Einsatz von Recommendersystemen in Bibliotheken


1 Einleitung
2 Recommendersysteme
3 Anwendung in der Bibliothek
4 Weitere Entwicklungen
5 Resümee und Ausblick

von Uwe Dierolf und Michael Mönnich

1 Einleitung

"Recommendation" bedeutet Empfehlung, "Recommender" ist derjenige, der Empfehlungen gibt. Jeder, der einen Bekannten nach einem guten Lokal oder einer schnellen Stauumfahrung fragte, hat also schon einmal einen "Recommender" in Anspruch genommen.

Im Internet findet man zunehmend Systeme, die als Recommender funktionieren und vollautomatisch ohne die Einbeziehung von Menschen Empfehlungen aussprechen. Insbesondere bei Onlineshops werden oft Recommender eingesetzt. Ein bekanntes Beispiel sind die Empfehlungen bei Amazon.de (http://www.amazon.de): Fast jede Titelaufnahme enthält einen Link "Kunden, die Bücher von ... gekauft haben, haben auch Bücher dieser Autoren gekauft: ...". Auch persönliche Empfehlungen gibt es bei Amazon schon seit 1999: Besucht ein registrierter Kunde seine Amazon-Homepage, bekommt er in der Begrüßungszeile einen Hinweis auf maßgeschneiderte Buchtipps, die auf seinen bisherigen Käufen basieren.

Auch in Bibliotheken bieten sich vielfältige Einsatzmöglichkeiten für Recommender: Sie unterstützen nicht nur die Nutzer bei der Literaturrecherche sondern können auch den Bestandsaufbau und die Sacherschließung verbessern. Aus bibliothekarischer Sicht stellen sie eine spezielle Form von "bibliographic enrichment", also der Anreicherung von Katalogdaten dar.

Im Aufsatz werden zunächst die Grundlagen von automatisierten Recommendersystemen erläutert und dann die Einsatzmöglichkeiten in Bibliotheken vorgestellt.

2 Recommendersysteme

Recommendersysteme lassen sie sich in zwei Klassen einteilen, verhaltensbasierte und explizite Recommenderdienste.

2.1 Verhaltensbasierte Recommenderdienste

Verhaltensbasierte Recommenderdienste können eine auf statistischen Auswertungen basierende Kaufempfehlung aussprechen. Grundlage sind dabei immer Statistiken, die auf Nutzungsdaten basieren. Die Nutzungsdaten ergeben sich im Handel mit Waren aus Kaufvorgängen, im Internet aus den Klicks auf Links in Webseiten. Im Falle von Bibliotheken können es betrachtete Volltitel, Entleihungen oder sonstige Klicks auf Links im Bibliothekskatalog sein.

Aus der statistischen Auswertung dieser Daten werden dann automatisch Empfehlungen erzeugt. Bei Amazon führt dies dann zu Empfehlungen der Art "Kunden, die dieses Buch gekauft haben, haben auch diese Bücher gekauft". Übertragen auf einen Bibliotheksrecommender könnte der Satz lauten: "Kunden, die dieses Buch interessant fanden, fanden auch diese Bücher interessant."

Für einen verhaltensbasierten Recommenderdienst sind demzufolge folgende Faktoren relevant:

  1. Kunden
  2. Produkte
  3. Warenkörbe

Zur Generierung von Empfehlungen werden dabei die Produktpaare in Warenkörben von Kunden betrachtet. Für die Qualität des Recommders ist dabei von entscheidender Bedeutung die Fähigkeit, zufällig gemeinsam gekaufte Produktpaare sicher zu identifizieren, da die Empfehlungen nur auf den absichtlich erworbenen Produkten aufsetzen sollen. Das heißt, zufällig gemeinsam gekaufte Produkte dürfen nicht empfohlen werden, nicht zufällig zusammen gekaufte Produkte sollen empfohlen werden. Die Unterscheidung zwischen zufällig und absichtlich zusammen gekauften Produktpaaren trifft das Recommendersystem aufgrund von Statistiken. Entscheidend für die Qualität der erzeugten Empfehlungen sind die zugrunde liegenden statistischen Verfahren. Diese sind je nach Einsatzgebiet unterschiedlich, ihre Leistungsfähigkeit hängt davon ab, wie gut sie in der Lage sind, aus der großen Menge von Klicks die relevanten von den irrelevanten zu trennen.

Verhaltensbasierte Recommenderdienste benötigen eine möglichst große Anzahl von Transaktionen, da sonst die statistischen Daten nicht aussagekräftig sind. Das heißt, dass nur bei ausreichend stark frequentierten Systemen Recommender sinnvoll eingesetzt werden können. Für die meisten Kataloge von Universitätsbibliotheken sollte diese Voraussetzung erfüllt sein.

Ein weiteres Qualitätsmerkmal ist der mit dem jeweiligen Recommendersystem erzielbare Automatisierungsgrad: Es gibt Recommendersysteme, die der regelmäßigen manuellen Nachbearbeitung bzw. Pflege bedürfen. Im Handel ist dies teilweise erwünscht, um über die Verkaufsempfehlungen den Abverkauf zu steuern. Fällt dem Kunden dies jedoch auf, so führt dies zu einem Vertrauensverlust gegenüber den Empfehlungen. Der Betreiber ist also gut betraten, bei der Manipulation von Empfehlungen Zurückhaltung zu üben.

Grundlage des Karlsruher Recommendersystems bildet die auf Andrew Ehrenberg zurückgehende Repeat-Buying-Theorie1. Hierbei handelt es sich um eine beschreibende Theorie zum Konsumentenverhalten, die auf der Analyse von Warenkörben basiert. Dabei wird der "Logarithmic Series Distribution"-Algorithmus verwendet, der eine 100%ige Automatisierung mit einer hohen Präzision verbindet.

2.2 Explizite Recommenderdienste

Im Gegensatz zu verhaltensbasierten Recommendern handelt es sich hier um Ranking- und Reviewdienste, die nicht automatisch aus statistischen Daten generiert, sondern von Personen verfasst werden.

Eine Variante ist hier das Verfassen von klassischen Rezensionen. Auch hier ist das bekannteste Beispiel Amazon.de, wo man sie unter der Überschrift Online-Rezension und Kundenbewertung findet.

In einer anderen Variante von expliziten Empfehlungsdiensten werden die Nutzer explizit zur Güte eines Dokumentes befragt und bewerten es zum Beispiel auf einer numerischen Skala von sehr hilfreich (5) bis unbrauchbar (1). Zur Darstellung werden meist die gleiche Anzahl Sternchen verwendet.

Diese Information wird vom Rankingdienst akkumuliert und allen Nutzern zur Verfügung gestellt. Hierzu muss zunächst der Rankingdienst definiert werden (Definition der Skala, bewertete Produkte, Aggregation der Bewertungen).

Problematisch bei allen Arten expliziter Empfehlungen ist, da sie von Menschen verfasst werden, die Gefahr mangelnder Objektivität. Hierzu zählen aus mangelnder Motivation schlecht geschriebene Reviews, bewusst verfälschte (zu positive oder zu negative) Reviews oder auch die Verweigerung, überhaupt ein Review zu schreiben. Die erfolgreiche Etablierung expliziter Recommenderdienste erfordert daher vor allem die Entwicklung eines Anreiz- und Überwachungssystems, das einerseits zur Teilnahme motiviert, andererseits Missbrauch wie üble Nachrede und ähnliches unterbinden kann. Einen interessanten Überblick zu diesem Aspekt bietet der Spiegel Online-Artikel vom 29.08.05 "Anarchie im Feuilleton" (http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,371943,00.html,13.10.2005).

Im Bibliotheksumfeld können explizite Empfehlungen einen Mehrwert für den Katalog darstellen, indem sie den Benutzern hilfreiche, über die reine Titelaufnahme hinausgehende Informationen geben. Besonders interessant ist zudem die im universitären Umfeld gegebene Homogenität der Bibliotheksnutzer und die mögliche Authentifizierung über das Ausleihsystem der Bibliothek. Dies eröffnet die Möglichkeit, gruppenspezifische Empfehlungen auszusprechen ("von Studenten für Studenten", "von Dozenten für Seminarteilnehmer" usw.) und auch die Implementierung eines Anreizsystems für die Erstellung hochwertiger Rezensionen, zum Beispiel durch das Angebot von kostenlosen Expressfernleihen für besonders gut bewertete Rezensenten.

Das Anbieten eines Rezensionsdienstes kann wie die jüngste Vergangenheit gezeigt hat, rechtlich durchaus unangenehme Folgen haben. So wurde am 2.12.2005 vom Hamburger Landgericht eine einstweilige Verfügung gegen den Heise Zeitschriften Verlag bestätigt. Danach ist es dem zum Verlag gehörenden News-Dienst "heise online" verboten, Forenbeiträge ungeprüft zu verbreiten. Faktisch wird der Verlag gezwungen, jeden Beitrag vor seiner Einbringung im Forum auf einen Rechtsverstoß hin zu prüfen. Die Auswirkungen dieses Urteils sind kaum absehbar, da hiervon nicht nur Foren sondern auch alle anderen Web-Kommunikationsformen betroffen sind.

Weitere Infos unter http://www.heise.de/newsticker/meldung/print/66982

3 Anwendung in der Bibliothek

Recommendersysteme sind in verschiedenen Bereichen der Bibliothek einsetzbar: Ein verhaltensbasierter Recommenderdienst benötigt - wie gezeigt - stets statistische Daten. Im Bibliotheksumfeld fallen diese vor allem bei Katalogrecherchen und bei Ausleihvorgängen an. In Karlsruhe setzt das Recommendersystem seit 2002 auf den Katalog auf. Dieser Ansatz bietet den Vorteil, dass wesentlich mehr Daten anfallen und dass auch Präsenzbestände erfasst werden (zum Beispiel im Bibliothekssystem). Zudem entfällt der Aufwand der Anonymisierung, da die Katalogsitzungen ohnehin anonym sind.

Folgende Gegenüberstellung überträgt die Recommender-Theorie auf den Bibliothekskatalog:

  1. KundenOPAC-Benutzer
  2. ProdukteTitel
  3. Produktnummer Verbund-Identnummer oder ISBN/ISSN
  4. WarenkörbeIn einer OPAC-Sitzung betrachtete Titel.

Die Elimination des Zufalls erreicht man, indem die beim reinen Durchblättern von Trefferlisten erreichten Titel nicht berücksichtigt werden. Wünschenswert wäre eine Berücksichtigung der Relevanz eines Titels für den Benutzer. Hieraus ergäbe sich als Vorteil ein verbessertes Ranking bei den Empfehlungslisten. Als Maß für die Relevanz könnte man zum Beispiel die Betrachtungsdauer der Titelaufnahme verwenden oder erfassen, ob weitere Aktionen stattfanden (Ausleihvorgang, Dokumentlieferung, etc.).

3.1 Bibliothekskatalog als Basis für den Bibliotheksrecommender

Aus bibliothekarischer Sicht stellt das Recommendersystem eine spezielle Form von "bibliographic enrichment", also der Anreicherung von OPAC-Daten dar. Voraussetzung für den Recommendereinsatz ist ein leistungsfähiger und flexibler OPAC, in den sich das Recommendersystem nahtlos integrieren lässt.

3.1.1 XOPAC als technische Plattform des Uni-Katalogs Karlsruhe

Anfang 2005 wurde nach kurzer Entwicklungszeit die mehr als zehn Jahre alte technische Plattform OLIX der Universitätsbibliothek Karlsruhe durch den neuen XOPAC abgelöst. "XOPAC" steht für "eXtendable OPAC" und bringt die größte Verbesserung gegenüber dem alten System zum Ausdruck, nämlich die höhere Flexibilität und bessere Erweiterbarkeit.

Beim XOPAC handelt es sich technisch betrachtet um ein hybrides System, das die besten Technologien aus verschiedenen Welten einsetzt. Die Grundlage für die Suche bildet eine Volltext-Engine namens "Swish-E". Damit lassen sich Freitextsuchen à la Google realisieren. Zur Anzeige und sonstigen Verwaltung von Daten kommt die relationale Datenbank "PostgreSQL" zum Einsatz, Entwicklungssprache ist PHP, der Betrieb findet auf dem Betriebssystem Linux statt. Damit besteht die Basis des XOPACs vollständig aus Open Source Komponenten und konsequenterweise wird der XOPAC selbst derzeit auch unter eine Open Source Lizenz gestellt (http://www.xopac.de).

Die Vorteile des XOPAC sind neben seiner freien Verfügbarkeit, die Performance, die Flexibilität und Erweiterbarkeit. Außerdem ist der XOPAC sehr kostengünstig, da keine Lizenzgebühren für die Basiskomponenten anfallen. Das Web-Frontend des XOPAC wurde im Gegensatz zum alten OLIX-OPAC wesentlich kompakter und für den Benutzer übersichtlicher gestaltet.

Wichtigster Bestandteil ist das Freitextsuchfeld, was dem Wunsch der Benutzer nach einer Google-ähnlichen Suche gerecht wird. Eingaben in diesem Feld werden vom XOPAC analysiert, um zu entscheiden, ob eine Volltextsuche, eine feldbezogene, boolesche Suche oder eine Expertensuche durchzuführen ist. So erkennt der XOPAC z.B. auch eingegebene Signaturen, was für die Nutzung seitens Fachpersonal aus der Bibliothek sehr hilfreich ist.

Abbildung: Suchmaske des XOPAC

Die Auswertung der Logdaten zeigt, dass die meisten Suchanfragen nur das Freitextfeld nutzen. Dabei werden im Schnitt nur ein bis zwei Suchbegriffe vorgegeben. Diese Suchen lassen sich durch einfach zu benutzende Sucheinschränkungen nach inhaltlichen und formalen Kriterien noch weiter verfeinern. Die optionale phonetische Suche wird im Falle von 0 Treffern ebenso angeboten wie das Weiterleiten der Suchanfrage an den KVK oder den Karlsruher Gesamtkatalog, dem wichtigsten Rechercheinstrument des Bibliotheksportals Karlsruhe. Eine Wortstammsuche (für Deutsch und Englisch) ist ebenfalls möglich, wird derzeit den Nutzern jedoch noch nicht angeboten.

3.1.2 Integration des Recommenders im XOPAC

Ausgehend von einer Suche im XOPAC wird bei der Volltitelanzeige dynamisch ein Link auf die Empfehlungen angeboten. Dynamisch bedeutet, dass zur Laufzeit geprüft wird, ob überhaupt Empfehlungen vorliegen. Nur dann wird der Link erzeugt. Von diesem Link aus gelangt der Benutzer zur Empfehlungsliste. Für die Identifizierung der Titel dient die SWB-Identnummer, die auch im XOPAC als eindeutige Dokumentkennung Verwendung findet. Dadurch ist es möglich, auch andere Bibliothekskataloge im Bereich des SWB mit Empfehlungen zu versorgen.

Derzeit liegen ca. 500.000 Empfehlungslisten mit durchschnittlich zehn Empfehlungen vor. D.h. es existieren Empfehlungen für ca. 50% aller Titel im Uni-Katalog. Die Sortierung innerhalb der Empfehlungsliste erfolgt nach Güte, d.h. nach Anzahl der gemeinsamen Benutzungen. Der Dienst wird inzwischen intensiv genutzt, die Auswertung für 2005 zeigt, dass täglich rund 800 Anfragen stattfinden.

Abbildung: Empfehlungsliste

3.1.3 Praxis

Die Warenkörbe basieren auf den Daten Session-ID, OPAC-Kennung (die UB Karlsruhe hostet mehrere Kataloge), Titel-ID, ISBN, Uhrzeit.

Die Ermittlung der Warenkörbe fand bisher durch die Auswertung der Logfiles (access_log) des Apache Web-Server der UB statt. In einem zweiten Schritt wurden dann auf dem Server im Institut die Warenkörbe berechnet.

Derzeit wird dieses Verfahren auf Online-Logging im Moment der Volltitelanzeige umgestellt, so dass die Anfrage nach der Verfügbarkeit einer Empfehlung ("exist recommendation?") spezifische Logdaten online in eine Datenbank überträgt. Die Auswertung der Access_log-Files kann damit entfallen.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist, dass jeder OPAC sehr einfach diesen Recommenderdienst nutzen könnte, da keine Logdaten des Web-Servers mehr explizit zum Recommenderserver übertragen werden müssen. Das Online-Logging definiert eine einheitliche Schnittstelle zur Datenübergabe vom OPAC an das Recommendersystem.

Die Empfehlungen werden aus wiederholt gemeinsam betrachteten Volltiteln abgeleitet. Gemeinsam bedeutet dabei "innerhalb einer OPAC-Sitzung". Die Titel sind eindeutig identifizierbar z.B. anhand der Identnummer. Da im XOPAC der UB Karlsruhe die selben Identnummern verwendet werden wie in der Katalogisierungsdatenbank des SWB, sind auch katalogübergreifende Empfehlungen möglich. So finden sich zu Titeln der UB Karlsruhe auch Empfehlungen der Badischen Landesbibliothek, da auch diese das Recommendersystem nutzt.

Der Aufbau von guten Empfehlungen ist zeitintensiv. Im Falle von Karlsruhe mussten ca. 1/2 - 1 Jahr Logdaten ausgewertet werden, bis brauchbare Empfehlungen vorlagen. Die Aufbaudauer ist um so kürzer, je mehr Daten anfallen, das heißt je intensiver der Katalog benutzt wird.

4 Weitere Entwicklungen

Das Recommendersystem im XOPAC war das Ergebnis des Teilprojekts "Wissenschaftliche Bibliotheken in Informationsmärkten" des DFG-Schwerpunktprogramms "Verteilte Verarbeitung und Vermittlung digitaler Dokumente" (V3D2), welches an der Universität Karlsruhe vom 1.2.2002 - 31.1.2004 durchgeführt wurde. Projektpartner waren die Universitätsbibliothek Karlsruhe und das Institut für Informationswirtschaft und -management von Prof. Dr. Andreas Geyer-Schulz. Hier fand die Implementierung des Recommender-Servers statt. Die Bibliothek war für dessen Einbindung in den OPAC und die Lieferung des statistischen Datenmaterials verantwortlich.

Neben der oben beschriebenen Nutzung des Recommendersystems für Empfehlungen an die Benutzer des lokalen OPACs gibt es noch zahlreiche weitere Anwendungsfelder in Bibliotheken. Diese auszuloten ist der Gegenstand des im Juli 2004 begonnenen DFG-Projekts "Recommendersysteme für Meta-Bibliothekskataloge". Dieses Nachfolgeprojekt baut auf den Ergebnissen des ersten auf und umfasst die Arbeitspakete

  1. KVK-Recommender
  2. Expliziter Recommenderdienst
  3. Integration in den Benachrichtigungsdienst der UB
  4. Verbesserung des Bestandsmanagements
  5. Verbesserung der inhaltlichen Erschließung.

4.1 KVK-Recommender

Das Recommendersystem für Meta-Bibliothekskataloge ist das wichtigste Teilprojekt. Ziel ist es, die Erfahrungen des beim XOPAC eingesetzten Recommenders auf den Karlsruher Virtuellen Katalog (KVK) zu übertragen. Dabei sind verschiedene Teilprobleme zu lösen. Im Unterschied zum XOPAC, der mit einem eindeutigen Primärschlüssel arbeitet (der SWB-Identnummer) kann bei einem virtuellen Katalog wie dem KVK der gleiche Titel mehrfach in der (KVK-) Trefferliste vorkommen. Welchen dieser Volltitel der Benutzer betrachtet, hängt ganz allein von ihm ab. Ziel muss es sein, zu gleichen Titeln immer die gleiche Empfehlungsliste anzubieten. Zur Identifizierung gleicher Titel in verschiedenen Katalogen wird in Ermangelung eines "Global Identifier" zunächst die ISBN verwendet.

Da für die Volltitelanzeige das Zielsystem (zum Beispiel der Verbundkatalog) verantwortlich ist, tritt im KVK-Umfeld als weitere Fragestellung auf, wie der Empfehlungslink bei der Volltitelanzeige in KVK-Zielsystemen angeboten werden kann. Hierzu gibt es zwei Lösungsansätze:

Der "Wrapper"-Ansatz (d.h. der KVK zeigt den Volltitel an und kann somit eigene Bedienelemente platzieren), wie er zum Beispiel im Kontext des Projektes "Fernleih-KVK" verwendet wurde, musste wegen der hohen Komplexizität verworfen werden.

Die statt dessen präferierte Lösung setzt auf Kooperationsbereitschaft seitens der Katalogbetreiber und erfordert lediglich den Einsatz von Javascript. Im Gegenzug könnte für Kooperationspartner ein eigener Recommender-Service angeboten werden, das heißt die vom KVK-Recommender aufgebauten Empfehlungen könnten auch außerhalb des KVK-Kontexts, bei rein nativer Nutzung des OPACs des Katalogbetreibers angeboten werden. Diese Lösung kommt auch im XOPAC der UB Karlsruhe zum Einsatz.

4.2 Expliziter Recommenderdienst

Dieses Arbeitspaket hat die Entwicklung eines Reviewdienstes für den Katalog der UB Karlsruhe zum Ziel. Benutzer können explizit ihre Meinung zu Büchern äußern (Rezension) und dabei nach Nutzertypen (Student, Mitarbeiter, Professor) gruppiert werden. Es müssen dabei neben der technischen Realisierung auch Reviewrichtlinien zur Vermeidung von verfälschenden Reviews und übler Nachrede erarbeitet werden. Parallel dazu soll ein Rankingdienst implementiert werden, bei dem die Benutzer die Güte eines Titels auf der Skala "hilfreich - unbrauchbar" bewerten können.

Anfang 2006 wird dieser Dienst im XOPAC der UB Karlsruhe angeboten. Auch hier gelten muss die aktuelle Rechtsprechung (s.o.: Urteil gegen den Betrieb des öffentlichen Forums des Heise-Verlags) berücksichtigt werden.

4.3 Integration von Empfehlungen in den Benachrichtigungsdienst der UB

Die UB Karlsruhe verfügt schon seit Jahren über einen Benachrichtigungsdienst (http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/hylib-bin/alerting/alerting.cgi). Mit diesem Profildienst können sich registrierte Benutzer per E-Mail zum Beispiel über neue Literatur zu einem sie interessierenden Thema zyklisch informieren lassen, täglich, wöchentlich oder monatlich. Der Server des Benachrichtigungsdiensts gleicht dann aktuell ermittelte Ergebnisse mit früheren ab und präsentiert dem Benutzer per Mail nur die Neuigkeiten.

Die Idee im Kontext des Recommenders ist die Implementierung einer "Alert me"-Funktion auf den Empfehlungsseiten. Diese Funktion erstellt automatisch einen Recommender-Eintrag im Alerting Service der UB. Sollten sich Änderungen an der Empfehlungsliste eines für den Benutzer relevanten Buches ergeben, wird er darüber per E-Mail informiert.

4.4 Verbesserung des Bestandsmanagements

Langfristig zeichnet sich die Möglichkeit ab, durch den Einsatz von Recommendersystemen auch positive Effekte im internen Bibliotheksbetrieb zu erzielen. Denkbar ist zum Beispiel die Unterstützung beim Bestandaufbau, indem durch Auswertung der Empfehlungen des KVK-Recommender schnell verwandte Literatur zu bestimmten Themen ermittelt werden kann.

Auch der umgekehrte Ansatz ist möglich: Die Anzahl von Empfehlungen von Recommendern ist kongruent zur Anzahl von Nutzungen, das heißt je häufiger ein Titel abgerufen wird, desto mehr Empfehlungen sind zu finden. Titel ohne Empfehlungen sind demnach wenig genutzt. Zudem können systemübergreifende Empfehlungen generell als Auswahlhilfe bei Beschaffungsentscheidungen von den Fachreferenten genutzt werden.

4.5 Generierung von inhaltlichen Erschließungselementen

Als Ergänzung beziehungsweise Verbesserung der arbeitsaufwändigen und immanent fehlerträchtigen manuellen Erschließung können auf Basis von Empfehlungen zusätzliche Konnexionen zwischen Titeln erstellt werden: Statt die Klassifikation ausschließlich durch eine kleine Gruppe von Fachreferenten vorzunehmen, die eine explizite Zuordnung zwischen Büchern und den Kategorien eines Klassifikationssystems herstellen, ergibt sich diese Zuordnung von Büchern zueinander aus dem Suchverhalten der Benutzer kombiniert mit der Klassifikation der Bibliothekare. Je häufiger eine Menge an Büchern gemeinsam "konsumiert" wurde, desto höher ist der - abgeleitete - Zusammenhang zwischen den Mitgliedern dieser Menge.

Zu diesem Zweck werden die Bestände in Cluster eingeteilt, die gemeinsame Sacherschließungselemente aufweisen. Automatisch erzeugte Schlagworte könnten dann automatisiert den Datenlieferungen hinzugefügt werden. Erprobt wird dies am Beispiel der RSWK-Schlagworte im Katalog der Universitätsbibliothek Karlsruhe.

5 Resümee und Ausblick

Abschließend sollen nochmals die verschiedenen Vor- und Nachteile von Recommendersystemen gegenübergestellt werden.

5.1 Vorteile von Recommendersystemen

  1. Ihr Betrieb ist sehr kostengünstig, da es sich um ein maschinelles Verfahren handelt
  2. Sie bieten einen Mehrwert für Benutzer
  3. Es können neutrale Empfehlungen ausgesprochen werden
  4. Im Gegensatz zu einer Systematik veralten Empfehlungen nicht, sondern werden dynamisch angepasst
  5. Die Anzahl der Empfehlungen ist zugleich ein Maß für die Nutzung eines Titels
  6. Die Qualität der Empfehlungen steigt mit der Anzahl der Nutzung und Dokumenten
  7. Empfehlungen können medienneutral eingesetzt werden, das heißt es können auch zu Videos, Audiodaten, Zeitschriftenaufsätzen etc. Empfehlungen ausgesprochen werden
  8. Es handelt sich um ein einheitliches Verfahren für unterschiedliche Kataloge
  9. Empfehlungen bieten ein Rationalisierungspotential durch Verbesserung des Sortiments- und Bestandsmanagements und die automatische Erschließung.

5.2 Nachteile von Recommendersystemen

Obigen Vorteilen stehen nur wenige Nachteile gegenüber:

  1. Empfehlungen können nur bei (ausreichend häufiger) Nutzung ausgesprochen werden
  2. Empfehlungen sind nicht transparent
  3. Es entstehen je nach System mehr oder weniger große Lizenz- und Hardwarekosten.

5.3 Fazit

Recommendersysteme werden derzeit noch wenig im Bibliotheksumfeld eingesetzt. Dies wird sich in Zukunft mit Sicherheit ändern, da sie das Potenzial bieten, die in Bibliothekskatalogen gespeicherten Informationen kostengünstig anzureichern. Zudem können Recommender die Geschäftsabläufe in der Bibliothek unterstützen helfen. Dass dies ohne eine Investition manueller Arbeit weitgehend automatisiert geschehen kann, macht sie gerade auch für Bibliotheken attraktiv, die sich mit zunehmend knappen personellen Ressourcen konfrontiert sehen.


Zu den Autoren

Dipl.-Inform. Uwe Dierolf

E-Mail: dierolf@ubka.uni-karlsruhe.de

Dr. Michael Mönnich

E-Mail: moennich@ubka.uni-karlsruhe.de

Universitätsbibliothek Karlsruhe
Postfach 6920
D-76049 Karlsruhe


Anmerkung

1. Andrew S.C. Ehrenberg: Repeat-buying: facts, theory. Amsterdam: North-Holland 1972.