Antweiler, Christoph: Ethnologie: ein Führer zu populären Medien


- Berlin: Dietrich Reimer Verl., 2005. 311 S. (Ethnologische Paperbacks)
ISBN 3-496-02782-7, Euro 22,90

Politik, Wirtschaft und Tourismus haben durch die inflationäre Verwendung von Begriffen wie "ethnischer Konflikt", "Multikulti", "Kampf der Kulturen", "Kulturschock", "interkulturelle Probleme", "andere Kulturen", "fremde Kulturen" und "unsere westliche Kultur" dafür gesorgt, dass sich eine breite Öffentlichkeit für dieses "Andere" und "Fremde" interessiert. Viele Menschen suchen dazu Informationen und finden auf dem Markt eine Flut von Medienerzeugnissen vor (z.B. Reiseführer, Bildbände, Biographien, Romane, Zeitschriften, Kinofilme, Videos, Computerspiele, CDs) und können verschiedene Orte aufsuchen, an denen ethnologisch relevante Themen vermittelt werden (Themenparks, Sportveranstaltungen, Museen). Aber nur mit einer klugen Wegweisung kann der Interessent zu altersgerechten und sachgerechten Informationen gelangen.

Christoph Antweiler, Professor für Ethnologie an der Universität Trier und Autor zahlreicher Veröffentlichungen, legt mit diesem Medienführer eine derartige Wegweisung vor. Er gibt "Sachinformationen, Tipps zur Reisevorbereitung oder die Arbeit im Ausland und Hinweise zur Lebensorientierung" (S. 12) und stellt in den Mittelpunkt "diejenigen Informationen und Einschätzungen zu populären Medien, die man im Internet vergeblich sucht, da dort kommerzielle und ideologische Interessen überwiegen." (S. 12)

Antweiler kombiniert gekonnt eine systematische Einführung in die populäre Ethnologie mit einer kommentierten Bibliographie zu populären Formen der Ethnologie und ergänzt sein Buch "Ethnologie lesen", in dem nur wissenschaftliche Titel und ausschließlich Printmedien enthalten sind.1

Der einführende Beitrag (S. 17-64) gibt einen vorzüglichen Überblick über die populäre Ethnologie. Er enthält Begriffsbestimmungen und Überblicke, eine Bestandsaufnahme der Popularisierung der Ethnologie, die wichtigsten Multiplikatoren (selten Ethnologen, in der Mehrzahl Wissenschaftler aus anderen Fächern, Reiseschriftsteller, Abenteurer und Journalisten), Medien und Genres sowie Hinweise auf populäre Themen. Auch kritische Töne werden angeschlagen, etwa die Debatten zum Irak-Krieg ("Das Wickertphänomen", S. 93-95).

Die Ausführungen werden ergänzt mit einer Analyse der populären deutschsprachigen Ethnoliteratur (S. 65-99, Verfasser: Michael Schönhuth) unter der Überschrift "Authentizität und Inszenierung"; dazu gehören Ranglisten von Bestsellern und Longsellern einschließlich kritischer Anmerkungen sowie die Selbstinszenierungen am Beispiel von Marlo Morgan und Cephas Bansah.

Über 300 Literaturhinweise ergänzen die Ausführungen im ersten Teil.

Der eigentliche "Medienführer" (S. 101-310) ist in drei Teile gegliedert. Die ersten beiden Teile führen Titel an, "die für die wissenschaftliche Einordnung populärethnologischer Medien wichtig sind" (S. 13). Teil 1 nennt Titel zur Beziehung zwischen Ethnologie und Öffentlichkeit (z.B. zur Präsentation von Kulturen in heutiger Populärkultur sowie Websites ethnologischer Institutionen im deutschsprachigen Raum). Teil 2 beschäftigt sich mit der Medienethnologie, einem expandierenden Lehr- und Forschungsgebiet.

Teil 3, der Kern des Medienführers, ist eine "Bibliographie populärer Medien mit ethnologischem Gehalt oder Inhalten, die als ethnisch, fremd oder exotisch apostrophiert werden" (S. 13). Die Gliederung dieses sehr umfangreichen Teils orientiert sich in erster Linie an populären Schlagworten (z.B.: Populäre Einführungen in die Ethnologie - Lexika und Atlanten zu Ethnien, Völkern, Minderheiten, Sprachen und Religionen - Berichte und Erzählungen über das Leben in fremden Kulturen - Romane - Medien für Kinder und Jugendliche - Sachthemen - Kulturregionen der Welt). Die meisten Titel sind mit Annotationen versehen.

Ein sehr gut gegliedertes, detailliertes Inhaltsverzeichnis erspart es dem Autor, ein Register als Erschließungshilfe zu erarbeiten.

Einziger Mangel dieses exzellenten Medienführers: Es fehlt ein Kapitel über die Wissenschaftlichen Bibliotheken, die den Auftrag haben, Medien zur Ethnologie zu sammeln und Informationsdienste herauszugeben2 und über die Stadtbibliotheken und Medienzentren, die die vom Verfasser genannten Medien einem breiten Leserkreis zur Verfügung stellen.

Der Medienführer ist auch eine Bereicherung der bibliothekswissenschaftlichen Literatur. Er gibt den Bibliothekaren zahlreiche Hinweise zur Begriffsbildung in ethnologischen Disziplinen und zur Erwerbung, Erschließung und Vermittlung populärer Medien mit ethnologischen Inhalten.


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de


Anmerkungen

1. Antweiler, Christoph: Ethnologie lesen: ein Führer durch den Bücher-Dschungel. 3. Aufl. Münster: Literatur Verl., 2003. (Arbeitsbücher Kulturwissenschaft; 1)

2. Vgl. Dühlmeyer, Katja; Susanne Maier; Christian Rüter: Neue Informationsdienste für die Ethnologie: das Sondersammelgebiet Volks- und Völkerkunde. In: Bibl.-dienst 39 (2005), 8/9, S. 1061-1079. - Lüttgau, Jörg; Susanne Maier; Christian Rüter: Virtuelle Fachbibliothek Ethnologie EVIFA. In: Bibl.-dienst 39 (2005), 8/9, S. 1080-1098.