Wissenschaftliche E-Journals zwischen Open und Total Access

5th Frankfurt Scientific Symposium, 22.-23. Oktober 2005

von Hanne Knickmann

Verleger, Bibliothekare und Informationsdienstleister diskutierten am Rande der Frankfurter Buchmesse neue Konzepte für einen optimalen Zugriff auf elektronisch publizierte Forschung. Das Angebot wird immer breiter, das Geflecht der Zugriffsmöglichkeiten, der Konditionen und Lizenzmodelle immer komplexer. Transparenz können hier fast nur noch international operierende Agenturen schaffen, die die Angebote bündeln und die Interessen aller beteiligten Partner vertreten.

Arie Jongejan, CEO von Swets Information Services
Während der Frankfurter Buchmesse trafen sich die Spitzenvertreter international führender Wissenschaftsverlage, Bibliotheken und Informationsdienstleister in der Johann Wolfgang Goethe Universität zum 5. Frankfurt Scientific Symposium1, das sich mit der Frage beschäftigte: "Is there any progress in alternative publishing? Problems of scholarly information economy." Organisiert und veranstaltet wurde das Symposium von der Frankfurter Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Die Sponsoren waren die US-amerikanische Botschaft in Berlin, ProQuest Information and Learning, Sun Microsystems und die internationale Zeitschriftenagentur Swets Information Services.

Wer in dem sich rasant entwickelnden Markt bestehen will, muss schleunigst seine Geschäftsmodelle anpassen. Mit zwei Hauptentwicklungen sehen sich die kommerziellen Verleger und Informationsdienstleister konfrontiert: der Open Access Bewegung und Google. Doch nicht nur Google mischt mit seinem Print Projekt den Markt zusätzlich auf. Gegenwärtig plant die Europäische Kommission als Gegenprojekt zu Google Print den Aufbau einer Digitalen Bibliothek, um das kulturelle Erbe Europas in einem mit 96 Mio. Euro ausgestatteten Digitalisierungs- und Erschließungsprojekt international zugänglich zu machen. Gegenwind soll Google Print außerdem von der bereits gestarteten Open Content Alliance (OCA) bekommen, zu deren Mitgliedern u.a. auch Yahoo! gehört.

Der Weg und das Ziel

Weitgehend einig war man sich darüber, dass das Angebot an wissenschaftlichen elektronischen Publikationen so breit, so hochwertig und so leicht zugänglich wie möglich sein sollte. Was jedoch für die kommerziellen Anbieter den Weg zu diesem Ziel zu einem heißen Pflaster werden lässt, sind die Themen Preisbildung, Konditionenmodelle und Wertschöpfung; damit wiederum hängen weitere Themenkomplexe unmittelbar zusammen, wie die Markenbildung, die Transparenz der Angebote, die Wertigkeit von Informationen jenseits finanzieller Wertschöpfung, das Urheberrecht, die Frage nach einer primären Kunden- und/oder Content-Orientierung und schließlich die unverzichtbare Vertrauensbildung zwischen Informationsanbieter und -nutzer.

Geschäfte zu machen ist doch nicht anstößig!

"Commerce is nothing evil", rief Derk Haank aus und verteidigte als CEO von Springer Science + Business Media sein Haus, das 5.000 Mitarbeiter beschäftigt und unter SpringerLink rund 1.150 STM-Zeitschriften anbietet. Überhaupt STM: Da der Löwenanteil der Forschungs- und Fördergelder in die Naturwissenschaften (Sience, Technology, Medicine) fließt, orientieren sich die diversen Konditionenmodelle für wissenschaftliches E-Publishing mit allen denkbaren Zugriffsmöglichkeiten eben am Markt für STM-Publikationen. Swets beispielsweise verwaltet international rund 1,8 Mio. Abonnements und macht ein Drittel seiner Umsätze im STM-Markt. Innerhalb dieses Drittels spielen wiederum die elektronischen Zeitschriften eine markante Rolle.

Die Geisteswissenschaften, an denen die marktrelevanten Ströme wissenschaftlicher Fördergelder in der Regel vorbeifließen, finden sich also schon aus rein ökonomischen Gründen auf einem Sonderweg, der eigene Strategien und Debatten erfordert.

Die Integration von Open Access in Geschäftsmodelle: Wer zahlt?

Das "author-pays model" wurde erwartungsgemäß stark diskutiert und dabei auch vielfach kritisiert: es bedeute im wissenschaftlichen Wettbewerb ungerechte Bedingungen für "arme" Disziplinen und verschärfe die ohnehin angespannte Situation zwischen den finanziell stark und den schwach ausgestatteten Forschungsbereichen (Richard Wellen, Business and Society Program, York University, Toronto); es mache die Subventionierung einzelner Zeitschriften nötig, könnte manche Autoren vom Publizieren abhalten und sei schließlich auch nur für den STM-Markt geeignet (Hans-Robert Cram, Hauptgesellschafter und Mitglied des Beirates von Walter de Gruyter). Wie sich das Publikations- und Leserverhalten auf die wissenschaftliche Kommunikation auswirkt und wie die Bibliotheken demnach künftig ihre Beschaffungspolitik ausrichten müssen, wird in Deutschland u.a. mit Mitteln der DFG erforscht. Berndt Dugall von der Universitätsbibliothek Frankfurt stellte zwei dieser Projekte vor. Ziemlich ernüchternd für Verfechter des Open Access fielen die Ausführungen von Sally Morris, Chief Executive der Association of Learned and Professional Society Publishers, aus. Demnach werden die Leistungsfähigkeit, die Präsenz und die Qualität von Open Access-Zeitschriften weitaus überschätzt. Wesentlich mehr müssten die Verleger dagegen die Aktivitäten selbstarchivierender Institutionen beunruhigen.

Qualitätssicherung: Markenbildung ist wichtiger denn je

Wissenschaft braucht höchste Qualitätstandards, die Autoren wie auch ihre Texte brauchen das Qualität verbürgende Know How und Renommee eingeführter Fachverlage. Im Falle von Zeitschriften ist nun jedes einzelne E-Journal mehr denn je darauf angewiesen, unter dem Dach seines Verlags zu einer eigenen Marke zu werden. Der Ruf nach Qualitätssicherung war dabei nicht nur aus den Reihen der Verleger, sondern auch von Seiten der Bibliotheken zu vernehmen. Erschreckend gering seien die Bemühungen der Open Access Bewegung um Qualität und Professionalität, was die Verbreitung von Ergebnissen der Spitzenforschung angehe - so Rafael Ball, Leiter der Zentralbibliothek Forschungszentrum Jülich GmbH.

Die Bedeutung der Agenturen: Swets zum Beispiel

Die gravierendste Veränderung, die Arie Jongejan, CEO von Swets Information Services, durch die neuen Verlags- und Vermarktungsmodelle im Bereich der E-Journals ausmacht, ist die verwirrende Komplexität dieses Marktes. Damit gehört in seinen Augen zu den wichtigsten Aufgaben der Agenturen, zunächst Transparenz und damit auch Effizienz für die Kunden zu schaffen. Denn die Kunden, also allen voran die Bibliotheken, verlangen vor allem eines: Wahlmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Angebotsmodellen, um Herr ihres eigenen Schicksals zu bleiben. Um aber wählen zu können, brauchen die Bibliotheken transparente Strukturen und klare Kriterien für ihren Entscheidungsprozess. Genau hier sieht eine Agentur wie Swets ihre prädestinierte Rolle als Mittlerin. Jongejan betonte, das setze voraus zu realisieren, dass sich die Marktmacht vom Content zum Kunden verschoben hat. Neben die bislang überwiegend administrativen treten nun zunehmend auch explorative Dienstleistungen: die Agentur als Scout im Dschungel der Angebote und Konditionen; als Scout, der auch nach der Entscheidungsfindung des Kunden präsent bleibt, bis sichergestellt ist, dass der einzelne Content tatsächlich den einzelnen Leser erreicht. In der gegenwärtigen Phase des Wandels und der Unsicherheit wächst den Agenturen aber auch noch eine ganz andere Rolle zu: die soziale Aufgabe der Vertrauensbildung zwischen den Geschäftspartnern.


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1. Die Tagung und die einzelnen Vorträge sind im Internet dokumentiert unter: http://www.ub.uni-frankfurt.de/messe/symposium2005/einleitung.html