Wissenschaft und Kultur in Bibliotheken, Museen und Archiven: Klaus-Dieter Lehmann zum 65. Geburtstag

Hrsg. von Barbara Schneider-Kempf; Klaus G. Saur; Peter-Klaus Schuster

- München: Saur, 2005. 574 S.
ISBN 3-598-11729-9, Euro 128,00

Wissenschaft und Kultur in Bibliotheken, Museen und Archiven ist ein klug gewählter Titel zur Würdigung eines Mannes, der als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und früherer Direktor der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main und Generaldirektor der Einrichtung Die Deutsche Bibliothek seit Jahrzehnten maßgeblich die Entwicklung der Kultur in der Bundesrepublik mitbestimmt hat. Die Herausgeber "sind der Überzeugung, dass Klaus-Dieter Lehmann in seinem Leben unendlich viel für Wissenschaft und Kultur in Bibliotheken, Museen und Archiven geleistet und erreicht hat und noch vieles mehr in der Zukunft erreichen wird." (S. 10) Die Festschrift vereint einen bunten Kreis von "Freunden, Verehrerinnen, Kollegen, Schülern und Verbündeten", (S. 10), die diese Hochachtung in ihren Beiträgen ausdrücken und die weit ausgreifende Wirkung Klaus-Dieter Lehmanns deutlich machen - aus Politik (wie Thomas Flierl, Petra Roth, Ruth Wagner und Christina Weiss), Kunst (wie Heinz Berggruen und June Newton) und Kultur (wie Jutta Limbach, Michael Naumann und Peter Raue), Bibliotheken (wie Hans-Peter Geh, Günther Pflug und Magda Strebl), Museen (wie W. Michael Blumenthal und Christoph Wolff) und Verlagen (wie Vittorio Klostermann und Klaus G. Saur).

Die Herausgeber präsentieren die 60 Beiträge zur Kulturpolitik, zum Verlagswesen, zur Kunst, zum Buch- und Bibliothekswesen sowie zu Archiven und Museen in sieben Gruppen:

Bildende Kunst - Präsentation und Vermittlung des Musealen: Museumskonzepte, Museumsplanungen und Museumsprobleme - Die kulturgeschichtliche Dimension des Gedichteten und Komponierten, des Geschriebenen und Gedruckten - Bücher verlegen, kaufen und verkaufen - und: Bücher lesen im Lesesaal - Reminiszenzen an den Bibliothekar Klaus-Dieter Lehmann: Nationale und internationale Aspekte des wissenschaftlichen Bibliothekswesens aus den vergangenen fünf Jahrzehnten - Kulturförderung und Kulturfinanzierung - Vom nachhaltigen Umgang mit Kulturgütern: Lagern, Restaurieren, Restituieren, Digitalisieren - Zentral und/oder dezentral: Kulturpolitik im föderalen Staatswesen.

Dass ein großer Teil dieser Beiträge auf den Jubilar Bezug nimmt, soll nur am Rande erwähnt werden.

Auf einige Beiträge, die sich näher mit Gebieten der Bibliothekswissenschaft beschäftigen, soll in dieser Rezension hingewiesen werden.

Von der modernen Bibliothekswelt

Auf den Paradigmenwechsel der Bibliotheken zu Beginn des 21. Jahrhundert wird in vielen Beiträgen hintergründig hingewiesen, explizit findet der Leser ihn in den Essays über die Nationalbibliotheken in der digitalen Welt (Wim van Drimmelen), die Defizite beim Sammeln digitaler Daten (Hermann Leskien), den geplanten vierten Erweiterungsbau der Deutschen Bücherei Leipzig (Elisabeth Niggemann), die alten und neuen Aufgaben in Bibliotheken aus der Sicht eines Nicht-Bibliothekars (Wulf D. von Lucius), die Bibliotheken und das kulturelle Erbe (Esko Häkli) sowie die Restaurierung von mobilem Kulturgut (Karin von Welck). Zu dieser Kategorie kann auch ein Essay zur Jorge Luis Borges` Bibliothek von Babel und dem Alptraum der vollkommenen Bibliothek (Günther Maihold) gezählt werden.

Von einzelnen Bibliotheken

Der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz sind aus verständlichen Gründen mehrere Beiträge gewidmet. Sie befassen sich u.a. mit den Veränderungen des Erwerbungsprofils zu Beginn des 21. Jahrhunderts (Barbara Schneider-Kempf, Martin Hollender), den Benutzergruppen im Wandel der letzten Jahrhunderte im Vergleich mit der Bayerischen Staatsbibliothek (Franz Georg Kaltwasser) sowie Impressionen aus dem Gebäude am Kempnerplatz (Heinrich Wefing).

Des weiteren finden sich in der Festschrift interessante Informationen über die wiedererstandene Bibliotheca Alexandrina (Hans-Peter Geh), die Bibliothek im Jüdischen Museum Berlin (W. Michael Blumenthal) und die Bibliothek im Nachlass von Carl Philipp Emanuel Bach (Christoph Wolff)

Von der Geschichte der Bibliotheken

Die Bibliotheksgeschichte ist ein bevorzugtes Thema bibliothekarischer Festschriften. Beiträge dazu fehlen auch in dieser Veröffentlichung nicht: Der Bücherraub im Nationalsozialismus und der Umgang mit geraubten Büchern in der Gegenwart (Regine Dehnel, Georg Ruppelt), die Rückführung von Kulturgütern aus der Sicht der Fachgruppe "Bibliotheken" der Regierungskommission der Bundesrepublik und Russlands (Ingo Kolasa), die Vorgänger und Vorbilder des Jubilars Hanns W. Eppelsheimer, Erich H. Pietsch und Clemens Köttelwesch (Günter Gattermann) sowie die Geschichte audiovisueller Zentren in deutschen Hochschulbibliotheken (Günther Pflug).

Ein Fazit zu den bibliothekswissenschaftlichen Themen zieht Günther Maihold in seinem Essay über Borges` Bibliothek von Babel: "Die Bibliothek als topologischer Speicher des Gedruckten angesichts der Flut von wertvollen und wertlosen Informationen ist aber zu klein geworden. Gesucht wird daher nach Lösungen, die neben der ehrwürdigen alten Bibliothek als Zeichen kultureller Hochzeit neue Speichermöglichkeiten eröffnen, ein sich ergänzendes Nebeneinander von Alt und Neu und nicht ein Ersetzen des Alten durch das Neue." (S. 156) Das ist auch ein besonderes Anliegen von Klaus-Dieter Lehmann, der an entsprechenden Lösungsmöglichkeiten mitgearbeitet oder Projekte angestoßen hat.

Ein Bericht über den Fortgang der Bauarbeiten im Stammhaus der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Unter den Linden (insbesondere der Neubau eines großen Lesesaales nach dem architektonischen Konzept von H. G. Merz anstelle des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kuppel-Lesesaals) und die Errichtung einer Speicherbibliothek am neuen Depotstandort in Berlin-Friedrichshagen hätte der Festschrift gut getan.

Noch zu erwähnen: Ganz in Preußisch-Blau die Lettern auf dem hellen Schutzumschlag, der Einband und der Vorsatz, leicht getöntes Papier und lesefreundliche Typographie.

Eine akribisch recherchierte, sachlich geordnete und gut lesbare Bibliographie der Publikationen von und über Klaus-Dieter Lehmann sowie das Verzeichnis der Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren schließen eine Veröffentlichung ab, in der wie selten in einer Festgabe die Einbindung der Arbeit der Bibliotheken, Museen und Archive in den größeren kulturellen, auch kulturpolitischen Zusammenhang gestellt worden ist.


Anschrift des Rezensenten

Prof. em. Dr. Dieter Schmidmaier
Ostendorfstraße 50
D-12557 Berlin
E-Mail: dieter.schmidmaier@schmidma.de