sieht vor, dass die TIB-Hannover national und international die erfolgreichste Spezialbibliothek für technisch-naturwissenschaftliche Literatur- und Informationsversorgung ist; die maximale Nutzung durch Kunden weltweit erfährt; das Maximum an Content und optimierte Dienstleistungen anbietet.

Dafür wurden auch allgemeine Strategien, weiters Einzelstrategien und operative Maßnahmen sowie Werkzeuge ausgearbeitet. Neue Vertriebswege und strategische Kooperationen wurden mit subito und vascoda entwickelt.

Innovationsmanagement: Wo bleibt der Mitarbeiter?

Dr. Klaus Kempf (BSB, München)

Klaus Kempf begann seine Ausführungen mit folgender Feststellung: Innovativ sind alle Produkte und/oder Prozesse, die innerhalb der Bibliothek erstmalig eingeführt werden.

Komponenten des Innovationsmanagement sind:

ganzheitliche, strategische Aufgaben; Erfindung, Entwicklung und Durchsetzung neuer Produkte; Organisatorische Umsetzung der Neuerungen.

Ziel des Innovationsmanagements ist der mündige und selbstverantwortlich handelnde Mitarbeiter. Er muss frühzeitig in Reorganisationsüberlegungen eingebunden und an diesen beteiligt werden. Es muss ein Vorabschulungsangebot (Gruppen- und Einzelschulungen) eingeführt werden, ebenso die Schulung "on the job", es muss darüber Evaluierungen sowie Erfolgskontrollen geben.

Folgende Erkenntnisse wurden abschließend aufgezeigt:

Geprüfte Qualität: Audits in den Öffentlichen Bibliotheken in Südtirol.

Dr. Johannes Andresen M.A. und Dr. Volker Klotz (Bozen/Bolzano)

Vorgestellt wurde die Weiterentwicklung des Bibliothekswesens in Südtirol auf Grundlage von qualitativen Überlegungen. Bekannte Qualitätssicherungsverfahren wurden auf Basis von ISO beleuchtet. Die bisherigen Erfahrungen mit Qualitätssicherung in Südtirols Bibliotheken, Organisation und Ablauf sowie strategische Ziele wurden dargelegt.

Die vier Etappen des Bibliothekskonzepts Südtirol sind: Formulieren der Aufgabenprofile; Festlegen von Qualitätsstandards; Entwickeln von Qualitätssicherungsverfahren; Definieren von Ressourcengrundsätzen. Der Zeitrahmen wurde mit 2000-2003 festgelegt, die Umsetzung erfolgt seit 2004.

Zur Qualitätssicherung werden Auditoren auf ihre neue Aufgabe vorbereitet und ein genauer Audit-Plan erstellt. Dieser enthält die Überprüfung der Aufgaben und Standards mit dem Ziel der Verbesserung der bibliothekarischen Arbeit und der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Audit-Teams. Arbeitsunterlagen werden vorbereitet. Die Audit-Tätigkeit erfolgt vor Ort im Gespräch mit dem Bibliotheksleiter und dem Vorsitzenden des Bibliotheksrates oder einem Vertreter der Institution. Alle Informationen werden erfasst und verifiziert, daraus werden Erkenntnisse gezogen und Schlussfolgerungen festgehalten. Es erfolgt auch eine Nachbereitung der Auditoren, es werden Punkte vergeben, ein Bericht erstellt und eine Diskussion der Ergebnisse mit der Bibliotheksleiterin / dem Bibliotheksleiter geführt. Dissense sind im Abschlussbericht zu vermerken. Der Abschlussbericht ist an die Fachstelle zu übermitteln, die Fachstelle stellt das Zertifikat aus, übermittelt es der Bibliothek und dem Träger der Bibliothek zur Kenntnisnahme. Es erfolgt evtl. auch die Mitteilung, dass das Audit nicht bestanden wurde.

Audit dient als Qualitätsspiegelung der eigenen Arbeit und gibt neue Impulse für die eigene Arbeit. Die Fachstelle bzw. der Verband soll auf dieser Grundlage die Nähe zur Praxis aufrechterhalten. Als strategisches Ziel wurden folgende Punkte genannt: ein flächendeckendes System zur Qualitätssicherung; die Weiterentwicklung des Bibliothekswesens; die Koppelung von Leistung an Ressourcen; die Mitnahme der Bibliotheken bei den neuen technologischen Entwicklungen; Entstehung eines Netzwerks von Bibliotheken; die "Bibliothek Südtirol" als Vision; ein gemeinsames Tragen der Verantwortung.

Die Zertifizierung von Bibliotheksleistungen. Luciana Sacchetti (Bologna)

Die Referentin setzt sich dafür ein, dass Qualifizierungsstandards wie ISO-9001, die auf internationaler Ebene entwickelt und an vielen Stellen bereits erfolgreich eingesetzt wurden, zur Bewertung der Bibliotheken und ihrer Dienstleistungen verwendet werden sollten. Dadurch kann eine Vergleichbarkeit aller Bibliotheken gefördert werden. Wenn jede Bibliothek wieder eigene Maßstäbe erarbeitet, kann sie in mehreren Jahren zwar ihre eigene Entwicklung beobachten, doch sie steht in keinem unmittelbaren Vergleich mit anderen Bibliotheken auf internationaler Ebene. Dieser Aspekt kann für die verantwortlichen Geldgeber im eigenen Land wichtig sein.

Die lernende Bibliothek - eine Strategieaufgabe für das UNESCO-IFA-Programm. Dr. Sigrid Reinitzer (UB Graz)

Die Lernende Bibliothek sollte den Kontakt zur Bildungseinrichtung UNESCO mit ihrem Programm "Information For All" verstärken. Prioritäten der UNESCO im Informations- und Kommunikationsbereich sind der universelle Zugang zu Information und Wissen; Meinungs- und Ausdrucksfreiheit; kulturelle Vielfalt und Pluralismus. In diesem Zusammenhang steht auch das Interesse der UNESCO in der Stärkung der Rolle von Bibliotheken, Archiven, Informationszentren und -netzwerken sowie in der Entwicklung von Richtlinien für Digitalisierungsprogramme; und allgemein in der Digitalisierung von Sammlungen in Bibliotheken und Archiven und dem Schutz des digitalen Erbes.

Die drei bedeutenden Kultureinrichtungen, nämlich die Bibliotheken, Museen und Archive sind Basis und somit ein wesentlicher Teil der Informationsgesellschaft. Es gilt, den freien "Wissenstransfer für alle und zu allen" zu fördern und den Wert des kulturellen Erbes durch die stetig lernende Bibliothek zu stärken. Die Unterstützung der UNESCO mit ihren reichhaltigen Bildungsprogrammen muss vermehrt in Anspruch genommen werden. Hierfür sollten sich die Bibliotheksvereinigungen gemeinsam einsetzen.

Die Tagung wurde durch fachkundige Bibliotheksführungen und die sehr kompetente Vorstellung der Sondersammlung der Oettingen-Wallersteinschen Bibliothek abgerundet.

Diese zweite Konferenz zum Thema der "Lernenden Bibliothek" wurde von allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern als sehr gelungene Veranstaltung der Bibliotheksverbände Deutschlands, Italiens, der Schweiz und Österreich empfunden. Eine Fortsetzung dieses wichtigen Themas ist allen Verbänden ein großes Anliegen. Ausgewählte Referate werden in einer kleinen Publikation im Laufe des Jahres 2006 in deutscher und italienischer Sprache erscheinen, die weiteren Beiträge werden in der Originalsprache jeweils in einschlägigen Fachzeitschriften 2005/06 publiziert werden.


Zur Autorin

Hofrätin Dr. phil. Sigrid Reinitzer

Strategisches Management für Bibliotheken, Archive und Museen an der Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz

Universitätsplatz 3
A-8010 Graz
Tel.: +43(316)380-3101
FAX: +43(316)384987
E-Mail: sigrid.reinitzer@uni-graz.at
URL: http://www.kfunigraz.ac.at/ub


1. stv. Vorsitzende d. österr. UNESCO-IFAP-Rates
http://www.unesco.org/webworld/ifap
http://portal.unesco.org/ci/en/ev.php-URL_ID=15885&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html