Überlegungen zur Außendarstellung und Programmarbeit von Bibliotheken


Abstract

Was genau meint "Image"?
Imageprobleme von Bibliotheken
Mein Zwischenfazit
Zur Programmarbeit
Fazit


von Jürgen Seefeldt

In unserer heutigen Mediengesellschaft wird die subjektive Wahrnehmung unserer Umwelt zu einem immer wichtigeren Bestandteil von Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Imagepflege - das gilt gleichermaßen für Profit- und für Non-Profit-Unternehmen. Es genügt schon lange nicht mehr, gute Produkte herzustellen, besten Service anzubieten und vorzügliche Arbeit zu leisten. Man muss auch über das Gute reden, es bekannt machen und damit öffentlich verbreiten. Wer in unserer Mediengesellschaft nicht informiert und kommuniziert, ist nicht existent. Bibliotheken dürfen das nie außer Acht lassen.

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"Man existiert nur durch den Blick des anderen" sagte vor Jahrzehnten schon Jean Paul Sartre.

Liest man aktuelle Planungspapiere, auf Hochglanz gedruckte Leitbilder, Flyer mit Selbstdarstellungen und Zielvorstellungen von Bibliotheken, so ist festzuhalten, dass Begriffe wie "Außendarstellung" und "Image" zunehmend an Relevanz gewinnen. Endlich, sollte man sagen. Wenn Bibliothekare doch nur PR-Profis wären und sich mit ihren Leistungen besser darstellen könnten! Wenn sie denn nun keine Profis im PR-Geschäft sind, so sollten sie doch Anstrengungen unternehmen, gemeinsam mit Marketing-Profis Konzepte zu erstellen und Maßnahmen zu ergreifen, wodurch sich die Außendarstellung der Bibliothek den Erfordernissen unserer multimedialen Gesellschaft anpasst, einer Gesellschaft, die ganz auf Sehen und Gesehenwerden ausgerichtet ist.

Eine Forderung muss sein: Die Professionalisierung der Außendarstellung zum Aufbau eines guten Images und die integrative Einbindung aller Maßnahmen einer vielfältigen Programmarbeit müssen die tragende Säulen eines zeitgemäßen Marketing-Konzepts der Bibliothek bilden. Denn: Die Präsenz in der Öffentlichkeit und die Verbreitung eines positiven Image durch konsequent betriebene Maßnahmen zur Verbesserung der Außenwirkung sind die Grundvoraussetzungen, um in allen Bereichen des Marktes, gerade auch des Informations- und Medienmarktes, erfolgreich operieren zu können.

Wir wissen alle längst: Bibliotheken und bibliothekarische Einrichtungen kämpfen immer wieder um ihre Existenz. Und damit sie langfristig überleben können, müssen sie von der Öffentlichkeit, den Entscheidungsträgern und den Medien positiver wahrgenommen werden. An vielen Orten sind entsprechende Bemühungen im Bereich von Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bereits in Gang gesetzt worden. Aufgrund der dramatisch veränderten Randbedingungen in Wissenschaft und Gesellschaft kommt gerade den Aspekten der "Imagebildung" und "Imagepflege" als Langzeitziele zur Optimierung der Außenwirkung der Bibliotheken besondere Bedeutung zu.

Gleich hier ist anzumerken, dass es nach meiner Kenntnis eine wissenschaftliche Erforschung der "Außenwirkung von Bibliotheken" praktisch nicht gibt. Die Wirkungsforschung muss dringend national und international thematisiert und diskutiert werden. Hier möchte ich die bibliothekarischen Hochschulen aufrufen, sich des Themas baldmöglichst anzunehmen. Es ist zu untersuchen und konkret zu klären, welche wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, bildungspolitischen und sozialen Auswirkungen hat die Arbeit von Bibliotheken? Auch der DBV-Bundesvorstand hat diese Frage kürzlich mit Recht aufgeworfen und als Desiderat erkannt.

Was genau meint "Image"?

Nach dem Verständnis der Fachleute ist Image ein Vorstellungsbild von anderen: zum Beispiel über ein Produkt, einen Service, eine Person, ein Unternehmen, eine Organisation oder eine sonstige Einrichtung. "Image ist die Komplexqualität aller Einstellungen, Kenntnisse, Erwartungen und Anmutungen, die mit einem bestimmten Meinungsgegenstand verbunden sind."

Ein solches "Image" wird hochgradig subjektiv und emotional empfunden. Es ist unverzichtbar, sich zu bemühen, das richtige Image, und zwar ein positives zu haben, um am Markt zu bestehen.

Image kann nicht unmittelbar und direkt beobachtet werden, sondern erschließt sich dem externen Betrachter nur aus verbalen Stellungnahmen oder offenem Verhalten. So schwer die Parameter für die Beurteilung von Image auch zu objektivieren sein mögen, die Tatsache allein, dass Image einen so mächtigen Einfluss auf menschliche Entscheidungen auf allen Ebenen besitzt, macht es erforderlich, in Aufbau und Pflege des eigenen Images gewaltig zu investieren. Bibliotheken müssen es tun.

Meine Überzeugung: Ein gutes Image ist für eine Einrichtung wie die Bibliothek so wertvoll wie Geld und Fördermittel. Die Bibliotheksbenutzung ebenso wie die jährlich wiederkehrenden Verhandlungen über die Höhe der Medienetats und der anderen Haushaltsmittel werden immer stärker auch vom Image der Bibliothek beeinflusst. Leider zählt der kontinuierliche Aufbau einer positiven Außenwirkung zu den schwierigsten Marketingaufgaben überhaupt. Es scheint in unserer modernen Welt der Gesichtslosigkeit einen regelrechten Hunger nach Originalität und Werten zu geben; hier muss es den Bibliotheken gelingen, ihr Image der Beliebigkeit, der Langeweile, der Mittelmäßigkeit, der Passivität, der Rückständigkeit - und was alles noch an Vorurteilen und falschen Bildern grassiert, loszuwerden. Die Bekanntgabe von Ausleih- und Umsatzzahlen reicht allein nicht aus.

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Die Frage ist, ob solche Eigenschaften wie "Glaubwürdigkeit", "Innovationskraft" und "Bekanntheit der Leitung" - diese werden nämlich als zentrale Image-Parameter von Wirtschaftsunternehmen vorgestellt - sich ganz problemlos 1:1 auf Bibliotheken übertragen lassen? Ich meine: nur teilweise. Es sind sicher noch andere Parameter festzulegen. Ich nenne hier z.B.: "Zuverlässigkeit", "Professionalität", "Bürgernähe", "Dienstleistungsqualität".

PR-Fachleute kommen zu der Erkenntnis: Ein Image baut sich durch kontinuierlichen Einsatz verschiedener Kommunikationsmittel und Maßnahmen zur Außenwirkung in den Köpfen der Kunden und Zielgruppen auf. Es wird auch mit Hilfe von Farben und Zeichen vermittelt. Image muss über Print- und audiovisuelle Medien vermittelbar sein und zwangsläufig auf allen Kommunikationsträgern wie Presseberichten, Briefbögen, Broschüren, Visitenkarten erkennbar werden. Image wird ebenso in der atmosphärischen Gestaltung der Räume und Gebäude spürbar.

Imageprobleme von Bibliotheken

Misslingt der Bibliothek die positive Imagearbeit jedoch und ist die Außenwirkung kläglich und eher nichtssagend, hat sich also erst einmal ein Negativimage ausgebildet, hält sich dies in den Köpfen vieler mit einer erstaunlichen Hartnäckigkeit fest.

Gerade in Bibliotheken bedingen sich das Image von Einrichtung und Mitarbeiter, von Bibliothek und Bibliothekar gegenseitig besonders. In den Köpfen vieler der heute 50- bis 60jährigen Entscheidungsträger ist nach wie vor ein antiquiertes Bild von Bibliotheken vorhanden, das etwa so lauten könnte:

Bibliotheken und Bibliothekare sind auf sich selbst bezogen, sie sind rückständig, sie genügen sich selbst, Bibliotheken sind hübscher Schmuck, die Bestände sind vor allem schön anzusehen. Kundenbindung und Außenwirkung von Bibliotheken sind gering. Das Negativimage wird nicht nur behauptet, es gibt darüber empirische Untersuchungen. Eine Konferenz der IFLA widmete sich 1992 ausschließlich diesem Thema.

Einige Argumente der damaligen Studie seien kurz genannt:

Unsichtbarkeit der bibliothekarischen Arbeit für die Kunden
Die aktive Tätigkeit der Bibliothekare ist für den Großteil der Kunden weder konkret erkennbar noch von anderen Arbeiten in der Bibliothek zu unterscheiden. Viele wichtige zentrale bibliothekarische Arbeiten, wie Bestandsaufbau, Homepage- und OPAC-Pflege finden außerhalb der Öffentlichkeit statt. Auch die soziale und demokratische Dimension bibliothekarischer Arbeit (Stichwort: freier Zugang zu Information und Literatur), wird von der Öffentlichkeit praktisch nicht wahrgenommen.

Fehlende wirtschaftliche und bildungspolitische Dimension der Bibliothek
Ein wirtschaftlich messbarer Beitrag der Bibliotheksleistungen für Kommunen und Stadtverwaltungen, Unternehmen oder wissenschaftliche Einrichtungen am Ort wird Bibliotheken nicht unterstellt. Bibliotheken treten in den Etats und Bilanzen stets nur als Verursacher von Kosten und Ausgaben auf. Ein wirtschaftlicher oder bildungspolitischer Beitrag der Bibliothek am Gesamterfolg des Bibliotheksträgers kommt praktisch nicht vor.

Nicht erkennbare Qualität des Services
Die Qualität der Bibliotheksleistungen ist für die allermeisten Kunden weder erkennbar noch zu beurteilen. Daraus ergibt sich eine unterdurchschnittliche Bewertung bibliothekarischer Dienstleistungsqualität. Die interne Beurteilung bibliothekarischer Qualität war zu lange auf deren "innere" Werte fixiert und zu lange haben Bibliotheken und Bibliothekare den Kunden als direkten Adressaten von Servicequalität ignoriert. Auch die Standardisierung von Dienstleistungsqualität in Bibliotheken hat erst in den letzten Jahren Gestalt angenommen.

Wenig bekanntes, eher diffuses Berufsbild
Das Berufsbild des Bibliothekars ist kaum bekannt, die Inhalte teilweise eher diffus. Eine besondere Qualifikation des bibliothekarischen Berufs ist für die Allgemeinheit kaum auszumachen. Es gibt zu viele Aufgaben, die von Bibliothekaren erledigt werden, aber ebenso auch von anderen Berufsgruppen gemacht werden könnten. Die Spannbreite bibliothekarischer Tätigkeit reicht dabei von der bibliothekarischen Hilfstätigkeit im Magazin bis hin zum Management und zur politischen Repräsentation einer Bibliothek. Eine klare Abgrenzung der Tätigkeiten, wie etwa beim Beruf des Arztes, Rechtsanwalts oder Ingenieurs, ist nicht möglich. Das alles belastet Status und Image des Bibliothekars.

Zersplitterung des Wissens, Konkurrenz durch das Internet
Die Bibliotheken können nicht mehr als Horte des Weltwissens gelten. Durch die pluralistische (Wissens)gesellschaft und aufgrund begrenzter Mittel können Bibliotheken längst nicht mehr all das anbieten, was in allen Wissensgebieten an Theorien, Meinungen und Vorstellungen existiert. Die Informations- und Meinungsflut und die Such- und Verbreitungsmöglichkeiten im Internet haben die Bibliothek ins Hintertreffen geraten lassen und ihr einen Imageverlust beschert.

Mein Zwischenfazit

Die öffentliche Meinung über das Bibliothekswesen und die Bibliothekare ist offenkundig keine sehr hohe. Dieses Bild ist in breiten Teilen der Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern vorherrschend und bedarf dringend einer Korrektur. Nur mittels einer klar definierten Corporate Identity lassen sich beide Ziele erreichen: Die Verbesserung der öffentlichen Meinung über Bibliotheken und die Bekanntmachung ihrer umfassenden Dienstleistungen und Serviceangebote. Bibliotheken, öffentliche wie wissenschaftliche, müssen ihre Angebote besser vermarkten und zum anderen eine beständige und systematische Öffentlichkeitsarbeit aufbauen. Kombiniert mit gut durchdachter, zielgruppenspezifischer Programmarbeit und verschiedenartigen Aktionen ist ein mittel- und langfristig verbleibender positiver Imageeffekt realisierbar. Leider wissen wir auch: In Zeiten, in denen das Budget und Personal immer knapper werden, erscheint die Forderung nach einer langfristigen, strategischen Öffentlichkeitsarbeit fast wie die Quadratur des Kreises. Dennoch: Öffentlichkeitsarbeit ist bibliothekarische Arbeit! Das Informieren über und das Werben für die eigenen Dienstleistungen gehört zu den Kernaufgaben einer kundenorientierten Serviceeinrichtung, sie ist überlebensnotwendig.

Vorrangiges Ziel bibliothekarischer Bemühungen zur verbesserten Außenwirkung und Imagehebung muss der Aufbau von Nutzerakzeptanz und Trägerakzeptanz sein. Ein Positivimage ist aber nur zu erreichen oder zu erhalten, wenn auch das Selbstverständnis stimmt. Mehr Selbstbewusstsein, weniger Zögerlichkeit und Ängstlichkeit, keine akademisch-arrogante Zurückhaltung, mehr Professionalität, mehr Aufgeschlossenheit, mehr aktives Zugehen auf Menschen und ihre Interessen. Ebenso nötig ist die professionelle Positionierung im gesellschaftlichen Raum und auf der Ebene politischer Entscheidungsträger.

Werbung mit Plakaten für Veranstaltungen braucht immer einen geeigneten und auffälligen Ort zu ihrer Präsentation - auch in Bibliotheken.
Entsprechend vielgestaltig sind die Möglichkeiten und Gefahren, positiven und negativen Einfluss auf die Imagebildung und die Imagepflege zu nehmen. In Bibliotheken wird ein Image gebildet über die Qualität der Produkte und Dienstleistungen, über die Freundlichkeit des Personals, über die Qualifikation der Mitarbeiter, über die Bekanntheit der Einrichtungen und der Services - und ganz vorne an: über eine aktive Öffentlichkeits- und Programmarbeit.

Bevor konkrete Instrumente zur Umsetzung von Imagebildung und pflege eingesetzt werden, sollte eine offene und schonungslose Bestandsaufnahme der Imagequalität einer Bibliothek vorausgehen. Eine Checkliste mit folgenden Fragen wäre gut:

Es geht bei alledem nicht um eine kurzfristige, aktionsorientierte Präsenz auf der Skala der Tagesgeschehnisse, es geht um das langfristige Schaffen von Vertrauen und den Aufbau eines positiven Images als eine zentrale Managementaufgabe.

Als konkrete Instrumente der Imagebildung und verbesserten Außenwirkung kommen alle Mechanismen einer umfassenden PR- und Programmarbeit in Frage. Die Kernpunkte sind eigentlich bekannt:

Ich plädiere dafür, dass solch imagefördernden Maßnahmen nicht allein nur die örtliche Bibliothek für sich konzipieren soll. Warum sollte es uns nicht gelingen, ein abgestimmtes Konzept zu entwickeln, das kommunen-, regionen- und sogar länderübergreifend ein Bibliotheksimage aufzubauen versucht. Imagekampagnen, wie sie jetzt etwa in Brandenburg und Berlin vom dortigen DBV-Landesverband initiiert werden (mit einer pfiffigen Postkarten- und Plakataktion), sind lokal und regional sehr nachahmenswerte Ansätze. Man muss noch größer denken: Eine bundesweite Kampagne muss her, die z.B. von der BID (Bibliothek & Information Deutschland), d.h. vom Deutschen Bibliotheksverband und den Personalverbänden gemeinsam konzipiert und getragen wird und - bis in die kleinste Gemeinde heruntergebrochen - den Startschuss für die Aufwertung des Bibliotheksimages gibt.

Zur Programmarbeit

Im Fokus geeigneter Maßnahmen zur gesteigerten Außenwirkung und Imagehebung steht nach meiner Überzeugung die "Programmarbeit". Sie ist ein unverzichtbares Kerngeschäft für Bibliotheken aller Sparten und Träger.

Programmarbeit prägt innerhalb und außerhalb der Bibliotheken durch viele Veranstaltungsformen das Bild der modernen Bibliothek wesentlich mit. In den aktuellen Produktplänen vieler Mittel- und Großstadtbibliotheken tauchen "Veranstaltungen" und "Programmarbeit" als ein Produkt auf.

Unter Programmarbeit versteht man alle kontaktaufbauenden Aktivitäten einer Bibliothek, die über das bloße Vorhalten ihrer Bestände bzw. die alltäglichen Benutzungsformen hinausgehen. Damit fungiert Programmarbeit als Bindeglied zwischen Benutzung und Öffentlichkeitsarbeit. Öffentlichkeitsarbeit ist in dem Fall das bewusste, geplante Bemühen, in der gesamten Öffentlichkeit Aufmerksamkeit, Verständnis und Vertrauen aufzubauen und zu pflegen, damit ein wirksames und dauerhaftes positives Bild der Bibliothek nach außen entsteht. Unzweifelhaft, hier hat sich durch forcierte Presse- und Medienarbeit, durch Pressekontakte und -verteiler, durch Pressekonferenzen, Erstellung von Pressespiegeln und Dokumentationen eine Menge getan. Aber das meiste geschieht sporadisch, unkoordiniert, eher zufällig, meist nur auf begrenzt örtlicher Ebene. Die Kontinuität regelmäßiger Veranstaltungsreihen ist heute ein entscheidender Faktor für das Bibliotheksimage.

Programmarbeit kann heute aber auch als eine Form der "Informationsvermittlung" betrachtet werden, welche etwa die Bereiche "Weiterbildung" und "Freizeitgestaltung" der Menschen berührt. Sie kann und muss - stringent und zielgerichtet aufgebaut - neue Benutzergruppen erschließen. Notwendig ist es, in einer jährlichen Planung ein attraktives und differenziertes Angebot für die wichtigsten Zielgruppen einer Bibliothek vorzustellen. All diese Maßnahmen sind geschaffen, um die Bibliotheksklientel zur Nutzung der Bibliothek zu motivieren. Den Kunden soll dadurch klar werden, dass das Medien- und Dienstleistungsangebot sowie das Beratungs-Know-how der Bibliothek für jeden Einzelnen einen Mehrwert darstellt. Diese Form aktiver Kundenbindung ist seitdem mit dem Begriff "Bestandsvermittlung" verbunden. Jahrzehntelang wurde der Nutzer durch Neuerwerbungslisten, spezielle Handzettel, Literaturlisten, annotierte Themenbibliografien usw. gezielt umworben und auf seine möglichen Interessensgebiete angesprochen. Auch diese (aus meiner Sicht schon etwas antiquierten) Formen der Bestandsvermittlung sind eine Art von Öffentlichkeitsarbeit und Werbung.

Punktuell hat all das sicher zu einer erhöhten Nutzung der Bestände geführt. Doch mein Eindruck ist, dass eine solche Bestandsvermittlung klassischer Prägung mittlerweile unzeitgemäß wird. Dank der Strukturen des funktional differenzierten Bibliothekssystems und dank der Erweiterung der Ressourcenbasis durch das Internet ist das Dienstleistungsangebot der Bibliotheken eben nicht mehr prinzipiell durch Umfang und Qualität des eigenen Bestandes begrenzt. Wie aus der althergebrachten Benutzerschulung heute die Vermittlung von Informationskompetenz wird, wandelt sich die Bestandsvermittlung durch die Information Professionals der Bibliothek zur Informationsvermittlung, etwa im Rahmen eines organisierten Informations- und Auskunftsdienstes: Für die Ermittlung der benötigten Zielinformationen werden neben dem Bestand selbstverständlich alle weiteren in Frage kommenden externen Quellen herangezogen.

Zu den Formen der Vermittlung von Informationskompetenz gehören natürlich auch die im Rahmen von Benutzerschulung praktizierten Varianten wie z.B. Bibliotheksführungen, Einführungen in die Benutzungsmodalitäten und Dienstleistungsangebote der Bibliothek oder Handreichungen in gedruckter Form (Selbstlernmaterialien). Entscheidend sollte sein, dass diese Angebote nunmehr zielgruppenspezifisch erfolgen (z.B. für Seniorinnen oder für Abiturienten bzw. Erstsemester eines bestimmten Fachbereichs) und dass gewünschte Inhalte in kleine Einheiten zerlegt modular behandelt werden. Als Alternative zu realen Bibliotheksführungen werden heute bereits von vielen Bibliotheken "Virtuelle Rundgänge" angeboten, gegenwärtig freilich noch meist ohne zielgruppenspezifischen oder aufgabenorientierten Zuschnitt.

Die Zielgruppen der Programmarbeit sind eigentlich bekannt, doch selten werden diese konsequent und kontinuierlich bedient:

Gut ausgebaute Öffentliche Bibliotheken bemühen sich, eine Vielzahl unterschiedlicher Aktivitäten anzubieten. Benutzergewinnung, Kundenbindung, Leseförderung, Aufmerksamkeit erregen ..., die Zielsetzungen sind unterschiedlich und alle richtig gesetzt. Nach meiner Einschätzung haben viele Bibliotheken in Deutschland an Kreativität und Einfallsreichtum gewonnen.

Kabarettabende, Musikveranstaltungen oder Lesungen mit namhaften Autoren füllen die Bibliotheken.
Flohmärkte und Tauschaktionen in Bibliotheken ziehen Menschen an.
Hier nur einige Beispiele: Klassenführungen & Medienrallyes, Autorenlesungen & Buchpräsentationen, Bilderbuchkino für erste Lesealter, Sprachspiele und Schreibwerkstätten, Lesenächte, Leseclubs, Projektwochen & Ferienprogramme, Elternführungen & Elternabende. Jubiläen, Tage der offenen Tür und runde Ereignisse bieten sich stets als Anlässe an. Reine Lesungen sind out und spärlich besucht, wenn nicht ein zusätzlicher Erlebniswert damit verbunden ist, Weinausschank, Rauminszenierung, vielleicht ein 3-Gänge-Menü oder der Gast überdurchschnittlich prominent ist.

Für Erwachsene aller Altersgruppen bieten sich Veranstaltungen mit neuen Medien an inkl. Seniorenkino. Vorträge, Diskussionen, Talkrunden, Fortbildungskurse für besondere Gruppen und Themen, die wenig Organisationsaufwand benötigen. Musikveranstaltungen, Theater und Kleinkunst, Tauschmärkte und Flohmarktaktionen fallen auf.

Wichtig ist stets, dass die Bibliothek so häufig wie möglich im öffentlichen Leben der Gemeinde und der Region medial präsent sein soll. Sie muss ein selbstverständlicher Teil der Alltagslebens der Bürger sein. Das setzt unter anderem auch eine quasi omnipotente Anwesenheit der Bibliotheksleitung im öffentlichen Leben der Region voraus.

All die guten Vorsätze und Ideen sind nichts wert ohne die innere Überzeugung des Bibliothekspersonals, einen gesellschaftlich und bildungspolitisch wichtigen Auftrag zu erfüllen. Nur wer motiviert ist und in dem die innere Überzeugung brennt, gesellschaftlich Wichtiges zu leisten, kann eine erfolgreiche Darstellung der Bibliothek nach außen weitergeben. Die Wirksamkeit der Außenbeziehung ("Public Relations") ist daher stark von den innerbetrieblichen Beziehungen ("Human Relations") abhängig - Unterrichtung, Beteiligung und Motivation der Mitarbeiter haben deshalb entscheidende Bedeutung. Ein gemeinsames Wir-Gefühl zu begründen, das sich sowohl im gesamten Erscheinungsbild der Bibliothek als auch im kundenorientierten Auftreten des serviceleistenden Bibliothekspersonals niederschlägt, also die vielbeschworene Corporate Identity aufzubauen, muss Anliegen aller Beteiligten sein. Nicht nur die Bibliotheksleitung bestimmt im so verstandenen Sinne die Öffentlichkeitsarbeit, die gesamte Belegschaft von der Assistentin an der Verbuchungstheke bis zum Fahrer des Bücherbusses, wird zum Mittler des kundenfreundlichen Dienstleistungsbetriebes Bibliothek.

Wer Programmarbeit professionell in der Praxis betreiben will, erhält Hilfestellung durch zahlreich ausgearbeitete "Checklisten". Diese Checklisten können entweder den zeitlichen Ablauf mit ihren Merkposten beschreiben - was ist in den Monaten, Wochen, Tagen vor, während und nach einer Veranstaltung alles zu beachten? Sie können aber auch nach einzelnen Planungsfaktoren aufgebaut sein und als solche sollten sie Termin, Finanzierung, Presse- und PR-Arbeit, Einladungen, Räume und Ausstattung, Technik, Programm, Vorgespräch, Festakt, Musik, Catering, Personal und Sicherheit umfassen. Konsequent eingehaltene Checklisten schaffen Sicherheit und helfen Fehler vermeiden.

Checkliste: Zeitlicher Ablauf zur Veranstaltungsplanung

12 bis 6 Monate vorher
Thema, Art und Zielgruppe für die Veranstaltungen festlegen

  • Autorenlesungen
  • Vortrag
  • Kleinkunstdarbietung
  • Film-Vorführung
  • Elternabend
  • Kindertheater/Figurentheater
  • Ausstellungen

Bei Nutzung fremder Räume, die Raumfrage klären und festlegen.

Autor / Referent / Künstler aussuchen und Termine festlegen

  • Eigene Initiative oder Beteiligung an organisierten Lesereisen der Fachstelle
  • Honorar und Nebenkosten, Fragen zur Anreise und Übernachtung klären

Suche nach einem Kooperationspartner
für gemeinsame thematische Planungen, für Kostenteilung. Veranstaltungen für Jugendliche sollten in enger Zusammenarbeit mit Schulen und Jugendhäusern geplant und durchgeführt werden.

3 bis 2 Monate vorher

Bei Verlagen und der Fachstelle nachfragen, welche Werbematerialien vorhanden sind. Verlage versenden Plakate, Prospekte und Autorenkarten auf Anfrage.

  • Vorhandene Eindruckplakate nutzen
  • Handzettel/Flyer und Einladungen erstellen
  • Verteilung der Werbematerialien festlegen

1 Monat vorher

  • Mit dem Gast Details der Anreise besprechen, Wünsche erfragen, klären, ob Gelegenheit zum Gespräch bleibt
  • Eventuell Bücher aus dem Bestand und der Ausleihe für einen Büchertisch zurücklegen
  • Mit dem örtlichen Buchhandel die Frage eines Verkaufsbüchertisches klären
  • Plakate verteilen
  • Einladungen versenden
  • In Gesprächen mit den Kunden auf die Veranstaltung hinweisen
  • Personal für die Veranstaltung einteilen

2 Wochen vorher

  • Pressemitteilungen abfassen
  • Das örtliche Mitteilungsblatt für zwei Wochen mit Texten versorgen

4 bis 5 Tage vor der Veranstaltung

  • Fotobericht zum Gast an Presse
  • Den Raum für die Veranstaltung herrichten

Am Tag der Veranstaltung

  • Den Gast vom vereinbarten Treffpunkt (Bahnhof, Hotel) abholen
  • Begrüßung zu Veranstaltungsbeginn
  • Im Anschluss an die Veranstaltung eventuell die Gesprächsleitung übernehmen
  • Gast und Presse zusammenbringen

Nach der Veranstaltung

  • Presseartikel sammeln (weitergeben an den Gast, an die Fachstelle, an den Verlag - aushängen an der Pinwand - für Veranstaltungsbuch / Jahresbericht sammeln)
  • Publikumsresonanz festhalten und dokumentieren

Eine tragende Säule der zielgruppenspezifischen Programmarbeit gerade für Öffentliche Bibliotheken sind Aktionen für Kinder und Jugendliche, wie sie z.B. u.a. in den Richtlinien der IFLA für die "Bibliothekarbeit mit Kindern und Jugendlichen" beschrieben sind. Kinder als Bibliothek anzuziehen, sollte eigentlich ein Kinderspiel sein, bei der Gewinnung von Jugendlichen als Nutzer fangen die großen Probleme an.

Zu den Jugendlichen einige Anmerkungen: Zielsetzung der bibliothekarischen Dienstleistung und Programmarbeit für Jugendliche ist es, den schnell wechselnden Anforderungen der Jugendlichen und der jeweiligen Jugendszene gerecht zu werden, unter Einbeziehung aller kulturellen Gruppierungen und der Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen.

Jede Bibliothek ist verpflichtet, den Informations- und Medienbedarf der Jugendlichen laufend zu ermitteln. Es wäre gut, Jugendliche am Planungsprozess von Dienstleistungen und Veranstaltungen zu beteiligen (etwa durch kurz- oder längerfristige Beratergruppen und Feedback-Mechanismen wie z.B. Wandzeitungen, Pinwände, Bildschirmanzeigen). Getrennt vom Kinderbereich eingerichtete Räumlichkeiten für Jugendliche spiegeln in ihrer Einrichtung und Möblierung, Farbe und Ambiente den Geschmack der jugendlichen Benutzer wider. Geschulte Mitarbeiter/innen sind wichtig, die bereit sind, auf die besonderen Bedürfnisse Jugendlicher einzugehen.

Was kann man beispielsweise Jugendlichen in einer Bibliothek anbieten?
Beispiele empfohlener Programmangebote:

Die Qualität bibliothekarischer Dienstleistungen für Jugendliche erfordert gute Zusammenarbeit mit anderen haupt- oder ehrenamtlich betriebenen Institutionen am Ort. Die kulturellen, schulischen und sozialen Aktivitäten für Jugendliche müssen koordiniert erfolgen, damit die verschiedenen lokalen Einrichtungen nicht miteinander konkurrieren, sondern zum Nutzen der Jugendlichen miteinander kooperieren.

Hierzu nenne ich nur das Stichwort "Kooperative Zusammenarbeit im kulturellen, pädagogischen oder sozialen Netzwerk": Ideal wäre es, über die Mitarbeit sowohl im kulturellen wie auch im pädagogischen und sozialen Netzwerk einer Stadt bzw. Region die kulturelle Identität der Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, aber auch von sozialen Randgruppen, von Senioren u.a. in einer multikulturellen Gesellschaft herauszufiltern, um den Bedürfnissen der unterschiedlichen Zielgruppen adäquater entsprechen zu können.

Um professionelle Zusammenarbeit zwischen Bibliothekspersonal und Jugendlichen sicherzustellen ist es wichtig, dass die Bibliothek gute Kontakte pflegt zu sozialen Einrichtungen wie z.B. Arbeitsämtern, Sozialämtern, Justiz- und Aufsichtsbehörden. Ein örtliches Netzwerk muss her, in dem die Bibliothek mit verschiedenen Partnern zusammenarbeitet, gemeinsam den Bedarf beobachtet und strategische Planungen erstellt. Um Informationen über neue Trends und über die Entwicklung sozialer Probleme zu erhalten, sollten sich Hauptamtliche, Freiwillige, Eltern und Freunde der Bibliothek zu einem Netzwerk zusammenschließen. Auch das Bibliothekspersonal muss sich untereinander ebenfalls auf eine gemeinsame Arbeitsweise einigen.

Der Erfolg von Dienstleistungsangeboten ist vor allem davon abhängig, dass zufriedene Kunden anderen von der Qualität dieser Dienstleistungen berichten.

Fazit

Es ist erforderlich, sämtliche publikumsrelevanten Bereiche, Bestandsangebote wie Dienstleistungen, kontinuierlich auf ihre positive oder mögliche negative Außenwirkung hin zu überprüfen. Eine positive Außenwirkung kann gleichzeitig durch regelmäßige Presse- und Kontaktarbeit sowie durch mehrwerterzeugende Kooperationen erreicht werden: Alles, was dem Image der Bibliothek in der Öffentlichkeit förderlich ist, verbessert die Außenwirkung. Image und Außenwirkung sind zwei Seiten ein und derselben Medaille und befruchten sich gegenseitig. Fundraising, Sponsoring, Beteiligung Externer an bibliotheksbezogenen Fördervereinen und Freundeskreise steigern die Außenwirkung, so zeitaufwendig sie leider auch sind. Die Gewinnung von Förderern und Sponsoren schafft gewisse finanzielle Freiräume zur Unterstützung kreativer Programmarbeit und verbessert aufgrund der Kontaktaufnahme zu Firmen, Unternehmen und Persönlichkeiten ganz nebenbei auch das Image. Letztlich gilt: Das Bibliotheksmarketing-Konzept einer jeden Einrichtung muss Kommunikation und Kulturschaffen, Bildungsarbeit und Kooperation in einer vernetzten Struktur beinhalten.

"Programmarbeit" mit ihren diversen Veranstaltungsvariationen ist für mich ein Teil der überlebensnotwendigen "Imagepflege", beides sind Kernaufgaben einer Bibliothek, egal welcher Sparte. Inzwischen darf zur Imagepflege sogar mit eigentlich produktfremden Aktivitäten geworben werden, wie der Bundesgerichtshof kürzlich entschied.

"Imagepflege," so sagte einmal Werner Niefer, der einstige Vorstandsvorsitzende der Mercedes Benz AG, "ist keine Lackpflege, kein Aufpolieren von Oberflächenglanz, sondern eine Frage der Qualität der ganzen Konstruktion." Auch das ließe sich gut auf Bibliotheken übertragen.

Literaturhinweise

Handbuch Kulturmanagement: die Kunst, Kultur zu ermöglichen. - akt. Neuausg. - Düsseldorf: Raabe, 1998. - Lose-Blatt-Sammlung - ISBN 3-8183-0504-8 - Grundwerk: EUR 96,63
(umfassende, regelmäßig ergänzte und aktualisierte Lose-Blatt-Sammlung mit zahlreichen Handreichungen für die Praxis, Checklisten)

Handbuch Lesungen und Literaturveranstaltungen: Konzeption, Organisation, Öffentlichkeitsarbeit / Hrsg. von Peter Reifsteck. - 2., akt., überarb. und erw. Aufl. - Reutlingen, Reifsteck, 2000. - Lose-Blatt-Sammlung - ISBN 3-922473-20-2 - EUR 49,00
(praxisorientierte Handreichung zum Thema Literaturveranstaltungen, angefangen bei der konzeptionellen Arbeit über Organisation bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit und Werbung, mit Checklisten, Vordrucken, Adressen und Beispielen)

Die moderne Bibliothek: Ein Kompendium der Bibliotheksverwaltung / Hrsg. von Rudolf Frankenberger u. Klaus Haller. - München: Saur, 2004. - 459 S. - ISBN 3-598-11447-8 - Euro 58,00
darin enthalten u.a.: Claudia Lux, Hans Herbert Lemke, Rainer Diederichs, Ulla Wimmer: Öffentlichkeitsarbeit, S. 322-343.

Kulturelle Vielfalt: Konzepte und Erfolgsfaktoren multikultureller Bibliotheksarbeit / Jens Ingemann Larsen, Deborah L. Jacobs, Ton van Vlimmeren. - Gütersloh: Bertelsmann Stiftung, 2004. - 94 S.

Öffentlichkeitsarbeit und Werbung Öffentlicher Bibliotheken: Ein Arbeitshandbuch / Hrsg. von Martha Höhl. Berlin, 1982. - (dbi-Materialien; 14)
(Anregungen und Handreichungen zu Öffentlichkeits- und Programmarbeit, mit Checklisten, Vertragsmustern. Die Checklisten aus dem Handbuch sind im Internet zu finden unter: www.ib.hu-berlin.de/~kumlau/handreichungen/h34/ab50.html)

Richtlinien für die Bibliotheksarbeit mit Jugendlichen / IFLA Sektion Bibliotheksarbeit mit Kindern und Jugendlichen. - 7 S. (Weitere Informationen zur Arbeit der IFLA-Sektion Bibliotheken für Kinder und Jugendliche erhalten Sie von Prof. Susanne Krüger, HdM Stuttgart: E-Mail: kruegers@hdm-stuttgart.de)

Technischer Leitfaden zur Planung und Durchführung von Veranstaltungen an der Fachhochschule Esslingen - Hochschule für Technik/ Technische Abteilung der Fachhochschule Esslingen. - 2005. - 8 S.

Wieczorek, Kirsten: Hilfe! Veranstaltungsarbeit: ein Einstieg in die Programmarbeit. - Fachstelle Stuttgart 2002. - 17 S. (siehe auch unter: www.fachstellen.de)

Zehetmayer, Elisabeth: Literatur live!: ein Leitfaden für die Durchführung von Lesungen in Bibliotheken. - Salzburg: Österreichisches Bibliothekswerk, 2005. - 11 S.


Zum Autor

Jürgen Seefeldt ist Leiter der

Landesbüchereistelle Rheinland-Pfalz
Eltzerhofstraße 6a
D-56068 Koblenz
E-Mail: seefeldt@landesbuechereistelle.de